Brasilien gewinnt die Gruppe C
Ein allgemeiner Rückblick auf das Copa-América-Topspiel zwischen Brasilien und Kolumbien am zweiten Spieltag und eine kleine Betrachtung der brasilianischen Leistung im abschließenden Gruppenmatch gegen Venezuela.
2. Spieltag: Brasilien – Kolumbien 0:1
Am zweiten Spieltag der Gruppe C kam es zum nominellen Top-Duell zwischen Brasilien und Kolumbien, die sich – wie schon bei der WM – abermals ein packendes und zum Teil verrücktes Match lieferten. Während den Kolumbianern die enttäuschende Auftaktniederlage gegen Venezuela nichts auszumachen schien, ließ sich auf brasilianischer Seite – auch wenn es zum Schluss auch aufgrund des Ergebnisses nicht unbedingt zu vermuten stand, insgesamt auch nicht wirklich so rezipiert wurde – eine Verbesserung in der spielerischen Ausrichtung im Vergleich zur Partie gegen Peru als erste Lehre feststellen. Dabei gab es grob zwei Wege für die Offensivversuche der Seleção:
Brasiliens spielerische Anlage wieder besser
Entweder kamen sie – gerade in der Anfangsphase häufig – über die halbrechte Seite, wo Daniel Alves insgesamt zurückhaltender agierte, aber dafür aus tieferen Positionen antreibende und einleitende Szenen suchte, um diagonale Spielzüge durch den Halbraum einleiten zu können. Dabei wechselte Willian zwischen einer breitegebenden und einer mitspielend-unterstützenden Rolle, während sich auch Roberto Firmino einband und Fred häufig mit herüber rochierte. Das verwies auch grundsätzlich schon mal auf eine balanciertere und etwas schärfere Rollenverteilung als gegen Peru. Zumindest bei diesen Angriffsszenen über halbrechts gab es in den dynamischen Momenten noch Unsicherheiten in der Verbindung zu der Neymar, der einige Male etwas tiefer verteilend und unterstützend auftrat, im weiteren Verlauf aber wechselhafte und teils etwas unklare Rollen einnahm. Er sollte sich wohl sehr frei und vielseitig im Entwicklungsverlauf einschalten können, doch waren die Anschlussstrukturen dadurch leicht instabil und in einigen vielversprechenden Momenten der Superstar gerade noch etwas zu tief postiert. So fehlte es in diesem Detail dann etwas an Optionen für das Weiterspielen in die Tiefe und der Effektgabe des Raumgewinns, so dass diese Ansätze über halbrechts oft nicht zu Abschlüssen kamen oder frühzeitig aus der Distanz aufs Tor ziehen mussten. Generell laborierten die Brasilianer immer mal an der nicht ausreichenden Besetzung der Räume in der Spitze.
Die andere Möglichkeit bestand durch Überladungen auf der linken Seite, was im Verlaufe der Partie zunahm und schließlich immer deutlicher – auch statistisch mit 50 % der Angriffen über diesen Bereich – zum Kernpunkt der brasilianischen Spielweise wurde. Vor allem Roberto Firmino schaltete sich sehr angenehm als mitspielender und ablegender Offensivmann in die Kombinationsversuche ein. Im Zusammenspiel mit Neymar, dessen Dribblings und Einleitungen in der Mehrzahl der Szenen – bis auf kleinere Ausnahmen – stabiler abliefen als gegen Peru, sorgte das für einige schöne Szenen, in die sich auch Fred bisweilen sehr kombinationsstark und kreativ, phasenweise sogar aktiver als in seiner üblichen balancierend-weiterspielenden Rolle einfügte. Von rechts war Willian hier situativ mit einzelnen sauberen Beiträgen dabei, wie auch Elias´ gelegentliche Läufe mehr Kontakt zu diesen Szenen und mehr Wirkung entfalteten. Insgesamt sorgte die weniger weiträumige, sondern konsequenter im Kleinen zusammenspielende Ausrichtung direkt für deutlich ansehnlichere Momente. Dass die vielen schönen Ansätze nicht ganz durchkamen, war auch durch kleine Inkonsequenzen und mehrfach bloß Pech begründet – hinzu kam jedoch noch Kolumbiens Defensive.
