Zwei Dreierketten für die Premier League

Zwischen Insel-Allerlei und interessanten Ideen: Conte und Guardiola bringen am 8. Spieltag Leben in die Liga, welche von sich behauptet, die spannendste der Welt zu sein.

Back to the roots: Conte und die italienische Dreierkette

Die Grundforationen nach Leicesters Umstellung. Zuvor agierten Schlupp im 4-4-2 auf der jeweils gegenüberliegenden Seite. Musa startete ebenfalls weiter rechts.

Die Grundforationen nach Leicesters Umstellung. Zuvor agierten Schlupp im 4-4-2 auf der jeweils gegenüberliegenden Seite. Musa startete ebenfalls weiter rechts.

In der Vorbereitung setzte der unter dem Segen von Roman Abramowitsch an die Stamford Bridge geholte italienische Erfolgstrainer lange Zeit auf eine Ausrichtung im 4-4-2, die aufgrund der hohen Flügelspielerrollen von ihm selbst gerne als 4-2-4 bezeichnet wird. Gegen den Ball zeigten die Blues dabei bereits durch zumeist mannorientierte Zurückfallbewegungen Ansätze eines 5-4-1 oder klare Umformungen in ein 4-5-1. Mit dem Ball präsentierte Conte wiederum, wofür er etwas plakativ ganz im Sinne seiner italienischen Wurzeln steht: Abläufe > Strukturen. Zu Saisonbeginn begann sich diese Herangehensweise zugunsten von mehr Improvisation zu lockern. Ein gewisser Flügelfokus sowie Besetzungsprobleme im Zehnerraum blieben.

Am 7. Spieltag folgte gegen Hull City also der Wechsel zur erfolgreich bei der heimischen Nationalmannschaft gezeigten Dreierkette. Dieses Mal als asymmetrisches 3-4-2-1/3-4-3 mit Willian und Hazard als frei agierenden Akteuren hinter dem vielfältig zurückfallenden Costa, unterstützt von einer Doppelsechs aus Matic und Kante. Links auf dem Flügel verteidigte Neuzugang Marcos Alonso, rechts rückte überraschend der längst vergessene Victor Moses ins Team, während die Dreierkette aus Cahill, David Luiz und Azpilicueta bestand. In dieser Anordnung zeigte sich die Spielweise, den Spielertypen entsprechend, etwas asymmetrisch. Gegen den Ball gab es Tendenzen zu einer Viererkette mit Alonso und Azpilicueta als Außenverteidigern, während Moses eine Reihe davor blieb.

Gegen den amtierenden Meister aus Leicester blieb das Grundkonstrukt ein ähnliches, wurde jedoch alleine aufgrund der Abstinenz von Willian etwas anders interpretiert. Pedro rückte für ihn ins Team und wurde vermutlich erstmals während seiner Zeit in England recht passend als dynamischer Support- und Kombinationsspieler auf halbrechts eingesetzt, der gleichfalls Tiefenläufe starten konnte. Conte zeigte einmal mehr eine seiner herausragenden Eigenschaften: Die richtige Einbindung einzelner Spieler. Auch David Luiz kommt die Dreierkette beispielsweise in seiner eher wilden Art mit und ohne Ball entgegen.

Es lag nunmehr ein höherer Fokus auf Hazard, der sich von einer eher tiefen halblinken Position im Achterraum in alle möglichen Richtungen bewegen konnte. Die Aufbaustruktur gestaltete sich dabei zumeist als ein 3-1-2-4 mit Matic vor der leicht nach rechts verschobenen Dreierkette mit engerem Cahill. Die Wingbacks schoben weit, meist bis zur letzten Linie, hoch, während Kante in der Ausgangsposition höher als Matic agierte und sich gewohnt umtriebig zeigte. Insgesamt setzten die Blues dabei auf eine ruhige Ballzirkulation in der ersten Linie. Diese wurde dann beispielweise durch Andribbeln eines Spielers durchbrochen. Alternativ gab es verschiedene Muster, um per direkt gespieltem Pass das Zurückfallen Costas oder ein Anbieten von Pedro im Halbraum zu bedienen. Dabei zeigte sich insgesamt ein vergleichsweise hoher Fokus auf rechts, wo Hazard immer wieder mit überlud. Im Anschluss konnten auch hohe Diagonalbälle auf die gegenüberliegende Seite angebracht werden.

Die Spielweise passte insgesamt gut gegen ein im grauen Mittelmaß versinkendes Leicester, das zunächst im mannorientierten 4-4-2 auflief. Bereits hier ließen sich die Flügelspieler häufig weit mit nach hinten drücken, ehe gegen den Ball endgültig ein klares 5-4-1 gegen die 4 Spieler Chelseas in vorderster Front aufgeboten wurde. Hierzu ging Schlupp mit in die Verteidigung, während der zunächst als hängende Spitze agierende Musa seinerseits in Mittelfeld rückte. Vardy sollte zumeist als Einzelkämpfer nach Ballgewinnen gesucht und mit nachstoßenden Läufen unterstützt werden. Bei geordnetem Ballbesitz dominierte wiederum Drinkwater das Spiel – allerdings meist als Durchlaufstation bei der horizontalen Zirkulation von Flügel zu Flügel. In der flachen 2-4-4-Anordnung gab es bei eigenem Ballbesitz schliichtweg kaum Verbindungen.

Chelsea verteidigte dabei seinerseits im 5-4-1, das im höheren Pressing zum 5-2-3 werden konnte und sich ansonsten häufiger einmal in ein asymmetrisches 5-3-2 mit Pedro als rechtem Achter verwandelte, wenn Hazard auf einer Höhe mit Costa blieb. Die meiste Laufarbeit hatten dabei Matic und Kante zu verrichten, zumal die Flügelverteidigerrollen eher passiv angelegt waren und nur phasenweise eine aggressive Vorwärtsverteidigung vorgesehen war. Der Fokus lag merklich auf einer Grundstabilität auf den Flügeln und zum Strafraum hin.

Chelseas Aufbaustruktur

Chelseas Aufbaustruktur

Die Geschichte des Spiels sollte jedoch von einem anderen Umstand dominiert werden: Immer wieder ließ sich Leicester zu leicht von den nominellen Innen- und Außenverteidigerpositionen weglocken und auch die Sechser öffneten ein ums andere Mal Passwege. Kante zog beispielsweise einen von ihnen zur Seite, wodurch der Passweg von Azpilicueta zu Costa öffnete, der wiederum eine Ablage auf Pedro spielen konnte, während Hazard diagonal in die Spitze startete. Problematisch wurde es erst recht, wenn die nicht gerade beweglichen Huth und Morgan herausgelockt wurden, während ein Spieler Chelseas in den so geöffneten Raum vorstoßen konnte. Einmal vorne angelangt, besetze Chelsea konsequent die Räume im und um den Strafraum, auch Matic kam als Abfangjäger für zweite Bälle hinzu. Hinter ihm klaffte häufiger einmal eine Lücke, die jedoch vielmehr Kalkül als Makel war. Da es Leicester vornehmlich um ein direktes Spiel in die Tiefe ging, waren die Blues mit den hinten verbliebenen Spielern dagegen gut aufgestellt.

