Neue Ballbesitzstruktur beim DFB-Team

Bundestrainer Hansi Flick forciert den Dreieraufbau durch asymmetrische Außenverteidiger und darf sich über viele gute Punkte freuen.

Mit drei Siegen ohne Gegentor und mit schließlich zwei überzeugenden Siegen gegen Island und vor allem Armenien fällt die erste Bilanz zum Start von Hansi Flick als neuem Bundestrainer freundlich aus. In den ersten Einheiten, zwischen vielen Reisen, war für Flick noch nicht allzu viel Arbeit mit dem Team möglich. Für größere Schlüsse zu qualitativer Umsetzung ist es zu früh. Wie gut die enorme Intensität und Aktivität, die Flick während seiner Zeit beim FC Bayern entwickelte, auch in die Nationalmannschaft eingebracht werden können, wird erst über längere Zeiträume die interessante Hauptfrage sein. Ob die zyklischen Zusammentreffen eines Auswahlteams mit oft nur kurzen Trainingszeiten einen förderlichen oder einen hinderlichen Faktor dafür darstellen, ist gar nicht leicht zu diskutieren.

Hofmann rückt auf: Grundstruktur mit Dreieraufbau

Asymmetrischer Dreieraufbau

Zunächst entscheidender und aufschlussreicher waren für diese erste Länderspielphase unter Flick der generelle strukturelle Ansatz und die Personalwahl, mit möglichen Fingerzeigen. Statt verschiedener Experimente oder Tests hatte sich der Trainer systematisch ein klar entworfenes Konstrukt zurechtgelegt, das spielübergreifend zum Einsatz kam. Bei Ballbesitz wurde aus der nominellen Vierer- eine Dreierkette, indem der Rechtsverteidiger zumeist früh hoch schob. Links blieb Thilo Kehrer dann tiefer und spielte seinen Part fast beidfüßig. Angesichts der eher defensiv ausgerichteten Gegner liegt auf dem Ballbesitz der Schwerpunkt dieses Artikels.

Dass ein Dreieraufbau durch solch asymmetrische Außenverteidiger hergestellt wird, sieht man in jüngster Zeit immer häufiger und selbstverständlicher, mit Europameister Italien als prominentem Beispiel. Für den Posten des aufrückenden Akteurs auf rechts überraschte Flick zur zweiten Partie mit dem Gladbacher Jonas Hofmann, einem vor allem in vielerlei Hinsicht sehr sauberen Spieler. Dementsprechend wurde die Hybridrolle mit einer Portion Zuverlässigkeit und Konstanz versehen. Für die wenigen Phasen in der Arbeit gegen den Ball zehrte Hofmann zudem von seiner balancierten Orientierung als Pressingspieler. Er kam auch in der Kette ordentlich zurecht, zumal das flexible Anlaufen des deutschen Teams aus einem eher engen 4-2-3-1 ohnehin manche Vorrückbewegungen aus dieser heraus erforderte.

Gegenüber einem abkippenden Sechser hat dies den (…) Vorteil, dass die Struktur (…) leichter hergestellt werden kann. (…) Der für den Dreieraufbau vorgesehene Außenverteidiger (…) kann sich zunächst einfach sehr flach positionieren, wodurch eine verschobene erste Aufbaulinie entsteht, welche sich dann im Zuge der Zirkulation zentraler positionieren kann. Der Wechsel zwischen Dreier- und Viereraufbau kann so schneller erfolgen und die Asymmetrie vermehrt für Zuordnungsprobleme beim Gegner sorgen.

Alex Belinger (AB) in unserem EM-Heft zur aktuellen Popularität des asymmetrischen Dreieraufbaus im Weltfußball

Wenn Hofmann bei Ballbesitz aufrückte, hatte das DFB-Team in der Offensive typischerweise eine Grundstaffelung mit Serge Gnabry im rechten Halbraum und Leroy Sané breiter auf links. Zwischendurch gab es kleinere Varianten: Die Höhe der Außenverteidiger wurde gelegentlich angepasst, insbesondere gegen Island, und manchmal ging der Rechtsverteidiger vermehrt selbst in den Halbraum anstelle von Gnabry. Teilweise hielt sich die Offensive noch zu sehr in einer flachen Fünferstaffelung, in der die einzelnen Akteure vertikal nicht versetzt genug zueinander standen. Die genaue (speziell horizontale) Aufteilung zwischen den zwei bis drei Spielern in der ersten Linie wechselte ebenfalls – wenn auch noch nicht immer sauber umgesetzt – und die Anordnung der Sechser darum herum gestaltete sich flexibel.

Viele gute Ansätze, beispielhaft gegen Armenien

Die zweite Partie gegen Armenien war unter den drei Begegnungen das spielstärkste Highlight. Das deutsche Team hatte viel Bewegung in der Offensivabteilung und brachte oftmals gute Präsenz in die Kreativräume. Einer der wichtigsten Faktoren in dieser Begegnung waren die Abstände zu den Mit- und Gegenspielern auch bei eigenem Ballbesitz, ein allgemein immer wichtiger werdendes Thema. Das betrifft die Details der Positionsfindung, also jenseits der grundlegenden Raumwahl auch die genaue Positionierung innerhalb eines jeweiligen Raumes.

Zwischen den verschiedenen Referenzpunkten geht es darum, die günstigsten Distanzen zu eben diesen Referenzpunkten zu haben und sie auf jede Dynamik der Spielsituation hin wieder anzupassen bei Bedarf. Die deutschen Spieler fanden gegen Armenien ein sehr gutes Gespür, wie weit sie beispielsweise an Gegenspieler heranrücken sollten, bevor sie einen Pass in einen Zwischenraum spielten. Die Besetzung hinter der Mittelfeldlinie des gegnerischen 4-4-2 war durch die eigene Offensivstruktur asymmetrisch aus dem nominellen 4-2-3-1 heraus ohnehin erst einmal im Grundsatz gegeben.

Auf Pass in den Zwischenlinienraum hin: Mittelstürmer oder Zehner kommen dazu

Auf Pässe in den Zwischenlinienraum hin folgte dann fast immer eine ergänzende Bewegung zumindest eines weiteren Spielers, also als dritter Mann, wenn auch noch nicht übergreifender von noch mehr Positionen. Vor allem für die Einbindung von Gnabry im rechten Halbraum unterstützen und lauerten gegen Armenien sehr oft Timo Werner und Marco Reus auf Anschlussaktionen. Beiden liegt eine solch kleinräumige Pärchen- und First-Touch-Einbindung, einerseits in ergänzender Rolle und andererseits nach schnellen vertikalen Beschleunigungsmomenten. Insgesamt stand so eine erste solide Basis für die Spielfortsetzung von Vorwärtsaktionen, oft über Steil-Klatsch und vergleichbare Muster. Bis zu einem abgestimmten Gesamtpaket wird es dann noch mehr als der nur kurzen Vorbereitungszeit vor den ersten drei Partien bedürfen. Rein systematisch war es für diese Auftritte förderlich, dass die zahlreichen Bayern-Spieler mit Kernpunkten von Flicks Arbeits- und Spielweise noch gut vertraut sind.

Kleinere Schwierigkeiten, am Beispiel der Partie gegen Island

Zumindest nach der ersten Halbzeit des Island-Spiels schien der neue Bundestrainer mit dem Auftritt seiner Mannschaft nicht ganz zufrieden. Es kamen einige Komponenten zusammen, die in den ersten 45 Minuten der dritten Begegnung weniger gut funktionierten. Im Vergleich mit der Partie gegen Armenien war unter anderem die Entscheidungsfindung in der Offensive ein größeres Thema. Dort neigte die Mannschaft dazu, zu ungeduldig den Weg nach vorne und vermehrt frühzeitige unnötige vertikale Aktionen zu suchen, statt auf die Ballsicherung und -zirkulation zu gehen. Zwischenzeitlich bildete sich vermehrt ein Hin und Her heraus.

Eine ähnliche Konstellation gab es im Aufrückverhalten, das mitunter von jenem Hang zur Vertikalität erfasst zu werden drohte. Hinzu kam zudem eine strukturelle Bedingung: Joshua Kimmich, auf der Doppel-Sechs neben Leon Goretzka, schien gegen Island eine noch stärker vertikale Einbindung zu erhalten und noch zu mehr Vorwärtsbewegung berechtigt zu sein, als es sich gegen Armenien angedeutet hatte. Goretzka dosierte seine starken Vorstöße und Rochaden diagonal in den linken Halbraum, den er in der Partie zuvor entweder bei besonders breiten oder bei besonders engen Positionierungen Sanés angelaufen bzw. besetzt hatte. Eventuell stand das im Kontext der Aufstellung Ilkay Gündogans als nominellem Zehner. Dieser diente zwar vorwiegend als ballsichere Anspielstation im Zwischenlinienraum, ermöglichte aber zumindest situative Rochaden mit Goretzka oder Kimmich.

Situativ wich Goretzka im Aufbau sehr frühzeitig und sehr tief zurück, um anzukurbeln, positionierte sich dabei anpassungsfähig. Bei höheren Positionen Kimmichs hielt er aber die Verbindungen von der ersten Linie nach vorne bzw. um diese herum nicht immer so sauber und den Sechserraum nicht immer so zuverlässig. Zwischenzeitlich gab es einige Szenen, in denen beide Sechser sehr weit aufgerückt standen. Grundsätzlich war das zunächst kein Problem, da es sich um genau die Momente handelte, in denen gleichzeitig das Kollektiv enorm hoch agierte und selbst die Innenverteidiger über zehn Meter in der gegnerischen Hälfte. Doch sobald es in der anschließenden Linie davor kaum mehr eine Tiefenstaffelung gab und die zentralen Mittelfeldakteure teilweise auch horizontal etwas zu weit auseinander drifteten, ergab sich eine suboptimale Konstellation.

Fazit

Für das erste Zusammentreffen unter dem neuen Bundestrainer war der spielerische Stand, auf dem sich sein Team präsentierte, sehr respektabel. Es gab eine klare Grundstruktur mit interessanter Asymmetrie, wenngleich noch einige Feinheiten fehlten, und vor allem einer bereits guten Präsenz zum Zwischenlinienraum hin. Die Basis, auch personeller Natur, ist vorhanden – bei diesem Schluss muss man es derzeit zunächst einmal belassen.

Koom 27. März 2024 um 09:57

GER-NL war doch mal ein Spiel, wie es sich ein Trainer durchaus gerne ausmalt. Früher Rückstand durch etwas Pech gegen ein Team, das sich primär durch gute Defensive definiert. Perfektes Training.

Und ich fand, dass das gut gelöst wurde. Der Ballbesitz war selbst nach Rückstand geduldig, man wechselte zwischen normalem Kurzpaßspiel und Direktspiel als Rhytmuswechsel und arbeitete geduldig daran, den Gegner sich hinzustellen.

Ich bin kein Fan von Kroos, aber er imponierte mir gestern. Tolle Pässe darf man ja von ihm erwartet – und kamen auch. Aber richtig toll fand ich eine Aktion Mitte der 1. Hälfte, als er bei einem Ballverlust mal 10m ansprintete und im Pressing den Ball zurückgewann. Das fand ich gerade für die Moral sehr gut und ist für mich schon so eine Art Wechsel. Ich will mich jetzt nicht auf Kimmich wieder einbashen, aber Kroos‘ Verhalten als 6er ist schon krass viel besser.

Ansonsten kann ichs verstehen, wenn Nagelsmann die Elf so belässt. Es fühlt sich an, dass da ein Fundament vorhanden ist, wo man dann auch mal andere Spieler und ihre Stärken reinwerfen kann und sie „getragen“ werden. Sane, Müller, Füllkrug – das sind so Leute, die ich gerne als Patronen zum Nachladen bereit habe, weil sie nochmal „eigenes“ mitbringen.

Bin gespannt. Ich freue mich auch, dass Nagelsmann scheinbar seine „vorneschnellschnelldruff“-Phase erst mal hinter sich gelassen hat und die ganze Klaviatur des Fußballspiels wieder bedient.

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Taktik-Ignorant 27. März 2024 um 10:40

Generell sah man, wie ich meine, aber auch die Schwächen des Spielkonzepts, viel Ballzirkulation ohne erkennbaren Raumgewinn. Wieder viele Tiefenläufe in vorderer Linie, auf die nicht eingegangen wurde. Die Grenze zwischen geduldigem „Sich den Gegner zurecht legen“ und „Querpassgeschiebe“ sind fließend. Als störend empfand ich auch die Passgeschwindigkeit und die lange Verweildauer des Balls bei den einzelnen Spielern. Immerhin hat man dabei relativ sicher gestanden und wenig zugelassen.

Ärgerlich die Einwurf-Szene, die zum Gegentor führte: der deutsche Spieler wollte den Einwurf mit einem frischen Ball sofort ausführen, aber der ins Aus gespielte Ball wurde nicht rechtzeitig von einem Balljungen abgefangen und trudelte ins Feld zurück. Deshalb musste der Einwurf wiederholt werden, und bis dahin hatten die Holländer alle Anspielstationen zugestellt. Weshalb der ballführende Spieler dann immer (!) den Rückpass wählt, also die für das eigene Tor gefährlichste Variante, ist mir bis heute nicht klar geworden.

Wie man übrigens sicheres Paßspiel bei deutlich höherer Intensität betreibt, und wie man sich auch in gut und eng verteidigte gegnerische Strafräume hineinkombiniert, haben gestern trotz vieler Ausfälle (Kane, Saha, Grealish) die Engländer demonstriert.

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WVQ 27. März 2024 um 11:49

Klar hat der Ansatz, Ballbesitz erst mal durch tiefe Zirkulation zu erhalten, ohne viel Training den Nachteil, daß man oft zirkuliert, ohne Raum zu gewinnen. Aber das war ja gerade ein riesiges deutsches Defizit, daß man schon seit langem den Ball überhaupt nicht mehr einfach mal halten konnte – entweder mußte man beim geringsten Anzeichen von Pressing rückwärts spielen oder sich an der Außenlinie isolieren lassen oder sonst halt steil vorne rein, was aber alles ständig zu gefährlichen Ballverlusten und sehr wenig kontrolliertem Angreifen führte. Tatsächlich bin ich angenehm überrascht, wie gut das Ballhalten jetzt schon funktioniert, und gegen Holland auch mal phasenweise mit mehr Druck und weniger Raum (und weniger Kroos). Insbesondere Andrich imponiert mir dabei – man merkt sehr, wie viel der bei Alonso gelernt hat. War gerade im gestrigen Spiel meines Erachtens für die Stabilität im Aufbau genauso wichtig wie Kroos, nur halt in viel unauffälligerer Weise (gutes Freilaufverhalten im oft von ihm alleine besetzen Sechserraum, gute Ballverarbeitung und gute Entscheidungen auch in Drucksituationen, und überhaupt viele kleine Pässe, die dem Gegner die Möglichkeit zum direkten Zugriff nahmen und zugleich nicht auf Kosten eines Raumverlusts gingen – und das trotz seiner weiterhin klaren technischen Limitierungen). Sehe insofern übrigens auch keine Frage, wer da nun „Backup“ sein soll – Groß spielt das (wenn er es soll) ebenfalls diszipliniert und sauber, und wenn man Pavlovic auch noch mit zur EM nimmt, hat man vier Leute, die die Doppelsechs gut spielen können. (Plus Kimmich als Notnagel. (-:)

Und was den selteneren Raumgewinn betrifft, fand ich es unter den gegebenen Voraussetzungen auch in beiden Spielen weitgehend okay bis gut. Es hängt dann halt extrem viel an den Zehnern und insbesondere Gündogan als zentralem, immer wieder aus dem Zwischenlinienraum zurückzufallen und Anschlußoptionen bzw. teilweise sogar einfach Optionen für die Zirkulationsfortsetzung herzustellen (da Andrich das bei abgekipptem Kroos auch mit noch zehn Jahren unter Alonso nicht komplett alleine machen kann). Mit Wirtz und Gündogan (auch wenn letzterer gegen Frankreich bei scharfen Zuspielen ein paar ärgerliche technische Fehler drin hatte) haben wir da auch zwei sehr passende Leute in der Startelf (und mit Müller einen weiteren auf der Bank), plus unterstützend noch Havertz von der Neuneinhalb. Und davon abgesehen halt Kroos, insoweit der Gegner ihn aus der Tiefe schalten und walten läßt. Hat mir in puncto konstruktivem Spielaufbau unterm Strich bisher besser gefallen als die Heureka-Ansätze davor, bei denen meines Erachtens sowieso auch nicht wirklich mehr Abschlußszenen rauskamen und dafür eben erheblich mehr gefährliche Ballverluste. (Lieber nur fünf richtig gute Torchancen im Spiel als zehn, von denen acht mit 50:50 auch eine Top-Konterchance für den Gegner werden können.)

Was Sané betrifft, werden unter den vier Platzhirsch-Zehnern im Kader vermutlich dann viel die Tagesform und die Gegnerausrichtung entscheiden. Aber grundsätzlich sehe ich das Duell für Sané eher mit Musiala als mit Wirtz und Gündogan, aus oben genanntem Grund – weder Musiala noch Sané helfen sonderlich dabei, den Ball kontrolliert aus dem Aufbau in den Angriff zu bringen, sondern brauchen ihn eher da schon hingebracht. Gerade deswegen betrachte ich Gündogan trotz geringeren Riesentalents auch als den wichtigsten der drei Zehner. Die nächstbeste Alternative wäre dann noch Wirtz zentral und Musiala und Sané auf den Halbpositionen. Aber da spielen wir dann faktisch nur noch mit einem einzigen Übergangsspieler, insoweit es nicht primär über die Flügel gehen soll (und weil Kroos sich ja kaum noch in entsprechende Zonen begibt). Das wäre mir dann bei den meisten Gegnern schon zu dünn – fand es wie gesagt erst mal sehr ordentlich, aber es ist schon klar, daß das bei diesem Ansatz die offensive Achillesferse sein wird, also lieber einen Übergangsspieler mehr als einen Abschlußspieler mehr.

