1899 Hoffenheim – Schalke 04 3:2

Schalke scheitert an Tim Wiese, dem passiven Abwehrpressing und effizienten Kontern. Auswärts wollten die Gelsenkirchner gegen Hoffenheim natürlich mit einem Sieg nach dem gestrigen Frankfurter Punktverlust den Druck auf die Bayern erhöhen, doch dies sollte scheitern.

Wechselwirkung der jeweiligen Formationen

Die Hoffenheimer starteten vor eigenem Publikum in einem 4-4-2-System, welches aber situativ zu einem 4-3-3 wurde, indem Roberto Firmino als rechter Flügelstürmer sehr invers und spielgestalterisch agierte. Auf links blieb Takashi Usami offensiv eher unauffällig, sein Ziel war das Sichern seiner Seite und die Unterstützung im Umschaltspiel nach vorne. Er war vorrangig eine sichere Durchlaufstation im Spiel nach vorne und Breitengeber im zweiten und letzten Spielfelddrittel.

Grundformationen zu Spielbeginn

Vorne bildeten Joselu und Kevin Volland das Sturmduo, wobei Volland sich etwas höher zeigte, während Joselu sich viel entlang der Horizontale bewegte. Im Pressing stellten sich die beiden im Normalfall eng vor die zwei Viererketten des Mittelfelds und der Abwehr, schoben aber gelegentlich bei unsauberen Ballannahmen der gegnerischen Innenverteidiger sowie im Zuge des Gegenpressings aggressiv nach vorne.

Die Doppelsechs bildeten Daniel Williams und Sebastian Rudy, welche eine ziemlich identische Aufgabenverteilung hatten, wobei letzterer stärker im Aufbau- und Offensivspiel involviert war. Die Außenverteidiger Andreas Beck und Fabian Johnson spielten mit einem starken Mannfokus auf die gegnerischen Flügelstürmer und hatten auch deswegen offensiv einige Einschränkungen, weil bei Zocken der Gegenspieler große Lücken offenbart würden.

Im Gegensatz dazu standen die Schalker Außenverteidiger, welche im letzten Spielfelddrittel die Breite gaben und sehr weit nach vorne rückten. Um Ibrahim Afellays inverse Spielweise zu ermöglichen, agierte Christian Fuchs wie üblich offensiv, überraschend war aber die Spielweise von Atsudo Uchida. Dieser bewegte sich ebenso oft im letzten Spielfelddrittel und Jefferson Farfan konnte darum stärker in die Mitte rücken.

Einen Nachteil gab es aber dennoch, weil Lewis Holtby nicht seinen üblichen Raum fand und eine schwache Leistung ablieferte. Jermaine Jones und Roman Neustädter hatten wiederum riesige Räume zum Absichern, was im Normalfall sogar Letzterer alleine tun musste. Ein grundlegender Makel in der Partie, welcher beim ersten Treffer von den Hoffenheimern ausgenutzt wurde.

Hoffenheim drängt Schalke den Ballbesitz auf

Das Auffälligste in dieser Partie war die exorbitante Ballbesitzquote der Gelsenkirchner. Diese lag phasenweise bei 75% und diese Dominanz war zu weiten Teilen der Spielweise der Hoffenheimer geschuldet. Von Spielbeginn an suchten sie den Weg nach vorne über schnelle Konter in die Spitze aus dem Mittelfeld heraus, doch mit fortschreitender Spieldauer spielten sie gar ein ungemein tiefes und überaus passives Mittelfeldpressing.

Schalke konnte deswegen den Ball gut zirkulieren lassen und die Ballbesitzwerte stiegen noch etwas an. Hoffenheim wiederum konnte sich einzig auf das ideale Verschieben konzentrieren und versuchte die größten Gefahren der Schalker – Klaas-Jan Huntelaar, Jefferson Farfan und Ibrahim Afellay – mit Manndeckungen einzudämmen. Insbesondere jene auf Huntelaar wurde in der ersten Spielhälfte sehr gut bespielt, doch Schalke reagierte darauf intelligent.