Diese formierte sich in einem unangenehmen, für Spannungsdruck sorgenden Pressing, das aus den 4-4-2/4-4-2-0-Grundstaffelungen einige asymmetrische Verschiebungen und formative Übergänge zeigte. Neben den kleinen Umpositionierungen zwischen James und Teó war vor allem die angepasste Rolle von Cuadrado auffällig. Einige Male agierte er diagonal etwas herausgerückt, was zusammen mit den nachschiebenden Bewegungen der Kollegen ungemütliche Staffelungen ergab, und in anderen Phasen zog er sich in asymmetrische 4-3-2-1-Ansätze zurück, die durch das weiträumig antizipative Herausrücken von Valencia im ballfernen Halbraum ergänzt wurden. Überhaupt machten die beiden defensiven Mittelfeldspieler einen teils hervorragenden Job, ließen den linken Halbraum situativ offen und versuchten dort durch dynamisches, wenngleich etwas instabiles Zuschieben Zugriff zu suchen oder zumindest einzelne vorschnelle brasilianische Aktionen zu provozieren, wie sie überhaupt bei Angriffen durch die Mitte sich gut in sehr enge Abständen zueinander zusammenzogen. Auch die losen Mannorientierungen der Außenverteidiger Zuniga und Armero erwiesen sich als durchaus unangenehm.
Trotz Kontrolle und Kombinieren an Kolumbiens Abwehrpressing verzweifelt
Auch wenn sie dagegen einige Angriffsabbrüche in den Übergangszonen hinnehmen mussten, gelang es den aufbaustarken Brasilianern jedoch häufig, dieses Pressing im ersten oder zweiten Drittel mit guter, vielseitiger Positionsfindung der Sechser oder unterstützendem Zurückfallen von Fred in 2-3-2-Aufbaustrukturen aufzulösen. Zudem gab es einzelne zentrale Freilaufbewegungen von Roberto Firmino oder Neymar, die sich kurz explosiv zwischen den kolumbianischen Mittelfeldakteuren anboten und dann schnell das Aufrücken organisierten, oder geschickt ausgeführte Basismechanismen am Flügel, mit denen den zentralen Strukturen des Gegners ausgewichen und seitlich lokal aufgerückt wurde. Über einen dieser Wege gelangten die Brasilianer also schließlich nach vorne. So konnten sie am Übergang zum letzten Drittel, meist eben auf halblinks, gegen 4-4(-0)-2-hafte Reststellungen der Kolumbianer anspielen, die darin aber vieles richtig machten und schwer zu knacken waren.
Sowohl die Grundanordnungen nach dem Rückwärtsgang als auch der Einsatz von Physis und Athletik im Defensivdrittel wussten zu überzeugen, was zusammen mit wirksamer Strafraumverteidigung die brasilianischen Ansätze haarscharf an der letzten Linie kappen konnte. Dadurch entstand ein wenig so etwas wie eine Gemengelage des brasilianischen Duells mit Peru in vertauschten Rollen, mit dem strategisch-gewichtenden Unterschied, dass die Seleção jeweils den dominanten und spielbestimmenden Part eingenommen hatte. Insgesamt muss auch betont werden, dass die Kolumbianer in ihren Rückzugsanordnungen gerade zu Anfang noch recht wechselhaft agierten und durch die sehr situativ-spontanen, teils inkonsequenten Einbindungen von Cuadrado und James immer mal Asymmetrien und leicht veränderte Strukturen entstanden. Das gab den Brasilianern dann zwischendurch auch mal mehr Möglichkeiten für ihre Angriffe in offeneren Szenen und sorgte insgesamt für häufig wechselnde Detailverhältnisse in dieser Partie.