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Koom 27. März 2024 um 12:16

Das man sich trotz fehlenden Stürmers so gut verhalten hat, ist schon mal sehr gut. Auch nach dem Rückstand wurde man nicht hektisch, was ich schon mal für wichtig halte. Ich denke mal, man muss das jetzt erstmal als Basis und Fundament betrachten, auf dem man Aufbauen kann und Sicherheit und Selbstbewusstsein zieht. Dafür waren diese beiden Spiele schon ideal. Als Testspielgegner sind FR mit ihrer Killeroffensive und NL mit ihrer Killerdefensive schon ziemlich knorke. Und man hat das gut geregelt.

Und ja, dass es bei der Spielweise und Aufstellung am ehesten das Problem gibt, vorne effizient zu sein, war zu erwarten. Man ist jetzt wieder bei dem „Spanien“-Stand, den Löw auch mal hatte. Letztlich muss man auch nicht die perfekte Pressing/Angriffs/Defensiv-Maschine machen, aber man sollte einfach eine gut gemachte Idee umsetzen.

Auch wenn es im Ballbesitz öfter mal hintenrum ging, fand ich das nicht schlecht. Das schien auch nicht aus Unsicherheit geboren, sondern aus strategischen Gründen. Man lockte den Gegner heraus, erhöhte das Paßspiel-Tempo und kam zu Torszenen. Wäre der Rasen nicht so glibschig gewesen, hätte Musiala sicherlich 2 gute Torchancen noch gehabt.

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Taktik-Ignorant 27. März 2024 um 18:04

@Koom: Mein Problem mit dem Fundament ist, dass wir da schon einmal standen, es aber nicht vermocht haben, mit der Zeit mehr Schärfe und Geschwindigkeit in die Ballzirkulation hineinzubringen, und auch öfter den richtigen Zeitpunkt zum Spiel in die Spitze zu finden. Gelinge dies, würde es dem Gegner die Abwehrarbeit und das Verschieben deutlich schwerer machen, ihn mehr unter Stress setzen, und auch die Gefahr eines Ballverlusts verringern. Wenn es dann beim Spiel in die Spitze mal zu einem gegnerischen Ballgewinn führt, ist man dann meist so positioniert, dass man nicht ins offene Messer läuft.

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WVQ 27. März 2024 um 21:22

Ich würde sogar davon ausgehen, daß man diesbezüglich bis zur EM keine großartigen Fortschritte mehr machen wird. Oder jedenfalls wäre das erneut eine große Überraschung. Aber wenn man schaut, woher wir kommen, ist der jetzige Zustand doch trotzdem eine eklatante Verbesserung, ZUMINDEST mal dahingehend, Spiele halbwegs kontrollieren zu können statt sie immer spätestens nach 60 Minuten völlig aus der Hand zu geben und hilflos in sich zusammenzufallen. Und offensiv zahnlos waren wir in beiden Spielen ja nun auch nicht. Nehme dann gerne den (vermuteten) perspektivischen Nachteil, weil der Ansatz in meinen Augen unter den gegebenen zeitlichen Voraussetzungen weitaus erfolgversprechender ist als der vorherige.

Was dann der Post-EM-Bundestrainer (wer auch immer er ist) mit dieser Basis anfängt, ist eine andere Frage. Aber bissl mehr als das, was Löw daraus gemacht hat, ist sicherlich schon drin, und der Kader ist diesmal ohnehin ein deutlich anderer.

Taktik-Ignorant 27. März 2024 um 22:05

Der Post-EM-Bundestrainer wird möglicherweise auch nicht mehr auf Toni Kroos zählen können, dem wohl jetzt auch zugute kommt, dass er nach 3 Jahren, wo er sich nur auf den Verein konzentrieren konnte, wieder ein gewisses Frischereservoir hat. Zumal er im Verein zuletzt zwar wieder öfter spielt, aber seine Einsätze zwischendurch auch dosiert wurden. Er ist halt auch keine 25 mehr. Auch Müller oder Gündogan (und Neuer) sind vielleicht nicht unbedingt Kandidaten für die nächste WM. Eine Neuausrichtung ist deshalb nicht unwahrscheinlich. Ist aber jetzt reine Spekulation, ein Nationaltrainer hat selten die Möglichkeit, über das nächste Turnier hinauszudenken (mit einer Ausnahme: Pavlovic würde ich im Interesse einer langfristigen Bindung zur EM mitnehmen…)

Taktik-Ignorant 27. März 2024 um 17:59

Die Mathe-Gleichung mit den 4(1/2) Sechsern würde ich so nicht mitmachen – da sind zwei Spielerprofile darunter, eines des technisch starken, strategisch arbeitenden Ballverteilers, der zwar auch Defensive kann, vor allem aber für die Organisation des Aufbauspiels zuständig ist, und die des „Arbeiters“, dessen Hauptaufgabe die defensive Absicherung (einschließlich Lückenzulaufens und rustikaler Zweikämpfe) ist und der im Aufbauspiel als einfache Ausweich-Anspielstation zur Verfügung steht, wenn der Zeitpunkt für einen öffnenden Pass in die vorderen Reihen verpasst wird. Das erste Profil wird von Kroos und (wenngleich etwas weniger kunstfertig) von Kimmich erfüllt, das zweite von Andrich. Bei Pavlovic und Groß bin ich mir noch nicht sicher, wie ich sie da einschätzen würde.
Und zum Greenkeeper-Job im Frankfurter Stadion: Lothar Matthäus, bitte übernehmen!

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tobit 27. März 2024 um 18:05

Also Groß würde ich da ganz klar ins Kroos-Profil einsortieren. Ja, er kann auch neben Kroos spielen, aber eben dann doch sehr anders als Andrich das tut.
Pavlovic würde ich keinem der zwei Profile zuordnen, sondern als Aufbau-Supporter. Klar der kann auch verteidigen und schließt schon gut die Mitte, aber hauptsächlich kommt er doch über clevere Positionierungen und Pässe im Aufbauspiel.

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WVQ 27. März 2024 um 21:13

Ich sehe ehrlich gesagt gar nicht, inwiefern Andrich in den beiden Spielen nun (und ebenso unter Alonso als Sechser) als „Hauptaufgabe die defensive Absicherung“ gehabt und im Aufbauspiel nur als „einfache Anspielstation“ fungiert hätte. Klar wurde/wird immer Kroos fokussiert, wenn das geht, aber was Andrich drumherum gemacht hat, hatte in meinen Augen überhaupt nichts „Bodyguard“-haftes (wie es im TV-Kommentar dann hieß). Da sollte man seine spielerische Herkunft nicht mit den tatsächlichen Leistungen gleichsetzen. Hätten jetzt Weigl oder Pavlovic den Part gespielt, wäre trotzdem Kroos der Stratege gewesen und Weigl/Pavlovic hätten den Sechserraum ähnlich umsichtig und konservativ besetzen müssen und nicht als Hauptorganisator des Aufbauspiels imponiert (genau so, wie Weigl es ja auch in seinem letzten N11-Spiel unter Flick nicht getan hat, weswegen er auch gleich wieder rausflog). Will die drei Spieler nicht gleichsetzen, aber im tatsächlichen spielerischen Output waren/wären sie (und gemeint ist DIESER Andrich, nicht der von letztem Jahr oder von Union etc. pp.) auch nicht weit voneinander entfernt.

Oder anders gesagt, geht am Ende ja nicht um Spielerprofile, sondern darum, was die Spieler in ihren gegebenen Rollen auf dem Platz tatsächlich tun. Bin mir nicht sicher, was man da bei Andrich jetzt spielerisch groß hätte verbessern/verändern müssen oder können. Der Platz neben Kroos erfordert halt unweigerlich, sich in einem relativ großen Raum aufmerksam und intelligent zu bewegen, anspielbar zu sein, die Zirkulation aufrecht zu erhalten, den Blick für diejenigen progressiven Pässe mit überschaubarem Risiko zu haben und gegen den Ball vor allem einfach in der richtigen Position zu bleiben, das Zugriffsrisiko zu managen und dann ggf. die Zweikämpfe zu gewinnen. Müßten Groß und Pavlovic genauso machen, wenn sie statt Andrich aufliefen, Details und Spielertypus hin oder her.

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tobit 27. März 2024 um 21:26

Doch, Weigl hätte da schon einen Unterschied gemacht, weil der sich nochmal cleverer – insbesondere in Deckung – bewegt und schlichtweg der weit überlegene Passspieler ist. Das hätte man dann auch gestern gesehen. Das ist nichts gegen Andrich, der sich da sehr gut macht und z.B. beim offensiven Raumsichern und Zugriff erzeugen im Gegenpressing klar stärker ist als Weigl. Aber man hat eben auch Momente gesehen, wo er als theoretisch beste Option nicht angespielt wurde, weil er die Situation nicht hätte lösen können (aber es z.B. für Weigl kinderleicht gewesen wäre). Oder schlicht die hier ja auch schon wieder angesprochene Ballhaltezeit, die bei Weigl einfach immernoch konstant niedriger ist als bei allen anderen Deutschen. Die können alle ab und zu tollen one touch Fussball spielen, aber kein anderer kommt so konsequent mit zwei oder weniger Kontakten aus.

Taktik-Ignorant 27. März 2024 um 22:14

Immerhin scheinen sich alle einig, dass das Tandem Kroos/Andrich funktioniert hat. Eine taugliche Lösung (A-Lösung) ist also gefunden, wir diskutieren ohnehin nur über die Ergänzung (B-Lösung), die man bei einem Turnier (Ausfälle vor Turnierbeginn, Verletzungen im Turnier, Sperren) halt braucht.
Das Problem mit den Ballhaltezeiten lässt sich ja vielleicht in der unmittelbaren Turniervorbereitung noch angehen. Bei Löw war das 2010, wenn ich mich recht erinnere, Trainingsschwerpunkt.


Taktik-Ignorant 24. März 2024 um 01:45

Na wunderbar – trotz meiner Unkenrufe (Schwierigkeiten der Außenverteidiger gegen die schnellen französischen Stürmer) ein unterhaltsames und nicht mal schlechtes Spiel der Nationalmannschaft. Gut gesamttaktisch das Rückzugsverhalten bei Ballverlust, auch das mit-nach-hinten-arbeiten der 3 offensiven Spieler, die ihre Außenverteidiger selten allein ließen (die zudem durch die Innenverteidiger, die im richtigen Moment außen unterstützten, gut abgesichert waren), und auch die Effizienz vor dem Tor war gegeben.

So wie das Spiel in der ersten Halbzeit lief, gegen starke Franzosen, die trotz einiger Ausfälle m.E. besser spielten, als von den deutschen Kommentatoren dargestellt, war Havertz übrigens wirklich die bessere Wahl gegenüber Füllkrug.
Schade: selten wurden die Tiefenlaufwege der deutschen Offensivspieler beachtet, der ballführende Mitspieler im Mittelfeld sah sie entweder nicht oder erst, als die Stürmer schon im Abseits standen. Auch die Entscheidungsfindung am Ball gefiel mir nicht in allen Fällen (zu viele Ballkontakte und zu langes Überlegen führten immer wieder dazu, dass Ballgewinne in günstigen Spielsituationen nicht gut genutzt wurden, daneben vielfaches Abdrehen und Rückpässe, die eher die eigenen Mitspieler in Verlegenheit brachten als Sicherheit ins eigene Spiel, dazu in manchen Fällen, wenn dann doch schnell nach vorne abgespielt wurde, ein etwas unsauberer Pass, der ebenfalls wieder den Gegner in Ballbesitz brachte oder ihn zumindest in die Lage versetzte, entscheidend zu stören). Das wurde in der zweiten Halbzeit besser, weil die Franzosen im Spiel gegen den Ball etwas in ihrer Intensität nachließen. Fazit: nicht alles, was glänzte, war wirklich gold, aber natürlich ein klarer Fortschritt zu den Spielen im November. Und immerhin hat man sich nach der Führung nicht die Butter vom Brot nehmen lassen, abgesehen von der 20minütigen sehr starken Phase der Franzosen in der ersten Halbzeit, sondern weiter das Spiel durchgezogen. Glückwunsch!

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Taktik-Ignorant 24. März 2024 um 01:47

Ach ja, noch 2 Auffälligkeiten: Toni Kroos wurde etwas zu oft gesucht, das macht das deutsche Aufbauspiel berechenbarer als nötig, und Gündogan fremdelt etwas mit seiner Rolle im OM.

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Koom 25. März 2024 um 09:53

Ich glaub, damit kann man beim ersten Spiel leben. Dank der frühen Führung, dazu gegen einen Gegner, der in Testspielen nicht unbedingt Vollgas macht, ist es so oder so ein schwer zu bewertendes Spiel. Aber um mal etwas Selbstvertrauen zu tanken, dafür war es allemal gut.

Generell ist mir mehr Ball bei Kroos lieber als mehr Ball bei Kimmich. Bei letzterem wird es auch berechenbar, aber gefährlicher für die eigene Defensive.

Apropo Defensive: Man sollte ein bisserl wegkommen, dass ein Aussenverteidiger allein alles stoppt. Das konnte vielleicht Philipp Lahm, aber ansonsten kaum ein AV. Im Grunde „langt“ es ja schon, den Ballführenden Spieler so sehr zu beackern, dass er zumindest keine Zeit und Muse hat für ein gutes Abspiel. Ich denke Mittelstädt hat das schon ganz gut gemacht.

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Taktik-Ignorant 25. März 2024 um 10:20

Mittelstädt hat sich in das Spiel hinein“gebissen“; das Problem war für ihn, dass die Franzosen es in der ersten Halbzeit recht gut verstanden haben, die deutschen Spieler so zu leiten, dass Dembelé mehrfach in ein 1 gegen 1 gegen Mittelstädt gehen konnte; bei Kimmich haben die Deutschen besser aufgepasst, wohl weil sie einen Durchbruch Mbappés als noch gefährlicher einstuften. Es ist wohl auch schwer, beide gegnerische Außenstürmer rechtzeitig zu doppeln. In der 2. Halbzeit lief es besser, vielleicht weil Mittelstädt mehr Unterstützung bekam, vielleicht auch weil Dembelé nachließ. Immerhin wurde er dann auch häufiger angespielt und konnte in der Offensive Akzente setzen. Ich sehe ihn aber immer noch nicht unbedingt vor Raum oder Goosens. Und ja, es reicht für einen AV, den Gegner zu verlangsamen oder abzudrängen, bei einem versuchten Ballgewinn riskiert man leicht ein Foul in günstiger Position für den Angreifer, und womöglich noch eine Karte dazu.

Ein Gedanke zum offensiven Mittelfeld Gündogan/Musiala/Wirtz: ich bin mir nicht sicher, wie das Spiel von Gündogan zu bewerten ist, ich schreibe ihm viele Ballverluste im Aufbauspiel zu und fand die beiden anderen deutlich effizienter. Insgesamt scheint mir diese 3er-Kombination sehr zentrumslastig zu sein, einder davon auf die Bank und dafür Sané oder Gnabry (meinetwegen auch Führich) könnte das Spiel etwas auflockern.

Zu Kroos noch ein Schmankerl (aus dem Online-Forum der Zeit). Ein Leser kommentierte (passend zur Karwoche), dass Kroos wie Jesus sei: erst verschwunden, dann plötzlich wieder da, und am Ende schwebt er über den Platz. Worauf ein anderer hinzufügte: Und wenn er einmal schwitzt, dann schwitzt er Weihwasser. Made my day….

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Koom 25. März 2024 um 11:10

Dembele oder Mbappe zu verteidigen gehört auch definitiv zu den beschissensten Jobs, die man als AV haben kann. Dribbelstark, schnell, abschlussstark. Da wird man über 90 Minuten nicht nur gut aussehen können.

Zu Gündogan: Ich denke mal, Nagelsmann wollte maximal viele Spieler haben, die eine Ballzirkulation aufrecht erhalten können. Einfach, um das zu forcieren, um Selbstvertrauen zu tanken, die neuen Spieler gut einzubinden. Andrich ist ja bspw. kein Edeltechniker, dem tut es gut, wenn er gute Anspielstationen um sich hat, die sich beständig freilaufen. Und da sind die „Werkseinstellungen“ von Kroos, Gündogan und Co. halt schon sehr gut. Andrich bringt das körperliche Element rein, sichert gut ab.

Mittelfristig würde ich auch noch einen Sane gerne sehen, der in Topform gegnerische Abwehrreihen zerspielen kann – aber für den Anfang verstehe ich die Maßnahme. Und es ist halt gerade wieder Grundlagenarbeit und Etablierung einer „neuen“ Nationalmannschaft.

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Taktik-Ignorant 25. März 2024 um 12:42

Ja, gegen ein Flügelduo Dembelé/Mbappé spielen ist schon eine Feuertaufe der besonderen Art, deswegen war ich vom deutschen Abwehrverhalten allgemein und insbesondere dem von Mittelstädt und Kimmich in der Summe auch sehr angetan.

