Offensivfluidität im CL-Finale

Wir analysieren die taktischen Facetten von Bayerns Offensivreihe aus Ribéry, Müller und Robben, die Rechtslastigkeit im Angriffsspiel des Rekordmeisters und mögliche Anpassungen im CL-Finale. Ein Blick auf Borussia Dortmund darf natürlich auch nicht fehlen.

Spiele – so sagt man – werden im modernen Fußball im Mittelfeldzentrum entschieden, die beiden Bayern-Kapitäne Lahm und Schweinsteiger sind zu zentralen Leitfiguren des Vereins geworden – und dennoch ist es weiterhin die berüchtigte Flügelzange aus Ribéry und Robben, die das Offensivbild des FC Bayern prägt.

Zusammen mit dem Raumdeuter Thomas Müller bilden die beiden die offensive Dreierreihe in der Aufstellung der Münchner, die auch im kommenden CL-Finale gegen Borussia Dortmund auflaufen wird. Mit einer solchen Besetzung, schnellem Spiel und viel Bewegung seien die Bayern kaum zu stoppen, diese drei Spieler seien letztlich entscheidend, um gegnerische Defensivreihen zu knacken, um die Balldominanz in Gefährliches umzumünzen.

Ganz so einfach ist es allerdings nicht, denn es muss auch ein Plan dahinter stecken. Schauen wir also auf die Offensivfluidität des Rekordmeisters – wie sah sie aus, wie sieht sie aus und welche Rolle wird sie im Duell mit den Dortmundern spielen?

Die Anfänge der bayerischen Offensivfluidität

Schon in der Zeit unter Louis van Gaal gab es bestimmte Mechanismen und Bewegungsabläufe, die teilweise auch heute noch grundlegend für das Offensivspiel der Bayern sind. Nach intensiver und geduldiger Ballzirkulation sollten die Angriffe schlussendlich – entweder im letzten Drittel, manchmal auch schon in den höheren Bereichen des zweiten Drittels – beschleunigt werden, was meistens auf den Außenpositionen begann und von einem der beiden Flügelspieler initiiert wurde.

Zur Vereinfachung soll es hier nur um Angriffe mit einem der beiden Außenspieler als Strippenzieher gehen. Dabei muss man noch genauer unterscheiden zwischen Flügelangriffen und Halbraumangriffen – natürlich jeweils abhängig von der ungefähren Positionierung des Flügelspielers, der den Angriff kreiert. Während Arjen Robben häufiger die Flügelangriffe initiierte, spielte Ribéry eher in einer eingerückten Position, so dass über seine linke Seite häufiger die Halbraumangriffe kamen.

  • Flügelangriff rechts: Arjen Robben war in diesen Fällen der ballführende Fixpunkt der Offensive, der meistens vom rechten Flügel andribbelte und viel Unterstützung erhielt. Hinter ihm hatte er einen meistens absichernden zentralen Mittelfeldspieler, der sich zudem an die Anbindung an die hinteren Kollegen kümmerte, sowie einen offensiven Philipp Lahm, der je nach Situation kombinativ, absichernd, invers oder hinterlaufend spielte. Mit seinen typischen diagonalen Läufen Richtung rechter Strafraumecke ging Müller in die Schnittstelle der Abwehr, während der Mittelstürmer eher von Robben nach links weglief, um die Mitte zu öffnen und bei einem eventuellen Schuss auf Abpraller am langen Eck zu gehen. Interessant hierbei die Rolle von Ribéry, der stets einrückte, allerdings den Grad dieser Bewegung ziemlich frei und anpassend auswählte: mal ging er bis zum Halbraum, mal in den Zehnerraum für Querpässe und mal bis in den Bereich von Müller für ganz anspruchsvolles Zusammenspiel im Zwischenraum.
  • Halbraumangriff links: Im Vergleich zu den Rochaden beim Flügelangriff über die rechte Seite veränderte sich die Grundformation bei den von Ribéry angeführten Halbraumangriffen nicht – es wurden nur die Positionen im Raum verschoben. Wenn Ribéry sich als tiefer Aufbauspieler im Halbraum betätigte, spielte man den Angriff mit spontanen Bewegungen durch das Zentrum, während Ribéry bei einer erhöhten Startposition zunächst diagonal Richtung rechter Seite zog und der Durchbruch anschließend im Bereich der (halb)rechten Seite erfolgen sollte.

Kurz gesagt sahen die grundlegenden Mechanismen des van Gaal´schen Ballbesitz-Fußball bei den Bayern über rechts eher Flügelangriffe vor, während auf links der Fokus vermehrt im Halbraum lag. Rechts gab es mehr Rochaden, die aber klarer festgelegt waren. Links gab es stattdessen Positionsverschiebungen, die aber spontaner und situativer waren, oder einen Aufbaukreisel mit Ribéry als Fixpunkt. Wenn also Robben über den rechten Flügel kam, bewegten sich beide Kollegen aus der offensiven Dreierreihe grundsätzlich zu ihm hin; wenn Ribéry als eingerückter Aufbauspieler halblinks agierte, verblieben Müller und Robben in etwa in ihrem Grundraum.

„Der Herbst macht alles bunt“

bayerns offensivfluidität herbst

Bayerns Überladungssystem im Herbst 2011: Lahm, Schweinsteiger, Kroos und Ribéry bilden ein wandlungsfähiges Kombinationsquartett (schwarze Pfeile), Müller unterstützt je nach Situation oder geht in die Spitze (dunkelblau), Gustavo und Badstuber sichern bei Bedarf ab, indem sie „hinter“ die Gruppe rutschten (rot).

Im ersten halben Jahr unter Jupp Heynckes gab es dann einige Umstellungen und teilweise durchaus komplexe Veränderungen. Ohne den fast kaum spielbereiten Arjen Robben wechselten Müller auf den rechten Flügel und Kroos auf die Zehnerposition, was eine sehr asymmetrische Ausrichtung mit einer Überladung des linken Flügels und einem Aufblühen Ribérys zur Folge hatte.

Dieser bekam mit dem inversen Linksverteidiger Lahm den Spielpartner vom Beginn seiner Zeit im Bayern-Dress und zudem noch Unterstützung durch die beiden nach außen tendieren Schweinsteiger und Kroos. Gelegentlich wurden diese Überzahlkombinationen noch durch einen nach innen kommenden Thomas Müller unterstützt, der meistens allerdings halbrechts aufrückte und eine Art zweiten Stürmer verkörperte.

Abgesichert wurde dieses ziemlich erfolgreiche Gebilde von Luiz Gustavo auf der Sechs, welcher einen großen Raum vor sich abdecken konnte und bei Gefahr in den Freiraum hinter Schweinsteiger grätschte, sowie den nach links ausrückenden Innenverteidiger Badstuber, der die Defensivabstinenz seines Kapitäns kaschierte.

Zumindest in offensiver Hinsicht war der Höhepunkt dieses Systems wohl die erste Halbzeit im CL-Heimspiel gegen Napoli Anfang November 2011 mit der einen oder anderen traumhaften Kombination – die zweite Halbzeit wurde mit der Verletzung Schweinsteigers dann allerdings auch das Ende.