Im zweiten Durchgang schienen die horizontale Kompaktheit in der Mittelfeldlinie und die Sauberkeit im Rückzugsverhalten in die tiefste Stufe des Abwehrpressing bei Kolumbien nochmals überzeugender. Gleichzeitig fokussierte sich Brasilien etwas zu sehr auf diesen Raum, hatte kleine Probleme mit der Balance in den Anordnungen und verlor dadurch innerhalb ihrer Überladezonen etwas die Flexibilität in der Verbindung zwischen den einzelnen Bereichen. So wirkten die Kombinationsansätze – zumal der diesmal sehr starke Fred für den leicht rhythmusunsicheren Coutinho ausgewechselt war – mechanischer, vorgeformter und etwas unharmonischer, zogen in nicht optimalen Bahnen in Richtung Tor. Generell waren die Anschlussstaffelungen an den Kombinationen das eine oder andere Mal etwas zu flach, was ebenso einen minimalen Schwachpunkt in ihren Ansätzen darstellte und deren Wirkung als kleiner Faktor leicht nach unten zog. Hier ergab sich eine ambivalente Bewertung der Brasilianer im defensiven Umschaltmoment: Bei zentralen Kombinationsversuchen an der letzten Linie agierten die beiden Sechser schon sehr aufmerksam lauernd und rückten einige Male herausragend ins Gegenpressing nach, wobei auch Daniel Alves dann diagonal unterstützen konnte. Aber dennoch gestaltete sich das Gegenpressing als Gesamtes, wenn es zu Ballverlusten kam, nicht durchgehend konsequent.
Gefährliche Konter zwischen geschicktem Pressing und Situationsklugheit
So durfte Kolumbien gegen diese bewusste, aber zu lasche Spielweise einige Konter fahren. Über die sich geschickt positionierenden und weiträumigen Stürmer und das Nachstoßen von James sowie Cuadrado gehörten diese Angriffe somit zu ihren wichtigsten Offensivmitteln und sorgten aufgrund durchaus passender Balance in der Ausführung für die besten wie meisten Torszenen. Im zweiten Durchgang hatten sie generell die eine oder andere etwas offenere Möglichkeit, da Fernandinho als tiefster brasilianischer Sechser etwas zu mannorientiert und daher einige Male in die letzte Linie gezogen wurde, was gerade für die aufrückenden kolumbianischen Dribblings Raum im Mittelfeld gewährte. Ansonsten waren die Gefahren der Pekerman-Truppe aus den eigenen Aufbauversuchen – gegenüber den Konterangriffen – gar nicht so großartig, wobei es neben den Kontern auch einige ähnlich strukturierte Schnellangriffe gab, die man dabei nicht verschweigen sollte.
Insgesamt machte das brasilianische Mischsystem aber einen ganz guten Eindruck, das wechselnd im 4-4-2 mit Fred links oder asymmetrischem 4-1-4-1 mit nach außen versetztem Neymar erscheinen konnte, oft jedoch dazwischen schwankte. Das ermöglichte viele hohe Pressingphasen, in denen Neymar aufrückte und in einer etwas schiefen Dreierreihe den gegnerischen Aufbau zustellte, nach rechts lenkte und Fred dort hinter ihm seitlich herausschieben ließ. Zwar war diese Spielweise nicht immer erfolgreich und wechselte sich häufig auch mit soliden, recht anpassungsfähigen und sauberen 4-4-2-Phasen ab, konnte Kolumbien aber doch zu einigen langen Bällen und fruchtlosen Aufbauversuchen drängen. Im zweiten Durchgang provozierte das durch Elias´ Nachrücken sogar eine Riesenchance, als Roberto Firmino allerdings über das leere Tor zielte. Gelang es den Kolumbianern doch mal, sich daraus zu lösen, waren beispielsweise die verschiedenen Herauskippbewegungen der Sechser beteiligt. Dann gingen sie in eine 4-2-2-2/4-2-3-1-Offensivstruktur über, bei der James verstärkt nach innen zog, Teó nach links wich, Cuadrado seine typischen Bewegungsmuster einbrachte und Falcao situativ direkt sehr weit zurückfiel.