Auch bei den eigenen Standards nutzte Chelsea die Manndeckung der Foxes effektiv aus: Der Führungstreffer fiel, als sich 4 Spieler in einem Pulk zwischen Strafraumgrenze versammelten und eng gedeckt wurden. 3 von ihnen bewegten sich horizontal zum ersten Pfosten hin, während der wiedererstarkte Costa sich im Rücken Morgans zum zweiten Pfosten absetzte. In der Dynamik der Situation verlor sein eigentlicher Bewacher den Überblick, der Ball rutschte durch, Costa traf.

Auch eine passivere Phase nach der Halbzeit, in der weder Ballbesitzspiel noch Pressing allzu sauber vonstattengingen, überstand der Gastgeber durch kleinere Anpassungen (etwa aggressivere Wingback-Rollen) ohne größere Probleme.
Die nächsten Wochen werden zeigen, ob die neue Ausrichtung insgesamt vielversprechend bleibt oder ob Hull und Leicester lediglich dankbare Gegner dafür darstellten. Mit gegnerspezifischen Anpassungen kennt sich Conte jedenfalls allemal aus…

Back to the future: Guardiola und die “echte” Dreierkette

Die Grundformationen.

Die Grundformationen zu Beginn

Dreierketten sind auch Pep Guardiola bestens vertraut. Sowohl bei den Bayern als auch in Barcelona nutzte er bereits diverse Formationen, die darauf basieren. Es entbehrte jedoch nicht einem gewissen Charme, dass er ausgerechnet gegen seinen ehemaligen Kompagnon Koeman erstmals bei Manchester City darauf zurückgriff. Aus dem Spiel heraus bildeten sich auch schon zuvor häufig Staffelungen mit Dreierkette im Aufbau heraus. Die Besonderheit lag nunmehr darin, dass die Dreierkette auch gegen den Ball eine Dreierkette blieb. Bei Abstößen und langen Bällen konnte zwar Fernandinho von der Sechserposition aus zurückfallen und auch die Flügelspieler hielten sich bei der tieferen Verteidigung häufiger in der ersten Linie auf, doch dies waren eher Sonder- als Regelfälle. Keine pendelnde Viererkette, keine Fünferkette.

Wies der Twitter-Account der Citizens die Formation noch als 3-Raute-3 aus, so zeigte sich auf dem Feld tatsächlich doch zumeist eine 3-2-2-3/3-4-2-1-Anordnung. Clichy, Stones und Otamendi bildeten die Dreierkette, Gündogan und Fernandinho besetzten den Raum davor. Silva und De Bruyne bildeten eine Art Doppelzehn hinter Iheanacho. Sterling und Sané kamen über die Flügel.

Everton zeigte sich im 4-3-3/4-1-4-1 überraschend passiv und ließ sich früh zurückfallen, wobei immer wieder Mannorientierungen aufgenommen wurden. Die einzelnen Phasen höheren Pressings waren demgegenüber zu unkompakt, als dass sie City vor Probleme hätten stellen können. Man verließ sich weitestgehend auf eine vielbeinige und eng beisammenstehende Endverteidigung um die dahingehend starken Ashley Williams und Phil Jagielka. In Ballbesitz wurde das Leder zumeist kurz zwischen Innenverteidigern, Außenverteidigern und Stekelenburg zirkuliert, ehe entweder Lukaku mit hohen Zuspielen gesucht oder der Ball den Flügel entlang gespielt wurde. Die am häufigsten auftretende Passroute war folgerichtig jene zwischen Stekelenburg und Lukaku (11 Zuspiele).

Lediglich die Phase zu Beginn der zweiten Halbzeit gestaltete das Team aus Liverpool über Flügelangriffe mit Coleman, Bolasie und Deulofeu, unterstützt von Lukaku, etwas druckvoller. Ansonsten war ihre Vorstellung im Etihad kaum der Rede wert. Dies war insbesondere mit Blick auf vorherige, durchaus interessante Auftritte mit Pressigvarianten aus einer Fünferkette heraus sowie mit solider Ballzirkulation, ernüchternd.

Das Team von Guardiola versuchte insbesondere während der Anfangsphase vermehrt De Bruyne im rechten Halbraum zwischen den Linien zu finden und anschließend Sané auf Außen im 1 gegen 1 mit Oviedo zu isolieren. Auch ein direktes Anspiel war möglich. Hierzu besetzte der häufig in den Zehnerraum zurückfallende Iheanacho die Schnittstelle zwischen zwei Sechsern Evertons, de Bruyne blieb zwischen linkem Innen- und Außenverteidiger. Letzterer konnte so nicht auf Sané hinausgehen, ohne einen möglicherweise entscheidenden Raum zu öffnen. Tat er dies nach Anspiel auf den deutschen (U-)Nationalspieler doch, konnte de Bruyne im Halbraum durchlaufen und angespielt werden, wodurch wiederum der linke Innenverteidiger vor einem Balanceakt stand. Zu einer späteren Phase gab es dann auch situative Positionswechsel zwischen Sané und de Bruyne zu sehen.

Diese kamen auf links bereits früher vor, jedoch oft in anderer Art und Weise. Sterling bekam den Ball häufig schon etwas früher auf Außen als sein Pendant auf der anderen Seite. In höheren Zonen blieb er eher eingerückt, woraufhin Silva ihn im Halbraum hinterlief und kleinräumige Kombinationen anstoßen konnte. Gleichzeitig war das Ausweichen ein Mittel, um gegen die Mannorientierungen vorzugehen. Eine fast schon amüsante Szene ergab sich beispielsweise, als Clichy auf links andribbelte. Sterling und Silva bewegten sich in die Tiefe und zogen ihre Gegenspieler ein Stück weit mit. Als Clichy stehenblieb taten es ihm allesamt gleich, ehe sich Silva im Rücken löste, niemand ihn mehr verfolgte und er auf links den Ball erhielt. Derlei Abläufe gab es – typisch Guardiola – allerlei zu beobachten.