Sané war vielleicht auch einfach deshalb nur draußen, weil er halt für 3 Spiele gesperrt ist (er wird also auch beim nächsten Länderspiel noch fehlen). Interessant ist, wen der BT dann rausnimmt, logischerweise müsste es einer aus dem Trio Wirtz/Musiala/Gündogan sein. Heute wurde in den Medien thematisiert, ob Sané teamfähig sei, wenn er als Ersatzspieler zum Kader käme. Nagelsmann als Ex-Bayern-Trainer wird ihn aber gut genug kennen, um das beurteilen zu können.

Andrich (oder ein anderer Spieler gleichen Zuschnitts) gehört auf jeden Fall mit in die Mannschaft, als auch körperlich robuste Absicherung. Er muss nur aufpassen, dass er sich nicht zu früh mit gelben Karten eindeckt; vorsichtshalber sollte immer mindestens noch ein weiterer Spieler mit gleichem Anforderungsprofil im Kader sein (wer?).

tobit 25. März 2024 um 13:40

Sané wird sicherlich mit dem Anspruch wiederkommen, sofort in der Startelf zu stehen. Wen der drei anderen es dann treffen könnte, will ich nicht beurteilen, weil ich das Spiel am Samstag nicht gesehen habe.
Grundsätzlich halte ich die aber alle für teamfähig genug, sich auch auf die Bank zu setzen – sonst hätte man da auch früher schon mehr von gehört. Sané wird halt jetzt gerade medial rausgepickt, weil er bei dem guten Spiel nicht dabei war. Es hätte dieselben Artikel mit vertauschten Namen gegeben wenn Gündogan oder Musiala in seiner Situation wären (Wirtz ist ja aktuell Media’s Darling, der muss noch hochgejazzt werden, damit man ihn dann nach einem Wechselwunsch zerreißen kann).

Ich halte auf dem Gebiet ja weiter viel von Weigl, der kann auch mit der groben Kelle austeilen. Das sieht man aber beim DFB wohl sehr anders. Von daher würde ich Khedira oder Goretzka vorschlagen. Khedira kann die Andrich-Rolle eins zu eins übernehmen, die tun sich auch von der individuellen Klasse eigentlich nicht viel (die Teamqualität beeinflusst halt auch die persönliche Performance). Mit Goretzka würde sich die Statik der Doppelsechs ein bisschen verändern, aber könnte neben Kroos – der ja mittlerweile auch defensiv auf der Sechs agieren (und sogar Zweikämpfe führen) kann – denke ich schon funktionieren.
Für einen Turnierkader muss man halt auch gucken, dass man möglichst wenig reine Backups dabei hat um vllt noch Platz für taktische Optionen zu haben. Könnte mir da also auch vorstellen, dass man Anton oder Koch als Andrich-Backup einplant, weil sie das jetzt auch nicht so viel schlechter machen würden als Khedira aber auch noch als 4er-Ketten-IV richtig gut sind.

Taktik-Ignorant 25. März 2024 um 21:59

Das ist eine interessante Frage der Kadereinteilung: wie viele reine Back-ups und wie viele Allrounder verträgt ein Kader? Und dazu auch: wie viele Spielertypen mit einer anderen Spielweise, oder für andere taktische Grundordnungen? Goretzka ist beispielsweise für mich der Typ Box-to-Box-Spieler, der jetzt gegen Frankreich nicht auf dem Feld stand; er würde eine etwaige Position neben Kroos vermutlich deutlich offensiver interpretieren, was dann von seinen Mitspielern kompensiert werden müsste.
Reine Back-ups haben den Vorteil, dass sie die eine, bestimmte Position wirklich beherrschen und keine großen Veränderungen erfordern, wenn sie in eine Mannschaft hineinkommen. Jeder weiß weiterhin, was er zu tun hat, Statik und Gefüge bleiben erhalten und verleihen weiterhin Sicherheit, was bei einer Nationalmannschaft, die naturgemäß wenig Trainingseinheiten hat, ein nicht zu unterschätzender Vorteil ist.
Allrounder und erst recht andere Spielertypen (Goretzka als Box-to-Box-Spieler oder Goosens als linker Außenspieler, der sich in einer 5er-Kette am wohlsten fühlt) erlauben taktische Flexibilität, die insbesondere dann notwendig wird, wenn Plan A nicht funktioniert, ein Rückstand aufzuholen ist und man etwas ändern muss, um noch zum Erfolg zu kommen.
Am leichtesten scheint mir das für die Offensive: man kann z.B. den beweglichen Havertz durch einen Ankerstürmer wie Füllkrug ersetzen oder ergänzen, oder mit Gnabry oder Sané echte Außenspieler ins Spiel bringen.
Eine Umstellung auf 3er oder 5er-Kette wäre komplizierter und ich habe den Eindruck, dass sich die NM damit auch nicht wirklich wohl fühlen würde.
Einen IV an die Seite von Kroos zu stellen, wenn der etatmäßige 6er ausfällt, hat etwas für sich, insbesondere bei den Merkmalen der Spieler, die im Offensivbereich aktuell in oder nahe an der Startelf sind. Im Endeffekt bleibt es aber am wichtigsten, dass die gesamte Mannschaft beim Angreifen und beim Verteidigen mitmacht, engagiert arbeitet, läuft und die Abstände hält, also Kompaktheit zeigt. Was passiert, wenn da einige nicht mitmachen, haben wir 2018 beispielhaft bei der deutschen NM gesehen, aber auch vorgestern bei den Franzosen, oder auch bei Argentinien 2010.

Daniel 26. März 2024 um 08:57

Ich versteh die Fragestellung nicht ganz: die meisten waren doch der Ansicht, dass Andrich schon bei diesem Spiel nur der Ersatz für Pavlovic war. Insofern ist doch relativ offensichtlich, wer neben Andrich um die Sechserposition neben Kroos kämpft?

„Mittelfristig würde ich auch noch einen Sane gerne sehen, der in Topform gegnerische Abwehrreihen zerspielen kann – aber für den Anfang verstehe ich die Maßnahme.“
Sané in der Startelf seh ich nicht. Ich würde Musiala noch Wirtz für ihn draußen lassen und drei dribblingfokussierte Spieler sind zu viel des Gleichen. Zwei so individualistische, auf das Spiel mit Ball am Fuß ausgerichtete Spieler kommen am besten zur Geltung mit einem Spieler, der ohne Ball Gegner bindet, Laufwege anbietet und Räume öffnet. Und genau für diese Rolle ist Thomas Müller prädestiniert. Alternativ noch Jonas Hofmann. Da bleibt für Sané nur die Rolle des Edeljokers-einerseits ärgerlich für ihn, andererseits hat er sich in den letzten Monaten auch nicht grad für mehr aufgedrängt. Und an sich ist so ein Luxusproblem natürlich etwas gutes. Die Diskussion über Sanés Verhalten ist totaler Quatsch-bei Bayern saß er ja auch immer wieder mal auf der Bank ohne Amok zu laufen.

Taktik-Ignorant 26. März 2024 um 10:10

Natürlich lässt man ungern Gündogan, Musiala oder Wirtz draußen, um Platz zu schaffen für einen anderen Spieler (egal ob Sané oder ein anderer Hochkaräter), aber meines Erachtens ist das 3er-OM, so wie es geggen Frankreich gespielt hat, sehr zentrumslastig, und Sané (oder eben auch Gnabry oder Führich) bietet als Flügelspieler eine interessante Alternative. Auch Hofmann fühlt sich auf den Flügeln wohl, auch wenn seine Grundposition etwas weiter hinten wäre; Müller wiederum ist von der Grundposition her eher im Zentrum anzusiedeln, auch wenn er sich, wie es seine Art ist, in alle Richtungen viel bewegt.

Pavlovic: Hatte Nagelsmann ihn wirklich schon in der Startelf geplant? Als Nebenmann von Kroos? Bei den Bayern hat er andere Spielertypen neben sich, und ob eine Kombination Kroos/Pavlovic so ideal wäre, im Hinblick auf das Defensivspiel, bleibt abzuwarten. Mal sehen, ob der Bundestrainer Pavlovic dann auch als kompletten Neuling in den EM-Kader beruft.

Daniel 26. März 2024 um 12:11

Führich hatte ich in meiner Aufzählung noch vergessen. Gnabry ist kein Flügelspieler, das ist eine totale Fehleinschätzung seiner Fähigkeiten. Gnabry benötigt dynamische Situationen mit einem direkten Weg zum Tor, um seine Schnelligkeit und seinen starken und variantenreichen Abschluss optimal einzusetzen-in solchen Szenen ist er sehr stark. Optimal zur Geltung kommt er als hängende Spitze, in einer ähnlichen Einbindung wie sie z.B. Openda derzeit bei Leipzig hat. Problem: weder bei Bayern noch beim DFB gibt es derzeit eine solche Rolle. Tatsächlich hat Deutschland von diesem Spielertyp eine ganze Reihe und alle haben das Problem, dass es ihre optimale Position derzeit gar nicht gibt: Werner, Adeyemi und Moukoko. Deutschlands momentane N11-Generation enthält eine riesige Anzahl an Zehnern (Wirtz, Musiala, Gündogan, Brandt, Havertz) und solchen „Neuneinhalbern“. Leider kann man aber nur schwer mehr als drei solcher Akteure in eine Startelf quetschen (außer man funktioniert sie zu irgendwas anderem um, was ja bei Havertz langsam zu funktionieren scheint). Flügelspieler gibt es dafür deutlich weniger (nichtmal Sané würde ich als so klaren Flügel ansehen wie z.B. Coman, Sancho oder Dembélé…auch wenn er, Führich und Hofmann dem noch am nächsten kommen) und Neuner im engeren Sinne fast gar nicht.
Müller hat in seiner langen Karriere schon oft gezeigt, dass er ein extremes Ausmaß an Spielintelligenz besitzt und seine Positionierung und seine Laufwege hervorragend auf wechselnde Umgebungen und Mitspieler einzustellen vermag. Und genau diese Eigenschaft hebt ihn von quasi allen anderen Kandidaten ab. Das bisherige Jahr des FC Bayern zeigt auch relativ klar, warum van Gaal’s Weisheit „Müller spielt immer“ noch immer gültig sein sollte. Er kann seiner Mannschaft etwas geben, was kein anderer deutscher Spieler so kann. Natürlich ist er kein „klassischer“ Flügelspieler, aber ich sag mal so: mit Müller rechts wurde Deutschland Weltmeister.

Pavlovic: müsste Nagelsmann ihn denn als kompletten Neuling in den EM-Kader berufen? Wenn ich mich recht erinnere wurde doch meistens erst ein ‚vorläufiger‘ Kader für die vorherigen Testspiele berufen. Davon abgesehen wären die realistischen Alternativen entweder auch komplette Neulinge (Khedira) oder nach jahrelanger Nichtberücksichtigung kaum mehr (Weigl). Außerdem: nachdem der DFB Weigl sechs Jahre lang gekonnt ignoriert hat, obwohl er die offensichtlichste Lösung für die krassen Probleme gewesen wäre, werden sie ihn wohl kaum jetzt plötzlich einladen, wo sich mit Andrich und Pavlovic tatsächlich Alternativen eröffnen. Thema Defensivspiel: die beste Mittelfeldbesetzung seit dem Rücktritt Schweinsteigers gab es, als Kroos mit Rudy zusammenspielte-und der war auch kein Zweikampfbiest.

Koom 26. März 2024 um 12:18

Ist irgendwie aber auch mal schön, dass man darüber diskutiert, wie und ob man noch einen Topspieler in die Startelf bringen sollte. Persönlich würde ich jetzt einfach erstmal ein paar ziemlich wichtige Sachen fixieren, also wer wirklich wie essentiell für das Gefüge ist und dem Plan folgt.

Im Turnier wirst du deinen Spielern Verschnaufpausen gönnen wollen. Oder ein anderes Element mal einbringen. Da wird Sane (oder Müller) auch zu Spielzeit kommen. Auch, weil sie ein anderes Element anbieten als ihre Kollegen.

Das große Problem der N11 zuletzt war, hinten vernünftig dicht zu bekommen ohne gleichzeitig jede offensive Kraft zu verlieren. Und die Defensive war auch viel weniger ein individuelles Problem, mehr ein mannschaftliches, weil man zu wenig zusammen gearbeitet hat. Das Problem wurde erkannt durch passendere Spieler (Andrich, Pavlovic), aber auch etwas mehr „importierte“ Abläufe durch die Stuttgarter und Kroos. Weder die Bayern noch die Dortmunder haben in den letzten 2-3 Jahren eine gute Defensive und lebten rein von der individuellen Klasse. Das jetzt mal zu begreifen und danach zu handeln ist der vielleicht wichtigste Schritt.

tobit 26. März 2024 um 13:43

Natürlich hat Rudy/Kroos am besten funktioniert. Die deutsche Verteidigung hat ja nie an der Zweikampfführung gekrankt, sondern daran dass die Restverteidigung aus zwei IV mit endlos Raum vor, neben und hinter sich bestand. Es kam also nie zu Zweikämpfen, die man hätte gewinnen können, weil der Gegner halt einfach drumrumlaufen konnte. Mit Rudy gab es plötzlich viel weniger offenen Raum, weil er den halt besetzt hat. Die IV kamen dann natürlich viel einfacher in Zweikämpfe, die sie auch meistens gewinnen.
Von daher würde ich auch am ehesten auf Pavlovic als zweiten Sechser tippen. Den kannst du auch problemlos zusammen mit Andrich bringen, weil Andrich im Positionsspiel recht flexibel und Pavlovic gut genug im 360°-Spiel ist (anders als Khedira, Goretzka oder ein umfunktionierter IV).
Generell halte ich Andrich für einen großartigen Turnierkaderspieler, weil er verschiedene Auslegungen des defensiven Mittelfeldspielers, Libero einer 3er-Kette und mittlerweile auch ziemlich gut IV in einer 4er-Kette spielen kann – und das auch dann einfach auf Anweisung tut ohne sich nachher beim Boss vom Coach ausheulen zu müssen (ein bisschen Goretzka-Bashing muss sein). Ähnliches gilt in der Offensive für Havertz und Müller, die

Gnabry kann schon nominell ein Flügelspieler sein, der AV dahinter muss dann halt die ganze Linie auch alleine bearbeiten können (und wollen). Oder man gibt halt phasenweise die Breite auf, gibt’s ja heutzutage auch mal (ist aber zu kompliziert für Nationalmannschaften). Gleiches gilt für Werner und Adeyemi. Moukoko muss tatsächlich Schattenstürmer sein, weil er nicht so explosiv und (dribbel)technisch begabt ist, dafür ist der wesentlich besser im letzte Linie halten (für sein Alter geradezu herausragend) und seinem Nebenmann Teilnahme am Spiel ermöglichen.
Sancho und Dembélé würde ich eher in die Sané-Kategorie als in die Coman-Kategorie stecken. Die können sehr gut einfach außen spielen, aber gehen, wenn man sie lässt, auch gerne in die Mitte und spielen da ziemlich gute Durchbruchszehner.

Taktik-Ignorant 26. März 2024 um 15:50

Gnabry hat meiner Erinnerung nach eigentlich immer (bei Werder, Bayern und in der NM) auf den Flügeln gespielt, Sané auch schon mal auf der 10. Beide können, wie grundsätzlich auch Coman bei Bayern, auf beiden Flügeln spielen. Ich sehe sie auch wegen ihrer individuellen Klasse im Aufgebot (Gnabry ist gerade wieder stark im Kommen).

Ich bin auch ein großer Müller-Fan. Leider merkt man spätestens diese Saison, dass er körperlich nachlässt und er immer weniger in der Lage ist, unter Gegnerdruck den Ball so zu verarbeiten, wie er es gerne hätte. Inzwischen sind, so fürchte ich, Spieler wie Wirtz oder Musiala in der Offensive und auch in der Defensive wirksamer; Fitness schlägt Spielintelligenz.
Hängende Spitze: ist halt eine Position, für die in einem 4-4-2 eher Platz ist als in einem 4-2-3-1 oder 4-3-3. Neben den Genannten erfüllt auch Undav m.E. dieses Profil. Die Genannten leiden aber momentan wohl weniger unter einem Mangel an geeigneten Positionen oder Rollen als unter Formschwankungen.
Immerhin: Defensiv sah es gegen Frankreich wirklich schon besser aus. Mal sehen, wie das heute abend gegen die Holländer wird.

Daniel 27. März 2024 um 11:48

@tobit, Taktik-Ignorant
„Gnabry kann schon nominell ein Flügelspieler sein, der AV dahinter muss dann halt die ganze Linie auch alleine bearbeiten können (und wollen). Oder man gibt halt phasenweise die Breite auf…“
Genau das ist der entscheidende Punkt. Gnabry (oder auch Werner und Adeyemi) kann nominell Flügelspieler sein, wenn er es eigentlich gar nicht ist. Wie ein Flügelspieler seine Rolle interpretiert hängt stark vom taktischen Kontext ab und daher kommt dann der Mythos, er sei besonders inkonstant. Als Abschlussspieler in Tornähe ist Gnabry hohe internationale Klasse (wenn in Form und länger verletzungsfrei), als isolierter Außenspieler eher gehobener Bundesligadurchschnitt.

@Ignorant
Ja, Wirtz und Musiala traue ich inzwischen auch eine größere Wirkung zu als Müller. Potentiell vielleicht sogar auch Sané-wenn er in Form ist und seine Dribblings fokussiert werden. In Form ist er aber schon mehrere Monate nicht mehr und in der N11 werden eher die Dribblings von Musiala und Wirtz fokussiert. Da braucht es dann als Ergänzung einen Spieler, der mit Laufwegen Räume freizieht und Passoptionen eröffnet-und das ist Müller viel mehr als Sané.


