Highlights und wenig Qualität
Im Endspurt um die Europa-League-Plätze in der Bundesliga trennten sich die TSG 1899 Hoffenheim und Borussia Dortmund mit einer Punkteteilung. In einem qualitativ mageren Spiel konnte zumindest der zuweilen offene Schlagabtausch die Zuschauer begeistern. 1:1 lautete das Endergebnis.
Zusammengefasst:
- Keine Macht dem notorischen Abkippen!
- Aufbaustaffelung – was ist das?
- Öffnet die Halbräume, die Konter sind im Anmarsch!
Grundformationen
Markus Gisdol wurde seinem Ruf einmal mehr gerecht, indem der 45-Jährige erneut einige Änderungen an der Hoffenheimer Grundformation vornahm. Statt eines 4-3-1-2, wie letzte Woche beim Auswärtsspiel gegen Hannover 96, setzte Gisdol auf eine Variante des 4-2-2-2. Er beließ die beiden Mittelstürmer Ádám Szalai und Anthony Modeste in der Startformation. Roberto Firmino rutschte derweil auf den Flügel beziehungsweise auf eine offensive Halbposition. Sein Pendant war Kevin Volland. Beide wechselten insbesondere in der Anfangsphase häufiger die Seiten. Szalai und Modeste rochierten ebenso in der Spitze immer wieder. Hinter den Offensivkräften stellte Gisdol eine Doppelsechs mit Pirmin Schwegler und Eugen Polanski auf. Sebastian Rudy verließ im Vergleich zur Vorwoche die Außenverteidigung. Jeremy Toljan rückte von links nach rechts, Andreas Beck agierte rechts hinten.
Bei den Dortmundern waren die Änderungen im Vergleich zum Triumph im Halbfinale des DFB-Pokals gegen Bayern München überschaubar. Neven Subotić ersetzte Sokratis in der Innenverteidigung. Sebastian Kehl rückte anstelle des angeschlagenen Sven Bender ins Mittelfeld. Selbiges galt für Henrikh Mkhitaryan, der Marco Reus vertrat. Der BVB trat wie gehabt in einer 4-2-3-1-Grundformation an.
Hoffenheim dominiert zunächst
Gisdols Ansatz war darauf ausgelegt, in der vorderen Reihe stetig physische Präsenz zu schaffen. In der ersten Halbzeit standen Modeste und Szalai nicht selten im Eins-gegen-Eins gegen Dortmunds Innenverteidiger, während Volland sowie Firmino durch die etwas eingerückte Positionierung eine zweite Welle bildeten. Da Dortmunds Außenverteidiger eher flach in der Kette verharrten und selten einschoben, konnte Hoffenheim folglich halblange Zuspiele in die Spitze nutzen und gegebenenfalls zweite Bälle erobern.
Zudem generierte der BVB in den ersten Minuten nicht den notwendigen Zugriff. Bei einem Einwurf in der vierten Minute auf den eigenen rechten Flügel schob die komplette Borussen-Mannschaft sehr verdichtet in Richtung der Seitenauslinie. Eine schnelle Weiterleitung gab Volland Freiraum, der daraufhin mit einem Schnittstellenpass direkt Modeste halblinks hinter die Abwehr schickte. Der Franzose scheiterte an Mitch Langerak.
Im Pressing verhielt sich Dortmund gewohnt abgeklärt: passende vertikale Kompaktheit und entsprechende Nutzung von Bogenläufen durch die beiden vorderen Spieler (Pierre-Emerick Aubameyang und Shinji Kagawa). Zudem wurde im 4-4-2 stärker zum Flügel verschoben, wenn der Hoffenheimer Außenverteidiger das Spielgerät erhielt. Das war im sehr engen 4-3-3 am vergangenen Dienstag gegen Bayern München so nicht zu beobachten, als Rafinha mehrmals die Lupfpässe von Jérôme Boateng recht unbedrängt verarbeiten konnte. Beck und Toljan genossen diese Freiheiten nicht.
Schlussendlich erzwang der BVB jene langen Schläge aus Hoffenheims Aufbaulinie heraus, die Gisdol höchst wahrscheinlich eingeplant hatte. Nach rund 15 Minuten schoben die Außenverteidiger der Gastgeber direkt zu Beginn des Spielaufbaus sehr weit nach vorn. Vor allem Beck tat dies, der daraufhin auf Höhe der eigenen Stürmer beispielsweise ein langes, diagonales Anspiel von David Abraham erhielt.