Vielfach spielte sich sein Team bei typischen 72% Ballbesitz am und im gegnerischen Strafraum fest und sorgte vor allem mit flachen Hereingaben für Gefahr, wenngleich die letzte Durchschlagskraft fehlte. Alleine die hohe Präsenz brachte jedoch ausreichend Chancen und zwei Elfmeter ein, die jedoch beide verschossen wurden. Zur Dominanz trug gleichzeitig das hervorragende Gegenpressing bei. Hier taten sich insbesondere Gündogan und Fernandinho hervor. Aber auch die Halbverteidiger rückten oft mit guter Antizipation heraus. Eines der wenigen Male, bei denen Otamendi zu weit und unbalanciert vorrückte, führte jedoch sogleich zum zwischenzeitlichen Führungstreffer von Everton. Der vor der Saison von den Toffees gekommene Stones ließ sich ebenfalls herausziehen, Lukaku behielt mit Dynamikvorteil im 1 gegen 1 mit Clichy und schließlich gegen Bravo die Oberhand.

Pressingmechanismus mit Rautenbildung. Lenken nach Außen, Ball nach Innen wird angeboten. Darauf reagiert Everton lieber mit einem langen Schlag.

Pressingmechanismus mit Rautenbildung. Lenken nach Außen, Ball nach Innen wird angeboten. Darauf reagiert Everton lieber mit einem langen Schlag.

Auch im geordneten Pressing gab es häufiger einmal Gleichzahlsituationen in Citys Verteidigungsreihe, die jedoch bewusst in Kauf genommen wurden und durch den hohen Druck weiter vorne kaum zum Tragen kommen konnten. Schon die Innenverteidiger wurden früh angelaufen und nach Außen gelenkt. Hierzu rückten de Bruyne und vor allem Silva nach vorne neben Iheanacho und einen der Flügelspieler, wodurch in der Folge tatsächlich Staffelungen im 3-Raute-3 entstanden. Der Ball wurde in der Regel frühzeitig erobert, bei Überspielen zog sich das Team schnell zusammen und wirkte insgesamt trotz nominell riskanter Ausrichtung stabil.

Im Laufe des Spiels sollte dies grundsätzlich ähnlich bleiben, während sich mit Ball fortwährend kleinere Änderungen ergaben. Die Halbverteidiger dribbelten des Öfteren an und besetzten in der Folge in 2-3-5-haften Staffelungen den Raum neben Gündogan und Fernandinho. Einer von diesen konnte wiederum hoch mit nachstoßen und sich ins Kombinationsspiel einschalten. Zunächst tauschten dann Silva und de Bruyne die Seiten und erhöhten ihre Präsenz im Zehnerraum, wo sie immer wieder umherkreuzten, ehe Sané und Sterling es ihnen gleichtaten.

In der 2. Halbzeit wurde Gündogan schließlich fortwährend offensiver, zudem wurde vermehrt das vertikale Spiel im Halbraum fokussiert. Nach der Einwechslung von Agüero, der eher nach rechts auswich, fand sich der ehemalige Dortmunder zudem immer häufiger im Zehnerraum wieder. Durch die Einwechslung Nolitos für Sané ergab sich am Ende dann endgültig eine 3-1-4-2-hafte Anordnung, bei der gerade die Position des linken Flügelspielers wechselnd von mehreren Spielern besetzt werden konnte. Zum Ausgleich reichte es am Ende so noch. Für mehr aber nicht.

Dennoch scheint Manchester City nach den Problemen gegen Tottenhams hohes Pressing am vergangenen Spieltag, wieder in der Spur zu sein. Der Spielstil wirkt zunehmend reifer. Wer Meister werden will, muss sich mit den Citizens messen.

Positionsbesetzung und Bewegungen in der Schlussphase

Positionsbesetzung und Bewegungen in der Schlussphase

Back to the top? Arsenal und der Rest

Die Amerikaner mögen zwar auf dem Mond gewesen sein, aber in der Premier League haben sie sich noch nicht bewiesen. Bob Bradley schickt sich mit Swansea an, eben dies zu ändern. Gegen das nun punktgleich mit Manchester City dastehende Arsenal startete die Mission allerdings mit einer 3:2-Niederlage. Die Mannen von Arsène Wenger zeigten sich dabei etwas verbessert, wenngleich grundsätzliche Unsauberkeiten, wie jüngst von Tom Payne für den „Ringer“ beschrieben, bleiben.

Interessant nehmen sich vor allem Linksüberladungen unter Beteiligung von Cazorla, Özil und dem jungen Iwobi heraus. Die Abstimmung funktioniert gerade bei den letztgenannten schon recht gut, sodass sich verschiedene Rochaden und Positionswechsel ergeben, auch im Zusammenspiel mit Sanchez und Monreal. Iwobi findet sich mitunter gar als linker Achter innerhalb von Rautenstaffelungen wieder. Weiterhin ist Arsenal bemüht, den Zwischenlinienraum zu besetzen und im Anschluss eine hohe Offensivpräsenz zu erzeugen. Diese ist insgesamt aber etwas unausgewogen, zumal es allzu häufig Xhaka ist, der Staffelungen gemeinsam mit den immer wieder ballfern einrückenden Außenverteidigern balancieren muss. Wahrlich keine ideale Aufgabe für den Schweizer.

In Umschaltsituationen sowie beim geordneten Spiel gegen den Ball sind vielmehr Koscielny und Mustafi von herausragender Bedeutung. Beide haben Stärken im Verteidigen nach vorne und glänzen dort in gleichem Maße mit Schnelligkeit und Timing. Auch eher unkompakte Situationen mit großem Zwischenlinienraum vor der Kette lassen sich so häufig effektiv lösen und etwaige Schwächen fallen weniger ins Gewicht.

Leon Britton und der aus dem Sturmzentrum zurückfallende Sigurdsson konnten diese mitunter aufzeigen, Ki brachte nach seiner Einwechslung einen ruhigeren Spielrhythmus mit aufs Feld. Trotz Überzahl in der Schlussphase war Swanseas Auftritt jedoch gerade im Pressing keineswegs gut genug, um Arsenal ernsthaft zu gefährden. Gegen passive, wenig kompakte und individuell unterlegene Gegner punkten die Gunners souverän. Ob es demnächst für größere Schritte reicht, bleibt fraglich – wie allzu oft bei Wenger.

Derlei große Schritte hat Tottenham unter Pocchetino bereits ein ums andere Mal vollführen können. Die logische Fortführung kann mittelfristig nur ein Titelgewinn sein. Hierfür setzt der Argentinier weiterhin auf aggressives, eher mannorientiertes Pressing, welches den meisten Teams bereits genug zu schaffen macht. Gegen West Bromwich Albion unter Langball-Ikone Tony Pulis reichte es zwar nur zu einem 1:1, doch unabhängig vom Ergebnis sind stetige Weiterentwicklungen im ohnehin überdurchschnittlichen Ballbesitzspiel zu verzeichnen.

