Bundesliga Breakdown: Spieltag 18
Die Bundesliga kehrt aus ihrer Winterpause zurück. Der passende Zeitpunkt, um Verrat an einem der heiligen Analysten-Gebote zu begehen: Keine Vorhersagen treffen!
Hamburger SV (6-4-7) empfängt Bayern München (15-1-1)
Drang gegen Dominanz. Kontrolliertes Chaos gegen kolossale Kontrolle. Das Duell zwischen Hamburg und München erlangte in den vergangenen Jahren Kultstatus – aber in anderer Form als in den 1980ern. Der HSV wurde mehrfach aus dem Stadion geschossen. Eine undefinierbare Masse, die jene bekannte Raute auf den Trikots trug, hatte den reinen Überlebenskampf zur Identität. Bis jetzt. Die Hanseaten sind auf dem Weg ihr Profil wieder zu schärfen.
Meine Vorstellungskraft reicht trotzdem nicht aus, um mir dieses Mal einen anderen Ausgang als in den meisten Partien zuvor auszumalen.
Die Spielweise der Hanseaten war in der Hinrunde merklich intensiver im Vergleich zu vergangenen Saisons. Der HSV betreibt einen größeren Laufaufwand, presst aggressiver im Mittelfeld und macht viele Meter in beiden Umschaltphasen.
Die Gefahr, gegen Bayern in die Rolle der Verbarrikadierer gedrängt zu werden, ist jedoch groß. Aber: Strafraumverteidigung ist alles andere als eine Stärke des Bundesliga-Dinos. Insofern müssen sie eigentlich ihr intensives, recht mannorientiertes Mittelfeldpressing auch gegen den FC Bayern anwenden.
Gegen Borussia Dortmund zahlte es sich für eine Halbzeit aus. Bayern ist allerdings bei weitem pressingresistenter im Spielaufbau, sodass Hamburg womöglich komplett ins offene Messer läuft. Denn Eins-gegen-Eins-Duelle im Vollsprint Richtung eigenes Tor sind Stoff für Labbadias schlimmste Albträume.
Was bleibt zu den Bayern zu sagen? Selbst bei einem langsamen Start in die Hinrunde sollten sie sich die drei Punkte beim HSV schnappen. Sie kennen viele Mittel und Wege, um eine entweder höher pressende oder auch tief stehende Mannschaft aus dem Bundesligamittelfeld zu knacken.
Vorhersage: eine ungewöhnlich niedrige Niederlage für Hamburg
FC Augsburg (5-4-8) bei Hertha BSC (10-2-5)
Beginnt der Absturz der Berliner direkt am ersten Spieltag der Rückrunde? Vor der Winterpause machte Pál Dárdais Team gewiss Schritte hin zu einer Spielart, die eher den Top acht der Bundesliga entsprechen könnte. Aber so recht kann ich an den Hype nicht glauben. In meinen Augen waren die Herthaner zuletzt nur das beste Durchschnittsteam unter einer Vielzahl an Durchschnittsteams. Sie profitierten von der Mittelmäßigkeit der Champions-League-Kandidaten, performten aber auch über ihrem Niveau.
Die Hinrundenpartie gewannen die Berliner mit 1:0. Nun könnte es der FCA sein, der den Auswärtssieg einfährt. Vor der Winterpause hatte Markus Weinzierls Mannschaft einen Lauf, der unter anderem in Siege bei Köln, Hamburg und Partizan mündete.
Wenn ein Dreieck mit Daniel Baier und Koo Ja-Cheol die Herthaner Mittelfeldzirkulation entscheidend unterbrechen kann, werden die Angriffe der Hausherren mit größerer Vorhersehbarkeit über die Flügel gespielt. Das könnte der FCA wiederum mit seiner Laufstärke auf Außen abfangen und folglich die Berliner Offensive neutralisieren.
Interessanterweise werden bei den Spielen der Augsburger im Durchschnitt die meisten Schüsse abgefeuert. Hertha derweil braucht die meisten Pässe, um einen Schuss zu kreieren. Letzteres ist keineswegs negativ, aber deutet darauf hin, dass Dárdais Elf hin und wieder abgestumpft wirkt, sollten ihre normalen Mechanismen nicht greifen. Man erinnere sich nur an den torschusslosen Sieg gegen Hoffenheim.