Wenn die Kolumbianer mal längere Ballbesitzphasen hatten, versuchten sie diese mit zurückfallenden Bewegungen und mittiger Präsenz auszukosten. Anschließend folgten kleine Kombinationen für Raumgewinn über schnelle Läufe in Richtung Strafraum, für dyamische Flügelaktionen, zur Einbindung der aufrückenden Außenverteidiger oder des weiträumigen Bewegungsspiel der flexiblen Stürmer. Mit kurzen, schnellen Beschleunigungen aus diesen Vorbereitungsphasen erzeugten sie dann neben den Konterangriffen noch die eine oder andere weitere Szene. Wichtig dafür war, dass sie die verschiedenen jeweiligen Einzelmittel geschickt, balanciert und bewusst einbanden. Gegen engere 4-4-2-Stellungen der Brasilianer fokussierten sie sich verstärkt auf die äußeren Halbräume, suchten dort gegen deren abwartende Passivität kleine Überladungen und griffen hier gerne mal – wie auch bei den Kontern oder Schnellangriffen – zu frühen Abschlüssen aus der Distanz. Das unterstützte zudem den offenen Spielcharakter und führte zu einzelnen zwischenzeitlichen Druckphasen frenetischer Art mit einem gewissen Rhythmusvorteil für Kolumbien. In einer solchen Phase fiel auch das letztlich entscheidende Siegtor im Anschluss an eine Standardsituation.
Fazit
Gerade nach der Roten Karte für Neymar fielen die abschließenden Bewertungen für das brasilianische Team ernüchternd und vor dem letzten Spiel eher pessimistisch aus, wenngleich auch ohne den Superstar der folgende Sieg gegen Venezuela wahrscheinlich war. Das lag vor allem in der diesmal verbesserten Offensivspielweise begründet, deren zahlreiche Kombinationsversuche nur an den teils verrückt noch rettenden Defensivaktionen bei Kolumbien scheiterten. Diese agierten klug, nutzten teilweise sogar ihre vielen frühen Abschlüsse geschickt und kamen letztlich in einem insgesamt herausragenden Match zu einem Sieg, der trotz ihres Übergewichts an auffälligen Torchancen für die Brasilianer auch etwas unglücklich war.
3. Spieltag: Brasiliens 2:1 gegen Venezuela
Nach seiner überzeugenden und für das Zusammenspiel wichtigen Rolle aus der Partie gegen die Kolumbianer war es ein wenig schade, dass neben Neymar auch Fred für das entscheidende Gruppenmatch – das 0:0 zwischen Peru und Kolumbien ergab die Konstellation, dass die Brasilianer nur noch entweder Erster oder Letzter werden konnten – aussetzen musste. Stattdessen kamen Philippe Coutinho und etwas überraschend Robinho in der Offensive neu ins Team. Ersterer agierte nominell auf der linken Seite, übernahm für Phasen aber auch, wie schon im Test gegen Honduras, die Zehnerposition, während teilweise Willian nach links wechselte und Robinho häufig nach rechts auswich.
Raumkontrolliertes Spiel lässt Venezuela laufen
Insgesamt waren diese beiden die umtriebigsten Akteure in der brasilianischen Ausrichtung, die sich vor allem über vielfältige Raumkontrolle definierte. Das häufige Herauskippen von Elias – meistens nach rechts – wurde durch einige weit nach hinten pendelnden Bewegungen dieser zwei Offensivleute ergänzt, die dort flexibel durch die Zonen kreisten und aus den tiefen Halbräumen aufbauen wollten. So forderte Willian die Bälle häufig in einem der beiden tiefen Halbräume, um sich in der Zirkulation einzuschalten, während Robinho am rechten Flügel Freiräume suchte, sich für kurze, dynamikschaffende und raumöffnende Ablagen nach hinten bewegte oder zwischen den Linien für riskantere Direktpässe aus der Verteidigungslinie wartete. Gegen das insgesamt nur mäßig überzeugende 4-4-2/4-2-3-1, das die Venezolaner gegen den Ball anboten, entstand dadurch hohe Sicherheit. Die von eher unflexiblen Mannorientierungen und wenig kollektivem Zugriffsverhalten geprägte Spielweise der „Vinotinto“ fand auf diese vielseitigen Freilaufbewegungen und die anpassungsfähig durch verschiedene Räume laufende Zirkulation der Seleção keinen Zugriff.