Koom 19. März 2024 um 12:32

Kacke, Pavlovic fällt aus. Mandelentzündung.

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AG 19. März 2024 um 13:48

Sehr ärgerlich, und Nagelsmann will nichtmal Anton Stach nachnominieren 🙁 Das wäre noch mein Wunschspieler gewesen, um den Sechserraum abzusichern, Konter einzuleiten und sonst nur sichere Querpässe zu seinne kreativeren Nebenleute machen zu lassen. Im Prinzip ein Andrich in besser, oder der N’Golo Kanté des DFB

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Taktik-Ignorant 20. März 2024 um 18:02

Es wird ohnehin spannend zu sehen, wer da neben Kroos spielen wird. Wohl nicht Kimmich, da auf die rechte Seite verbannt (die gegnerischen Linksaußen freuen sich schon, aber vielleicht überlegt sich Herr Nagelsmann die Sache nochmal nach dem absehbaren Desaster gegen die Kombo Hernandez/Mbappé).

Und Gündogan dürfte wohl weiter vorne zum Einsatz kommen, weshalb wir dann mit Musiala, Wirtz und Gündogan ein spielstarkes OM haben dürften (Defensive?) und nur noch ein weiterer Platz frei ist (Füllkrug oder Havertz?) – was dann zum Problem wird, wenn Sané und Gnabry formstark zurückkommen (sollten).

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WVQ 22. März 2024 um 14:27

Kimmich als RAV und Gündogan auf der Zehn wurden von Nagelsmann schon vor Monaten bestätigt. Sechs wird jetzt erst mal Groß oder Andrich (echt schade für Pavlovic, der hätte mit guten Leistungen in den Testspielen vielleicht sogar auf einen größere Rolle bei der EM schielen können). Vorne würde mich in der Startelf alles außer Füllkrug überraschen.

Was Mbappé betrifft, wird es meines Erachtens weniger vom jeweiligen AV abhängen als davon, wie geschlossen die Mannschaft verteidigt (= generelle Kompaktheit und Doppeln mit Zehner oder ggf. Sechser). Und ob Henrichs jetzt im 1-gegen-1 besser aussähe… Der wurde hier nach dem letzten Frankreich-Spiel auch genau dafür kritisiert, das ist einfach Schicksal gegen dermaßen brutale Stürmer.

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tobit 22. März 2024 um 14:32

Gab gestern oder vorgestern einen Kicker Artikel, dass wohl eine elf auffällig häufig zusammen gespielt hat. Die üblichen Verdächtigen plus Tah, Mittelstädt, Andrich und Havertz ganz vorne.

Antworten

Taktik-Ignorant 23. März 2024 um 10:56

Der Kicker-Artikel stand in verschiedenen Medien, Quelle war vermutlich wieder mal die Bild, aber der Bericht dürfte ein realistisches Bild geben. Tah war auch die letzten Male in der ersten Elf oder nah an ihr dran. Seine persönliche Entwicklung und seine wichtige Rolle beim Buli-Spitzenreiter dürften den Ausschlag gegeben haben, dass er den Platz neben Rüdiger bekommt.

Dass im defensiven Mittelfeld nicht Kroos und Gündogan zusammen spielen würden, war ziemlich offensichtlich; mich überrascht, dass Andrich den Vorzug vor Groß erhält, trotz wenig Spielpraxis in Leverkusen. Vermutlich hatte Nagelsmann auch erst einmal mit Pavlovic geplant, dessen Ausfall wirklich schade ist.

Da Sané fehlt, würde es nicht überraschen, wenn wir vorne ein 3er-OM mit Gündogan, Musiala und Wirtz zu sehen bekommen, alle mit ähnlichen Stärken (saubere Technik und Ballbehandlung, gute Dribbler und Passer) und Schwächen (das Körperliche, das Kopfballspiel), weshalb eigentlich Füllkrug besser gepasst hätte als Havertz. Nagelsmann scheint aber ein richtiger Fan von Havertz zu sein, wenn er ihn notfalls sogar als Linksverteidiger aufstellt.
Jetzt bin ich mal gespannt, ob Mittelstädt seine ordentlichen Bundesligaleistungen auch mal auf internationalem Niveau bestätigen kann. Ich bin da skeptisch, lasse mich aber gerne überraschen.

Kollektives Verteidigen: ist ja eigentlich eine Selbstverständlichkeit und fängt schon im Sturm an. Das wird auch gegen Frankreich notwendig sein (mal sehen, wie sich das sich anbahnende, eher offensiv denkende Mittelfeld da verhalten wird), und natürlich müssen die gegnerischen Außen gedoppelt werden. Allerdings haben wir gerade in der Außenverteidigung eher Schwächen: links einen internationalen Novizen, und rechts einen Spieler, der gerne nach vorne geht und hinter sich viel Raum lässt; gegen die sehr schnellen französischen Stürmer Mbappé, Kolo Muani und Dembelé kann das mächtig ins Auge gehen, und da im Kollektiv defensiv gegenzusteuern ist auch nicht einfach.

tobit 23. März 2024 um 11:48

Die Elf ist gestern Abend so bestätigt worden. War aber jetzt außer Havertz auch wirklich keine Überraschung.

Havertz hat mittlerweile das körperliche auch durchaus drauf und gutes Kopfballspiel hat er schon lange. Wenn man nach den Stärken der restlichen Elf (Kombinationsspiel in engen Räumen) geht, dann passt er auch einfach besser als Füllkrug, der da außerhalb des 16ers dann absolut null beitragen könnte (als nie angespielter Raumöffner funktioniert er nicht, das kann nur CR7, weil der eben trotzdem verteidigt wird). Und was er am und im 16er macht kann Musiala auch, nur besser und mit verrückten Dribblings obendrauf.

Taktik-Ignorant 23. März 2024 um 19:51

Füllkrug steht für mich mehr als jeder andere im Aufgebot für Präsenz im Strafraum. Havertz ist in der Tat vielseitiger, aber die Strafraumbesetzung lässt in der Aufstellung mit ihm statt Füllkrug wohl doch zu wünschen übrig. Allerdings muss die deutsche Mannschaft auch erst einmal an bzw. in den Strafraum kommen….

Taktik-Ignorant 20. März 2024 um 17:58

Ja ist schade, er hätte bei einem Einsatz vielleicht auch Chancen auf die EM gehabt (hat er wohl immer noch, aber sie dürften etwas geringer sein), und dann hätte er seine Entscheidung für Deutschland zementiert, zumal er auch auf einer Position spielt, wo die Nationalelf Bedarf hat.

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AG 14. März 2024 um 15:30

Die neue Auswahl von Nagelsmann ist raus, und wenn ich auch nicht ganz einer Meinung mit ihm bin, sind ein paar richtig gute Entscheidungen dabei. Im Sinne von Spielverlagerung und Nagelsmanns Ballbesitz-Fokus als Angriffsspiel habe ich mir mal die Aufstellung überlegt, die den meisten Ballbesitz sammeln könnte. Nicht 100% Ernst gemeint, aber da sind eine Menge guter Kicker dabei:
———————– Undav ———————–
——– Führich – Gündogan – Wirtz ——–
—————- Kroos – Pavlovic —————-
Mittelstädt – Rüdiger – Anton – Kimmich
——————- Ter Stegen ——————-

Leider wurde nur ein IV in den Kader gerufen, der ernsthaft als Passer bezeichnet werden kann. Rüdiger oder auch Tah können das aber gut ausbalancieren, denke ich. Statt Undav könnte man außerdem an Havertz als falsche Neun denken, der wäre aber tendenziell deutlich weniger effektiv und spielt im Moment auch nicht so viel mehr Pässe.

Groß und Gündogan sind sich im statistischen Profil extrem ähnlich: passstarke Achter/Zehner, die oft auch aufs Tor schießen. Musiala statt Führich wäre denkbar, der spielt aber messbar weniger Pässe. Das Herzstück des ganzen sind natürlich Kroos und Kimmich, die beide einfach unendlich viele Pässe in jedem Spiel spielen, und Pavlovic kann das teilweise auch. Man müsste natürlich schauen, ob sich das endlos addieren lässt – die vielen Zehnertypen helfen aber auch dabei, Anspielstationen zu bieten.

Hauptprobleme in einem wirklichen Spiel wären zweierlei: was tun, wenn man denn Ball verliert – wer verteidigt einen Konter? Und kann man Kroos und Kimmich zusammenbringen, damit sie miteinander spielen und sich verstärken können? Oder fällt Kroos nach links hinten in die Kette und Kimmich hängt auf der rechten Außenbahn?

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AG 14. März 2024 um 15:40

Eine richtige Aufstellung würde eher so aussehen und Kroos und Kimmich mit Stach als bester deutscher Zerstörer ausbalancieren:
https://tactical-board.com/168fb4255aabe5_bfge

Mittelstädt ist für mich als Linksverteidiger absehbar fest, der ist ja wirklich ein fantastischer Verteidiger und gleichzeitig im Ballbesitz und offensiv überdurchschnittlich gut. Und Undav habe ich genug besungen.

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Koom 14. März 2024 um 15:48

Finde das auch soweit alles in Ordnung. Pavlovic löst eine Menge Probleme, auch das des „schlechten Paßspiels“ in der IV. Pavlovic ist zentral gut anspielbar, Kroos ist ja immer sehr abkippfreudig, das wird funktionieren.

Defensive hat man niemand „krachenden“ dabei ausser Rüdiger, aber ich glaube, das wird so durchaus gut passen. Die meisten Topteams leisten sich meistens nur einen Kanten-IV für die wichtigen Momente, ansonsten schaut man auf Spielfluss, antizipieren etc.

Spannend wird das Offensivspiel. Im Grunde hat man da ähnliche Probleme zu erwarten wie die Bayern vor kurzem, die auch Probleme hatten, aus Ballbesitzspiel heraus viele Chancen zu kreeieren. Aber die haben vielleicht den gordischen Knoten geknackt – andererseits haben sie mit Kane da vorne auch absolute Oberklasse. Da sind Undav oder Füllkrug kein Vergleich zu.

At worst vermute ich mal, dass man ein kontrolliertes Spiel ohne viele Torszenen bekommen dürfte. Also ein bisserl wie die „zahnlos“-Phase unter Löw, wo Ballbesitz zum Selbstzweck wurde.

Bei deiner Aufstellung kann ich mir vorstellen, das Gündogan spätestens zur Halbzeit rausgeht und Müller reinkommt. Der bringt dann etwas mehr Zug zum Tor mit als 10er, was den anderen drumherum gut tun dürfte. Wenn Gündogan nicht Kapitän wäre, würde ich mit der Variante sogar eher beginnen.

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AG 15. März 2024 um 10:44

Ehrlich gesagt halte ich die Offensive für weniger problematisch: Führich und Wirtz sind verdammt stark darin, Chancen zu erspielen (und von weiter hinten und außen kommt ja auch noch einiges dazu). Vollstrecker sind Gündogan und Undav, aber alle müssen ab und zu schießen. Allerdings würde ich auch Sane wieder mitnehmen, wenn er seine Rotsperre durchhat, um da mehr Punch mit einzupacken.

Müller sehe ich eher als Alternative zu den eng angedachten Führich und Wirtz, und Groß als Alternative für Gündogan (statistisch sind die extrem ähnlich).

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tobit 15. März 2024 um 10:48

Groß mag statistisch sehr ähnlich zu Gündogan sein, auf dem Platz sind sie aber finde ich recht verschieden. Groß würde ich eher als Kroos Backup einplanen. Wirtz kann Gündogan auf der Zehn finde ich besser vertreten, der ist mittlerweile auch ziemlich laufstark gegen den Ball.

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AG 15. März 2024 um 11:00

Das mag sein, bei Mittelfeldspielern (insbesondere Achtern und Zehnern) kann Nagelsmann aus dem Vollen schöpfen. So viele Möglichkeiten, so viele tolle Spieler, die man auf die Bank setzen muss.

Ich würde aber sowieso eher mit Musiala und Sane starten, wenn die fit sind. Wirtz sollte auch nicht zu sehr überspielt werden, der ist so jung und muss noch so viele Spiele in seinem Leben machen 🙂

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tobit 14. März 2024 um 18:40

Ich finde es insgesamt schon schade, dass Schlotterbeck so komplett außen vor ist, der spielt eigentlich eine richtig gute Saison. Dass Koch und Anton mal wieder dabei sind freut mich aber, weil sie zu den spielintelligentesten IV gehören und das auch noch auf verschiedene Weisen auf den Platz bringen können.
Andrich könnte neben Kroos tatsächlich eine interessante Option sein, die er neben den anderen (verkappten oder echten) Zehnern nicht wäre – weiß aber nicht ob ich da aktuell nicht sogar Goretzka vorziehen würde (dass ich das mal schreibe).
Ansonsten Beste und Kimmich als Abwehrspieler gelistet und Havertz im Sturm – das spricht durchaus für eine mutige (oder gewagte, wenn man negativer sein möchte) Ausrichtung auf offensiveres Spiel.

Mit Anton und Kroos als Halbspielern einer Aufbauraute wäre ich eigentlich ganz zufrieden. Würde persönlich noch Tah statt Rüdiger auf der tiefste Position bringen, aber das ist mehr persönliche Präferenz. Kimmich und Gündogan dann auf den Halbpositionen davor endlich mit der Freiheit so aufzurücken wie sie es eigentlich immer wollen. Links Beste/Mittelstädt/Raum weit aufrückend, rechts (sobald er wieder dabei ist) Sané, der auch mal von Kimmich befreit wird. Wirtz als Zehner und Havertz/Undav/Füllkrug als entgegenkommende Neun je nach eigenem Gusto. Ich finde Havertz da vorne ja immer noch sehr geil und er scored von da für Arsenal ja mittlerweile auch ganz ordentlich und ist sogar stark in Luftduellen.

————— Havertz ———— Sané
Beste ———— Wirtz ——————
——— Gündogan — Kimmich —
— Kroos —— Pavlovic —————
————— Tah ——— Anton ——
————— ter Stegen —————

Basis wäre hier ein enges 4-2-2-2 mit Gündogan und Wirtz als Zehnern und eher breiteren Stürmern. Man könnte dieselbe Ballbesitzstruktur auch jeweils mit einem einzigen Wechsel deutlich offensiver (Füllkrug/Undav für den LV und Havertz geht nach außen) oder defensiver (ein IV für einen ZM, Kroos rückt vor und Anton/Schlotterbeck übernehmen halblinks in der Aufbauraute) auslegen.

Alternativ könnte ich mir auch ein 4-2-3-1 mit Wirtz von links einrückend und Gündogan als Zehner vorstellen (wenn man letzteren gegen den Ball zentraler halten will). Da würde dann Kimmich in Ballbesitz eher zum Pendant von Kroos in einem 2-3-2-3, oder halt auch einfach mal ein normaler offensiver AV (als solcher ist er ja auch nicht schlecht, nur vllt ein bisschen verschwendet).

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AG 15. März 2024 um 10:57

Ja, so habe ich mir das auch vorgestellt in der Struktur, ich habe mich aber auf die aktuell eingerufenen beschränkt (eine freiere Alternative habe ich mit Link gepostet, die wird auch noch irgendwann freigeschaltet).

Havertz vs Undav ist auch eine Hipsterfrage. Ich mag Havertz und wollte ihn auch immer als Neuner sehen, aber er scheint sich bei Arsenal davon eher wieder weg zu entwickeln. Und wir brauchen jemand im Team, der schießt! Wer soll denn sonst den Strafraum übernehmen, wenn die falsche Neun sich (tief) fallen lässt? Deshalb sehe ich Undav klar vorne (4 Schüsse pro 90! 0.67xG/90!)

Und sorry, aber Beste ist eine Mirage. Der hat einen massiven Lauf, aber seine Tore und Assists sind locker doppelt so viel wie xG+xA. Und Mittelstädt ist einfach viel zu gut, als dass er auf die Bank darf: Weltklasse in der Defensive (die brauchen wir auch bei der Aufstellung) und großartig im Ballbesitz (noch eine Schwäche von Beste). Wenn wir mehr offensive Durchschlagskraft brauchen, würde ich Raum oder Gosens aufstellen. Das ist aber nur was, wenn man aufholen muss: Kimmich, Wirtz, Sane, Gündogan, Kroos… So viele Kreativspieler.

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tobit 15. März 2024 um 12:10

Beste steht da, weil er weniger Buchstaben hat und ich keine Lust hatte jede Zeile um weitere 30 Bindestriche zu erweitern damit das Bild wieder klar wird. Dass der letztlich wahrscheinlich nichtmal zur EM fährt oder eine langfristige Rolle in der N11 spielt, ist mir auch klar.
Mittelstädt spielt allerdings auch seine erste wirklich gute Saison mit fast 27, dass der das Niveau hält würde ich auch nicht als gegeben ansehen. Beste ist immerhin fast zwei Jahre jünger, hat also noch ein bisschen Zeit, so gut zu werden.

Havertz spielt seit Jesus‘ Verletzung wieder meistens auf der Neun, dafür ist Jorginho als Sechser reingekommen und Rice auf die linke Acht gerückt. Und natürlich hat Undav statistisch mehr Abschlüsse als Havertz, weil der eben Teile der Saison fast schon Doppelsechs gespielt hat.
Außerdem hat Havertz wesentlich mehr abschlussfokussierte Spieler um sich rum. Beim VfB kommen von den offensiv eingesetzten (whoscored, AML/AMC/AMR/FW positions) nur Guirassy und Undav (und Vagnoman, der hat da aber nur ein Spiel gemacht) auf mehr als 2,0 Sh/90, die beiden haben aber auch nur gut 600 Minuten gemeinsam gespielt. Bei Arsenal liegt da keiner der sechs so eingesetzten unter 2,4 Sh/90. Und Havertz macht von da aktuell aus weniger Schüssen als Undav (2,9 vs 4,7 Sh/90) genauso viele Tore (beide 0,8 G/90) und spielt etwas mehr key passes (1,8 vs 1,5), aus denen auch deutlich mehr Assists (0,5 vs 0,3 A/90) werden. Klar ist die sample size bei Havertz recht klein, aber so viel größer auf die Karriere betrachtet ist sie bei Undav auch nicht. Und ich würde auch noch sagen, dass die PL insgesamt die schwierigere Liga ist.