So stand Jupp Heynckes vor dem klassischen „van-Gaal-Dilemma“, ein angepasstes System aufgrund einer Verletzung über Bord werfen und sich etwas anderes überlegen zu müssen. Allerdings konnte das Fehlen des taktischen Raumgenies Schweinsteiger, der für die Balance in den Bewegungen des kombinativen Konstrukts zuständig war, keineswegs kompensiert werden – und es wurde keine passende Lösung gefunden.

„Stabile Fluidität“ zum Saisonende 2011/12

Mit einer kurzen Siegesserie konnten sich die Bayern noch in die Winterpause retten, starteten aber ziemlich schwach in die Rückrunde. Ende Februar bzw. Anfang März waren die Ergebnisse enttäuschend und die Stimmung im Keller – wie schon ein Jahr zuvor. Immerhin ging es im restlichen Teil der Saison wieder aufwärts und die Offensivgefahr konnte mit einer soliden Ausrichtung wiedergefunden werden, die besonders auf die Ausgeglichenheit setzte.

bayerns offensivfluidität rr

Bayerns festgelegtere Anordnungen mit den beiden seitlichen Kombinationsdreiecken in der letzten Rückrunde (bei Aufstellung Müller statt Kroos)

Hierbei wurden die verschiedenen Zonen des zweiten und letzten Drittels in einem sehr „gleichberechtigten“ Verhältnis zueinander bespielt und waren stärker voneinander abgetrennt. Verglichen mit dem erfolgreichen System des Saisonstarts lag die entscheidende Änderung des offensiven Bewegungsspiels darin, dass nicht mehr die kombinierenden Spielergruppen über die zu bespielenden Räume bestimmten, sondern umgekehrt. In der Hinrunde hatten die vermehrt von links ausgehenden Angriffe situativ in verschiedenste Richtungen gehen können. Nun waren die Startpunkte wechselhafter, doch aus dem jeweiligen Startraum heraus wurden die Spielzüge dann meistens auch in dessen näheren Umfeld zu Ende gespielt.

Wenn man also von der offensiven Dreierreihe aus Robben, Müller und Ribéry ausgeht, die bei weitem nicht in allen Begegnungen, aber doch in einer Mehrzahl der Spiele aufgeboten wurde, ergaben sich folgende Strukturen: Über die rechte Seite erhielt Robben Hilfe von Lahm und von Schattenstürmer Müller, während über die linke Seite Ribéry von Alaba sowie aus dem zentralen Mittelfeld (Kroos oder Schweinsteiger oder auch mal beide, wenn sie fit waren) unterstützt wurde. Die Mannschaft stellte sich nicht mehr als stets kompakt zusammenagierender Block dar, die Verbindungen zwischen den beiden Flügeln waren recht undeutlich und inkonstant, wobei Ribéry immer mal wieder aus diesen Strukturen herausbrach und zusätzlich die rechte Seite unterstützte.

Insgesamt war es eine stärker festgelegte Fluidität mit klaren Kombinationszuordnungen auf den Seiten, doch nachdem sich die Mannschaft zum Ende der Spielzeit immer mehr stabilisierte, führte diese Ausrichtung ebenso zu dem einen oder anderen beeindruckenden Erlebnis. Dafür kann man auf die Reihe an Liga-Kantersiegen schauen, es war aber auch im CL-Finale gegen Chelsea (wobei der Gegner hier in besonderer Hinsicht genial verteidigte und Bayern das letzte Bisschen fehlte) oder in etwas unscheinbareren Partien beobachten.

Dreifacher Schock gegen Dortmunder Defensive

Ausnahme war allerdings das gesamte Jahr über das ständige Duell mit Borussia Dortmund. In drei Spielen standen nicht nur drei Niederlagen zu Buche, sondern die – generell über weite Teile der Saison eigentlich vorhandene – Offensivfluidität war abgesehen von kürzeren Phasen des letzten Aufeinandertreffens kaum einmal zum Tragen gekommen. Wie gelang den Dortmundern das?

  • Zum einen spielten die Bayern selbst den Dortmundern in die Karten, da die Verbindungen zwischen den einzelnen Spielern in den Duellen mit dem BVB oftmals nicht ausgereift waren. Somit konnte Dortmund sich in den großen Distanzen zwischen den bayerischen Formationslinien postieren, diese Lücken befüllen und die eigene Defensivstärke einsetzen. Durch ihre Qualitäten im Verschieben, im kollektiven und kompakten Auftreten und hinsichtlich ihres Laufaufwandes schafften sie es, die Mannschaftsteile der Bayern voneinander zu isolieren. In der Folge gerieten die Spieler des FCB immer wieder in Unterzahlsituationen mit eingeschränkten Anspieloption. Sie schafften es also kaum einmal, die Bälle kontrolliert und konstant nach vorne spielen zu können, um dort mit den Mechanismen der Offensivfluidität zu starten. Dies war enorm wichtig und entscheidend: Die potentielle Fluidität der Bayern verschwand hinter dem Dortmunder Pressingwall und konnte nicht eingesetzt werden.
  • Auf den Außenpositionen spielten die Dortmunder gegen Robben und Ribéry meistens eine sehr konsequente und disziplinierte Doppelung, was durch die herausrückenden zentralen Mittelfeldspieler der Borussen noch verstärkt wurde. Bei aufkommenden Rochaden der Außenspieler auf den Seiten und Positionswechseln mit Überzahlbildungen schoben die Dortmunder dann die Viererkette in der Abwehr enger, jene des Mittelfelds etwas weiter auf außen. Dadurch waren die Schnittstellen geschlossen und die Angriffe der Münchner aus gefährlichen Bereichen heraus gelenkt. Zogen die Flügelspieler ins Zentrum, konnte Dortmund das „Raumfressen“ praktizieren.
  • Dabei lenkten sie die hereinziehenden Außenspieler bei ihren inversen Querläufen durch frontales Anlaufen der Sechser ab. Meistens bewegten sich die Bayernspieler dann ins Mittelfeld hinein, der Sechser ließ sie dann weiterhin in diese Richtung laufen, während sich die Mittelfeldviererkette der Dortmunder tiefer orientierte. Aus der eigentlichen Suche nach einer Abschlussposition entsand dann eine Situation für den Ballführenden, dass er zwei kompakte Viererketten vor sich hatte, nicht abschließen konnte und sich weit außerhalb seiner eigenen Position wiederfand. Grundsätzlich erlaubten die Dortmunder bei diesem Prinzip das Bespielen bestimmter Freiräume, zerstörten aber die Effektiviät jener Bereiche, indem sie die dortigen Aktionen der Bayern in ihrer Ausführung behinderten.
  • Ein weiterer Punkt bei den Dortmundern war die effektive Mitarbeit der Stürmer in der Defensive. Beim Hinrundensieg über die Bayern in jener Saison zeigten Lewandowski und Kagawa im 4-4-2 der Borussen gegen den Ball eine beachtliche Leistung und erschwerten das bayerische Aufbauspiel mit einer intelligenten Defensivrochade. Generell arbeiteten die Dortmunder mit viel Proaktivität, nutzten Pressingfallen wie beim Ligarückspiel und zeigten immer wieder situatives und anpassungsfähiges Verteidigen.
  • Das konsequente, disziplinierte und intelligente Verstellen von Passwegen über die Nutung des Deckungsschatten beherrschten die Dortmunder in verschiedenen Formen und Situationen ebenfalls auf hohem Niveau. Dieser Punkt ist allerdings in dieser Spielzeit noch stärker zum Tragen gekommen und wurde bereits eingesetzt, um gegen Martínez vorzugehen. Auch die Augsburger nutzten vor zwei Wochen eine solche Spielweise von Ji, um den Spanier aus dem Aufbau herauszuhalten. Dieser verließ seinen Grundraum und machte ihn für Schweinsteiger frei, doch so konnte Ji den Nationalspieler attackieren und behielt Martínez im Deckungsschatten, so dass die bayerischen Sechser bei weitgehend gleicher Kompaktheit abgetrennt waren.