Diese bildeten immer wieder neue Anordnungen und spielten sich das Leder sauber-weiträumig mit einzelnen kleinen Überzahlbildungen zu. Gerade mit der frühen Führung durch Thiago Silva im Rücken, konnten sie sich auf eine solch geduldige Spielweise fokussieren und sich durch die gegnerischen Zwischenräume hindurch spielen. In einzelnen Phasen war deren situativ hohes 4-3-3-Zustellen zwar unangenehm für die Brasilianer, doch insgesamt fügte sich diese Partie als nächste Steigerung und Entwicklungsschritt in der Erarbeitung des brasilianischen Aufbaus ein. Irgendwann entstanden aus einer solchen Kontrolle dann auch die Torchancen im Übergang nach vorne, wo die Brasilianer mit einigen schönen Kombinationsansätzen an die durchaus positiven Eindrücke und Versuche aus dem vorigen Spiel anknüpften – gerade über Robinho. Roberto Firmino hielt sich diesmal etwas mehr zurück, aber war mit seinen kurzen Ablagen und unterstützenden Aktionen erneut wertvoll, Elias trieb situativ an und einzig Philippe Coutinho hätte noch etwas präsenter und häufiger involviert werden sollen.
Im weiteren Verlauf der Partie gab es vermehrt Phasen, in denen sich Roberto Firmino ballfern nach links absetzte und Willian und Coutinho zentral agieren ließ, wodurch diese mit dem nach rechts rochierten Robinho dort gemeinsam Überladungen starten konnten. Vor allem über die diesmal dominanten Rechtsüberladungen und insgesamt über verschiedene schnelle Verlagerungen kamen sie zu ihren Torchancen. Beim 2:0 war es ein Seitenwechsel nach links, wo Willian zur Grundlinie durchbrach und per Außenrist-Hereingabe vorbereitete. Allerdings gab es auch noch zahlreiche Szenen, die das Team deutlich besser hätte ausspielen müssen, manche seltsame Entscheidung in der Raumwahl und gerade Daniel Alves auf rechts hatte einige unpassende, unsaubere Aktionen wie auch die eine oder andere Hereingabe zu viel. Dafür wirkte insgesamt das Gegenpressing etwas harmonischer und kohärenter, zeigte sich über weite Phasen zuverlässig und hatte den einen oder anderen hervorstechenden Moment – hier gab es also eine weitere Steigerung.
Solide Defensivformation mit viel Herausrücken
In der Spielweise gegen den Ball wurde die noch gegen Kolumbien und teilweise auch Peru praktizierte asymmetrische Pressingordnung ohne Neymar nun aufgelöst. Das führte zu einer grundsätzlich etwas simpleren und normaleren Aufteilung, die sich entweder in einem soliden 4-4-2 oder – durch etwas zurückgezogene Spielweise des jeweils zentral-offensiven Akteurs – 4-1-4-1 realisierte. Insgesamt war die Konsequenz in der vertikalen Kompaktheit dabei zwar nicht immer optimal, doch lagen die kleineren Lücken meistens so, dass sie von Venezuelas flügelorientierter Spielweise kaum gefunden werden konnten – in manchen Phasen schien Brasilien sogar bewusst das Zentrum in manchen Abschnitten etwas offen zu lassen. Nur vereinzelt fand mal der einrückende Ronald Vargas etwas Zeit im Halbraum und konnte dort mit Direktpässen bedient werden. Zwar brachten die Mannen von Trainer Noel Sanvicente viel Personal nach außen, hatten einige ordentliche Ansätze in der Zirkulation und über die selten mal eingestreuten Ablagen, brachten auch durchaus gefährliche Nachstöße für eine passende Strafraumbesetzung ein und bereiteten vor allem ihre Ansätze an den Außenbahnen – vor allem rechts mit Rincóns nach außen gehendem Helfen – geduldig und geschickt vor.