Der aktuelle Tabellendritte hat aber auch Argumente auf seiner Seite. Beispielsweise könnten Per Skjelbred und Co. sehr gezielt aus den tiefen Mittelfeldzonen in die Halbräume neben Augsburgs Doppelsechs spielen. Stimmen Timing und Präzision, würden die gegnerischen Außenverteidiger vorsichtig abwarten und der Doppelsechs nicht die notwendige Unterstützung liefern. Damit Hertha diese Räume effektiv nutzen kann, bedarf es einrückender Läufe der beiden nominellen Außenstürmer oder Rückfallbewegungen des Neuners.
Diese Bewegungen der Angreifer nutzt die Hertha ebenso, wenn die Außenverteidiger diagonale Anspielstationen im Umschaltspiel suchen. Ergo, eignen sich Halbraumattacken sowohl im Spielaufbau, in welchem die Außenverteidiger weit nach vorn schieben, als auch im offensiven Umschalten, um schnellen Raumgewinn zu erzielen und das Gegenpressing Augsburgs ins Leere laufen zu lassen.
Beide Teams haben Möglichkeiten, um dem jeweils anderen weh zu tun. Beide Teams haben Schwachpunkte, die der jeweils andere bespielen kann.
Vorhersage: ein nicht torloses Remis
Borussen-Duell zwischen Mönchengladbach (9-2-6) und Dortmund (12-2-3)
Über diese Partie habe ich mir die gesamte Woche Gedanken gemacht. Es bleibt vor allem die Frage: Wo steht Gladbach? Nach dem Favre’schen Fiasko zu Beginn der Saison lockerte Nachfolger André Schubert die Zügel, zeigte dem ultrakompakten 4-4-2 den Mittelfinger und wurde für Gladbacher Verhältnisse überaus kreativ in der taktischen Ausrichtung. Endresultat: gute Ergebnisse zu Beginn und abfallende Leistungen, als Schuberts eigene Philosophie stärker griff.
Sollte er aufgrund des überraschenden Sieges gegen Bayern wieder auf eine 3-1-4-2-Grundordnung setzen? Das würde ich verneinen. Gegen Bayer Leverkusen ging der Versuch zudem schief.
Schubert könnte jedoch ein Projekt aufgreifen, was er schon ansatzweise gegen Hertha und einige andere Teams ausprobierte: die Raute. Wenngleich damals nur als situatives Muster eingesetzt, um Anspielstationen in Form von Dreiecken zu ermöglichen, erscheint eine Raute zur flexiblen Zentrumskontrolle nicht uninteressant.
Ähnlich wie gegen die Bayern – aber mit breiterer Abwehrkette sowie höheren Flügelangreifern – wären die Fohlen in der Lage, die Halbräume, in die Dortmund eindringen möchte, abzusichern. Damit zudem die schnellen Seitenverlagerungen des BVB nicht zum Tragen kämen, hätte Schuberts Team zwei bis drei Spieler auf jeder Außenbahn. Im Endeffekt würde die Mittelfeldraute in der Verteidigung des letzten Drittels wieder in ein 4-4-2-0 mit breit ausgerichteten Stürmern, aber einem lauernden Zwischenraumspieler – also eigentlich in ein 4-5-1-0 – abklappen.
Und was funktioniert in diesen Tagen besser gegen den BVB als Konter, in denen die Räume hinter den Dortmunder Außenverteidigern bespielt werden? Thomas Tuchel änderte während der Winterpause wenig an der defensiven Ausrichtung. Er ist sich des Problems bewusst, nimmt aber in meinen Augen dieses in Kauf.
Notfalls könne man die meisten Gegner über eine hohe Schussanzahl sowie eine bisher herausragende Chancenqualität und -verwertung dominieren. Die offensiven Bewegungen der Dortmunder sahen in den Wintertests noch akkurater als in der Hinrunde aus, was für sich genommen erstaunlich ist. Oder wie ein Kollege immer wieder betont: Die Automatismen greifen.
Sollte Schubert auf das standardmäßige 4-4-2 setzen, was zuletzt mit erheblichen Kompaktheitsmängeln auffiel, müsste der BVB diese Räume für sich nutzen. Sofern die beiden Achter nicht ohne Not vor dem ersten Gladbacher Block verharren. Im weiteren Verlauf von Angriffen könnten die Dortmunder die mangelnde Tiefe der Fohlen für schnelle Diagonal- und Vertikalpässe sowie Ablagen in den mit herausragenden Technikern besetzten Rückraum nutzen.