Hohe Beweglichkeit auf Seiten der Schalker

Je länger das Spiel dauerte, umso variabler zeigten sich die Schalker. Gut erkennbar war dies bei Jermaine Jones, der sich nach dem Führungstreffer für Hoffenheim noch vertikaler bewegte und immer wieder in den Raum um Huntelaar stieß. Dies schnürte aber Holtby noch stärker ein, welcher kaum an Bälle kam und nur wenig Präsenz ausstrahlte.

das Hoffenheimer Pressing – etwas asymmetrisch durch Firmino, welcher oft nach innen ging und Beck sehr viel Räume in Verantwortung ließ. Neustädter bewegte sich einmal mehr hervorragend und zerlegte die seltenen gegnerischen höheren Pressingintervalle

Einige Male schob es ihn gar in die Sturmspitze, weil Huntelaar sich nach hinten und auf die Flügel bewegte. Der Niederländer wurde seinem Image vom reinen Strafraumstürmer nicht gerecht, sondern zeigte sich überraschend bewegungsfreudig und half auch mit Rückwärtspressing in der Defensive mit aus. Er war sogar laufstärkster Sieler bei Schalke mit 11.6 gelaufenen Kilometern, noch vor Roman Neustädter.

Holtbys einziger Ausweg waren letztlich die Flügel, wegen Huntelaarauf rechts bevorzugt der linke, auf welchen er ab Ende der ersten Hälfte immer öfter verschwand und dort die Außenverteidiger entlastete sowie mit dem jeweiligen Außenstürmer ein Dreieck bildete.

Mit diesen flexiblen Positionsbesetzungen erhöhte er die kollektive Bewegung und die Mitspieler profitierten ebenso, wie er von seiner horizontalen Spielweise. Dennoch tat Huub Stevens gut daran ihn für Julian Draxler auszuwechseln, welcher diese Rolle wohl passender bespielen konnte. Desweiteren konnte Afellay dann verstärkt in die Mitte gehen.

Schalke enttäuscht nicht und verliert dennoch

Nach dem Ausgleich zum 1:1 schien es wie eine Frage der Zeit für Schalke zu sein, bis sie den Siegtreffer erzielen konnten – doch nach einem Elfmeter für Hoffenheim und einer eigenen schwachen Chancenverwertung lagen sie abermals hinten.

Mit der Einwechslung von Ciprian Marica statt Jermaine Jones brachte Stevens einen zweiten Mittelstürmer vorne als Abnehmer von Flanken und Hereingaben. Außerdem wurde die Variabilität in der Bewegung und die kollektive Offensivausrichtung noch stärker erhöht, was sich im 2:2 zeigte; es war Benedikt Höwedes, welcher den Ball im letzten Spielfelddrittel verlor, aggressiv im Gegenpressing nachsetzte und der Angriff deswegen noch fortgesetzt werden konnte. Passend dazu war es dann auch noch Uchida in der Mitte, welcher nach der Flanke von Farfan abstaubte.

Doch diese offensive Spielweise in einem 4-1-3-2 mit aufrückenden Verteidigern wurde in letzter Minute noch bestraft, als der eingewechselte Sven Schipplock traf. Aus taktischer Sicht war hier das Problem, dass aufgrund der nicht vorhandenen Kompaktheit in der Situation und der mangelnden Absicherungen sich keiner anzugreifen traute, was den Pass auf den gut gestarteten Schipplock ermöglichte, welcher wegen eines Denkfehlers des ballfernen Außenspielers nicht im Abseits stand.

Fazit: Roman Neustädter & Tim Wiese als Symbolträger dieses Spiels

Interessant war es, wie Hoffenheim mit ihrem tiefen 4-4-2 die gegnerischen Außenverteidiger in den Spielaufbau zwingen und das Zentrum versperren wollte. Beide Mannschaften rückten zwar auf den defensiven Flügelpositionen im Aufbauspiel weit nach vorne, doch Hoffenheim versuchte dies stärker zu nutzen, was aber kaum klappte.

Roman Neustädter in der Mitte, welcher eine solide, aber trotz eines Treffers nicht seine beste Partie hatte,  zeigte hierbei seine Stärken: er verschob spielintelligent, bot sich in den Löchern des gegnerischen Pressings an und ermöglichte die hohe Ballbesitzquote. Vollands enorme Laufleistung offensiv wie defensiv stellte ihn zwar vor unangenehme Aufgaben, doch die wurden zumeist gut gelöst.