Anstelle des dauerhaft abkippenden Dier (O-Ton MR: „Holz-Busquets“) hat sich Victor Wanyama auf der Sechserposition festgespielt. Alli und Eriksen agieren halblinks beziehungsweise halbrechts von ihm im Zentrum. Gegen West Brom blieb häufig einer der Außenverteidiger tiefer, um eine Aufbaudreierkette zu erzeugen. Alderweireld dribbelte aus dieser vermehrt an. Vielerlei Abläufe erinnern davor bereits an das konzeptionelle Positionsspiel. Je nach Mitspielerbewegung blieb beispielweise Rechtsverteidiger Walker tief, rückte neben Wanyama ins Zentrum oder gab höher Breite. Alli und Lamela rochierten des Öfteren, während Janssen nach links auswich und wiederum neue Bewegungen anregte.

Beim allgemein hoch bewerteten, aber gewissermaßen doch unterschätzten Eriksen, laufen schließlich alle Fäden zusammen. Auch gegen ein ordentliches Angriffspressing bauen die Spurs das Spiel souverän auf. Daran, diese Souveränität bis in den gegnerischen Strafraum beizubehalten, wird in den nächsten Wochen und Monaten sicherlich vermehrt gearbeitet werden.

Aus dem Westen dieses Mal zunächst wenig Neues: Liverpool bleibt auf dem Weg zu Kloppool. Manchester United merkt langsam, was es bedeutet, von José Mourinho trainiert zu werden. Ein Ausflug zu den „Big Six“ lohnt sich in dieser Spielzeit, so oder so, schon deutlich mehr als noch in den vergangenen Jahren. Das ist kein großes Kunststück, aber immerhin ein Anfang.

Koom 24. Oktober 2016 um 14:47

Nachdem Conte scheinbar irgendwie eine Art Fußball-Midas ist: Wie wäre es mit einem aktuellem Porträt zu ihm? Macht der irgendwas spannendes?

Antworten

Ph2 24. Oktober 2016 um 21:37

In seiner Autobiographie schreibt der große Schriftsteller Andrea Pirlo ein bisschen was zu Contes Stil und Persönlichkeit, aber auch zur Trainingsmethode, 11 vs 0 zu spielen.

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Koom 25. Oktober 2016 um 10:08

Wtf?

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CHR4 26. Oktober 2016 um 03:37

bezieht sich das „Wtf?“ auf die Biographie oder das 11 vs. 0?

Antworten

Koom 26. Oktober 2016 um 09:23

Letzteres. Andrea Pirlo als Schriftsteller zu bezeichnen finde ich ok. 😉

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ES 26. Oktober 2016 um 19:16

Nobelpreis?

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CHR4 27. Oktober 2016 um 01:04

zu 11 vs 0 könnte ich was beitragen … – aber ich bin gerade zu müde, um die Ironie richtig einzuschätzen … 🙁 – und umsonst möchte ich mir die Mühe dann auch nicht machen …

Antworten

Koom 27. Oktober 2016 um 11:11

Schreib – wenn du wach genug dafür bist – ruhig was zu 11 vs. 0. Mich würde es interessieren. 🙂

Ph2 27. Oktober 2016 um 11:46

„Auf dem Platz in Vinovo, wo wir trainierten, gewannen wir ständig, aus dem einfachen Grund, weil wir gegen niemanden spielten. […] Er ließ uns zu elft gegen niemanden spielen und zwang uns, 45 Min. ständig die gleichen Spielzüge zu wiederholen, bis zum Erbrechen, so lange, bis er fand, dass sie nun klappten.“

„Seine Allergie gegen Fehler ist wirklich ausgeprägt. Sie bereiten ihm körperliche Schmerzen. Dennoch bete ich jeden Tagb darum, dass sich gegen dieses Übel nie ein Heilmittel finden möge. […]
Er lebt mit einer inneren Qual, die keinen Anfang und kein Ende kennt,“

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Koom 27. Oktober 2016 um 13:58

Finde ich gut. Als WOW-Raidleiter *hust* habe ich sowas auch gemacht. Es hilft, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren und jegliche Ablenkung mal rauszunehmen, um simple Abläufe einzustudieren. Und Fußball ist eben ein Mannschaftssport, wo einer allein nichts ist.

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Schorsch 27. Oktober 2016 um 14:03

Arrigo Sacchi hat im Training sogar 11 vs 0 ohne Ball spielen lassen…

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CHR4 27. Oktober 2016 um 22:39

dem muss ich dann auch kaum noch was hinzufügen 🙂 … Automatisieren (also Verlagerug von Abläufen in tiefere Bewußtseins-Ebenen) und Konzentration aufs Wesentliche ohne Ablenkung trifft es genau – auch das „ohne Ball“ gibt es ja auch in anderen Ball- und Rückschlagsportarten – wenn der Ball und/oder Gegner im Spiel sind konzentriere ich mich sehr stark darauf, will ich aber den Fokus mehr auf die eigene Positionierung/Körper und die Mitspieler legen, macht es durchaus Sinn Ball und/oder Gegner wegzulassen
für mich wäre z.B. da in etwa folgende Reihenfolge zum Einstudieren sinnvoll:
– taktische Besprechung des Spielzugs + Visualisierung
– 11 vs. 0 ohne Ball
– 11 vs. 0 mit Ball
– 11 vs. 11
– Testspiel
– Wettkampfeinsatz in weniger wichtigem Spiel
-> Verfügbarkeit unter Druck in entscheidenden Spielen/Momenten

Koom 28. Oktober 2016 um 10:29

Mal noch nachtragend:
Auch aus meiner Erfahrung: Da muss die Autorität stimmen. Aber man lernt auch viel über die Spieler, die eine so auf dem ersten Blick „blöde“ Übung mitmachen. Man findet Stinkstiefel u.ä. dann relativ schnell raus, kann in der Teambildung auch viel helfen.

Schorsch 29. Oktober 2016 um 00:14

@CHR4

Der Klassiker. Von der Theorie zur Praxis. Oder auch : Die schrittweise Überzeugungsarbeit. Was ich nicht intellektuell erfasst und praktisch erlernt und dann erfolgreich angewandt habe, werde ich nie überzeugt und somit auch mit Leidenschaft und Hingabe anwenden können. Getreu dem Erfahrungswert: Wenn ich etwas etwas automatisiert habe, dann werde ich Erfolg nicht verhindern können. Wende ich es dann noch aus voller Überzeugung an, werde ich überdurchschnittlich erfolgreich sein.

Arrigo Sacchi hat so nicht nur seine jungen, noch sehr formbaren Spieler überzeugt. Sondern auch seine gestandenen Weltklassespieler, die seinen Ideen sehr skeptisch gegenüberstanden.