Offensivfluidität und Rechtslastigkeit in der Rekordsaison

Mit ihrer höchst erfolgreichen Vorgehensweise gegen den FCB waren die Dortmunder maßgeblich mitentscheidend für deren letztlich enttäuschendes Jahr. Als Folge des „Vize-Tripels“ gab es bei den Münchnern allerdings eine ganze Reihe an Veränderungen in verschiedenen Bereichen, die den aktuellen Erfolg begründet haben. Eine dieser Veränderungen bezieht sich dabei auf das Angriffsspiel im zweiten und letzten Drittel.

Man könnte ein äußerst fluides Aufbauspiel samt der wieder aufgenommenen Nutzung von Ribéry und manchmal auch Robben als Spielgestalter in den Halbräumen des zentralen Mittelfelds nennen. Ebenso sind der starke Flügelfokus, die vielen kraftvollen Durchbrüche an den Seiten bis zur Grundlinie sowie die gnadenlose Effektivität auffällig.

Doch neben diesen Punkten ist auch eine Veränderung der grundlegenden Anlage der bayerischen Offensivfluidität zu erkennen – diese orientiert sich weniger an der vergangenen Saison, sondern an den beiden Jahren zuvor. Im Gegensatz zum erfolgreichen Modell aus dem Herbst des Jahres 2011 liegt der Fokus in der aktuellen Spielzeit viel stärker auf der rechten Offensivseite, die einen erheblich höheren Stellenwert bekommen hat.

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Positionsanordnungen und Bewegungen der Kollegen um das Flügel-Tandem Lahm-Robben herum beim Münchner Rechtsfokus

Dass Ribéry bei den Spielzügen über diese Flanke nun mit herüber kommt und dort beim Kombinieren sowie Überladen hilft, ist mittlerweile absolutes Kennzeichen für die Angriffe des Rekordmeisters. Unter van Gaal war dieser Mechanismus nicht ganz so häufig zu sehen und Ribéry wählte seine Positionierungen bei Angriffen über rechts viel situativer, zum Ende der letzten Saison deutete sich eine verstärkte Nutzung dieser Rochade an und nun ist Ribérys Präsenz auf rechts ein stets angewandtes Mittel. Dass mit Mandzukic ein passender Stürmer dafür zur Verfügung steht, kommt natürlich gelegen, nachdem Gomez in der vergangenen Spielzeit die seitlich gerichteten Bewegungen früherer Tage verloren hatte.

Auch die Profile der beiden Außenverteidiger, die erst im Verlauf der letzten Rückrunde in dieser Konstellation aufgestellt wurden, passen gut zur neuen Dominanz der rechten Seite: Lahm bricht natürlich oft zur Grundlinie durch, ist allerdings ein ruhigerer und bedachterer Spielertyp als Alaba, weshalb der Kapitän auf der Seite mit mehr Betrieb besser zurechtkommt. Dagegen agiert Alaba auf der etwas freieren linken Seite ein wenig direkter, bekommt etwas mehr offene Räume, die er mit seiner Athletik bespielen kann, und darf die Kombinationsangriffe mit Ribéry geradliniger und schnörkelloser nach vorne treiben.

Schließlich wurden auch Bastian Schweinsteiger und Javi Martínez an diese neue Rechtslastigkeit angepasst. Eine weitgehend klare Aufteilung zwischen den beiden Sechsern gibt es nicht, mit Kroos auf der Zehn wirkte es ohnehin oftmals eher wie ein 1-2-Mittelfeld und auch generell tendierte Schweinsteiger viel häufiger nach rechts, wo eine neue Wechselwirkung mit Philipp Lahm entstanden ist.

Während sie in den letzten Jahren oftmals die Gegenpole im Aufbauspiel zueinander bildeten, agieren sie in vielen Phasen der aktuellen Saison näher aneinander. Möglicherweise ist der Hintergedanke, dass Schweinsteigers variables Spiel und seine raumschaffenden Bewegungen die Rolle des spielmachenden und kreativen Rechtsverteidigers Lahm (Genaueres zu diesen Rollen und Stärken der beiden in unserem neuen Magazin) effektiver machen sollen.

Martínez sorgt dann häufig mit vertikalen Vorstößen ohne Ball in die Tiefe dafür, dass Räume für die Spielgestaltung durch Schweinsteiger und Lahm (sowie Ribéry auf halblinks) entstehen. Er drückt die Gegenspieler aus diesen Bereichen heraus und blockt seinen Mittelfeldpartner damit frei. Gleichzeitig dient er in seiner höheren Position als pressingresistenter Anspielpunkt und kann bei einem Ballverlust direkt gegenpressen, weil er die größte „Gegnernähe“ der bayerischen Mittelfeldspieler hat – übrigens ein Grund, warum es für die Bayern selbst ohne Martínez so einfach scheint, stabiler zu sein als letzte Saison.

Insgesamt bedeutet dies natürlich, dass beide Sechser eine gewisse Rechtslastigkeit entwickelt haben und in verschiedenen Funktionen viel in diesen Bereichen unterwegs sind, wenn über die bevorzugte rechte Flanke angegriffen wird. Durchschnittlich spielten die Bayern die meisten Angriffe letzte Saison über links (40 %), aktuell dominiert ganz klar der rechte Flügel in einem ähnlichen Maße (39 %) – die Statistik dokumentiert Bayerns Veränderungen ebenfalls.

Heynckes, Robben und der BVB

Mit diesen offensiven Verbesserungen scheinen die Bayern ihren „Dortmund-Fluch“ besiegt zu haben, warfen die Borussia aus dem DFB-Pokal, gewannen das – zugegeben – nebensächliche Finale im Supercup und sind auch insgesamt nach vier Aufeinandertreffen noch unbesiegt. Eine etwas andere Betrachtungsweise zeigt allerdings auch: In den drei wirklichen Pflichtspielen gegen den BVB trafen die Bayern dreimal ins Tor – wenn Robben rechts spielte, noch kein einziges Mal.