Obwohl ich zunächst an ein knappes Duell glaubte, liefern die Gladbacher im Moment keine Argumente, warum sie defensivtaktisch plötzlich das Ruder herumreißen sollten.
Vorhersage: ungefährdeter Sieg für die schwarz-gelbe Borussia
18 Kommentare Alle anzeigen
gs 24. Januar 2016 um 18:14
Respekt vor der Trefferquote – für jemand, der behauptet, dass Prognosen für den Analysten eigentlich des Teufels sind, eigentlich unglaublich 🙂
Bin gespannt ob du dieses Niveau die nächsten Wochen halten kannst – wenn ja, sollte ich doch noch mal mit Sportwetten anfangen … 😉
Schorsch 23. Januar 2016 um 20:42
Es wird mir hier keiner glauben, aber die generellen Spielausgänge habe ich ebenso getippt. Knapper, aber sicherer Sieg für die Bayern, Remis zwischen Hertha und dem FCA (dabei habe ich ein 0:0 nicht ausgeschlossen), sowie ein Sieg für den BVB (wobei ich den nicht so ungefährdet gesehen habe). Das soll jetzt weder meine ‚Kompetenz‘ herausstellen, noch die CEs infrage stellen. Dafür waren die Ausgangskonstellationen doch zu klar und die Begründungen CEs zu bestechend. Aber wie man nicht nur bei den Toren im Spiel in Hamburg sehen konnte, ist manches im Fußball jenseits der Berechenbarkeit. Wenn es dann hinterher die Prognose bestätigt, ist ja alles wieder im Lot… 😉
Nur kurz zum Spiel BMG – BVB: So wie Gündogan heute agiert hat, mache ich mir keine Sorge um die DFB-Auswahl im anstehenden EM-Turnier. Für die Dortmunder Borussen wird es allerdings schwierig, da einen adäquaten Ersatz zu finden, wenn er zum Saisonende gehen sollte (Malli in der Gündogan-Rolle?).
Koom 23. Januar 2016 um 21:41
Fußball ist ein Glücksspiel, bei dem man nur die Wahrscheinlichkeiten beeinflussten kann, nicht die Resultate. 🙂
AK 23. Januar 2016 um 14:39
Na mal schauen, ob dein zweiter Tipp eines ungefährdeten Sieges der Dortmunder auch greift. 😉
AM 22. Januar 2016 um 23:20
Erster Tipp passt.
blub 22. Januar 2016 um 14:38
„Vorhersagen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.“
Allerdings muss man sagen besonders weit hast du dich ja nicht aus dem Fenster gelehnt.
CE 22. Januar 2016 um 15:54
Vielleicht hebe ich mir noch ein paar Knaller für die nächsten Spieltage auf. 😀
idioteque 22. Januar 2016 um 20:41
Soll das heißen, dass das eine Serie wird?
CE 22. Januar 2016 um 20:48
Ich möchte eigentlich bis zum Saisonende zu jedem Spieltag eine kurze Vorschau schreiben und auf ein paar Spiele eingehen.
Peda 23. Januar 2016 um 09:53
Also quasi die Antithese zu TEs Bundesligacheck? Check, check, doublecheck? 😛
kaum 22. Januar 2016 um 10:02
Die Grafiken verstehe ich nicht ganz. Die Teams sind geordnet nach dem Tabellenplatz 2014/2015, aber der Inhalt bezieht sich auf die Hinrunde 2015/16?
CE 22. Januar 2016 um 14:07
Exakt. Ich baue mir die Tabellen zu Saisonbeginn und ändere das dann nicht ständig.
Peda 22. Januar 2016 um 08:54
Folgerichtig werden wir deine analytischen Fähigkeiten natürlich nur anhand der Übereinstimmung deiner Vorhersage mit den nackten Ergebnissen bewerten! 😉
CE 22. Januar 2016 um 09:00
Exakt! 😀
Jojo 22. Januar 2016 um 08:49
Mich würde interessieren, wie viele jetzt auf diese drei Spiele wetten XD
CE 22. Januar 2016 um 09:01
Ich hatte schon darüber nachgedacht, einen Disclaimer ans Ende zu setzen. 😀
Dr. Acula 22. Januar 2016 um 08:24
na wenn sich das mal nicht rächt… man bricht nicht einfach eine der heiligen Analyse-Gebote.
PS: was sind die anderen gebote?
idioteque 22. Januar 2016 um 20:42
Mir würde noch einfallen, dass man um keinen Preis Lasogga loben darf.