Hier zeigte sich auch, wie wichtig individuell starke Spieler auch bei unauffälligeren Spielen sein können – und bei Hoffenheim gab es mit Tim Wiese einen ähnlichen Spieler. Hoffenheim erzielte drei Tore aus vier Torschüssen (und sechs Abschlussversuchen), während Schalke bei 23 Abschlüssen ganze zehn Mal aus Tor kam.

Das bedeutete zwar, dass weniger als jeder zweite Schuss auf das Tor von Wiese kam, ist aber eine normale Auswirkung von passivem Abwehrpressing bei nicht eingeübten Ballbesitzteams wie es Schalke heute ausnahmsweise war.

Hinzu kommen natürlich die acht Paraden von Wiese, der seine Mannschaft im Spiel hielt. Gepaart mit der enormen Laufstärke von Hoffenheim (sechs Hoffenheimer liefen mehr als Huntelaar und Neustädter) zur Bedrängung bei Abschlüssen und dem Versperren der gefährlichsten Zonen war dies das auffälligste Merkmal im Spiel der Heimmannschaft. Inwiefern der Sieg von Hoffenheim taktisch und spielerisch verdient war, bleibt dabei jedem selbst zur Interpretation überlassen.

Philipp1234 5. November 2012 um 00:47

Kein Wort zur indiskutablen Torwartleistung auf Schalke Seite?!

3 von 4 drin sagt aber schon alles… das 1:0 und 3:2 waren sehr haltbar.

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datschge 5. November 2012 um 01:32

Ja, der Torwart war eindeutig eine taktische Fehlbesetzung!!

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Felix 4. November 2012 um 19:00

Ich muss sagen, dass ihr möglicher Weise Recht habt, mit der enormen Passivität Hoffenheims, aber man muss auch sagen, dass zwischen dem 1:0 und dem Elfer zum 2:1 eigentlich kaum ein Hoffenheimerangriff über die Mittellinie kam. Fast alles wurde frühzeitig bereinigt und diese zaghaften Konterversuche waren eigentlich nur die kleinen Pausen zwischen Schalker Angriffswellen.
Dazu kam man auf Schalker Seite ja auch zu vielen sehr guten Chancen, häufig Doppelchancen, weil der erste Ball glänzend pariert wurde und der 2. ebenso, oder ungenau vergeben wurde.
Schalke hätte dieses Spiel gewinnen müssen, sogar hoch, wenn man vorne effektiver gewesen wäre. Sicherlich war in dem Spiel auch viel Pech dabei (Afellays Tor, der Elfer der vertretbar, aber nicht umbedingt zwingend war…)
Ich denke dadurch, dass Schalke aus vielen Großchancen zu wenig gemacht hat dieses Spiel entschieden hat und man es auch anders bewerten würde, wäre es so gelaufen.

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RM 4. November 2012 um 23:35

Natürlich! Habe die Schalker auch gelobt, ebenso kommen sie in unserem RevierSport-Artkel gut weg. Letztlich hat Hoffenheim doch gewonnen und – wie so mancher Leser fordert – sollen wir in unseren Analysen erklären, wie das Ergebnis zustande kam. Darum ein paar Wörter mehr für Hoffenheim, als es womöglich sonst gewesen wäre.

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Strafraumauthist 4. November 2012 um 17:48

letztendlich kommt es immer noch auf die deutschen Tugenden an!

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04er 3. November 2012 um 21:14

Schon ganz gut Eure Seite aber ob es im Fussball wirklich um soviel Taktik geht. Vielleicht doch alles nur heisse Luft hier. Manchmal schon ein bisschen übertrieben alles. Kampf und Charakter sind immer noch wichtig und vieles im Fussball ist doch Zufall, im Gegensatz zu z.B. Handball oder Basketball. Meine Meinung.

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Alex 4. November 2012 um 10:15

Nicht zu verachten ist auch die Wichtigkeit des Singens von Liedern, vorzugsweise mit nationalem Hymnencharakter..

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King_Cesc 4. November 2012 um 11:02

Und natürlich ein Leader im Team! Mit einem richtigen Kapitän wäre Schalke nach dem 3:2 ja vielleicht noch zurück gekommen…

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