Doch trotz dieser beweglichen wie insgesamt engagierten Vorgehensweise agierten sie letztlich zu simpel, um gegen die solide Anpassungsfähigkeit der Brasilianer und ihre sichere Strafraumverteidigung zu mehr als einem späten Treffer zu gelangen. Zudem zeigte die Seleção viele starke Herausrückbewegungen einzelner Spieler, die überaus konsequent wie fokussiert eingebunden wurden und die etwas großräumigere Defensivausrichtung wirksam stützten. Gerade die Achter und die Außenverteidiger – situativ in teilweise etwas zu starken Mannorientierungen – pressten immer mal antizipativ aus der Formation heraus und führten dies geschickt weiter. Gerade die Außenverteidiger schoben in den ersten gegnerischen Aufbauphasen einige Male aggressiv in die Kanäle neben Fernandinho oder um die Achter herum, was Erstgenannter – mit herausragender Leistung – entweder direkt durch seine horizontal weiträumige Spielweise oder indirekt über eine sehr tiefe Positionierung zur Verbreiterung der letzten Linie abgesichert wurde.
In ihren besten Phasen ließ Brasilien das gegnerische Bemühen daher kaum mal nach vorne eindringen, so dass die Venezolaner ihre Flügelüberladungen mit den einzelnen Mechanismen halbrechts nur selten in Gang zu bringen wussten. Einige Male mussten sie mit langen Bällen eröffnen und dann über die Abpraller das Aufrücken in diese Strukturen organisieren. In der Schlussphase verteidigten die Brasilianer schließlich in einem 4-2-1-3/4-3-3/4-3-2-1 mit David Luiz im defensiven Mittelfeld und dem beweglichen Diego Tardelli, ehe später auch noch Daniel Alves nach der Einwechslung von Marquinhos weiter nach vorne geschoben wurde. Neben der erhöhten Defensivpräsenz sorgte dies für zusätzlichen Fokus auf das Ballbesitzspiel, wo die Mannschaft gerade im zweiten Drittel die starken Momente wieder häufiger zum Vorschein brachte. Erneut verwies das aber wie schon gegen Kolumbien darauf, dass man aus solchen Phasen nicht immer klar zu Chancen auskombinierte. Letztlich sicherten sie den Sieg souverän ins Ziel – der venezolanische Anschlusstreffer nach einem Freistoß sorgte aber nur kurz für etwas Spannung.
Fazit
Mit einer weiteren überzeugenden, wenngleich noch keinesfalls optimalen Leistung sicherten sich die Brasilianer letztlich den Gruppensieg. Auch ohne Neymar wussten sie – von Dunga in einer ansehnlichen Grundausrichtung eingestellt – spielstarke, gefährliche Momente zu erzeugen, wenngleich sie diese noch etwas besser hätten nutzen sollen. Dazu kamen in den Feinheiten kluge Anpassungen an die gegnerischen Einheiten. In vielen Aspekten hat die Mannschaft nun ein starkes Niveau erreicht und kann durchaus zu den Titelanwärtern gezählt werden. In Anbetracht der starken Konkurrenz muss jedoch noch die etwas lasche Inkonsequenz, die diese abschließende Gruppenbegegnung in einigen Phasen prägte und die volle Potentialentfaltung des Teams etwas hemmte, abgelegt werden. So macht der insgesamt zufriedenstellende Auftritt gegen Venezuela also Mut und bestätigt die Positivtendenz aus dem Kolumbien-Spiel, ohne dass aber uneingeschränkt in höchsten Tönen gelobt und ganz euphorisch auf den weiteren Turnierverlauf geblickt werden sollte. Gut vorbereitet ist Brasilien darauf aber definitiv.