Im Grunde hat es jeder große Trainer so gemacht, macht es heute und wird es in Zukunft ebenso machen. Wobei der Weg alleine nicht den Erfolg ausmacht. Es müssen schon noch so einige Fähigkeiten und Fertigkeiten des Trainers hinzukommen. Deshalb gefällt mir der Begriff ‚Fußballlehrer‘ so gut… 😉

@Koom

Der so oft beschriebene ‚Charakter‘. In der Theorie oft nicht oder nur wenig beachteter (mitunter nur mit einem müden Lächeln bedachter) Faktor, in der Praxis allerdings eminent wichtiger Faktor im Mannschaftssport. Nicht umsonst legen nicht wenige Clubverantwortliche und Trainer so viel Wert darauf, dass die ‚Charaktereigenschaften‘ bei den Neuverpflichtungen stimmen. Für viele ist es eine an Lächerlichkeit grenzende Anekdote, wie z.B. Otto Rehhagel seine Beate bei Gesprächen mit Kandidaten hinzugezogen hat. Aber die Spielerauswahl
war ein entscheidender Faktor für den langjährigen Erfolg Rehhagels bei Werder. Und bei dieser Auswahl spielen halt nicht nur rein sportliche Gesichtspunkte eine Rolle. Klopp hätte weder bei Mainz, und erst recht nicht beim BVB diesen außergewöhnlichen Erfolg haben können, wenn neben dem rein sportlichen Anforderungsprofil nicht auch dem ‚charakterlichen‘ so viel Wert zugemessen worden wäre.

CHR4 1. November 2016 um 03:36

die Autorität (man könnte auch sagen und das gefällt mir besser: Vertrauen der Spieler in den Trainer) kommt dann, wenn die Spieler merken, dass diese Sachen nicht ohne Grund passieren – wenn man erklären kann, warum das sinnvol ist, gibt es da nach meiner Erfahrung in den seltensten Fällen Probleme – wenn man allerdings selbst nicht weiß, warum gerade diese Übung und gerade jetzt Sinn macht, sollte man sich als Trainer mal selbst hinterfragen … (soll ja genug Trainer geben, die irgenwo versuchen sich was abzuschauen und das dann ohne Sinn und aus dem Zusammenhang raus anweden, weil es „in“ ist, weil es ne „coole“ Übung ist usw. )

auch bei Klinsmann gab es z.B. 2005/2006 in der N11 bei den auf den ersten Blick blöden (besser neuen, noch besser im Fußball (?) neuen) Fitness-Übungen, erstmal viel Hohn und Spott von diversen Seiten – in vielen anderen Sportarten hat man da sinngemäß gesagt: „Oh, schau mal! – die Fußballer machen endlich mal sinnvolle Fitness-Übungen, ok ist eigentlich nix besonderes, wir machen das alle ja schon lange, aber das die wirklich mal aus ihrem Quark kommen …)

@ Schorsch: das mit Rehhagels Frau kannte ich noch nicht (Danke! 🙂 ) – macht aber durchaus Sinn, denn Frauen haben meiner Erfahrung nach durchschnittlich mehr emotionale Intelligenz und Empathie. Kann mich selbst sehr gut daran erinnern, wie mir die Empathie gerade zu Beginn der Trainer-Laufbahn oft fehlte und sowas lernt man kaum auf Trainer-Lehrgängen (in den zu wenigen Stunden mit Sportpsychologen ein wenig …)

ich hatte früher mal ne Freundin, die konnte mir bei potenziellen neuen Pärchen, genau sagen, OB die zusammen kommen und wie weit das schon fortgeschritten ist (ohne Tratsch, nur vom Zuschauen, wie die in der Öffentlichkeit körperlich interagieren) – ich hatte damals gar keinen Blick für und sie wußte es oft, bevor es den beiden betreffenden Personen bewußt war 😀

passend dazu noch:
ein Coach aus dem Tennis achtet beim Nachwuchs z.B. darauf, wie der mit seiner Mutter (Eltern) umgeht – denn bereits hier zeigt isch sehr deutlich, wie es um den Respekt und die Einstellung den anderen gegenüber bestellt ist …


oh_snap 21. Oktober 2016 um 12:24

Schade, wieder einmal Wenger-Bashing und Tottenham-Hype. Dabei spielt Arsenal diese Saison wirklich zum Zungeschnalzen und wäre meiner Meinung nach mal eine Analyse wert. Zu Tottenham und City kann man überall lesen, bei Arsenal hab ich gerade das Gefühl, dass Wenger es schafft, sich noch mal neu zu erfinden (s. auch Özils „neue“ Rolle).

Antworten

Bernhard 18. Oktober 2016 um 14:07

Kommt von dir in Zukunft öfter was zur PL?
Feiner Artikel.

Antworten

ES 18. Oktober 2016 um 15:49

Dankeschön.
Das kann ich aktuell nicht wirklich beantworten. Habe ja schon das ein oder andere Spiel aus England analysiert in dieser Saison.
Hängt ein bisschen von den Entwicklungen ab. Gibt aber einige interessante Teams in dieser Saison.

Antworten

Bernhard 18. Oktober 2016 um 16:13

Ergo werden wir mehr von Manchester City und Tottenham zu lesen bekommen. Leiwand!

Antworten

Miles 18. Oktober 2016 um 11:03

Danke für den Artikel. Das ist ein tolles Format und lässt sich gut lesen, auch wenn man nicht regelmäßig Premierleague schaut.

Antworten

Dr. Acula 18. Oktober 2016 um 07:03

interessant, dass er bei uns immer asymetrische oder sonstige verrückten dreierketten benutze, aber bei city direkt nach paar wochen ne echte 3er kette auspackt. bei uns hat er das ja auch mal probiert, da wurde dante aber nach 30min ausgewechselt und das experiment ne zeit aufs eis gelegt. war aber eine ansprechende leistung von city. meiner meinung nach war das auch ein hinweis, dass er es gegen barca wieder mit einer 3er kette mit mannorientierungen gegen MSN versuchen könnte.

Antworten

tobit 18. Oktober 2016 um 11:51

Diese Asymmetrien waren bei den Bayern notwendig, da er die Qualitäten der ersten Linie gegen das Deutschland-typische meist aggressive Pressing auf höchstem Niveau brauchte um überhaupt den Ball vorwärts zu bekommen.
Echte 3er-Ketten gab es auch bei Bayern oft zu sehen, nur war dann die Einbindung von Alaba z.B. sehr offensiv und die Spieler jeweils auch in der Lage individuell solche komplexen Rollen auszufüllen, während ich Clichy keine Alaba-Rolle zutrauen würde, da er kognitiv (=> Thema Spielintelligenz) schlicht nicht in der Lage wäre so konstant Lösungen in erstmal ungewohnten Räumen und Staffelungen zu finden.