Veränderte Offensivfluidität in dieser Saison hin oder her – zumindest in Bezug auf den Niederländer scheinen diese Umstellungen in Bayerns Angriffsspiel gegen die Dortmunder noch nicht die allerletzten durchschlagenden Erfolge erzielt zu haben. Denn auch Dortmund hat sich weiterentwickelt und beispielsweise mit ihrem flachen 4-5-1 und dem flexiblen Herausrücken der Achter neue Antworten gegeben. So stellt sich für Jupp Heynckes die Frage, wie er seinen Flügelspieler gegen die schwarz-gelbe Defensive besser ins Spiel bringen kann. Denn wenn es generell nicht so gut läuft, ist Robben der Offensivspieler der Münchener, der noch am „klarsten“ zu verteidigen ist. Ohne besondere Unterstützung werden seine Dribblings gegen starke Gegner schwieriger und die von ihm initiierten Spielzüge ebenso – bei einer Mannschaft vom Dortmunder Kaliber in noch stärkerem Ausmaß.

Was sich Heynckes möglicherweise dagegen ausgedacht haben könnte, war beim letzten Bundesliga-Heimspiel der Saison gegen Augsburg zu sehen, als es eine veränderte Auslegung der Offensivfluidität und eine veränderte Rollenverteilung gab. Natürlich mag dies in erster Linie als taktische Anpassung an die starke Mannschaft von Markus Weinzierl zu interpretieren sein, doch als Testlauf für Wembley könnte die Partie ebenfalls gedient haben

Grundlegend wurde in diesem Spiel die Dominanz der rechten Offensivseite beibehalten – die Anpassungen bezogen sich eben besonders auf Arjen Robben und sein Umfeld. Kurz gesagt nahm der Niederländer eine zentralere Grundposition ein und legte diese freier und driftender aus, worauf sich die Kollegen anpassten. Das mögliche finale Ziel dessen wäre dann die besondere Befreiung Robbens gegen Dortmunds Defensive.

Ob bei den Mechanismen unter van Gaal oder jenen in der aktuellen Saison: Gleichbleibend war stets, dass Robben bei den Flügelangriffen über die rechte Seite der Strippenzieher war und die Angriffe in ihrer Entstehung initiierte. Wie auch bei seinen Einzelaktionen und Schüssen war er bei den Kombinationen ebenso der bestimmende Akteur und der Ausgangspunkt, der diese Spielzüge aus seinem Raum heraus startete.

Gegen Augsburg war allerdings eine andere Aufteilung zu sehen – und dies wird nun möglicherweise Heynckes´ Plan für das Finale sein, welchen er gegen die Fuggerstädter am 33. Spieltag in der Praxis testete. Dabei startete Robben die Angriffe nicht selbst, um anschließend das kombinative Umfeld einzubeziehen, sondern seine Kollegen sollten aktiver agieren und ihn vermehrt in aussichtsreiche Positionen hineinbringen – bevorzugt in kleine und zentralere Freiräume zwischen den Linien.

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In dieser Szene gegen Augsburg sieht man die viel zentralere Ausrichtung Robbens bei einem Angriff über halbrechts, der von Lahm, Müller und Mandzukic befreit wird. Ji bleibt passiv, deckt nur Martínez ab, Augsburg lässt den Pass auf Robben im zu großen Freiraum zu einfach zu. Natürlich wird Dortmund in diesem Sinne weniger zulassen, doch werden die Bayern auch intensiver spielen als gegen den FCA – und eigentlich geht es hier ohnehin nur um die beispielhaften Mechanismen und Strukturen der Bayern-Offensive.

Vereinfacht gesagt geht der Niederländer also nicht mit dem Ball aus seinem Grundraum heraus, sondern ohne – und erhält das Leder am besten erst in mittigen Bereichen, wo er dann weiter kombinieren oder abschließen kann. Der Weg, den er aus seiner eigentlichen rechten Außenposition erst einmal dorthin dribbeln oder spielen muss, fällt somit praktisch weg – und die Dortmunder sollen somit ihr „Raumfressen“ weniger effektiv einsetzen können, da ihnen in erster Instanz der „Ankerpunkt“ dafür fehlt. In Ansätzen zeigte sich dieser besondere Fokus auf die Liberalisierung Robbens bereits im Pokalfinale der Vorsaison sowie im Supercupfinale im August – und beide Male durchaus mit Erfolg.

Grundsätzlich kann man für das CL-Finale zwar erwarten, dass die Bayern ihre Rechtslastigkeit beibehalten und auch Robben sich viel auf dieser Seite aufhalten wird – doch seine entscheidenden und auffälligen Aktionen dürften möglicherweise in breiter gestreuten Bereichen stattfinden. Gleichzeitig würde Ribéry dann weniger im rechten Halbraum agieren, sondern entweder ganz außen zur Positionsübernahme und Befreiung Robbens oder mittiger für die Kombinationen mit dem freier spielenden Rechtsaußen. Wie das aussehen kann, sah man gegen die Augsburger schon, als sich die beiden mit mehrfachen Doppelpässen einmal vom Zentrum ausgehend fast halblinks durchgespielt hätten. Nicht unwahrscheinlich, dass sie beim Zusammenspiel dann häufig in diesem Bereich auftauchen werden.

Anmerkung: Diese Veränderung bei den Bayern bedeutet natürlich keinesfalls, dass Robben dann nur noch in der Mitte rumläuft und nie auf seiner rechten Seite ist. Seine breite Position würde weiterhin die Mehrzahl der Angriffe ausmachen und Bayerns gewohnte Art und Weise des Angreifens über rechts wäre weiterhin vorhanden, doch zwischendurch gäbe es immer mal wieder die Befreiung Robbens und dessen mittigere Postionierung.

Die schwierige Wichtigkeit von Martínez und Alaba

Eine solche veränderte Ausrichtung kann allerdings keinesfalls ohne Konsequenzen auf die restlichen Teile und Rädchen des Mannschaftskonstrukts vonstattengehen. Zwei Spieler, die dabei besonders betroffen sein dürften, wenn die Bayern auf diese Weise wirklich gegen den BVB antreten sollten, sind Linksverteidiger David Alaba und Javi Martínez, dessen indirekter Offensivwert für die Bayern bei all dem Lob für defensive Aufgaben noch unterschätzt wird.

Mit Martínez und Bastian Schweinsteiger haben die Bayern eine neue Aufgabenverteilung im zentralen Mittelfeld installiert. Ob die Differenzierung zwischen vertikalen und horizontalen Aufgaben beim Duo van Bommel-Schweinsteiger oder die fluide Gleichberechtigung, die es in manchen Phasen zwischen Schweinsteiger und Gustavo sowie Schweinsteiger und Kroos gab: Seit den Tagen Louis van Gaals bis zum Ende der vergangenen Saison bzw. bis zur Ankunft von Martínez galt stets das ungeschriebene Gesetz, dass Schweinsteiger als Achter bis auf ganz wenige taktische Ausnahmen die halblinke Position zu bekleiden hat – und fast immer mit einem grundsätzlich ziemlich ausgeprägten Linksdrang auf die Seite.