9 Kommentare Alle anzeigen
Valentin 23. Juni 2015 um 23:52
Es freut mich sehr, dass die Copa hier die ihr angemessene Würdigung in Form von regelmäßigen Artikeln (zu Ausführlichkeit und Qualität muss man eh nichts mehr sagen) bekommt.
Dem Artikel kann ich eigentlich nichts hinzufügen, deshalb nur ein paar Anmerkungen:
„Angenehm“ ist eine sehr passende Beschreibung für Firminos Spielweise bisher, mir gefällt, dass er nicht versucht erzwungen dominant zu agieren, sondern sich oft über saubere Ablagen in die Kombinationen einbindet.
Hervorheben würde ich noch die Außenverteidiger. Filipe Luis ist ja ohnehin überragend, die Sauberkeit von seinen Aktionen ist immer wieder toll anzuschauen. Aber auch Dani Alves überzeugt mich bisher, obwohl er im letzten Drittel wie angesprochen nicht immer die glücklichsten Entscheidungen trifft. Dafür leitet er davor viele Angriffe im Halbraum mit ein, wirkt in meinen sehr antreibend. Die Systemumstellung bei Barca hat ihm echt gut getan, die ihm zu gute kommende eingerücktere Rolle merkt man seinem Spiel auch jetzt bei Brasilien an, auch wenn er hier noch dominanter agiert.
Außerdem hat mir ebenfalls Robinho im letzten Spiel gefallen. Viele haben ja keine hohe Meinung von ihm, aber ich fand ihn jetzt keineswegs schlecht. Er hat sich gut in die Kombinationen und Bewegungen der anderen Offensivspieler eingefügt, und konnte auch ein paarmal seine Dribbelstärke zeigen. Ich hoffe er wird auch weiterhin aufgeboten.
TR 24. Juni 2015 um 09:11
Jop, Robinho ist schon unterschätzt und eigentlich ein wirklich herausragender Offensivmann. Am deutlichsten zu erkennen bei der WM 2010, die eigentlich seinem öffentlichen Ruf als „unernster Hampel-Dribbler“ klar widersprach. Ich halte ihn für einen potentiell sehr wertvollen Spieler bspw. auch für Kombinationen, wenngleich er mittlerweile nicht mehr das Gesamtniveau hat wie noch vor einigen Jahren, und hoffe ebenso auf weitere Einsätze.
Rabona 23. Juni 2015 um 21:05
Wirklich überzeugt haben mich die Brasilianer in keinem Spiel bislang, dennoch sehe ich aber wie TR eine Steigerung von Spiel zu Spiel.
Gegen Paraguay habe ich keine Zweifel an einem Weiterkommen, aber im wahrscheinlichen Halbfinale gegen ARG muss schon alles passen.
SuperMario33 23. Juni 2015 um 13:23
Auf die Pop-Up-Werbung
kolle 22. Juni 2015 um 23:47
Off-Topic:
.. langsam nimmt die Werbung hier Überhand. Nichts gegen Werbung und das Ihr etwas für eure Arbeit einnehmt. Aber die Werbung ist z.T. echt penetrant..
SuperMario33 23. Juni 2015 um 09:45
Mach dir nen Pop-up-Blocker auf den Rechner, fertig. Wer arbeitet, wie die Autoren hier, will wenigstens irgendwann wenigstens ne kleine Aufwandsentschädigung.
Ein Zuschauer 23. Juni 2015 um 10:43
Worauf sich ein Pop-up-Blocker negativ auswirken würde?
Guergen 24. Juni 2015 um 13:04
Mit der momentanen Werbung hier verhindert man aber eine Aufwandsentschädigung. Die immer aggressivere und nervigere Werbung führt erst zu den ganzen AddBlock-Maßnahmen. Früher bin ich hier gerne und bewusst ohne AddBlock gesurft – inzwischen: Nein, ist zu übel.
RM 25. Juni 2015 um 13:57
Einfach melden, wenn ihr was störendes seht, dann melden wir das unseren Vermarktern und es kommt weg. Wir sind auch nicht erfreut über die Pop-ups, usw.