In England hat er sofort Punkte gegen das erste Team mit existentem Pressing gelassen, kann (und muss s.o.) aber ansonsten in der ersten Linie symmetrischer spielen lassen, da die perfekte Einbindung der Verteidiger wegen des fehlenden gegnerischen Pressings weniger wichtig, dafür aber die Einbindung seiner drei Mittelfeld-Asse (davon hatte er bei Bayern genau eins, das er sich auch noch explizit wünschen musste) und der Dribbelstürmer umso erfolgversprechender ist.

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talisker 18. Oktober 2016 um 12:39

gegen gut pressende Teams hat er auch mit den Bayern immer Probleme gehabt. Die Lösung hatte Pep erst letzte Saison gefunden, als das Pressing der Gegner auf Alonso gelenkt wurde, der Ball dann zügig zu Boateng zurückgegeben wurde und dessen „Laser-Pässe“ (copyright by spielverlagerung.de) den freien Stürmer fanden. Letztlich verhinderte die Verletzung Boatengs den Triumph in der CL – gegen Bayern MIT Boateng war auch Atletico chancenlos.
Und Pep hat bei ManCity eben weder einen Boateng noch so pressingresistente Spieler wie bei Barca, daher wird man City mit gutem Pressing sicher noch einen ganze Weile wehtun können. Ein Duell gegen Leverkusen in der CL wäre spannend.

Antworten

HUKL 22. Oktober 2016 um 14:25

@tobit,

schon seit längerer Zeit verfolge ich mit Hochachtung Deine sprachlich auf hohem Niveau formulierten „besessenen“ Hinweise und Berichtigungen für andere Diskutierende zu den unterschiedlichsten Themen. Da anzunehmen ist, dass man das nur als Inhaber eines Trainerscheines machen kann, solltest Du Dich unbedingt für eine der durch die jeweiligen Tabellenstände automatisch mit Sicherheit freiwerdenden Trainerstellen in den verschiedenen Ligen bewerben!
In Deinen Kommentaren geht es meistens immer nur um die Arten von „Pressing“- und „Ketten“-Varianten, sodass man ständig zuerst annehmen muss, Berichte aus den Kreißsälen verschiedener Krankenhäuser, statt vom Abwehrverhalten bestimmter Fußballvereine zu lesen……

Übrigens, wenn ich häufig auf das (absichtliche?) Vermeiden der 5-er Position hinweise, ist nicht die (vorhandene) Ziffer auf dem Dress entsprechender Spieler gemeint, sondern die Position, die diese – wie auch die anderen genannten Akteure – auf dem Platz genauso ausfüllen!

Antworten

tobit 22. Oktober 2016 um 19:53

Einen Trainerschein habe ich nicht, aber ich schätze meinen Blick für Strukturen mittlerweile als ganz gut ein, daher schreibe ich dazu einiges.
Alle meine Beiträge stellen meine Sicht der Dinge dar und sollten nicht als Berichtigungen mit höherem Gültigkeitsanspruch als andere Beiträge aufgefasst werden.

Dass du die Position meinst ist mir schon klar, warum dich gerade das Fehlen des „Fünfers“ und nicht z.B. des „Dreiers“ oder „Siebeners“ stört, ist mir bisher noch nicht klar geworden. Abgesehen von 6/8/10 für zentrale Mittelfeldspieler und 9 für Stürmer hat sich doch keine der Nummern als Positions- bzw. Rollenbezeichnung durchgesetzt.

Antworten

JAH 22. Oktober 2016 um 20:17

Die #1 für den Torwart und den FC Bayern. 🙂

Antworten

ES 22. Oktober 2016 um 23:01

Wahrscheinlich ist das eine Frage des wahrgenommenen dominanten Spielstils. Und ob eine andere bequeme Bezeichnungen vorliegt oder nicht. Der 6er als die Rolle, die auch so in der Öffentlichkeit verstanden wird, ist zumindest in Deutschland erst in der Post-Libero-Ära entstanden. Durch das Fehlen des Liberos hatte die Position vor der Abwehr an Bedeutung gewonnen. In den 80ern und frühen 90ern kannte man den 6er so nicht. Für den 5er gab es die Bezeichnung Libero, der 4er war der Vorstopper, und in Zeiten symmetrischer Viererketten, kam die moderne Bezeichnung Innenverteidiger. Wenn Dreierketten populärer werden, wird man vielleicht wieder den 5er entdecken für die mittlere Position.

7er und 11er hat man eher als Rchtsaussen bzw. Linksaußen bezeichnet.

Ich kann da nach wie vor nicht aus meiner Haut: Bei meinen AH-Spielen will ich das richtige Trikot für die Position. Wenn ich linker Verteidiger spiele, will ich die 3, als linker Offensiver die 11 und wenn ich 6er spielen soll, dann will ich auch das verdammte Trikot mit der 6.

(Bin übrigens der andere ES)

Schorsch 23. Oktober 2016 um 11:16

@ES

Dass man den 6er in früheren Fußballjahrzehnten in Deutschland so nicht kannte oder ihr kaum Bedeutung beimaß, kann ich jetzt nicht bestätigen aus meiner aktiven Zeit als Spieler. Wobei ich nicht die ‚Alten Herren‘ meine… ;-).

Es stimmt schon, dass man nicht vom ‚defensiven Mittelfeldspieler‘ sprach und vom Rollenverständnis eines ‚Modernern Sechsers‘ war man Lichtjahre entfernt. Positionsbezeichnungen im Fußball ändern sich halt mit den Systemen und den Rollenänderungen. Aber die Nr. 6 war schon in der Regel demjenigen Spieler vorbehalten, der den zentralen Raum vor der Abwehr beackerte. Die Nummer stammt aus dem früheren System mit ‚Läufern‘; während der ‚Rechte Läufer‘ sich in den Nachfolgesystemen eher zentral offensiv wiederfand, entwickelte sich der ‚Linke Läufer‘ zum defensiven Mittelfeldspieler. Dessen Aufgabe bestand entweder in der ‚Sonderbewachung‘ des gegnerischen Spielmachers oder in der Attackierung ballführender Angreifer beim Eindringen in die eigene Vereidigungszone bzw. kurz davor. ‚Bulle‘ Weber vom EffZeh, der sonst zumeist als Linker Verteidiger eingesetzt wurde, spielte diese Rolle schon des öfteren in den 60ern und ‚Bulle‘ Roth (der auch die Rückennummer 6 trug, zumindest in den meisten Spielzeiten) von den Bayern war ein Prototyp dieser 6. Spielertypen wie Herbert Büssers vom MSV Duisburg, die auch auf dieser Position spielten (und ihren eigenen Spielmachern u.a. ‚den Rücken freihalten‘ sollten) wurden dann in den späten 70ern gerne als ‚Prellbock‘ oder ‚Abfangjäger‘ vor der Abwehr bezeichnet. Keine Position/Rolle, die im Fokus der meisten Betrachter des Spiels stand und daher auch nicht die Wahrnehmung in der ‚Fußballöffentlichkeit‘ hatte, aber für die Mannschaft enorm wichtig und von den Trainern hochgeschätzt.