Währenddessen kippte Schwegler im Aufbau vermehrt zwischen die Innenverteidiger ab. Die breiter stehenden Abraham und Bičakčić spielten folglich Bälle diagonal in die Spitze, wobei sich der jeweils ballnahe Angreifer etwas fallen ließ und zum Teil auch vor den Dortmunder Sechser schob, um dann die entsprechende Ablage zu spielen und den Angriff weiterzuführen.
Dortmunds Aufbauprobleme
Es ist keine Seltenheit in dieser Spielzeit, dass der BVB aus dem eigenen Spielaufbau heraus, eklatante Schwächen in der Staffelung aufweist. Meist ist die Zentrumspräsenz nicht effektiv gewährleistet. Fehlende Dreiecksbildung und ein zu starkes Spiel in die Breite ziehen sich durch die Saison. Gegen Hoffenheim konnte man keine signifikanten Verbesserungen erkennen. Insbesondere in der ersten halben Stunde kippte İlkay Gündoğan zwischen die Innenverteidiger ab. In einer nahezu geraden Linie standen dann Sebastian Kehl und dahinter Shinji Kagawa vor ihm. Beide waren eingekreist vom kompakten Hoffenheimer Block.
Als Konsequenz konnten die Kraichgauer den Dortmunder Aufbau sehr simpel auf die Seiten lenken. Vor allem Subotić stand mehrmals äußerst weit außen. Nachdem er den Ball erhielt, war eigentlich nur Erik Durm als Anspielstation verfügbar. Doch dieser bekam im Endeffekt das Spielgerät nur in der Form, dass er mit seinem Sichtfeld in Richtung der eigenen Torauslinie stand. Wenn schon der BVB den Aufbau direkt in die Breite verlagerte, hätte eher der Außenverteidiger nach innen schieben müssen, was wiederum den entsprechenden offensiven Flügelspieler zu einer tieferen Positionierung sowie einen Sechser oder Kagawa zum seitlich-diagonalen Herauskippen veranlasst hätte. Davon war aber gerade auf der rechten Seite wenig bis gar nichts zu sehen. Beide Außenspieler positionierten sich in der Regel sehr breit.
Auf der linken Außenbahn zeigte sich Mkhitaryan etwas variabler. Der Armenier bewegte sich im Halbraum teils etwas zurück und konnte prompt bessere Weiterleitungen spielen, sofern er den Ball bekam. Schmelzer hingegen wurde das eine oder andere Mal mit einem langen Ball in den Vollsprint gegen Toljan geschickt.
Tore und die zweite Halbzeit
In der 32. Minute ging Hoffenheim durch Volland in Führung. Die Gastgeber verlagerten in dieser Szene sehr schnell durch den Zehnerraum nach halbrechts, wo sich der Hoffenheimer Angreifer aus Abseitsstellung zurück in den erlaubten Bereich bewegte. Nach der Ballannahme konnte er sich gegen Schmelzer durchsetzen und ins lange Eck einschieben. Nahezu postwendend glich der BVB aus. Eine Mkhitaryan-Ecke wurde durch Mats Hummels eingeköpft.
Zur Halbzeitpause stand es nach Torschüssen 2:1 für Hoffenheim, während der BVB mit 53,2 Prozent einen höheren Anteil an Zuspielen aufwies. 14 abgefangene Bälle auf Hoffenheimer Seite standen lediglich 4 auf Seiten der Dortmunder gegenüber.
Bereits vorm Pausenpfiff musste Jürgen Klopp seinen Rechtsaußen Jakub Błaszczykowski vom Feld nehmen und durch Kevin Kampl ersetzen, was zu mehr Rochaden zwischen beiden nominellen Flügelakteuren führte. Zudem verbesserte sich der Spielaufbau. Beide Innenverteidiger agierten bei den ersten Pässen weiterhin aus einer breiten Stellung heraus. Doch da der BVB die Doppelsechs seltener durch Abkippen eines Mittelfeldspielers in die Vertikale zog, gab es quasi automatisch diagonale Anspielstationen für Hummels und Subotić. So konnte der Serbe direkt zu Kehl passen und dieser wiederum direkt nach außen auf Durm. Allerdings wurde dann weiterhin zu häufig der Steilpass auf dem Flügel gesucht.
Doch die erkennbare Rechtslastigkeit des BVB wurde zumindest durch die ausweichenden Bewegungen Aubameyangs, der eigentlich das ganze Spiel hinweg freie Zonen auf den Seiten suchte, begünstigt.