Nach der Ankunft des spanischen Rekordtransfers wurde dies geändert und diese Festlegung deutlich gelockert – in einer ganzen Reihe an Spielen schien es in einem schwer zu bestimmenden Mittelfeld eher so, dass Schweinsteiger tendenziell halbrechts agieren würde. Im Zuge der neuen Rechtslastigkeit entstand auf diese Weise die bereits angesprochene Wechselwirkung mit Philipp Lahm. Bei den Angriffen über diese Seite hatte Martínez dann oftmals die Aufgabe, als Blocker Freiheiten zu schaffen, die zentralen Räume in der Mitte zu besetzen und bei Bedarf im letzten Drittel doch wieder nach rechts zu ziehen.

Mit Läufen aus der Tiefe übernahm er die grundlegende Funktion Müllers bei von Robben initiierten Angriffen und fügte damit dem Bayernspiel eine weitere Dimension hinzu, da diese nachstoßenden Läufe schwierig zu verteidigen sind und Bayern praktisch einen Spieler mehr gewinnen kann. Schweinsteiger übernimmt dann nach dem Beenden seiner Aufgabe im Aufbauspiel mit leichtem Aufrücken in etwa die Position, die früher sein jeweiliger Partner in einer entsprechenden Situationen inne gehabt hätte.

Wenn Martínez normalerweise also Robben als klaren Bezugspunkt bei seinen Läufen nutzen kann und sich stets „zentraler“ als der Niederländer bewegt, wäre dies bei einer freieren Rolle Robbens nicht mehr in jener Form möglich. Einerseits würden Martínez´ Laufwege sich möglicherweise mit dem freien Kombinationsspiel von Robben und Ribéry blockieren, andererseits wäre sein üblicher Laufweg eigentlich gar nicht mehr notwendig, da der grundlegende Mechanismus des rechten Flügelangriffs ja gerade nicht mehr gespielt werden würde.

Wie wird sich das auf die Rolle des Spaniers auswirken und in welcher Weise muss er sich anpassen? Grundsätzlich ist zu vermuten, dass Martínez bei einer solchen Ausrichtung der Bayern etwas gemäßigter agieren und sich auf eine Rolle als pressingresistente Anspielstation für Weiterleitungen im Kombinationsspiel beschränken würde. Darüber hinaus müsste er als situativer Breitengeber auf der rechten Seite agieren und sich diese Aufgabe mit Müller und Mandzukic aufteilen (wie gegen Augsburg in der ersten Halbzeit), wenn Ribéry dies nicht in stärkerem Maße übernimmt (der dies dann ab der zweiten Halbzeit häufiger übernahm).

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Eine andere etwas tiefere und weniger konsequente Szene, in der aber Robben wieder viele Freiheiten für Bewegungen in die Mitte bekommt und dort an den Ball gebracht werden soll. Diesmal nimmt Martínez den Part der Besetzung der rechten Seite ein (womit er gleichzeitig etwas aus dem Zentrum herausziehen und Schweinsteiger das Zusammenspiel mit den Vorderleuten erleichtern kann)

Während Martínez halbrechts auf eine veränderte Aufgabe trifft und sich mit den Kollegen anders koordinieren muss, hat David Alaba so etwas auf halblinks zu leisten, wo er sich in etwas veränderter Weise auf das Spielgeschehen einstellen müsste. Bei Angriffen über die rechte Seite agiert die bayerische Doppel-Sechs normalerweise dorthin verschoben und oftmals eben auch vertikal „voreinander“, woran sich Alaba dann anpasst. Im Gegensatz zu der Option, sich für einen möglichen Flügelwechsel breit zu positionieren, rückt er meistens in eine zentrale und absichernde Position als nahe Anspieloption ein – die Breite wird hier für Kompaktheit und eine „verkürzte“ Passweg-Distanz geopfert.

In der Folge dieser Positionierung wählt Alaba beim Fortschreiten eines solchen Angriffs meistens zentrale Laufwege. Bekanntestes „Produkt“ dieser Bewegungen dürfte wohl sein früher Führungstreffer im CL-Viertelfinal-Hinspiel gegen Juventus sein, als er mit einem abgefälschten Distanzschuss nach nicht einmal sechzig Sekunden traf.

Doch „Laufwege in zentralen Bereichen“ ist natürlich eine äußerst allgemeine Formulierung. In der Mitte des Feldes gibt es eine ganze Reihe an Bereichen, die mit verschiedensten Bewegungen anvisiert werden können. Normalerweise hat Alaba in solchen Situationen dann einen recht großen Auswahlraum, in dem er seine Vorstöße relativ frei bestimmen kann. Wenn die Angriffe von der rechten Seite allerdings nicht über den Flügel oder den Halbraum abgeschlossen werden, sondern spontan durch das Feld gleiten und damit auch mal horizontal durch den Zehnerraum verlaufen, muss Alaba sich anders darauf einstellen.

Er wird veränderte Anweisungen des Trainers umsetzen und sich anders mit den Spielern vor ihm koordinieren müssen. Gegen Augsburg gab es das eine oder andere Mal noch Abstimmungsprobleme in den Spielzügen – und davon, wie gut diese in den letzten Tagen im Training in den Griff zu kriegen waren, wird Jupp Heynckes wohl abhängig machen, ob er diese Veränderungen in bestimmten Offensivmechanismen auch gegen den BVB einsetzt oder nicht.

Flankenspiel als Alternative

Gegen Borussia Mönchengladbach wurde diese Ausrichtung dann nicht noch einmal probiert – allerdings spielten die Bayern auch nicht ihr übliches Grundsystem, sondern eine andere Anpassung, eine etwas „normalere“ Variante. Zum einen war dies wieder durch das Einstellen auf diesen speziellen Gegner begründet, der mit positionsorientierter Raumdeckung auf die Flügel abzudrängen versucht. Zum anderen dürfte Heynckes nur allzu gerne nicht alle Karten auf den Tisch gelegt haben – was mit dieser „normalen“ Ausrichtung gut möglich war.

Grundformationen Gladbach-Bayern

Im Mittelfeld gab es weitestgehend eine Aufteilung zwischen dem gelegentlich durchbrechenden Martínez, dessen Vertikalvorstöße unter anderem auch das zwischenzeitliche 2:1 brachten, und dem unterstützenden Schweinsteiger, der dafür etwas mehr an den ganz äußeren Feldbereichen wirkte. Dort spielten Ribéry und Robben grundsätzlich sehr breit und außerdem weitgehend ausgeglichen – beide halfen sich etwa gleich viel auf der Seite des jeweils anderen, was zu einer sehr flügellastigen Offensive der Bayern, mit 42 Flanken im Vergleich zum Saisondurchschnitt von 26, führte.