Bei der EM 96, bei der Berti Vogts mit dem seinerzeit in Deutschland noch weitgehend üblichen System mit einem Libero und zwei Manndeckern spielen ließ, nahm Dieter Eilts diese Position ein und bei der WM 90 Guido Buchwald. Beide hatten einen wesentlichen Anteil an den Titelgewinnen.

ES 23. Oktober 2016 um 14:40

Stimmt alles. Nur ein paar Anmerkungen:
1) Bin in den 70ern fußballerisch sozialisiert worden. Da sprach keiner mehr von Laüfern, nur die Älteren. Für uns gab es Abwehrspieler, Mittelfeldspieler und Stürmer. Und an besonderen Positionen den Torwart, den Vorstopper, den Libero, den Spielmacher (oder 10er), den Rechts- und Linksaußen und den Mittelstürmer. Punkt. Der Mirttelfeldspieler, der nicht Spielmacher war, hatte keine besondere Bezeichnung, auch nicht als Nummer. Manchmal wurde respektvoll vom Wasserträger, von der „Lunge“ oder vom Manndecker des gegnerischen Spielmachers gesprochen. Was anderes war meines Wisens nicht im Vokabular.
2) Klar gab es eine defensive Rolle im Mittelfeld, häufig als Manndecker des generischen Zehners. Der hatte auch gerne öfters die Rückennummer 6, aber der wurde nicht als 6er bezeichnet
3) Nebenbei habe ich behauptet, dass die strategische Bedeutung des 6ers mit der Einführung der Viererkette zugenommen hat. Wenn man wegen Abseits strikt Kette spielen muss, wird der Raum vor der Kette strategisch wichtiger, weil nicht wie früher wahlweise der Libero oder der Vorstopper beliebig vorstoßen und den Raum dominieren kann. Dadurch rückte der 6er in den Fokus der Öffentlichkeit, und man brauchte eine griffige Bezeichnung. Da erinnerte man sich an die Rückennummer. Ist nur so eine These, nicht besonders wichtig.
4) Warum die falsche 9 kein falscher Mittelstürmer ist, leuchtet mir nicht ein.

Schorsch 23. Oktober 2016 um 17:02

Deine Anmerkungen stehen ja nicht im Widerspruch zu meinen Ausagen; eher im Gegenteil. Bin übrigens in den 60ern/70ern fußballerisch sozialisiert worden (im Sinne von organisiert spielen/trainieren; von den Knaben über die Schüler hin zur Jugend und dann in den Seniorenbereich).

zu 1) Natürlich wurde der Begriff ‚Läufer‘ in den 70ern nicht mehr verwendet; er stammt ja auch aus früheren Systemen. Die Nr. 6 war in diesen Systemen der linke Läufer. Im 4-3-3, dass sich dann spätestens Anfang der 60er durchsetzte (zunächst mit ‚Ausputzer‘, dann mit ‚Libero‘; eigentlich also ein 1-3-3-3), wurde aus dem die Nr. 6 tragenden linken Läufer dann einer der 3 Mittelfeldspieler. Man sprach dann in der Tat von Verteidigern, Mittelfeldspielern und Stürmern. Und ich kann dem nur beipflichten, bis auf die ’10‘ (= Spielmacher) wurden die beiden anderen Mittelfeldspieler (also die 6 und die 8) weder per Nummer, noch per sonstiger Bezeichnung gesondert bezeichnet. Im Gegensatz zu den anderen Mannschaftsteile, wo sehr wohl differenziert wurde (Abwehr: Außenverteidiger, Libero, Vorstopper; Sturm: Linksaußen, Mittelstürmer, Rechtsaußen). ‚Wasserträger‘ / ‚Lunge etc. sowie die von mir erwähnten Begriffe wie ‚Abfangjäger / Prellbock‘ vor der Abwehr waren Bezeichnungen, die in den Medien zur Beschreibung der Funktionen auftauchten und mitunter auch von Trainern zur Erläuterung benutzt wurden. Nichtsdestotrotz waren diese Spieler mannschaftsintern und trainerseits hoch angesehen. Weil kein ‚Spielmacher‘ ohne diese Mitspieler glänzen konnte. Günter Netzer z.B. betont dies ausdrüclich, wenn er über seine aktive Zeit spricht. Und die große Bayernelf der 60er/70er ist ohne Bulle Roth im Mittelfeld genausowenig denkbar wie ohne Katsche Schwarzenbeck in der Abwehr.

zu 2) Eben. Die Rolle gab es; oft trug dieser Mittelfeldspieler sogar die Rückennummer 6 (siehe Bulle Roth). Nur wurde sie nie so bezeichnet.

zu 3) Klar hat die strategische Bedeutung dieser Position in den Postliberozeiten aus den von dir erwähnten Gründen zugenommen. Kam ihr vorher schon eine wichtige (rein defensive) Rolle zu, so wandelte sie sich mehr und mehr neben der defensiven Funktion hin zu organisatorischer und spielgestaltender Funktion. Übrigens einer der Gründe (beileibe nicht der einzige), warum Deutschland in den 90ern den Anschluss an den internationalen Fußball verloren hatte. Man hat zu lange am Liberosystem festgehalten und die Bedeutung des defesiven Mittelfeldes für die Spiel nicht gesehen. Jens Jeremies war sicherlich ein erfolgreicher ‚Abräumer‘, aber zwischen ihm und einem Redondo z.B. lagen Fußballwelten. Und richtig, in dieser Zeit wurde der Begriff ‚6er‘ geprägt.

zu 4) Mit dem Begriff ‚falsche 9‘ kann ich auch nicht so viel anfangen. Christian Streich vom FC Freiburg hat da den Terminus ‚fluide 9′ geprägt, der mMn da schon genauer ist. Zu meiner aktiven Zeit wurde gerne der Begriff ’spielender Mittelstürmer‘ benutzt, in Abgrenzung zum eher strafraumfixierten Mittelstürmer britischer Prägung. Diesen Typus gab es in Deutschland übrigens viel seltener, als es so gemeinhin oft zu hören ist. Viele Mittelstürmer waren technisch sehr beschlagen, waren gute Kombinationsspieler und hielten sich keineswegs nur im gegnerischen Strafraum auf. Dass sie so ganz nebenbei viele Tore erzielten heißt ja nicht, dass ihr Radius auf den Strafraum beschränkt hätte.

