Türchen 19: Liverpool – Alaves 2001

5:4 n.V.

Im Endspiel des UEFA-Cups 2001 trafen der FC Liverpool und Deportivo Alaves im Dortmunder Westfalenstadion aufeinander. In einer ereignisreichen Partie setzten sich die Reds schließlich nach Verlängerung durch.

Liverpool mit Ball: Intensives 4-4-2 mit simplen Abläufen

Aus einer 4-4-2-Grundordnung heraus verlegte sich der FC Liverpool von Beginn an auf einfache, schnell durchgespielte Angriffe. Häufig suchte man dafür Heskey, der als primärer Zielspieler im Zentrum auflief, während Owen als zweiter Angreifer häufig ins Mittelfeld zurückfiel oder auf den Flügel rochierte. Auf der Doppelsechs spielte mit Hamann ein tiefer Akteur, der sich im Aufbau nahe an den beiden Innenverteidigern Henchoz und Hyypiä aufhielt, sowie mit McAlister ein weiterer, nach vorne gerückter Spieler, der die Anbindung aus dem Aufbau an die Offensive herzustellen versuchte. Mit Gerrard und Murphy gab es auf den Flügeln zwei lineare Charaktere, die aus einer breiten Grundposition agierten.

Liverpool gegen den Ball: Auf Kompaktheit bedachte Spielweise mit situativen Momenten des Angriffspressings

Auch gegen den Ball formierte sich die Mannschaft Houlliers in der 4-4-2-Grundordnung aus dem Spiel mit Ball. Die Engländer interpretierten diese als Mittelfeldpressing. Dabei verhielten sich

Aufstellungen und Offensivmuster.

Aufstellungen und Offensivmuster.

Owen und Heskey über weite Strecken des Spiels recht passiv, wenn Alaves den Ball im Aufbau zirkulieren lies, und verstellten zentrale Passwege in die Tiefe. Spielte Alaves den Ball auf einen der beiden Flügel, schoben Gerrard oder Murphy neben die beiden Stürmer nach vorne und das Mittelfeldband rückte ballnah ein, wodurch situative 4-3-3-Staffelungen entstanden. Nach tiefen Ballgewinnen wollte man anschließend offene Räume für schnelle Umschaltaktionen nutzen, weshalb Liverpool von seiner recht passiven Spielweise nur situativ abwich. Dann setzten z.B. Heskey und Owen Deportivos Aufbau unter Druck, ohne aber vom Rest der Mannschaft Unterstützung zu erhalten.

Alaves mit Ball: Interessante Mischung aus Ballbesitzspiel und Spiel auf zweite Bälle

Sowohl gegen den Ball als auch im Spiel nach vorne zeigten sich die Spanier flexibler als die Engländer: Aus einer 3-1-4-2 / 3-1-4-1-1-Grundordnung heraus versuchte das Team Manes sich zum einen an einem konstruktiven Ballbesitzspiel, um zum anderen aber auch lange Zuspiele auf den zentralen Stürmer Moreno einzustreuen, in deren Anschluss man zweite Bälle aufsammeln wollte. Dabei gab es in der Dreierkette mit Eggen, Karmona und Tellez drei passstarke Zentrumsverteidiger, die vom zurückfallenden Sechser Desio unterstützt wurden.

Auf der Außenbahn gab es mit Geli und Contra zwei maximal offensive Außenspieler, die schnell mit nach vorne rückten und bis in die letzte Linie durchschoben, um dort die Breite herzustellen und die Kette der Liverpooler zu binden. Im Zentrum wirkten mit den beiden Achtern Astudillo und Tomic zwei spielfreudige Akteure, die vom umtriebigen Cruyff auf der Zehnerposition im Kombinationsspiel unterstützt wurden und mit diesem immer wieder die Positionen wechselten. Bei langen Zuspiele auf Moreno orientierte sich Cruyff zumeist an Moreno, um das Binden der langen Zuspieler besser zu ermöglichen.