Mehr Flanken, stärkere Gleichberechtigung der beiden Seiten, mehr Symmetrie in den Bewegungsabläufen und Konzentration eher auf den äußeren Teil des Halbraums sowie das diagonale Durchbrechen am Strafraumeck denn auf den inneren Teil des Halbraums sowie die Zehnerbereiche – dies waren die Unterschiede zwischen der Ausrichtung gegen Gladbach und jener gegen Augsburg, die eben besonders auf die Befreiung Robbens abzielte.

Dabei ist natürlich keineswegs auszuschließen, dass beide Möglichkeiten gegen den BVB zum Einsatz kommen werden – zwei verschiedene Abwandlungen der Grundstrategie, wobei die eine dann eingesetzt werden kann, wenn die andere nicht wirken sollte. Wenn über eine Befreiung Robbens und sehr losgelöste Angriffe die extrem starke Defensive der Dortmunder spielerisch – ganz nach der These MRs, Dortmund sei spielerisch generell nicht auszumanövrieren – nicht zu knacken sein sollte, würde man also auf eine glanzlose und unkreative, aber radikale und brutale Flankenspielweise umstellen können, um die nötige Effektivität zu erreichen.

Setzt Dortmund auf den linken Flügel?

Eine generelle Rechtslastigkeit im Aufbau- und Angriffsspiel, wie sie bei den Bayern häufig vorherrscht, gibt es bei den Dortmundern nicht. Flügelüberladungen mit Götze, wie sie beispielsweise in den Spielen gegen Real Madrid stets zu sehen waren, können auf beiden Flanken durchgeführt werden und werden oftmals vom Gegner abhängig gemacht. Gegen die Bayern könnte Dortmunds taktischer Ansatz im Finale dabei auf eine Fokussierung auf die linke Offensivseite hinauslaufen. Dies hängt unter anderem mit den Dynamiken der verschiedenen Dortmunder Flügelüberladungen zusammen.

Während diese auf der rechten Seite meistens erst im letzten Drittel an endgültigem Tempo aufnehmen, scheint dies auf der linken Seite früher der Fall zu sein. Veranschaulichen lässt sich dies an den beiden Dortmunder Außenverteidigern: Piszczek ist dann besonders durchschlagend, wenn die Offensivspieler sich auf der  anderen Seite ballen, damit den rechten Flügel für ihn freischieben und er nach einer Verlagerung mit Tempo in diesen Raum gehen kann. Bei Schmelzer hingegen entstehen die Durchbrüche an der Außenbahn etwas anders, denn in diesen Fällen beginnen die Angriffe auch grundsätzlich auf seiner Seite, ziehen dann in den Halbraum oder in die Mitte und anschließend wieder nach links zurück.

Dies allerdings nur zur Erklärung, denn wegen der häufigen Ineffektivität Schmelzers wird es natürlich nicht das Dortmunder Ziel sein, den Linksverteidiger in besonderem Maße freizuspielen. Viel eher dienen die Flügelüberladungen auf links dem Schaffen von Freiräumen für Piszczek und der Stabilisierung der eigenen Mannschaft. Wenn nämlich die rechte Seite in der Offensive meistens nur vom Rechtsverteidiger bespielt wird und viel über die linke Flanke läuft, wie es zuletzt sowohl gegen Wolfsburg als auch Hoffenheim der Fall war, kommt diese Ausrichtung den Dortmunder Spielertypen durchaus zugute. Sie haben Sicherheit, weil die offensive Spielweise für das Wohlbefinden der einzelnen Akteure im Spielkontext etwas klarer festgelegt wird.

bayerns offensivfluidität bvb1

Alle vier Dortmunder Offensivspieler kombinieren weit auf links. Reus legt einen Pass von Großkreutz auf Lewandowski ab und wird von diesem dann in den eckigen Raum erneut angespielt. Weil Johnson und Ochs zur Mitte rücken, wird für Piszczek ein großer Raum freigeschoben, den Reus per Verlagerung bedienen kann. Auf diese Weise entstand mit einem typischen Dortmunder Angriff eine große Chance für Lewandowski, der aber den eigenen Mann anschoss.

Gerade für die beiden Außenverteidiger scheint eine solche Ausrichtung passender. Auf der einen Seite werden Piszczek die Räume freigeräumt und er kann mit seiner Power aus der Tiefe nachstoßen, auf der anderen Seite wird Schmelzer etwas an Verantwortung im letzten Drittel abgenommen und er muss nicht für Zählbares sorgen – das übernehmen die Offensivspieler mit den Überladebewegungen. Im direkten Sinne hält er sich aus dem Zusammenspiel dann heraus, bietet sich „nur“ für einfache Pässe oder Ablagen in einer etwas nach hinten versetzten Position an oder kann Gegenspieler ohne Ball beschäftigen.

Dortmunds Angriffsmechanismen gegen Mannorientierungen und tote Räume

Solch eine auf den linken Flügel konzentrierte Spielweise der Dortmunder kann man auch deshalb für wahrscheinlich oder möglich halten, weil diese mit den Dortmunder Mitteln recht wirksam gegen Bayerns brutal starke Defensive zu spielen wäre und jenen Punkten genügen würde, die wichtig gegen die Münchner Verteidigung sind. Geradliniges Ausspielen der Angriffe ist dabei nützlich, allerdings nicht unumstößlich und in jeder Situation zu empfehlen.

Entscheidend sind das bewegliche und abgestimmte Mitspielen aller Mannschaftsteile, wofür Lewandowskis nach links versetzte Grundposition nützlich ist, das „Locken“ von gegnerischen mannorientiert agierenden Spielern innerhalb der Überladebewegungen sowie vorrausschauendes Denken. Um in bestimmte Räume hinein zu kommen, muss man gegen die Bayern häufig indirekte Umwege gehen und damit abgetöteten Bereiche wieder erwecken. Dabei geht es unter anderem um die richtige Abwechslung von langen und kurzen Pässen.

Das angesprochene Tor, welches allerdings aus einer tieferen und daher nicht ganz vergleichbaren Grundsituation fiel: Lahm rückt mit Arango ein, wodurch auf der Seite Lahms ein Loch entsteht. Hrgota ließ sich dorthin fallen und wurde von Jerome Boateng mannorientiert verfolgt. Die große Frage lautet, ob Hrgota sich instinktiv dorthin bewegte oder es von Favre bewusst gespielt wurde, um die Mannorientierungen der Bayern zu nutzen. Hätte Boateng Hrgota nicht verfolgt, so hätte Gladbach zumindest auf dem Flügel Hrgota frei gespielt. Weil aber Boateng Hrgota verfolgte und Lahm innen stand, musste Dante hinten extreme Räume covern.
Eventuell hätte Dante auch Hanke verfolgen können, doch es wurde nicht gemacht – denn ein einfacher Doppelpass hätte ausgereicht, um alle verbliebenen Defensivspieler der Bayern zu überspielen. So rückte Schweinsteiger in die Mitte auf Hanke, welcher aber gut reagierte und den Ball prallen ließ. Gladbach bespielte sehr schnell die freien Räume, kam vor das Tor und der mitaufgerückte Havard Nordtveit erzielte das 3:1.