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WVQ 15. März 2024 um 13:34

Denke die die pragmatisch relevanteste Frage für die N11 wird sein, wie Nagelsmann die Mannschaft nun grundsätzlich orientiert und wie er sie insbesondere dazu bringen will, daß jeder endlich einfach mal seine Aufgaben macht (und geschweige denn mehrere ihre kollektiven Aufgaben zusammen). Auch wenn jetzt wieder viele neue Gesichter dabei sind, die Startformation wird nicht groß anders aussehen als zuletzt, mit Ausnahme von Kroos und der Umversetzung von Kimmich und Gündogan. Das 4-2-3-1 ist schon seit Monaten gesetzt, aggressives Gegenpressing hat Nagelsmann jüngst erneut als zentrale Anforderung genannt; interessant wird dann in erster Linie, wie der Ballbesitz gestaltet werden soll, vom Aufbau- und Übergangs- bis zum Agriffsspiel. Da haben wir bisher quasi überhaupt keine Basis außer Individualtalent. Mit Kroos und einem selbstlosen, lückenfüllenden Sechser daneben könnte das jetzt durchaus etwas kontrollierter werden (man denke an die 30 Minuten bei der WM 2018, als Rudy neben Kroos spielte und plötzlich ein Verbindungsspiel zwischen Aufbau und Angriff entstand), und Andrich, Groß und erst recht Pavlovic kommen dafür durchaus in Frage. Aber das allein reicht natürlich auch lange nicht. Mein Eindruck ist immer noch, daß der sehr bescheidene Ansatz aus dem Frankreich-Spiel unter Völler unter realistischen Bedingungen mittelfristig aussichtsreicher ist als alle davor und danach (mit natürlich dem Fragezeichen, wie man das gegen (noch) defensivere Gegner implementiert), aber Nagelsmann scheint weiterhin mehr auf Aggressivität setzen zu wollen denn auf Sicherheit. Wer dann am Ende genau wo spielt und wie gut die an sich alle sind, scheint mir relativ zweitrangig, es geht eigentlich erst mal nur noch darum, ein Kollektiv zu finden, das harmoniert und halbwegs stabil ist, alleine schon aus psychologischen Gründen nach der nun schon jahrelangen völligen Verunsicherung.

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Koom 19. März 2024 um 10:49

Naja, das Frankreich-Spiel hatte den Vorteil, dass der Zuschauer nichts erwartet hat und man sich selbst als klaren Underdog positionierte. Und dann hat man halt den Aussenseiter-Zufallserfolg in einem Spiel geholt, in dem es um nichts geht.

Ich denke, es ist der richtige Ansatz, mal nicht mehr nach Historie und Namen aufzustellen, sondern momentan auf Form und Spielweise zu achten. Die ganzen Stuttgarter sind wohl auch momentan dabei, weil sie ballbesitzorientiert spielen im „Alltag“ und das dann auch importieren können. Etwas, was die Dortmunder nicht können.

Am 4-2-3-1 gibt es ja auch grundsätzlich nichts auszusetzen. Es hat schon nen guten Grund, warum das eine der, wenn nicht „die“ Ausgangsformation ist. Alles gut abgedeckt, gute Zuordnungen und Aufteilungen. U.U. wäre es vom Spielermaterial her besser, bspw. sowas wie Leverkusen hat aufzubauen – aber da kannst du fast nichts „importieren“, weil die wichtigen Spieler keine Deutschen sind (außer Wirtz).

Gespannt bin ich, wie „offensiv“ Nagelsmann das angehen wird. Persönlich würde ich vielleicht wirklich versuchen, das Zentrum brutal dominant aufzubauen. Also Pavlovic als der Sechser, Kroos abkippend daneben, davor/daneben Gündogan, dazu Wirtz. Dazu vielleicht Sane und dann sollte es schon ein Stürmer sein, der das auch machen will – also Wege gehen, Raum schaffen. Ich würde es wohl mit Füllkrug versuchen, Undav spielt ja mit einem anderen echten Neuner zusammen. Kimmich dann natürlich auf rechts, Mittelstädt links. In Sachen Gegenpressing sind da dann nahezu alle geschult und aktiv mitdenkend (Kimmich solala), Ballbesitz ist bei denen fast alle an der Tagesordnung.

tobit 19. März 2024 um 11:21

Weitgehend D’Accord zu den ersten drei Absätzen.

Ich finde es echt interessant, dass du Havertz diese Qualitäten so konsequent absprichst, weil das sind finde ich einige seiner besten. Er ist eben nicht so auf eigene Aktionen versessen wie ein Musiala oder Sané, sondern viel mehr ein Läufer und Supporter. Dass er halt gleichzeitig noch dribbeln kann und geniale (vor)letzte Pässe drauf hat, hebt ihn dann für mich von den anderen Optionen ganz vorne nochmal ab.
Füllkrug kannst du halt außerhalb des letzten Drittels nicht in ein Ballbesitzspiel einbinden, weil er schlicht ein zu instabiler Passspieler ist (und außer Prime Chile gab es noch keine N11 mit gut genugem Gegenpressing um das auszuhalten). Das heißt, du müsstest jemand anderen dafür abstellen, weil ohne Pässe vorne rein geht es im Übergangsspiel auch nicht. Und da lande ich dann unweigerlich bei (einem aus der 3er-Reihe vorrückenden) Havertz – wieso also nicht gleich Havertz vorne drin und ein weiterer Ballbesitzspieler im Mittelfeld?

Koom 19. März 2024 um 11:40

Havertz hat bei mir vermutlich das Problem, das ich ihn fast nur in der sehr maladen N11 gesehen habe. Und der fehlt ein „echter“ Mittelstürmer eben, wenn man wie Flick spielen lässt (oder wie der Bayern-Nagelsmann).

An sich finde ich ihn von seinen Anlagen her sehr cool. Im Grunde ein Allrounder, der eigentlich alles spielen kann. Er ist groß, relativ schnell, gut am Ball – ein starkes Paket. Ich würde mich sehr freuen, wenn er in einem ballbesitzlastigen Team dann diese Rolle vorne ausfüllen kann.

Aber momentan scheitert es bei mir noch am Glauben, das Nagelsmann tatsächlich anders spielen lässt, als es zuletzt sein Trademark war. Die Nominierungen sprechen schon eine andere Sprache, aber mal schauen, was das auf dem Platz wird.

AG 19. März 2024 um 13:40

Ich sage auch mal dazu, dass ich Havertz mag und ihn auch hin und wieder als Neuner für die Nationalmannschaft gefordert habe. Cool wäre es auch, ihn mal als Firmino-Alternative einzusetzen, wenn man entsprechende Außenstürmer wie Liverpool spielt. Sonst Zustimmung zu Koom!

Taktik-Ignorant 20. März 2024 um 18:50

Ich finde es dann schon schade, dass Musiala hier im Forum so wenig geschätzt wird. Seine Körperdrehungen bei der Ballan- und -mitnahme und seine Dribblings lösen feste, eng stehende Abwehrreihen (und auf die wird sich der DFB einstellen müssen, denn für schnelle Gegenstöße nach Balleroberung fehlt es an Schnelligkeit und Abstimmung) auf und ermöglichen Torchancen. Außerdem hat er einen guten Abschluss, und seine Form weist rasant nach oben. Für mich inzwischen nach Toni Kroos der beste deutsche Fußballer.
Ansonsten bin ich mir nicht sicher, ob die neuen Lösungen die alten Probleme wirklich beheben werden, Mittelstädt hinten links statt Raum oder Goosens ist das Probieren wert, aber sicher kein Quantensprung. Kimmich ist kein Rechtsverteidiger und wird es auch nicht mehr. Die Absicherung im Zentrum, wo man mit Kroos einen weiteren eher kreativen Spieler, der seine Stärken mit dem und nicht gegen den Ball hat, hinzubekommt, bleibt weiter eine Baustelle (kein Kanté in Sicht). Richtige offensive Außenspieler? Allenfalls Sané (jetzt verletzt) und Gnabry (scheint gut aus der Verletzung zurückzukommen), die ich immer noch für besser halte als Führich, aber wenn man mit Wirtz, Musiala und Gündogan plant, hat man ohnehin keinen Platz für einen Außenstürmer (falls man nicht Füllkrug opfern will, der die 9 zwar ordentlich, aber eben allenfalls auf gehobenem Bundesliga- und nicht auf internationalem Spitzenniveau spielt).

Grundsätzlich sehe ich eher ein 4-2-3-1, das ist die NM seit Jahren gewohnt, und sie braucht eine feste Struktur als Anker, an dem sie sich nach den desaströsen Erlebnissen der letzten 2 Jahre festhalten und wieder aufrichten kann. Für Experimente ist mir das ganze Gebilde eigentlich zu unsicher.

AG 15. März 2024 um 14:34

Hm, Havertz ist schon eine valide Wahl, ich würde trotzdem Undav unter anderem für die vielen Shots bevorzugen. Allerdings hat er sehr wenige Minuten auf dem Niveau und ist definitiv unbewiesen.

Mittelstädt allerdings hat schon viel bei Hertha gespielt und lief damals nur unter dem Radar. Klar lohnt es sich für seinen Output, bei einem besseren Team zu spielen. Insbesondere passt er jetzt viel mehr und auch produktiver. Der Kern seines Könnens war aber schon vorher da: herausstechend viele Tacklings und Interceptions, dazu progressive Pässe und Carries sowie Dribblings. Der Offensivoutput ist das einzige, was ich für wackelig in der Zukunft halte, aber gerade auch sehr ordentlich für einen AV (der nicht offensiv spezialisiert ist).

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tobit 18. März 2024 um 16:37

Ich bevorzuge Havertz gerade, weil er es kennt, nicht der fokussierte Abschlussspieler zu sein. Mit Sané und den Achtern hat man ja wirklich genug Leute, die richtig gut schießen können und das auch gerne tun. Gerade Gündogan hat sich ja in seinen letzten City-Jahren mit vielen geradezu schattenstürmerhaften Läufen in die Box hervorgetan, Kimmich und Sané können das ja sowieso. Und im Rückraum steht dann jetzt auch noch Kroos wieder parat, der einen absoluten Weltklasse-Distanzschuss hat. Um den Abschlusswillen der Mannschaft mache ich mir daher so gar keine Sorgen.

Viel gespielt und viel getackled ja. Spielerisch war das aber lange eher arm – das sieht jetzt ganz anders aus. Gerade die Fähigkeiten als Passspieler aus der Tiefe hatte er früher so nicht. Das eher unkreative Positionsspiel der Vergangenheit schiebe ich jetzt mal auf Dardais gerne mal überkonservative Anweisungen.

Koom 19. März 2024 um 10:52

WENN die N11 entgegen der früheren Nagelsmannspielweise viel über Ballbesitz, Paßspiel etc. kommt, kann das gehen. Wenn nicht, dann schaut das aus wie bei den Bayern, die dachten, das man ohne Mittelstürmer Erfolg haben kann (und dann der durchschnittliche Choupo-Moting die Probleme halbwegs gelöst hat). Eigentlich schreit die Nominierung nach einem (guten) Barcelona-esken Ballbesitzmogulspiel. Da kann ein spielintelligenter Nicht-Mittelstürmer dann vorne ausreichen.

tobit 19. März 2024 um 11:23

Wenn man nicht über Passspiel und Zentrumsdominanz kommen wollte, hätte man ZWINGEND Goretzka nominieren MÜSSEN. Von daher gehe ich schon sehr davon aus, dass das der Plan ist.

AG 19. März 2024 um 11:30

Mehr ist da einfach mehr, und bei so viel kreativen Spielern kann man einen dauerhaft im Strafraum abstellen. Außerdem kreiert Undav ja auch eine Menge – hier wäre es zwar nicht für einen zweiten Stürmer, aber für Sane oder vorstoßende Achter.

Um es mal konkreter zu machen schauen wir auf ein paar Zahlen (nur die aktuelle Saison und die jeweilige Liga, keine Elfmeter): Undav ist bei 4,5 Schüssen/90 und 0,15xG/Schuss, damit ist er bei fast 0,7xG/90. Sane würde ich auch aufstellen, der kommt auf 3 Shots/90 und 0,15xG/90. Fantastisch.

Toni Kroos schießt ca. 1,5x/90, und da sind Freistöße dabei, für 0,05xG/Shot. Das sind nur 0,08xG/90 oder ein Tor alle 12 Spiele (passt auch perfekt zu seinen Toren bei Real). Kimmich schießt weniger, um die 1,2x/90 bei ebenfalls 0,05xG/Shot. Gündogan schießt bei Barcelona nur 1,3x/90, bei Man City um 2/90. xG/Shot sind um 0,13, aktuell sind das por 90 0,2 – war aber auch schonmal höher. Wenn man die Taktik drauf auslegt, wird das eher höher sein, aber er ist nie über 0,44xG/90 gekommen (das waren 8 Tore die Saison 21/22). Die Saison davor hat er mehr Tore bei weniger xG geschossen – das kann offensichtlich funktionieren, aber Glück kann man nicht vorhersagen.

Und Havertz? Der schießt aktuell um 2x/90 bei sehr guten 0,18xG/Shot. Bei Chelsea und Leverkusen hat er auch schon 2,5 Shots/90 geknackt, aber nicht deutlich. Er kommt typischerweise auf um die 0,4 xG/90. Seine Assists sind auch nicht besonders hoch, um 0,1/90 in der Premier League. Damit steht er in Kreativität aktuell hinter Undav. Und mit den Aufstellungen, die wir diskutiert haben, sind dermaßen viele fantastische Aufbauspieler und Übergangsspieler dabei, die den Ball ins letzte Drittel bringen, dass ich einfach keinen Bedarf für eine fokussierte Einbindung des Stürmers in den Ballbesitz. Aber auch das könnte Undav.

Koom 19. März 2024 um 11:41

Nur mal so nebenbei: Danke für das Unterfüttern/Liefern von Zahlen. Finde das immer sehr spannend als Element in der Diskussion. 🙂

Taktik-Ignorant 20. März 2024 um 23:40

Da die geeigneten Spieler für die offensiven Außenpositionen nicht berücksichtigt wurden (Sané gesperrt, für Gnabry kommt ein Einsatz noch zu früh), steht allenfalls Führich zur Verfügung. So bleibt eigentlich nur ein zentrumslastiges Spiel, sofern Nagelsmann nicht vorhat, Spieler positionsfremd einzusetzen.
So oder so, die beiden Testspiele werden angesichts der Spieler, die (vorübergehend) nicht dabei sind, wenig Aufschluss darüber geben, in welcher Aufstellung die deutsche Elf gegen Schottland auflaufen wird.


tobit 21. Juni 2023 um 14:23

Ich frage mich in den letzten Monaten immer mehr, wo der ordentliche Ansatz der ersten Flick-Monate hin verschwunden ist. Gegen Kolumbien wirkte es teilweise so, als wäre nichtmal ein bisschen trainiert worden, so viele Übergabeprobleme und statische Unverbundenheit gab es selbst in Löws letzten Spielen selten. Von Gündogan als LA und Doppel“sechs“ Goretzka/Musiala fang ich gar nicht erst an.

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Daniel 21. Juni 2023 um 23:28

Ich habe die Spiele nicht gesehen, war es wirklich so schlimm, wie überall zu lesen war? Wobei Gündogan als LA schon wirklich sehr bizarr klingt

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tobit 22. Juni 2023 um 13:08

Ich hab die erste Halbzeit gegen Polen und das Kolumbien-Spiel gesehen. Gegen Polen ging es noch, da hat man sich aber auch mit der Aufteilung der Doppelsechs ins Knie geschossen. Can als höherer von zwei Sechsern vor einer 3er-Kette hat halt noch nie funktioniert. Aber auch da gab es schon Probleme in der Abstimmung der Restverteidigung.

Gegen Kolumbien gab es dann eher im viel häufigeren tiefen Verteidigen Probleme, weil Can und Rüdiger kein instinktiv gutes Übergabespiel haben und Goretzka und Musiala keine Sechser gespielt haben. Dazu kam dann recht mäßige Defensivleistungen von Gosens und Wolf, die nicht wirklich mit den IV abgestimmt wirkten. Sah etwas so aus, als würden die Wingbacks pendelnde 4er-Kette spielen, während die IV 5er-Kette spielten. LA ist vllt nicht die perfekte Bezeichnung von Gündogans Rolle, nominell war es aber seine Grundposition im 5-2-3. Hat sich halt von da permanent fallen lassen müssen um so etwas wie einen Ballvortrag auf die Beine zu stellen.
Irgendwann nach der Halbzeit wurde dann mal ein bisschen umgestellt auf 4-3-3 mit Can auf der Sechs und Gündogan und Goretzka davor. Das sah dann zehn Minuten auch ganz ok aus. Bis Füllkrug kam, weil dann statt 5 Offensiven (8er, Stürmer) mit Ball- und Bewegungsskills nur noch drei (LA, RA, 10) mit riesen Lücken dazwischen waren und der neue Zielspieler die lange Bälle mangels Technik nicht festmachen konnte oder mangels Dynamik gar nicht erst erreichte. Da waren dann Sanés Dribblings die einzige Entlastung und man fing sich folgerichtig das 0:2.