Insgesamt ergab sich ein recht offener Schlagabtausch. Die Gastgeber wurden druckvoller über die größere Offensivpräsenz der eigenen Sechser, ließen aber auch zunehmend Lücken offen. Der eigene Pressingdruck nahm über das komplette Spielfeld ab. Gisdol reagierte aber nicht durch eine passivere und defensivere Ausrichtung, sondern ließ sich auf den Schlagabtausch ein. Während sein Team druckvoller schien, waren die Dortmunder stets gefährlich über Ballgewinne im Mittelfeldpressing und anschließende Steilpässe auf Aubameyang, Mkhitaryan und Co.
Zudem stand Kehl in der Schlussphase vermehrt als Mittelfeldlibero sehr nah an der eigenen Innenverteidigung und bewachte so die Schnittstellen. Eine Viertelstunde vor Abpfiff wechselte Klopp Ciro Immobile für Kagawa ein. Der Italiener spielte fortan als Spitze, zeigte aber die gewohnten Ausweichbewegungen nach links, während Aubameyang verstärkt über rechts kam und Mkhitaryan den neuen Zehner gab. Einige Schnellangriffe über die Flügel wurden nicht von Erfolg gekrönt.
Fazit
Im fünftletzten Spiel auf Jürgen Klopps Abschiedstour offenbarte Borussia Dortmund nochmals einige Schwächen, die mitverantwortlich für den vergleichsweise schwachen Saisonverlauf waren. Die individuellen Aussetzer in der Defensive nahmen gewiss ab. Doch aus dem geordneten Spielaufbau heraus mangelt es weiterhin an passenden Staffelungen in einigen Situationen. Die simplen Flügelangriffe sind derweil für stärkere Gegner gut zu verteidigen.
Hoffenheim überraschte in dieser Partie weder im positiven noch im negativen Sinn. Ihre offensive Durchschlagskraft kam zeitweise zum Tragen. Die geringere Zentrumspräsenz wurde vom BVB erst in der zweiten Halbzeit bei einigen Tempovorstößen über die Halbräume genutzt. Ansonsten konnte Hoffenheim den Dortmunder Spielaufbau gut nach außen ableiten. Und ein tabellarisches Überholmanöver der Borussia wurde in dieser Form abgewehrt.
15 Kommentare Alle anzeigen
cali 3. Mai 2015 um 23:32
Was geht eigentlich mit Hummels? Schon wieder so ein totaler Stellungsfehler beim Volland-Tor. Spielerische Klasse hin oder her, aber wenn ich Zorc wäre, würde ich ihn bei einen >30 Millionen-Angebot höchstpersönlich die Koffer packen und auf Sarr/Ginter setzen. Diese Unkonstanz ist ja langsam nicht mehr feierlich…
Patrick 3. Mai 2015 um 14:23
Warum darf Gündogan immer wieder spielen?
DAF 3. Mai 2015 um 15:39
Warum denn nicht?
t3lly 3. Mai 2015 um 09:24
es ist cht bitter wenn man einem BVB-Spiel zuschaut. Da sieht man Hummels, Gündogan, Kagawa, Kampl, Micky… und denkt sich „wow, das ist schon individuelle Qualität“. Dass daraus im Spielaufbau so dermaßen wenig gemacht wird, ist schon echt traurig. Oben wurde ja nach den Gründen gefragt und für ist im BVB-Spiele eine Sache ganz deutlich zu erkennen: Die Hilflosigkeit der Spieler. Wenn ein Micky wüsste wie er zu Laufen hat, dann stünde der pro Spiel 5 Mal alleine vor dem Tor. Kagawa geht es ähnlich. Ich bin so dermaßen froh, dass Klopp die Koffer packt. Die Spieler benötigen neue Impulse und eine an die Situation angepasste Spielphilosophie. Wenn es Zwischenmenschlich klappen sollte, dann wird Tuchel durchstarten – und zwar von Anfang an. Es wird sich schnell zeigen ob Tuchel ein geoßer Trainer sein kann. Wenn er es schafft, dass die Mannschaft ihm uneingeschränkt folgt, dann geht es rund. Wenn es Zweifel an ihm gibt und die Mannschaft auch nur leicht rebelliert, dann war es das. Ausgang völlig ungewiss.
blub 3. Mai 2015 um 01:12
An den scheiß im Spielaufbau hab ich mich ja gewöhnt, aber das man 3-4 tolle Kontermöglichkeiten so dermaßen sinnlos verballert, dafür hab ich kein Verständnis.
Wenn der Spielaufbau nicht funktioniert und die Konter nun auch nicht, was ist dann der Plan fürs Tore schießen?