Ein längerer bzw. mittellanger Pass könnte zum Beispiel als Abschluss einer Überladung und damit im Anschluss an eine Kurzpasskombination gespielt werden (Verlagerung auf Piszczek). Am Wochenende zeigten die Gladbacher einen solchen Paradespielzug beim 3:1 durch Nordtveit, wenngleich dieser aus einer tieferen Grundposition und –situation entstand, als es für die Dortmunder notwendig sein wird. Dennoch war der Treffer von der grundlegenden Logik ziemlich anschaulich (Erklärung siehe Grafikunterschrift).

Ebenso wäre es eine Möglichkeit, dass ein solcher Pass einer Überladung vorausgeht und sie einleitet. Hierbei muss das Überspielen von Linien und die Nutzung von geschickten Ablagen, die dann wieder mit intelligenten Bewegungen zum Raumschaffen gegen die Mannorientierungen kombiniert werden müssen, in die Planungen einbezogen werden. Nach einem abgelegten längeren Pass sollte sich eine Spielergruppe zu dieser Ablage in den Freiraum bewegen. Dies wird möglich, wenn die Akteure frühzeitig Kontakt zu jenen toten Räumen halten, die sie in den nächsten Momenten bespielen wollen. Nimmt man Flügelüberladungen als Grundlage, ist dies etwas einfacher, da die später anvisierten Räume automatisch mittig und damit tornäher liegen.

Wie genau die Bayern zu schlagen sind, und wie auf der anderen Seite der BVB besiegt werden kann, werden die Kollegen RM und MR in zwei Previews zum Thema darlegen. Zusätzlich gibt es zur weiteren Auseinandersetzung mit diesem Thema der Offensivfluidität noch einen allgemeinen Artikel des Kollegen RM, der sich mit leichtem Bezug zu Bayern und Dortmund der generellen Frage nach den Gegenmitteln zur Offensivfluidität befasst.

SCP-Poker 23. Mai 2013 um 22:52

Muss man für diese Ausgabe des Magazins schon zahlen.
Wenn ja wi!!!!!!

Zum Artikel sag ich nichts, ist wie immer saugeil;)

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C 23. Mai 2013 um 16:30

In der Analyse kommt mir persönlich die Rolle Mnadzukics etwas zu kurz wenn ich mich recht erinnere war es im Ligahinspiel da war er ständig der Gegenspieler von Schmelzer und ging gegen diesen in Kopfballduelle nach Seitenverlagerungen, das hat auch den Effekt das Schmelzer bei einer Ablage dann nicht mehr auf Robben stehen kann wodurch Robben entweder alleine gegen die Hüftsteifen IV’s steht oder die 8er oder 6er auf ihn verschieben müssen so oder so ist das nun doch wesentlich schwieriger zu verteidigen

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C 23. Mai 2013 um 16:31

oder?

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GH 23. Mai 2013 um 20:47

Was du meinst, ist glaub ich, dass im Spielaufbau Mandzukic nach rechts abkippte um dort in Kopfballduelle mit dem deutlich kleineren Schmelzer zu kommen.

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Fabian 23. Mai 2013 um 20:23

In dem Artikel geht es ja nicht um Spielverlagerungen oder lange Bälle, sondern um fluide Bewegungen im Aufbauspiel, welches ja meistens in (Kurzpass-)Kombinationen stattfindet. Mandzukic ist ja oft erst die letzte Station in so einer Kombination. Nichtsdestotrotz ist sein Spiel auch für die Offensivfluidität sehr wichtig.

„..nun ist Ribérys Präsenz auf rechts ein stets angewandtes Mittel. Dass mit Mandzukic ein passender Stürmer dafür zur Verfügung steht, kommt natürlich gelegen, nachdem Gomez (…) die seitlich gerichteten Bewegungen früherer Tage verloren hatte.“

Ein wichtiger Punkt in Mandzukics Spiel ist also genannt, er geht nach links, wenn Ribery nach rechts zieht um dem Spiel Breite zu geben. Diese Bewegung zeigt er auch auf der anderen Seite, nur nicht ganz so häufig.

An einer anderen Stelle ist davon die Rede, dass er durch seine Positionierung Gegenspieler bindet und so Robben befreit.

Man muss die Analyse auch so lesen, dass die freien Bewegungen von Ribery und Robben als Ausgangspunkte für die Fluidität natürlich Bewegungen der Mitspieler erzwingen oder ermöglichen. Nur weil hier der Fokus auf diesen zentralen Spielern liegt, bedeutet nicht, dass man die Mitspieler vergessen hat.
Mandzukic hat ein gutes Gespür dafür, wie er dabei Laufen muss um nicht im Weg zu stehen, die Bewegung auszugleichen und am Ende dort zu stehen wo der Ball letzendlich hinkommt. Damit ist er ein Rädchen im gesamten System, aber eben nicht der Motor und somit zurecht nicht im Fokus dieser Analyse.

Mit dem in den Spielen gegen den BVB extrem praktizierten hohen Diagonalbällen haben diese Spielzüge erstmal wenig zu tun, das war ja quasi die (gelungene) Notlösung, nachdem die Dortmunder es in der Vergangenheit immer geschafft hatten die Bayernoffensive bei all ihrer Flexibilität und Fluidität zu stoppen.

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Naruto 23. Mai 2013 um 12:02

Ich könnte kotzen, wenn ich sehe dass 99% über Bayern diskutiert wird und es schon in der Überschrift heißt: „ein Blick auf Dortmund darf natürlich auch nicht fehlen“. Trotzdem Danke für einen sehr schönen, aber nicht perfekten, Artikel.

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RM 23. Mai 2013 um 12:47

TR hat halt sehr viel Ahnung von Bayern, aber nur die grundlegenden analytischen Kenntnisse vom BVB. Lieber das Richtige sagen, was man weiß, als irgendwas dazu dichten. Und vl. spielt Bayern ja auch fluider, was dann zu mehr Wörtern in der Erklärung führt.

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TR 23. Mai 2013 um 13:00

Ja, richtig. Ich wollte Dortmund nicht komplett verschweigen und habe deshalb auch ein wenig zu ihnen geschrieben – wobei ich mich da eben weniger auskenne. Wir haben intern auch über den allgemeinen Gesamttitel des Artikels diskutiert, letztlich aber entschieden, dass wir es so lassen. Und der erste Absatz ist ohnehin nur etwas, das zum Lesen anregen soll.

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GH 23. Mai 2013 um 14:04

Es steht ja auch im Abspann, dass noch Artikel zu Dortmund kommen werden, also ruhig Blut.