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Koom 18. März 2022 um 13:09

Stach und Weigl im Aufgebot der Nationalmannschaft. Flick hat wohl offenbar die Bedeutung und Wichtigkeit eines „richtigen“ Sechsers erkannt und probiert aus, was die beiden so können. Weigl war unter Tuchel auf dem Weg zur Weltklasse auf der Sechser-Position und IMO damals erheblich eindrucksvoller als der gelobte (aber auch einfach sehr andere und offensivere) Kimmich. Stach ist auch kein reiner Grätscher auf der Sechser-Position, treibt auch viel nach vorne an.

Man darf gespannt sein.

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tobit 18. März 2022 um 14:37

Wurde aber auch Zeit, dass Weigl mal wieder nominiert wird.
Weigl vs Kimmich ist halt irgendwie immer ein komischer Vergleich gewesen, weil sie so verschieden sind. Weigl tut eine Sache auf absolutem Weltklasse-Level (fast schon oberhalb davon), Kimmich sehr sehr viele auf etwas niedrigerem Niveau und vereint sie auf einzigartige Weise.
Zu Tuchels Zeit war Weigl schon der weit mehr gelobte Spieler, auch weil er viel mehr Spielzeit hatte. Kimmich war damals auch beeindruckend, weil Pep ihn einfach überall gebracht hat und er nirgends nicht bundesligatauglich aussah. Aber sein wirklicher Aufstieg begann erst mit Weigls Schwierigkeiten unter den verschiedenen Tuchel-Nachfolgern. Und ins Mittelfeld wechselte er 2019 erst kurz bevor Weigl die Bundesliga verließ.

Stach ist bei mir bisher komplett unterm Radar geblieben, kannst du den etwas genauer beschreiben?

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WVQ 18. März 2022 um 14:59

Tatsächlich eine freudige Nachricht. Stach kenne ich auch nicht einmal, aber bei Weigl kann man nur hoffen, daß er tatsächlich auch spielen wird und nicht nur im Training begutachtet werden soll. Wenn man jetzt mal von einer unveränderten Grundordnung ausgeht, wäre – gerade in Abwesenheit Goretzkas – eine „Doppelsechs“ Weigl-Kimmich überaus sinnvoll, um Kimmich die für ihn passenden/notwendigen Freiheiten im Zentrum zu gewähren und dasselbe trotzdem konsequent besetzt und kontrolliert zu halten. (Bliebe dann nur zu hoffen, daß nicht direkt wieder erwartet würde, er möge auch „mit vorne reingehen“… Was keineswegs trivial ist, denn insbesondere gegen Israel wird man nicht mit vier Mann absichern wollen.)

Hat eigentlich jemand Weigl in den letzten Jahren genauer verfolgen können? Bei Benfica spielt er ja aktuell auf einer eher flachen Doppelsechs und gerade im Achtelfinale hat man vornehmlich tief verteidigt, so daß er in die Aufbau-/Ballbesitz-Situationen, die für die Nationalmannschaft von besonderem Interesse wären, nur selten kam. Am weiterhin vorhandenen Talent braucht man wohl nicht zweifeln, aber er hat ja nun auch einige Jahre unter ganz anderen Trainern gespielt und zumindest international in ganz anders ausgerichteten Systemen als unter Tuchel in Dortmund. Irgendwelche Eindrücke, um seine aktuelle Spielweise/Form einzuschätzen?

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tobit 18. März 2022 um 15:09

Gesehen hab ich ihn auch nicht wirklich, aber er soll wohl etwas variabler in seinem Spiel geworden sein, geht auch Mal etwas mehr mit nach vorne und nutzt seine Passtechnik etwas angriffslustiger. Gegen den Ball ist er weiter sehr stabil, angesichts der sehr verschiedenen Nebenleute dürfte er sich auch die gute Balance zwischen giftigem Zugriff und absichernder Raumkontrolle bewahrt haben.

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rb 21. März 2022 um 11:50

Habe ihn auch nicht wirklich gesehen. Aber dass er letzte Saison von den Benfica-Fans zum Spieler der Saison gewählt wurde, habe ich wahrgenommen. Wenn ein nicht-offensiver Spieler, der eher über eine mannschaft-enablende als über eine selbstdarstellende Spielweise kommt, so eine Individual-Auszeichnung erhält, dann muss er schon eine richtig gute Saison gespielt haben.

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Taktik-Ignorant 27. März 2022 um 21:56

Gestern konnten wir ihn – und dann auch Stach – ja dann in der Nationalmannschaft bewundern. Ich war allerdings nicht sonderlich beeindruckt von Weigl. Allerdings hat das deutsche Spiel gegen den Ball insgesamt gut funktioniert, erst ab Mitte der zweiten Halbzeit hat Israel es ja überhaupt einmal geschafft, mehr als 3 Pässe hintereinander zu spielen, ohne den Ball einem Deutschen in die Füße oder ins Aus zu passen. Die Preisfrage: lag es am guten deutschen Pressing oder waren die Israelis einfach erstens schlecht und hatten zweitens noch eine schlechte Tagesform?

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Koom 28. März 2022 um 12:57

Immer schwer zu sagen. Ein Sechser kann ja nur glänzen, wenn er auch was zu tun bekommt. Israel ist da letztlich zu schwach und die Deutschen recht stark, wenn ihre Motivation und taktische Einstellung stimmt. Wenn er nicht negativ aufgefallen ist, ist es schon mal ein guter Anfang. Mal schauen, ob er auch gegen die Niederlande ran darf, das dürfte schon mehr Aussagekraft haben.

Generell war/ist Weigl keiner, der die spektakulären Dinge machte. Man kriegt von ihm keine Szenen wie sie bspw. Schlotterbeck mit seinem teils riskanten Spiel hatte, was mal hop oder top sein kann. Auch Stach mag es durchaus mal, schussgewaltig nach vorne zu gehen, das war zumindest früher nicht unbedingt Weigls Ding. Kann mir auch nicht vorstellen, dass das total anders geworden ist.

WVQ 29. März 2022 um 20:55

Habe nur die erste Halbzeit weitgehend verfolgt und fand Weigl umgehend genauso beeindruckend wie eh und je. Ein paar kleine Fehler waren natürlich drin, aber sein Raumgefühl (Freilaufen, Lückenschließen, Absichern, Balancieren), die Ball- und Paßsicherheit, die Gewichtung der Aggressivität, alles sofort auf sehr hohem Niveau. Hat auch sehr gut mit Gündogan harmoniert, teilweise spielte man fast in einer 1-1-Staffelung und Weigl war teils tiefer positioniert als die mehr und mehr mit angreifenden HV bzw. insbesondere Schlotterbeck, was Deutschland mit Kimmich/Goretzka oft fehlt. Defensivzweikämpfe auch mehr als ordentlich, und ein paar sehr feine Spielverlagerungen hatte er ebenfalls drin, die auch ordentlich Dynamik kreiert haben. In meinen Augen sofort ziemlich genau das, was Deutschland auf der Position bräuchte. Insbesondere wenn man bedenkt, daß es für Weigl das erste Spiel seit Jahren in der Nationalmannschaft war.

In einer Startelf wird er ohne Kimmich-Verletzung nie stehen (hat Flick anscheinend sogar so oder ähnlich gesagt, wenn ich es am Rande richtig mitbekommen habe), damit muß man leben, aber daß man Weigl bei der WM dabeihaben sollte, scheint mir nach der einen Halbzeit schon komplett klar.

(Daß er generell nicht arg viele Aktionen hatte, lag halt auch daran, daß Israel im 4-4-2 die deutsche Sechs zugemacht, die IV in Ruhe gelassen und dafür die Außenbahnen angeboten hat. Gab einige Szenen, in denen Weigl sogar trotzdem aussichtsreich anspielbar gewesen wäre und der IV sich nicht getraut oder es nicht gesehen hat, aber es ist natürlich klar, daß er dann nicht ständig den Ball am Fuß haben kann.)

Nun gut, jetzt mal schauen, was/wer gegen Holland so passiert.

Taktik-Ignorant 30. März 2022 um 09:56

Gegen die Niederlande haben wir weder Stach noch Weigl gesehen, sondern Gündogan und Musiala im zentralen Mittelfeld, die beide von den Medien überschwänglich gelobt wurden. Dabei fand ich das Spiel ziemlich zerfahren, die Holländer haben die Deutschen zu einigen Ballverlusten gezwungen, und das Spiel nach vorne stockte oft, vor allem über Kehrer auf der rechten Seite. Aber auch Sané traf m.E. einige falsche Entscheidungen. Nun weiß ich nicht, inwieweit ein Einsatz von Weigl da etwas verbessert hätte, ob man die holländische Offensive besser im Griff gehabt hätte (sie kamen ja immer wieder durch), aber Flick hat gegen den starken Gegner andere Lösungen bevorzugt. Er wird wohl wissen, warum.

Koom 30. März 2022 um 13:14

Die Krux ist allerdings auch, dass Flick eine Harakiri-Spielweise mag. Da ist jemand wie Weigl, der in seiner Spielweise absichernd/strukturierend agiert, natürlich niemand für ihn (was Quatsch ist: er wäre genau der, den er bräuchte). Das konnte man bei den Bayern zumindest recht gut beobachten (und eskalierte zusehends).

WVQ 30. März 2022 um 15:28

Ja, das Holland-Spiel hat sehr deutlich gezeigt, wie sich Flick das Auftreten gegen starke Gegner vorstellt: hinten festnageln und alle Offensivbemühungen zerpressen. (Hat er ja in den Interviews vor und nach dem Spiel auch mehrmals gesagt.) Ein Aufbauspiel oder eine Zirkulation ist nur vorgesehen, wenn vorübergehend wirklich nichts anderes geht, und das Ziel ist immer, den Ball schleunigst wieder in gefährliche Zonen zu bringen (definiert als: letzte Linie attackieren). Dann ist natürlich klar, warum Flick zwei offensiv orientierte Sechser bevorzugt: Er braucht sie einfach, weil man eine tiefe und kompakte Defensive nicht in Unterzahl knacken kann. (Das 1:0 fiel ja bezeichnenderweise, als Musiala bis zur Grundlinie durchstieß.)

Da sind natürlich durchaus gute Ansätze zu sehen, zugleich aber auch, daß man gegen starke Defensiven nur mit extrem präziser, schneller und koordinierter Ausführung erfolgreich sein wird. Oft scheiterte man bei vertikalen Durchbruchsversuchen (teils schon im Ansatz) an der technischen Ausführung, an unkoordinierten Laufwegen und an schlechten Entscheidungen (bspw. Dribbling in ein holländisches Viererknäuel hinein, wenn ein einfacher Steckpaß möglich gewesen wäre). Auch die Grundposition für derlei Aktionen war oft zu hoch, d.h. schon zu nahe am holländischen Defensivblock, so daß man gar nicht erst Dynamik aufbauen konnte und die Paßoptionen sehr schnell sehr flach wurden. Da ist zweifellos noch viel Raum für Verbesserungen und ich glaube auch gerne, daß die unter Flick mit mehr Training und Spielpraxis auch kommen werden, aber schon in diesem Spiel war es bezeichnend, daß der Ball am häufigsten dann doch wieder durch Flanken von links (halbwegs) aussichtsreich in den Strafraum kam, also im Gegenteil zum vorherigen da, wo Holland noch am wenigsten kompakt ist. Und im Zentrum sah das Potential zur Verwertung der Hereingaben dann wiederum ziemlich mau aus. Ob das als Angriffs-Repertoire für WM-Ambitionen hinreichend ist, möchte ich bezweifeln.

Weitgehend gefehlt hat ein Übergangsspiel vom Aufbau in den Angriff, eine Art stabiler Ballbesitz auf Höhe des Sechserraums. Der Versuch war fast immer (sei es über den Flügel oder durchs Zentrum), das Mittelfeld möglichst schnell zu überspielen und sich dann an der letzten Linie durchzusetzen – in meiner Wahrnehmung mehr noch als gegen die vorherigen kleineren Gegner. Das irritiert mich schon ein wenig. Die Devise schien mir zu lauten: Gegner stärker, also müssen wir noch schneller spielen und noch mehr Druck aufbauen, bei Ballverlust noch härter gegenpressen, dann paßt es wieder.

Daß man in der letzten halben Stunde immer mehr ins Schwimmen kam, scheint mir eine direkte Folge dieses Ansatzes zu sein. Ein konstruktives Herausspielen aus tiefer Position bei gegnerischem Pressing gelang fast gar nicht. Zwar verlor man den Ball im Aufbau kaum, aber schon der erste Paß ging meistens an einen Spieler, der keine aussichtsreiche Vororientierung hatte, teils dem eigenen Tor entgegenlief und Holland einfache Gelegenheit zum Ballerobern und direkten Gegenangriff gab. Und wenn nicht, nahm die Kontrolle mit jeder weiteren deutschen Paßstation nach vorne rapide ab. Somit dann das immer temporeichere Hin und Her, über das Deutschland immer weniger Kontrolle hatte. Flick scheint sich hier als Lösung vorzustellen, daß man diese risikoreichen Aufbauvarianten einfach rigoros durchzieht und gefährliche Konter draus macht. Das Problem sehe ich aber darin, daß hierfür einfach die Struktur fehlt und ebenso die generelle Ballsicherheit unter Gegnerdruck. Die Idee ist vielmehr, daß man mit sehr wenig Struktur auskommt, weil man es brutal vertikal (und brutal schnell) aufzieht; dann brauche man (wie in der ersten Halbzeit bei zurückhaltenden Holländern) nur vorne das Personal, hinten die Absicherung und dazwischen lediglich Leute, die den Ball schnell und gefährlich nach vorne treiben.

Bin ganz ehrlich nicht sicher, ob das gut gehen kann. Es ist sowieso keine Mannschaft der Welt in der Lage, 90 Minuten Belagerung, Pressing und Konter zu spielen, und Deutschland gehört nun trotz einiger Verbesserungen in diesen drei Bereichen auch noch lange nicht zur Weltelite. (Das hohe Pressing teilweise im 4-2-4 wurde in der zweiten Halbzeit von den Holländern bspw. mehrmals sehr einfach überspielt, weil… genau, im Zentrum kaum ein Deutscher mehr vorzufinden war.)

Was mir überdies noch nicht gefallen hat war, daß im Ballbesitz erneut nicht nur Raum auf links sehr früh sehr hoch schob, sondern Kehrer auf rechts fast genauso sehr. So ergab sich eine reichlich schiefe Grundordnung, weil sich die Offensivspieler alle sehr linkslastig orientierten. Kann man machen, wenn dann rechts außen Gnabry steht, der auch mal mit nur einem oder ganz ohne Mitspieler Dynamik erzeugen kann – aber mit Kehrer (wie auch mit jedem anderen AV außer Pseudo-AV Hofmann) geht das nicht. Vielmehr hätte Kehrer erneut die Rolle als HV/Sechser-Hybrid einnehmen können, die er zu Beginn unter Flick auf halblinks sehr gut gespielt hat, insbesondere, wenn der Sechserraum eh dünn bis gar nicht besetzt ist. Das hätte auch den deutschen Aufbau in die Breite gezogen und folglich das holländische Mittelfeld. Ich kann nur mutmaßen, daß man das nicht gemacht hat, weil mit Gnabry und Hofmann die beiden Spieler, die die einsame rechte Außenbahn vor Kehrer sinnvoll hätten besetzen können, gefehlt haben; aber de facto war es mit isoliertem Kehrer dann offensiv zahnlos und hinten spielte man teils schon wieder nur noch mit Zweier-Absicherung (+ ein bißchen Gündogan, der diesmal den „defensiveren“ Part der Doppelsechs einnahm, was aber bekanntlich auch nicht sein Steckenpferd ist).

Läuft alles auf das hinaus, was man unter Flick bei Bayern schon stets konstatiert hat und unter (Spät-)Löw in der Nationalmannschaft sowieso: ohne starkes defensives Zentrum, das auch sinnvoll ins Aufbauspiel eingebunden ist, fehlt ein essentielles strukturelles Element, wodurch die Mannschaft in vielerlei Hinsicht anfällig wird. Kann gutgehen und ganz toll aussehen, wenn man vorne genug Tore schießt, kann aber eben auch komplett in die Hose gehen. Und auch wenn ich weiterhin meine, daß Weigl exakt derjenige wäre, der allein aufgrund seiner Spielweise hier schon erhebliche Verbesserungen bringen würde (und auch zum Drumherum passen würde, weil sowohl die AV als auch der zweite Sechser dann viel mehr Risiko gehen könnten, ohne daß die Absicherung und auch die spielerische Anbindung komplett flöten ginge); aber das Grundproblem ist nicht das spezifische Personal, sondern daß man diese riskante und „löchrige“ Spielweise offenkundig für geeignet hält, um gegen jeden Gegner zu bestehen. Das kann man positiv gesehen als ambitioniert bezeichnen; mir fällt dabei allerdings schon wieder das Wort ein, das mir aus taktischer Sicht bereits die letzten Jahre der Löw-Ära im Kern zu treffen schien: Hybris.