Alaves gegen den Ball: 5-4-1 / 5-1-3-1-Grundordnung mit flexiblen Mustern beim Herausrücken

Auch Alaves agierte prinzipiell im Mittelfeldpressing, interpretierte dieses aber nicht passiv, sondern setzte Liverpools Aufbau aktiv unter Druck, wenn man Gefahr lief in den ersten beiden Linien überspielt zu werden. Dabei war das Herausrücken der einzelnen Akteure flexibel angelegt und orientierte sich daran, welcher gegnerische Spieler den Ball hatte. In der ersten Phase versuchte Moreno den Aufbau durch seine zentrale Position auf eine Seite zu schieben, während die Achter zunächst die Mitte hielten. Mit dem Zuspiel auf einen der beiden Außenverteidiger der Reds rückten Tomic oder Astudillo dann zum Flügel und setzten Babbel oder Carragher aggressiv unter Druck, während Cruyff Passwege in die Tiefe zustellte und gemeinsam mit Moreno Verlagerungen über den Sechserraum blockte. Bei Lösungen der Liverpooler die Linie entlang hatte der ballnahe Achter anschließend häufig die Möglichkeit gemeinsam mit dem ballnahen Flügelspieler am Flügel zu doppeln. Etwaige Rückzugsbewegungen der Liverpooler vom Flügel zurück zu den Innenverteidigern konnten die Achter außerdem weiter verfolgen. Schafften es die Achter Deportivos aufgrund weiter Laufwege nicht, den Raum am Flügel zuzulaufen, rückte stattdessen direkt der Flügelspieler nach vorne, während Cruyffs Aufgaben im Zentrum dann von dem ballnahen Achter erfüllt wurden. In der Regel hielt sich Cruyff gegen den Ball vornehmlich hinter Moreno auf, es sei denn dieser konnte Liverpools Innenverteidiger nicht rechtzeitig stellen, um Zuspiele hinter das eigene Mittelfeldband zu verhindern.

Chronologie des Spiels: Schnelle Führung der Reds, Umstellung bei Alaves, Verlängerung

Trotz der guten Ansätze hatte Alaves zu Beginn der Partie größere Probleme den defensiven Umschaltmoment abzusichern: Vor allem die Räume neben Desio und hinter den beiden Flügelspielern offenbarten Platz für Owen oder die Liverpooler Außen, die diese zum schnellen Aufrücken nutzen konnten. So kam es, dass die Spanier bereits nach der Anfangsviertelstunde mit 0:2 im Rückstand lagen – in der vierten Minute hatte Babbel nach einem Freistoß getroffen, Gerrard konnte nach sechzehn Minuten im Anschluss an eine schnelle Umschaltaktion nachlegen.
Mane reagierte auf diese Umstände mit der Einwechselung von Alonso für Eggen, was zur Folge hatte, dass die Grundordnung der Spanier sich hin zu einem 4-1-4-1 / 4-3-3 änderte. Alonso ging dabei auf den linken Flügel, während Astudillo auf die rechte Seite wechselte. Cruyff rückte auf die linke Acht, Tomic auf die rechte. Insgesamt verstärkte sich der Fokus der Spanier auf zweite Bälle. Alonso und Astudillo waren kaum auf den Außen zu finden und unterstützten stattdessen Moreno in der Mitte. Durch die hohe Präsenz in der letzten Linie und den Fokus auf die Zentrale gelang es Alaves nun besser zweite Bälle unter Druck zu setzen und damit auch weniger konteranfällig zu werden. Mit dem Anschlusstreffer durch Alonso kippte die Partie dann schließlich zu Gunsten der Spanier, die allerdings im Anschluss an einen Torwartfehler von Herrera noch vor der Pause das 1:3 hinnehmen mussten. Erst zu Beginn der zweiten Halbzeit konnte Moreno mit einem Doppelpack für den Ausgleich sorgen. Nach 72 Minuten gelang dem eingewechselten Fouler wiederum die Führung für Liverpool, die Cruyff kurz vor Spielende egalisieren konnten. Das einzige Tor in der Verlängerung war schließlich ein Eigentor von Geli, was den 5:4-Sieg für den FC Liverpool bedeutete.

Kleiner Hinweis: Auch in der zweiten Hälfte gab es noch die ein oder andere Umstellung auf beiden Seiten, deren Darstellung aber den Rahmen des Formats sprengen würde. An dieser Stelle sei noch einmal die hohe taktische Qualität der Mannschaft von Alaves hervorgehoben und für Interessierte die Empfehlung gegeben, sich dieses Spiel bei Gelegenheit einmal in voller Länge anzuschauen.

studdi 19. Dezember 2016 um 12:56

Ja Alaves 2001 war wirklich eine klasse Mannschaft und einfach total unterschätz…
Als FCK Fan habe ich das noch zu gut in Erinnerung, jeder dachte schon das man nachdem man die Rangers und PSV aus dem Pokal geworfen hatte dachte jeder das man gegen diese unbekannte Truppe locker das Finale erreichen würde. Doch im Halbfinale setzte es zwei derbe Klatschen gegen diese Taktisch klasse Mannschaft…

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