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Pippo 23. Mai 2013 um 13:37

könnte man auch etwas netter formulieren 😉

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Naruto 23. Mai 2013 um 15:49

Ich reagier einfach allergisch, weil ich mir seit Wochen das Geschwätz der Bayern-Fans anhören darf über Wembley. Als Dortmunder im tiefsten Süden Bayerns ist es eben nicht einfach und ich versichere dir, mein Kommentar strotzt nur so von Höflichkeit 😀 Ich denk bei der Dortmund-Analyse ist ein zentraler Aspekt die Rolle von Manni alias Sven „The Machine“ Bender. Ihm wird die Rolle des modernen Ausputzers als Gegenstück zur Offensivfluidität teil. Er ist imo wichtiger als Götze 😉

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nougat 23. Mai 2013 um 15:39

für so eine unvoreingenommenheit lieben wir doch „unsere“ bayern… 😀

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figo88 23. Mai 2013 um 11:07

gelungene analyse mal wieder!! ich finde es beachtlich wie bayern sich mittlerweile von der abhängigkeit von robben und ribery gelöst hat.. unter van gal ging alles über die zwei und wenn diese ausgefallen sind oder einfach zugestellt wurden, ging nichts mehr.. mittlerweile hat sogar ein lahm um die 10 assists, und sicher spielt auch müllers herausragende saison dafür.. bin ebenfalls auf das magazin gespannt cya

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GH 23. Mai 2013 um 14:02

Und trotzdem baut alles noch auf das System von van Gaal auf. Wie im Artikel ja bereits geschrieben wurde, ist man eher wieder zurückgekehrt, bloß verbessert und verändert.

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Pep27 23. Mai 2013 um 10:48

Die Verletzung von Kroos hat Heynckes dazu gezwungen die stärkste 11 aufzubieten. Ich denke das wir dadurch noch einen Tick besser sind und somit hat diese Verletzung insofern auch etwas positives (natürlich wünsch ich keinem eine Verletzung). Bayern wird genau wegen der Offensivfluidität und dem zusätzlich gesteigertem Defensivverhalten von Rib und Rob am Samstag gewinnen.

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figo88 23. Mai 2013 um 11:08

ja wenn man jetzt überlegt für wen sollte den ein kroos spielen? und nicht zu vergessen sitzt auch noch ein starker shaquiri auf der bank …

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GH 23. Mai 2013 um 14:01

Mit Kroos hatte man aber zugleich ein stabileres Zentrum. Deswegen glaube ich nicht, dass es eine Verstärkung ist.

Hier wurde glaub ich auch schon mal darüber diskutiert, und glaube, dass herauskam, dass man mit Kroos besser gegen das 4-5-1 bestandhalten kann oder generell flexibler ist im Zentrum.

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Konschdl 23. Mai 2013 um 00:14

Kleine stilistische Kritik zu einem Punkt, der mir immer wieder auffällt. Ich fühle mich deshalb veranlasst, „den Sammer zu machen“ und an den letzten 2-3 Prozent zu feilen: Man könnte „Wichtigkeit“ häufiger durch „Bedeutung“ ersetzen – hört sich schöner an und geht nicht mit anderer inhaltlicher Akzentuierung einher.
Inhaltlich ist dein Beitrag wie immer irgendwas zwischen fabelhaft und großartig.

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dirk45 22. Mai 2013 um 23:39

als taktische Anpassung an die starke Mannschaft von Markus Weinzierl
Das war jetzt ironisch gemeint, oder 🙂

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datschge 23. Mai 2013 um 00:18

Warum?

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dirk45 23. Mai 2013 um 06:52

Weil Augsburg keine starke Mannschaft ist. Vielleicht war damit gemeint „an die starke mannschaftliche Leistung der Augsburger von Markus Weinzierl“ oder das war ironisch.

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datschge 24. Mai 2013 um 00:22

Sie beziehen sich vielleicht auf die individuelle Stärke, wo das ohne Frage stimmt.

Taktische Ausrichtungen sind eine Reaktion darauf, und Augsburg war taktisch besser auf Bayern eingestellt als z.B. Juve oder Barca. In Anbetracht dessen, wie sehr sie individuell unterlegen, halte ich es für vollkommend angebracht, von einer „starken Mannschaft“ zu sprechen.

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Danyo 23. Mai 2013 um 00:41

Warum sollte das ironisch gemeint sein?

Starke Analyse, vielen Dank. Freu mich schon auf das Magazin. 🙂

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IchbinnichtMatthiasSammer 23. Mai 2013 um 01:08

Was heißt hier starke Analyse? Weltklasse ist das.

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GH 23. Mai 2013 um 13:58

Ein Matthias Sammer würde da schon noch etwas zu verbessern sehen.

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IchBinNichtMatthiasSammer 23. Mai 2013 um 15:14

Ich bin aber nicht Matthias Sammer. Wobei der Autor vor dem nächsten Artikel maximal ein kleines Bier zur Feier des Lobs trinken darf.

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GH 23. Mai 2013 um 15:21

Haha sehr gut. 😀

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JK 22. Mai 2013 um 19:56

FYI:
„Flügelüberladungen mit Götze, wie sie beispielsweise in den Spielen gegen Real Madrid stets zu sehen waren“, wird es nicht geben.

Welche Konsequenzen seht ihr?

http://www.faz.net/aktuell/sport/fussball/borussia-dortmund-champions-league-finale-ohne-goetze-12191163.html

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AM 22. Mai 2013 um 18:59

Schöner Artikel, vielen Dank dafür. Eine Anmerkung kann auch sein dass ich den satz net check.
„In den drei wirklichen Pflichtspielen gegen den BVB trafen die Bayern dreimal ins Tor – wenn Robben rechts spielte, noch kein einziges Mal.“
Im Pokal hat Robben ja auf rechts gespielt und das Tor gemacht?

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h 22. Mai 2013 um 20:39

Robben hat im Pokalspiel den gesperrten Ribery auf links ersetzt.

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chicago_bastard 23. Mai 2013 um 08:45

Dennoch macht die Aussage in dem Artikel keinen Sinn. Bei diesen drei angesprochenen wichtigen Spielen gegen den BVB hat Robben kein einziges mal rechts gespielt, beim Ligaspiel in der Hinrunde fehlte er verletzt und beim Rückrundenspiel der B-Mannschaften spielte er ebenfalls nicht, im Pokal spielte er wie Du richtig angemerkt hast links. Die Feststellung, Bayern hätte mit Robben auf rechts diese Saison nicht gegen den BVB getroffen ist daher eine Bewerbung für den Captain Obvious-Award, da er diese Saison schlicht und ergreifend noch kein einziges mal gegen den BVB rechts gespielt hat.

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TR 23. Mai 2013 um 09:45

Joa, das soll ohnehin nur als kleine Überleitung dienen. Ich hoffe, man stört sich nicht zu viel daran, sonst mache ich es raus. 😉

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h 23. Mai 2013 um 10:06

allerdings muss ich noch anmerken, dass Robben und Müller im Pokalspiel zeitweise die Seiten getauscht haben, wenn ich mich richtig erinnere.
Er hat also zumindest einige Minuten gegen den BVB auch auf rechts gespielt.
Wobei ich seine Spielweise in diesem Spiel grundsätzlich als „freier“ empfand als in der letzten Saison und in vielen Spielen dieser Saison. Er hat sich auch da schon hin und wieder zentraler aufgehalten und versucht sich nicht auf außen festmachen zu lassen.

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profi 22. Mai 2013 um 18:29

analysiert bitte florenz als teampotrait

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