Taktik-Ignorant 30. März 2022 um 17:35

@WVQ: Böse, aber nicht unzutreffend. Zu Beginn der Trainerzeit von Joachim Löw hielt sich der Trainerstab ja viel darauf zugute, die Verweilzeit des Balls am Fuß schrittweise auf letztlich unter 1 Sekunde gesenkt zu haben. Gestern war jeder deutsche Spieler gefühlt 5 Minuten am Ball, bevor ein Abspiel kam. Dann kann es natürlich nicht zu den schnellen Durchstößen kommen, die man in den ersten Spielen unter Flick noch häufiger beobachten konnte. Was auffällt, ist weiter die fehlende Eingespieltheit, die notwendig wäre, um dann, wenn man mit dem Ball vor dem gegnerischen Strafraum angelangt ist, nicht nur außen herum zu spielen, sondern manchmal eben auch scharf und flach oder hoch (Chipball) zentral hinter die gegnerische Kette bzw. zwischen zwei Verteidigern durchzuspielen (Dribbling ginge natürlich auch, aber dafür sind die Räume meist zu eng). Solche Szenen gab es gegen Holland (immerhin?) drei Mal, einmal der Chipball von Müller auf Sané in der Anfangsphase, dann der Pass von Werner auf Musiala vor dem 0:1 und schließlich der Pass auf Nmecha, der zur letzten deutschen Torchance 5 Minuten vor Schluss führte.

Ansonsten wurde der Ball entweder schnell und überhastet bzw. wegen ungenauer Zuspiele verloren, oder ein Spieler (besonders häufig Kehrer) lief mit dem Ball ratlos umher und suchte nach einer Abspielgelegenheit. Dabei gab es vor allem in der ersten Halbzeit genug Tiefenläufe von Werner und Havertz, auf die aber nie reagiert wurde. Auch ein schon länger zu beobachtendes Manko.

Die Hektik in der letzten halben Stunde war mehreren Faktoren geschuldet. Natürlich spielen die Auswechselungen eine Rolle (Löw wäre dafür zerrissen worden), aber eben auch der Umstand, dass sich das hochintensive Pressingspiel am gegnerischen Strafraum nicht über 90 Minuten durchziehen lässt und die Mittelfeld- und Angriffsspieler, die die unter starkem holländischem Druck gespielten Pässe aus der deutschen Abwehr hätten verarbeiten müssen, nicht mehr den Saft hatten, das ordentlich zu tun und dann durchdachte Gegenangriffe zu fahren. Das wurde erst in den letzten 5 Minuten wieder besser, als auch die Holländer ihrer Intensität Tribut zollen mussten.

Aber in der Gesamtschau ist das große Defizit tatsächlich das Mittelfeldspiel. Defensiv konnte die eigene Abwehr nicht entlastet werden, wenn es den Holländern gelang, das deutsche Pressing zu überspielen, und offensiv brachte es zu wenig Struktur in die Angriffe. So ist das riskante deutsche Spiel zwar sehr unterhaltsam, aber insgesamt steht die deutsche Mannschaft leistungsmäßig immer noch da, wo die Statistiken sie einordnen: Weltrangliste Platz 11, Achtelfinale bei der letzten EM. Mehr ist da nicht.

tobit 30. März 2022 um 19:49

@WVQ Zustimmung zu allem.

Ich hab noch nie kapiert, warum so viele Trainer ausgerechnet gegen die großen Gegner die ganze Statik des Teams umschmeißen wollen. Die ersten acht Spiele haben doch recht klar gezeigt, dass man in allen Phasen am besten ist, wenn man Kimmich oder einen ausgewiesen defensiven Sechser (Weigl, Stach hat ja mehr einen Goretzka-Backup gespielt) auf dem Platz hat.
Dann auch noch ausgerechnet DIE Achse (Blind/Frenkie/Memphis) quasi komplett offen zu lassen, war ein krasser Coaching-Fehler, der von den Niederländern nur nicht sofort bestraft wurde, weil sie die erste Halbzeit sehr flach und mit absurd viel Personal vor dem Block aufgebaut haben. Ich meine, Blind vor einer 4er-Reihe aus de Ligt, Koopmeiners, van Dijk und Frenkie ist cool (vor allem die Umformungen dafür), aber überbesetzt. So viel Respekt vor dem deutschen Pressing hatte die Welt glaube ich seit 2012 nicht mehr (das ist schonmal gut).
Zu Rüdigers Leistung will ich mich angesichts dieser Mammut-Aufgabe gar nicht groß äußern (bin da nicht neutral), aber sein letztes Ding gegen Memphis war für mich eine klare Tätlichkeit. War (ausnahmsweise mal) kein rohes Spiel, aber den Gegner abseits des Spielgeschehens einfach mal zu legen hat für mich nichts mehr mit Fussball zutun.

WVQ 30. März 2022 um 23:40

@Taktik-Ignorant
Daß die (nicht arg zahlreichen, aber durchaus vorhandenen) Tiefenläufe bzw. Ansätze dazu nicht viel öfter wenigstens mit dem Versuch eines Anspiels honoriert wurden, wenn Holland schon mal ein bißchen Raum hinter der Kette bot, hat mich auch gewundert. Gerade wenn man mit Werner, Sané und Havertz drei schnelle Stürmer aufbietet, denen solche Situationen auf die ein oder andere Weise sehr liegen, und wenn man sowieso eigentlich jede Chance auf vertikale Beschleunigung nutzen will, sollte das doch extrem naheliegend sein. Aber wie Du sagst, die ballführenden Spieler schienen das jeweils oft noch nicht einmal zu bemerken oder machten jedenfalls keine Anstalten, darauf zu reagieren. Sehr komisch.

@tobit
He, bei Rüdiger muß ich auch öfter denken, daß er eigentlich der bessere Can ist. Was da an ulkigsten Ring- und Kickboxeinlagen von den Schiedsrichtern weitgehend durchgewunken wird, ist wirklich erstaunlich. Aber gut, solange das so ist, gibt man seiner Spielweise natürlich implizit Recht. (Und solange er es nicht komplett auf die Spitze treibt – im letzten Champions-League-Finale war’s ja dann beispielsweise nicht mehr so lustig. Aber das gab ja auch nur Gelb, also okay.)

Taktik-Ignorant 31. März 2022 um 13:02

Nur kurz: das Problem mit den missachteten Tiefenläufen war auffällig, aber auch nicht neu, sondern konnte auch schon in den ersten Testspielen unter Flick und auch unter Löw beachtet werden, aber ich hatte die Hoffnung, dass Flick da etwas ändert. Ist allerdings bei ständig wechselnden Formationen in der NM nicht ganz einfach; nicht umsonst war die eine Kombination, bei der es mal geklappt hat, eine Bayern-Koproduktion (von Müller auf Sané).

Zu Rüdiger: er ist irgendwie sehr effizient, aber nicht wirklich bösartig, wie die Szenen nach dem Spiel gezeigt haben. Auch die Gegenspieler haben das so empfunden. Beim CL-Endspiel war es ein einfaches Sperren ohne Ball, die schwere Verletzung von De Bruyne m.E. nicht vorhersehbar. Nicht jeder Verteidiger ist im Zweikampf so filigran wie weiland Philipp Lahm….

tobit 31. März 2022 um 13:20

Zweikämpfe darf er ja gerne so führen. Aber sich ständig abseits des Spiels mit Gegnern anzulegen, gehört sich für mich einfach nicht.

Tiefenläufe sind aber ja eigentlich immer und überall quasi Wegwerf-Aktionen, die nur selten bedient werden (selbst bei Haaland). Wenn das Timing nicht 100% perfekt ist, ist der Ball garantiert weg (abseits oder abgelaufen). Und die unbedienten Läufe waren bei Deutschland in den letzten Jahren auch oft in eher ungünstige Richtungen, wo die Läufer schlechte Chancen auf einen Torschuss oder Spielfortsetzung hätten.

Das Thema Eingespieltheit ist finde ich zweischneidig. Gegen Israel sah es trotz der 9(!) verschiedenen Vereine in der Startelf ziemlich gut aus, während es gegen Oranje mit zwei größeren Blöcken viel inkohärenter wirkte.

Taktitk-Ignorant 31. März 2022 um 16:59

Tiefenläufe und Wegwerfchance: Nicht jeder Tiefenlauf muss bespielt werden, aber wenn sie immer ignoriert werden, kann sich die Abwehr darauf einstellen und entsprechend agieren. Außerdem ist die Gefahr des Ballverlusts so groß nicht, da die intensive, schnelle Bewegung zu Unordnung führt und es der Abwehr nicht unbedingt gelingt, den Ball sauber zum eigenen Mann zu klären.

AG 1. April 2022 um 09:08

@tobit: Es ist glaube ich auch deutlich einfacher, gegen ein individuell und qualitativ schlechteres Team gut auszusehen. Gerade athletische Vorteile lassen kleinere Unsauberkeiten retuschieren.

WVQ 1. April 2022 um 16:13

Gibt ja auch verschiedene Arten von Tiefenläufen. Der Stürmer, der an der Abseitsgrenze auf den perfekt getimten Paß wartet und mehr oder weniger direkt Richtung Tor lossprintet, wird natürlich nie eine hohe Erfolgsquote haben, weil a) der Torwart meist gut eingreifen kann, b) der nächststehende Abwehrspieler meist gut mitkommt, c) der Paß extrem gut gewichtet sein und d) das Timing nahezu perfekt passen muß. Da braucht man schon einen sehr hoch stehenden Gegner (und demzufolgende Raum für kleinere Präzisionsmängel) oder eine nahezu perfekte Ausführung. Aber wenn bspw. Werner eher auf dem Flügel lauert und der Ball im gegenüberliegenden Halbraum ist, ist ein gelegentlicher Diagonalball bereits aussichtsreicher, allein schon, weil der Torwart den nur schwer attackieren kann und weil der Stürmer auch nicht komplett auf gut Glück losrennen muß – ein Laufduell mit dem Verteidiger ist oft schon ein Gewinn (zumindest ein Raumgewinn). Es bringt auch generell qua Verlagerung eine vorteilhafte Dynamik ins Spiel, zumindest wenn man selbst einigermaßen darauf eingestellt ist. (Solches Lauern auf halblinks habe ich gegen Holland tatsächlich das ein oder andere Mal gesehen, wurde aber nie bespielt.) Und dann gäbe es ja auch Tiefenläufe aus tieferer und zentralerer Position, die der Gegner zwar früher kommen sieht, die – ohne daß hier annähernde Perfektion im Timing nötig wäre – aber trotzdem schwierig zu verteidigen sind, weil man den Lauf im Grunde zwingend mitgehen muß, damit aber auch entweder ein Loch in die eigene Formation reißt (wiederum gut für Ablagen und Anschlußaktionen) oder kollektiv zurückfällt. Warum man diese Variante nicht generell viel öfter sieht, frage ich mich ohnehin – kann der Stürmer machen, indem er zurückfällt (→ Entscheidungsprobleme für die Verteidigung) und aus tiefer Position durchstartet, kann ein Flügelspieler vertikal oder diagonal machen oder jeder andere Spieler im Zehnerraum, und die Mißerfolgsquote sollte deutlich geringer sein als bei klassischen langen Bällen. Nun ja, jedenfalls gibt es sowas in der NM aber trotz relativ zahlreicher Positionsrochaden im offensiven Zentrum auch nur ganz selten.

@AG
Stimmt natürlich, aber Holland verteidigte zumindest in der ersten Hälfte des Spiels gar nicht so viel anders als Israel – mit mehr Bewegung und höherer Grundposition der Stürmer, aber grundsätzlich auch sehr tief und darauf konzentriert, Deutschland das Zentrum dichtzumachen. Bei Israel standen die deutschen Sechser im Deckungsschatten der Stürmer, bei Holland waren sie von deren Mittelfeld manngedeckt – der Effekt war ähnlich, die Sechser mußten sich geschickt freilaufen und präzise angespielt werden, um überhaupt eingebunden werden zu können. Der Unterschied gegen Holland war in meinen Augen vor allem, daß man einfach noch weniger tiefen Ballbesitz WOLLTE als gegen Israel. Der Ball wurde einfach so schnell wie möglich in hohe Zonen gespielt, so daß man früher in schwer kontrollierbare Konstellationen kam und folglich weniger geordnet wirkte.

Daß die besten Offensivaktionen im Zentrum meist mehr oder weniger Kopien von bekannten Bayern-Spielzügen waren, ist mir auch aufgefallen (in diesem Fall das Dreieck Musiala-Müller-Sané). Ist nicht zwangsläufig schlecht und kann sogar auch sehr gut sein, aber sich darauf zu verlassen, daß die das eh schon können und einfach wie im Verein machen sollen, macht halt die Einbindung von Spielern, bei denen es im Verein anders läuft (hier: Havertz, Werner, Gündogan) auch deutlich schwieriger. Da bleibt dann schnell auch viel Potential liegen und es schadet der allgemeinen Eingespieltheit, sofern nicht eh nahezu alles, was irgendwie stürmt, Bayern-Spieler ist.

Taktik-Ignorant 2. April 2022 um 13:29

@WVQ Tiefenläufe: die Abseitsfalle versuchen viele Stürmer nicht nur durch Ausweichen auf Flügel, sondern auch kurvenähnliche Laufmuster zu umgehen, die zudem der Abwehrreihe die Reaktion erschweren. Erfolg verspricht zudem, wenn zwei Stürmer gleichzeitig solche Läufe ansetzen und sich dabei kreuzen (also nicht nur tief, sondern auch quer laufen) – das eröffnet mehr Anspieloptionen für den ballführenden Mitspieler, der zudem auch mehr Zeit hat, den Ball zu spielen (weil die Reaktionen der Abwehrspieler dazu führen können, dass Abseitspositionen aufgehoben werden), und mehr Erfolgsaussichten, weil u.U. auch ein etwas weniger präzise oder mit zu viel oder zu wenig Schärfe gespielter Pass noch einen Abnehmer findet.
Das muss natürlich im Training eingeübt werden, und wenn man zudem noch laufintensives Pressing betreibt (gutes Pressing ist notwendigerweise laufintensiv), dann sind die Offensivspieler sehr viel unterwegs. Vor allem sprinten sie viel. Man muss also dosieren oder Qualität auf der Bank haben, wenn die Erstbesetzung müde wird.


Taktik-Ignorant 15. September 2021 um 16:35

Eine betont offensive und dominante Spielweise hatte schon Klinsmann der Nationalmannschaft verordnet. Aber auch offensiv ausgerichtete Trainer haben ein Defensivkonzept. Unter Löw hat das auf Mittelfelddominanz basierende kontrollierte Offensivspiel lange funktioniert (ungeachtet aller Anpassungen, wenn man sich mal den Spielstil der Mannschaft der WM 2006 anschaut und vergleicht mit 2010, 2014, 2016 und 2018), aber irgendwann (nach 2016) ist dabei die defensive Stabilität flöten gegangen. Löw hat dann eine Stabilisierung der Defensive versucht (vulgo Umschaltspiel statt Ballbesitz, 5er-Kette u.a.m.), aber das hat hinten wenig verbessert und offensiv zu oft ideenlosem Auftreten geführt, wie Koom es etwas überspitzt (Ball zu Kroos, Flanke von irgendwo) formuliert hat. Bei den ersten drei Flick-Auftritten hatte die NM in der Offensive mehr Struktur und Zug zum Tor, auch wieder mehr Tempo, aber dass die Defensive nicht unbedingt sicherer steht, hat sich gegen Island zumindest etwas angedeutet.

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savona 15. September 2021 um 17:37

Vor einigen Jahren wurde hier mal in der Rubrik „historische Spiele“ das HF 2006 gegen Italien analysiert. Tenor, wenn ich mich recht entsinne: gutes Spiel, aber taktisch im Vergleich mit der seither stattgefundenen Entwicklung recht simpel.

Ergänzend zur Frage, wann und warum der positive Trend unter Löw sich umgekehrt hat bzw. wann Löw hätte zurücktreten sollen, sei daran erinnert, dass nicht nur del Bosque mit Spanien eine ähnliche Erfahrung machen musste, sondern alle Weltmeisterteams seit 2000 einen ähnlichen Absturz erlebten. In der Regel scheiterten sie ebenfalls in der Vorrunde, Brasilien war 2006 trotz VF-Teilnahme auch nur noch ein Schatten des Teams, das 2005 den Confed-Cup überzeugend gewonnen hatte (auch die anderen Titelverteidiger hatten 3 Jahre nach dem WM-Gewinn noch Erfolgserlebnisse.

Meine Vermutung: eine Titelverteidigung nach vier Jahren fällt besonders schwer, weil die „Helden“ immer noch da, aber nicht durchweg in Topform sind. Die nächste Generation aber hat sich noch nicht etablieren können. Zwischen beiden Gruppen gibt es naturgemäß Spannungen. Dies alles ungeachtet aller Besonderheiten wie der strategischen und taktischen Ausrichtung, eines vollzogenen oder unterbliebenen Trainerwechsels, etc. Deutsche Erfolgstrainer haben i.d.R. dem Reiz der erfolgreichen Titelverteidigung nicht widerstehen können, mit bekanntem Ergebnis. Dass es bis zum Jahr davor immer noch gute Leistungen und Ergebnisse gibt, trägt sicherlich dazu bei, die Herausforderung zu unterschätzen.

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osch@d 17. September 2021 um 11:54

Also nach meiner Meinung trifft das nicht die Realität: Die NM hat bis 2018 Ballbesitz gespielt und zwar als Selbstzweck, denn die offensive Durchschlagskraft nahm mehr und mehr ab.

Erst 2018 hat dann Löw den Umbruch verkündet und partiell Umschaltfußball proklamiert (bei mangelhaftem Gegenpressing, wo man ja gerade das Umschaltspiel forciert).