ES 23. Oktober 2016 um 21:14

Richtig, kein Widerspruch, nur Ergänzung.

Kurz konkreter zu meiner Fussball-Sozialisierung (nicht, dass das besonders wichtig wäre, nur als Beispiel wie man in Fußball-Deutschland auch aufwachsen kann): Ich bin nämlich nicht im Verein „groß“ geworden, sondern weit mehr als Özil und Gündogan, waschechter Strassenfussballer aus Gelsenkirchen. Ich kenne jeden Affenkäfig zwischen Rotthausen und Hassel, und habe in jeder freien Minute, egal wo, gekickt. MIt 10 Jahren und danach bin ich regelmäßig in die Glückauf-Kampfbahn, später ins Parkstadion gegangen (kann man sich heute nicht mehr vorstellen, dass so ein 10-jährigem Knirps alleine, oder mit Freunden/Geschwistern ins Stadion geht). WIe das war, wenn man von Bismarck ins hochindustrialiserte Schalke kam, ins Stadion, eingezwängt zwischen teilweise noch kriegsbeschädigten Häusern und Fabriken, der Emscher und der neuen Autobahn: eine Geschichte für sich. Meine Helden waren Scheer, Lütkebomert, die Kremers, Klaus Fischer und Stan LIbuda. Ohne Zweifel die spielstärkste Schalker Mannschaft, die je in der BL gespielt hatte. Und sicherer Meister, wenn nicht die 40 Müller-Tore in der Saison gewesen und der Schatten des Betrugs in der Vorsaison auf der Mannschaft gelastet wären.

Als ich vor fast 20 Jahren ins bayrische Dorf gezogen bin, wollte ich wissen, an welcher Ecke hier gekickt wird, und musste feststellen, dass Fußball nur über den Verein läuft. So bin ich doch noch Vereiensspieler geworden, und habe meine „Karriere“ als AH-Spieler begonnen.

Dank der Spielverlagerung-Fernuni kann ich mittlerweile als 6er rspektabel mithalten.

Schorsch 22. Oktober 2016 um 20:39

Die 1 für den Keeper ist schon eine Bezeichnung, die geläufig ist. Zumindest als ‚Nr. 1‘. Warum sich die 7 nicht durchgesetzt hat als Bezeichnung für den Rechtsaußen / rechten offensiven Flügelspieler (und nicht wie TE in seinem Buch meint für den Linksaußen, das wäre nämlich die 11), ist mir dabei ein Rätsel. Sir Stanley Matthews und Garrincha, die wohl besten Rechtsaußen der Fußballhistorie, waren und sind die klassischen 7er. In Deutschland denkt man dabei oft an ‚Stan‘ Libuda oder Rüdiger Abramczik.

Vielleicht liegt es daran, dass sich berühmte Nichtrechtsaußen wie Raúl oder Christiano Ronaldo die Rückennummer 7 ‚zugelegt‘ haben bzw. ihnen diese angetragen wurde (Raúl). Vielleicht liegt es auch daran, dass sich verstärkt Ein- oder Zweistürmersysteme etabliert haben.

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Ein Zuschauer 23. Oktober 2016 um 11:42

Wieso erwartet man Ketten in Kreißsälen?

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HUKL 23. Oktober 2016 um 14:35

Sollte „@Ein Zuschauer“ seine Frage zu den Ketten in den Kreißsälen an mich gemeint haben, so lautet die Antwort ganz einfach: Natürlich waren damit in erster Linie die ständig genannten Formen des „Pressings“ (kräftiges Drücken) gemeint, die doch nichts anderes sind als verschiedenen Varianten des „Abwehrverhaltens“, wie man es früher noch in deutsch aussprach……

Es ist doch fast nur logisch, schon beim Lesen dieses Ausdruckes immer zuerst an die sich in den letzten Minuten oder gar Stunden quälenden Heranwachsenden, Damen und Frauen zu denken, die sich meistens in freudiger Erwartung auf ihre(n) neuen Erdenbürger, mit dem danebensitzenden und verdutzt dreinschauenden aber allerdings nur passiven männlichen Begleiter das gemeinsame „Geschenk“ regelrecht erpressen müssen!

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tobit 23. Oktober 2016 um 15:24

Ich denke bei Pressing tatsächlich erstmal gar nicht an die Geburt – vielleicht bin ich dafür aber auch einfach noch zu jung (und daher noch nicht mit dieser Erfahrung gesegnet).

Ich könnte meine Kommentare auch ohne Verwendung des Wortes „Pressing“ schreiben, nur würden die dann wesentlich länger und schwerer zu lesen, weil ich dann viel mehr Details des Abwehrverhaltens explizit beschreiben müsste (die im Begriff Pressing zumindest für mich implizit enthalten sind).
Da sich aber der Gebrauch des Wortes im allgemeinen Sprachgebrauch der Fussballinteressierten weitgehend durchgesetzt hat und (zumindest halbwegs) verstanden wird, nutze ich ihn gerne zur Vereinfachung meiner Sätze (die ohnehin immer lang und verschachtelt genug werden).


BB 18. Oktober 2016 um 06:04

Cool! Hatte das City-Spiel zu Übungszwecken selbst analysiert und darauf gehofft, dass von euch etwas kommt, damit ich vergleichen kann.

Deshalb eine zusätzliche Frage: Ich habe immer wieder die Halbspieler in Evertons Mittelfeld in die Viererkette zwischen AV und IV zurückfallen sehen, wenn der Ball nach außen ging. Sane konnte dann nicht mehr ins isolierte 1gg1 gehen, da doch ein Spieler rausrücken konnte. Deshalb stellte er das größtenteils auch ein.

Oder habe das nur ich gesehen?

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ES 18. Oktober 2016 um 15:53

Erst mal: Sehr schön, dass du dich selbst in den Bereich der Analyse „wagst“ 😉
Auf Everton wollte ich kaum mehr eingehen, aber das ist auf jeden Fall eine Sache die sie gemacht haben und die, wenn ich es mir so durch den Kopf gehen lasse, sicherlich für die ein oder andere Anpassung verantwortlich war. Der Fokus auf das Isolieren von Sané ließ ja merklich nach, auch wenn 1 gegen 2-Situationen mit Dynamik bei ihm immer noch gefährlich genug sein können. Dadurch das Gueye da etwas zum Flügel tendierte, wurde der Raum im Zentrum tendenziell größer. Hierfür gab es dann Silvas und de Bruynes Fokus darauf. Das gute alte Prinzip von Anpassung und Gegenanpassung und Herr Pep.

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