CR4 3. Mai 2015 um 16:04
Standards? 😉
Daniellowitsch 3. Mai 2015 um 01:06
Vor allem ans Spielverlagerungsteam – Wie erklärt ihr euch denn nun mittlerweile die Probleme des BVB, und die Tatsache, dass früher so vieles so viel besser war?
Ich sehe da vier Möglichkeiten:
1. Früher wurde (teilweise durch andere Spieler, teilweise instinktiv (auch durch mehr Selbstvertrauen)) unabhängig vom Trainerteam besser gespielt.
2. Die Mannschaft kann die Spielweise des Trainerteams nicht umsetzen, warum auch immer (zu wenig Training gilt ja nicht mehr. Deshalb bei so langem Bestehen der Probleme eher unwahrscheinlich).
3. Das Trainerteam hat den Blick fürs Spiel verloren. (Genauso unwahrscheinlich, so was ändert sich ja nicht in ein, zwei Jahren. Außer es gab einen taktischen Mastermind bei Jürgen Klopp zuhause, und nun hat das Kind Abitur gemacht und ist ausgezogen.)
4. Man setzt weiterhin andere Schwerpunkte im Training, ist sich aber der Probleme bewusst.
Ich tendiere natürlich zu 1. – ist aber schon brutal, wenn man mal überlegt, wie gut früher alles aufeinander abgestimmt war.
Was denkt ihr? Wurde Klopp überschätzt?
Daniellowitsch 3. Mai 2015 um 01:14
Punkt 2 hat schon auch sein Für, die Probleme sind ja auch tiefgreifend. Da fehlt mir auch die Expertise, um einschätzen zu können, wie schnell man so Denkstrukturen/Automatismen veändern kann.
Goalimpact 3. Mai 2015 um 11:50
So viel schlechter als früher spielt der BVB vielleicht einfach auch gar nicht. In der Rückrundentabelle haben sie nur drei Punkte weniger als die Bayern.
blub 3. Mai 2015 um 12:42
*6 Punkte. sagt der kicker.
Daniellowitsch 3. Mai 2015 um 15:43
Es geht ja nicht nur um die Punkteausbeute. Die im Text angesprochenen Defizite wie Staffelungen, Dreiecksbildungen oder auch Abstände waren meilenweit besser. Bspw. Dass dies nur BVB light ist, steht meines Erachtens klar fest. Punkte hin oder her.
Der Tortilla-Bäcker 3. Mai 2015 um 16:55
Sekundiert! Hätte da auch gern ’ne Antwort aus dem SV-Team (oder dem erweiterten Expertenkreis der Leserschaft hier) dazu, interessiert mich ebenfalls sehr. Ich hatte ja gehofft, dass die Frage in der BVB-Reihe nochmal zur Sprache kommt, aber die ist ja wohl mittlerweile durch (kein Vorwurf, liebe SV-Freunde!) …
idioteque 3. Mai 2015 um 18:29
Es ist schon mehrfach in den Artikeln angemerkt worden, dass Dortmund Probleme bekommt, wenn es sein eigenes Ballbesitzspiel aufziehen muss. Das sind Probleme, die der BVB auch schon in vorherigen Spielzeiten hatte, da sind die nur noch nicht so aufgefallen, weil es Klopp immer gelungen ist, den Spielstil so anzupassen, dass man es konstant geschafft hat, auch gegen defensive Gegner Umschaltsituationen herzustellen. Das verhindern aber viele Gegner immer besser, sodass der BVB so langsam ein vernünftiges Aufbauspiel aus eigenem Ballbesitz benötigt. Und dafür die passenden Abläufe einzutrainieren, ist dem Trainerteam bisher anscheinend nicht gelungen. Ob das daran liegt, dass sie selbst dafür kein Konzept haben, oder einfach nicht wissen, wie sie es vermitteln sollen, keine Ahnung.
idioteque 3. Mai 2015 um 18:31
Gerade im Kommentar vergessen: Zwischenzeitlich hatte der BVB ja sogar sehr gute Ansätze in die Richtung. Wohin die verschwunden sind, weiß ich auch nicht.
Benni 3. Mai 2015 um 00:02
In letzter Zeit gibt es reichlich 1899-Analysen, danke dafür! 🙂
Ich mag unsere Aufstellung mit 2 Stürmern – nicht, weil die irgendwas reißen würden, aber Volland hat weniger Gegenspieler. Spielaufbau aus dem Mittelfeld ist bei uns ja eh selten.