Ich finde eine eher romanhafte Beschreibung von Hoch und Tief und ein ewiger Zyklus verstellt doch ziemlich den Blick auf die Natur einer Sache und wendet sich somit ab von der Analyse. Ich will nicht in Abrede stellen, dass man Schwankungen sieht, aber dass jede Schwankung deswegen nach unten daran liegt, weil die Natur der Sache so wäre, ist schon recht weit hergeholt.

Als Trainer einer NM ist man stark von den Vereinen einer Liga abhängig, wie die ausbilden, welche Taktiken populär sind, ob nationale Spieler stark eingesetzt werden. Auch einfacher sind homogen verbreitete Taktiken, statt jeder Verein macht was völlig anderes.

Aber ich muss sagen: die deutsche Bundesliga ist stark, es gibt viele deutsche gute Spieler, es gibt in den Top-Mannschaften schon recht ähnliche Ansätze. Die Liga ist auch schon lange stark und auch recht konstant.

In sofern muss da ein Trainer nun wirklich kein Magier sein, um daraus was zu machen und zwar auf konstant hohem Niveau. Konstant hohes Niveau heißt nicht, dass man ein Recht auf Halbfinale hat, aber das Spiele eher knapp oder wegen Pech verloren werden. Die Klopper von Löw, heute gut, morgen Katastrophe, das passt einfach nicht zu den sehr guten Voraussetzungen, die die deutsche Bundesliga liefert.

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osch@d 17. September 2021 um 12:28

Und um noch einen Aspekt zu sagen: erst Müller und Hummels absägen, um sie 6 Wochen vor DEM Turnier wiederzuholen. Wenn man so will war das ja das Eingeständnis von Löw, dass er es verkackt hat. Aber 6 Wochen vor dem Turnier war es ein doppeltes Eingeständnis: ich habe auch nicht mehr genug Zeit mein Verkacken zu reparieren, selbst wenn sie zurückkommen.

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Taktik-Ignorant 17. September 2021 um 12:31

Ob die Bundesliga wirklich so gut ist, sei dahingestellt, In der Fünf-Jahres-Wertung der UEFA liegt sie abgeschlagen hinter England und Spanien, Italien ist inzwischen wieder vorbeigezogen und die Buli muss aufpassen, dass sie ihren vierten CL-Platz nicht an Frankreich verliert. Auch die Ergebnisse diese Woche waren – abgesehen von den Bayern – nicht berauschend. Die Bundesliga wird überschätzt und überschätzt sich selbst. Gute deutsche Nachwuchsspieler haben es schwer und müssen ihrerseits auf noch schwächere Ligen (Niederlande, Österreich) ausweichen. Hinzu kommt, dass die Jahrgänge demographiebedingt immer weiter ausdünnen. So gut sind die Voraussetzungen also nicht, dass der deutsche Fußball seine Spitzenposition behält.
„Recht auf Halbfinale“ – genau das (und mehr) scheinen die Löw-Kritiker ja immer zu fordern („mit DEM Kader“… als ob andere Nationen keine guten Kicker hätten). Nicht das Halbfinale erreicht hat Löw in genau 2 Turnieren, und zwar den beiden letzten. Die Ergebnisse waren bis auf eine einzige Ausnahme (das 0:6 gegen Spanien in einem zum Wettbewerbsspiel hochgejazzten Quasi-Freundschaftsspiel einer sinnlosen Veranstaltung (die Nationsleague ist völlig überflüssig und macht den Terminkalender nur noch enger)) immer knapp. Die Spiele wurden ab Herbst 2017 tatsächlich schlechter, und Löw hat daran seinen Anteil, aber das Personal im Kader war sichtbar nicht von der gleichen Qualität wie das der Kader von Frankreich, Spanien oder Brasilien.
Nun ist das alles Nabelschau der Vergangenheit, wir werden ja sehen, ob Flick es auf Dauer besser macht und es schafft, die Schwachstellen auf bestimmten Positionen durch eine stimmige Taktik und ein solides Mannschaftsgefüge zu kompensieren.

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osch@d 17. September 2021 um 13:33

Ok, also fangen wir mal an:

die Bundesliga ist eine gute Liga. Darüber gibt es kaum Dissenz denke ich. Danach muss man noch im Detail hinschauen, wie sehr ausländische Spieler das Bild färben. In England ist seit mindestens 5 Jahren durch die Präsenz von ausländischen Investoren das Bild sehr verzerrt, was man dann auch entsprechend nicht bei den Leistungen der englischen NM wiederfindet. Will sagen, dass die Rangliste der UEFA ist nur ein Indiz für den nationalen Kader. Dennoch ist Deutschland da Top 4 – so hat man die NM aber nicht spielen sehen wie Top 4, auch nicht Top 5.

Mit so einem Pfund muss man eine gewisse Konstanz in den Leistungen hinbekommen. Dass es nicht immer dafür reicht weit zu kommen, ist klar. Man kann auch ein gutes Spiel machen und trotzdem verlieren. Aber da ist ja die Kritik auch anzusetzen: man sah kaum gute Spiele. Aber man sah gute Fußballer – das tut ja besonders weh. Die können kicken.

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Maddin 13. September 2021 um 12:11

Löw hätte 2016 gehen müssen, aber er hat mit dem DFB den richtigen Zeitpunkt verpasst. Vermutlich ging es für alle Seiten um viel Geld, und wollte auf die Werbeikone Löw nicht verzichten in der Industrie und beim DFB.

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Taktik-Ignorant 10. September 2021 um 17:15

Vielen Dank für den Kommentar zum ersten „Dreierpack“ der NM unter neuer Leitung. Erfreulich, dass die Nationalmannschaft auch nach der EM ein Thema bleibt, auch wenn die Gegner nicht zur fußballerischen Crème de la Crème zählen.
„In den ersten Einheiten, zwischen vielen Reisen, war für Flick noch nicht allzu viel Arbeit mit dem Team möglich“ – das ist wohl das grundsätzliche Problem aller Länderspiele außerhalb der Turniere: drei Spiele werden in 10 Tage gepackt, dazwischen noch die Reisen – was soll ein Auswahltrainer da schon „einschleifen“, wenn er zudem noch nach dem Wunsch der allermeisten Sofabundestrainer Standards üben soll. Ich teile die Auffassung des Autors, dass Flick hier natürlich auf Mechanismen setzt, die die Bayern-Spieler in der NM noch gewohnt sind. Das insgesamt recht hohe Positionieren der Elf könnte man denn auch als bayerntypisch bezeichnen, wenn man übersieht, dass die hohe Positionierung wohl vor allem den Gegnern geschuldet waren.
Generell musste ich natürlich schmunzeln, ob der vielen Ex-Post-Leserkommentare in den Online-Foren. „Flick spielt endlich wieder mit Viererkette“; „Die Dreierkette musste weg, und prompt spielt die NM wieder besser“ – und was gab es zu sehen? Eine wunderbare Dreier-, oftmals sogar eigentlich nur eine 2er-Kette! Eigentlich köstlich. Löw wäre dafür gehängt worden. Aber gut, hieraus taktische Rückschlüsse abzuleiten ist wohl wirklich verfrüht, man wird sehen, wie Flick die NM gegen Gegner aus den Top-15 der Welt aufstellen wird. Dann wird auch das Personal vermutlich anders aussehen.
Genauso spaßig übrigens die Kommentare der Tonlage „Flick setzt die Leute endlich auf ihren gewohnten Positionen ein“ – und dann laufen Kehrer als Links- und Hofmann als Rechtsverteidiger auf. An Humor scheint es dem Bundestrainer nicht zu mangeln. Kann man natürlich gegen Gegner dieser Preisklasse machen.
Trotzdem lassen sich schon einige Dinge erkennen, die Flick hoffentlich beibehält. Werner ist besser in der Mitte aufgehoben als auf außen, Sané besser links als rechts und Gnabry umgekehrt besser rechts als links – diese grundsätzliche Positionierung sollte m.E. bei allen kreativen Rochaden im laufenden Spiel beibehalten werden. In der Offensive gibt es dazu genügend Alternativen, die Problempositionen bleiben die, die auch schon Löw Kopfzerbrechen bereiteten. Als Innenverteidiger sehe ich bei der hohen Positionierung der Mannschaft eher Süle, Rüdiger oder Kehrer als Hummels, der seine Geschwindigkeitsnachteile immer weniger durch gutes Stellungsspiel wird kompensieren können.

Und ein letzter Punkt: Dass die Offensive im Island-Spiel insbesondere in der ersten Halbzeit nicht so reibungslos funktionierte wie gegen Armenien, war auffällig. Insbesondere gelang es den Isländern (durch geschickte Staffelung?) mehrfach, die scharfen Vertikalpässe aus der deutschen Abwehrkette nach vorne abzufangen. Das mag auch mit der Positionierung Gündogans zusammengehangen haben, der sein Zusammenspiel mit Kimmich und Goretzka anders interpretiert als Reus; in der zweiten Halbzeit wurde das deutlich besser und gerade Gündogan hatte dann einige gute Szenen.

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tobit 11. September 2021 um 10:00

Die Offensive hat gegen Island hat u.a. gehakt, weil sich der isländische LA sehr anders verhalten hat als der von Armenien. Der Armenier war entweder sehr hoch neben den Stürmern oder sehr tief mannorientiert gegen Hofmann während der Isländer sich mehr an der Mittelfeldkette gehalten hat und damit Süle im Weg war ohne einfach über- oder umlaufen werden zu können. Und die drei Sechser waren wie bei Liechtenstein ein gutes Mittel um den Zwischenlinienraum zu blocken.
Generell hatte Island einen höheren Grad an Organisation gegen den Ball als Armenien und war ziemlich gut darin, die Ordnung nach Brüchen wiederherzustellen. Das ist aber auch schon seit Jahren eine ihrer Stärken.

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Taktik-Ignorant 11. September 2021 um 11:25

Das könnte auch an der isländischen Ausbildung liegen, die ja ziemlich gut organisiert ist. So kann auch ein sehr kleines Land bei seinen wenigen Spitzenfußballern eine solide Grundqualität schaffen. Die taktische Disziplin wurde einmal nach einem Spiel bei der WM 2018 aus der Hintertorkamera in der Ganzfeldperspektive gezeigt, aus der man die parallelen und abgestimmten Bewegungsabläufe der Isänder gegen den Ball ganz gut nachverfolgen konnte. Von daher ist es auch kein Wunder, dass es gegen Island (trotz der vielen, den isländischen Offensivbemühungen geschuldeten Konterchancen der deutschen Mannschaft) kein Feuerwerk gab. Die Isländer sind wohl mit ihrer bisherigen Punkteausbeute in der Quali etwas unterbewertet, aber es kann auch nicht immer so optimal laufen wie bei der EM 2016, dem bisherigen Höhepunkt der isländischen Fußballgeschichte.
Insgesamt bleibt es aber auch eine saubere, konzentrierte Leistung der deutschen Mannschaft. Ich hoffe, dass wir künftig mehr davon zu sehen kriegen und nicht wieder der Schlendrian Einzug hält, wenn die Saison in ihre heiße Phase kommt und der Europapokal so richtig anzieht.

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osch@d 10. September 2021 um 14:48

1) Man kann klare Unterschiede sehen zu Löws Ansatz
2) Es sind plausible Ansätze
3) Es sind Erfolge vorzuweisen

Bei so wenig Training: Respekt! Jetzt wissen wir ja wieder, woher der Erfolg kam der NM unter Löw und wie er ging, als Hansi weggebissen wurde von Löw.

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Taktik-Ignorant 10. September 2021 um 17:27

Ein paar Unterschiede gibt es schon, aber so viel ist gar nicht anders. Haben zumindest die Spieler selbst in den Medien verbreitet. Allerdings stimmt es, dass die Spiele deutlich besser aussahen als die letzten WM-Quali-Spiele unter Löw, was vor allem dem exemplarisch bei Sané zu beobachtenden Einsatzwillen zu verdanken sein dürfte: wenn man sich ins Spiel reinbeißt und nichts schleifen lässt, gewinnt es sich gegen solche Gegner leichter und souveräner. Allerdings waren auch die EM-Quali-Spiele unter Löw 2019 bei weitem nicht alle schlecht. Aber in der Summe sicher ein guter Start, auch was die Spielweise anbelangt.
Wie man allerdings auf den Gedanken kommen kann, Löw habe Flick „weggebissen“, erschließt sich mir nicht. Flick ging freiwillig, und er wurde dann als DFB-Sportdirektor Löws Vorgesetzter. „Wegbeißen“ stelle ich mir anders vor. Und der nachlassende Erfolg der Nationalmannschaft hat m.E. mehr mit dem Abschied einiger wichtiger Spieler zu tun und den daraus resultierenden personellen Lücken auf einigen Positionen als mit dem Abschied Flicks, der im übrigen nicht nur beim WM-Erfolg 2014 Löws Ko-Trainer war, sondern genauso bei den angeblich „vercoachten“ Halbfinalspielen bei der WM 2010 oder der EM 2012.

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osch@d 12. September 2021 um 19:11

Ich weiß noch, wie ich mich aufregte, dass die NM bei der letzten EM völlig improvisiert in der Offensive spielte und nichts zusammenlief. Man brachte den Ball ins letzte Drittel und dann Game-Over (außer gegen Portugal, die so blöd waren die Außen freizulassen, auch nach 4 Gegentoren noch).

Ich erinnere mich noch, wie der 6er-Raum wie jetzt bei Dortmund gegen Leverkusen völlig verwaist war.

Das sind einfach Sachen, die kannst du nicht bringen.

Bei Flick sieht man jetzt einstudierte Spielzüge. Die Leute stehen eher da, wo sie stehen sollen, um auch ein Gegenpressing anbringen zu können. Natürlich ist das keine Neuerfindung von Fußball, aber die Spieler sind doch gut genug, um ihnen das 1x zu erklären und sie kapieren es.

Man fragt sich ja, was Löw mit den Spielern im Training gemacht hat. Skat gespielt? Ausdauer trainiert?

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Koom 12. September 2021 um 22:38

„Gehts raus und spuits Fußball“?

Nachdem Flick und Löw auseinandergingen und gerade Flick bei den Bayern zeigte, was er so tun kann und will, dürfte durchaus klar sein, dass Löw vermutlich eher der Motivator und Moderator war, eventuell auch die Gesamtstrategie (Ballbesitz oder Gegenpressing oder x) festlegte und Flick der eigentliche „Techniker“ war, der das dann vermittelte. Positionsspiel vor allem in der Offensive ist Flicks Steckenpferd. Die etwas bedächtigere Herangehensweise könnte u.U. von Löw auferlegt worden sein oder schlichtweg der anderen Zeit und den anderen Mitteln geschuldet.

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Taktik-Ignorant 12. September 2021 um 22:53

Wie das Gespann Löw/Flick funktioniert hat, und wer für was verantwortlich war, wissen im Endeffekt nur diejenigen, die es miterlebt haben (Spieler, Betreuer, und vermutlich noch Olli Bierhoff). Aus der Sofaperspektive zu schreiben, Flick sei für die guten, Löw für die „vercoachten“ Spiele verantwortlich gewesen, ist ebenso daneben wie zuvor die Behauptungen, Klinsmann sei nur Fassade gewesen und Löw habe die eigentliche Arbeit gemacht.
Dass es unter Löw zuletzt nicht mehr richtig lief und die ersten Spiele Flicks ansehnlich waren, ist sicher richtig, aber noch keine Garantie für ein dauerhaft wieder höheres Niveau. Ich würde es Flick wünschen, die NM wieder unter die Top-5 der Welt zu bringen, aber das ist – auch angesichts der weiterhin vorhandenen Mängel auf bestimmten Positionen und der Rückstände in der Nachwuchsarbeit – kein einfaches Unterfangen. Der erste Schritt dürfte darin bestehen, mit der NM ein System zu spielen, in dem sich die Spieler zurechtfinden, und das dann zu verfeinern. Das scheint auch der von ihm gewählte Weg zu sein.

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osch@d 13. September 2021 um 07:39

Ich behaupte gar nichts darüber, wo Hansi Flick die NM hinbringen kann. Ich behaupte aber sicher, dass ich Löw für unfähig halte. Kein Trainer kann aus soviel Potential so wenig herausholen über so lange Zeiträume. Wir reden ja immerhin von einer Zeit von mindestens 4 Jahren, wo die NM nur punktuell mal überzeugt hat.

Pat 13. September 2021 um 09:17

„Unfähige“ Trainer werden eher selten Fussballweltmeister. Löw hat einfach zu lange an seinem Posten festgehalten. Irgendwann geht der letzte Tick an Magie und Motivation verloren und klammert man sich zu sehr an Altbewährtes. Das erging anderen Qualitätstrainern wie Del Bosque nicht anders. Trotzdem sollte man nicht den Quantensprung vergessen, den die Nationalmannschaft unter Löw zwischen 2008 und 2014 geschafft hat.

Koom 13. September 2021 um 12:47

@Taktik-Ignorant: Ne, ich schrieb ja nicht, wem welche Spiele zuzuordnen sind. Ich denke, dass sich Löw und Flick ideal ergänzten. Flick sehe ich auch durchaus kritisch, weil der jetzt bislang in Alleinverantwortung nur exakt eine Spielweise hingelegt hat. Die ist cool, aber zumindest nach hinten gerne mal ausgesprochen offen, was er noch nicht balanciert bekommt.

Generell ist es auch immer schwierig, Trainer zu bemessen. Nehmen wir mal Klinsmann/Löw. Es war schon grundsätzlich eine andere Zeit. Der Klopp-Fußball war gerade erst im Kommen (und noch bei Mainz), der Rest pöhlte halt noch größtenteils „irgendwie“ vor sich hin. Die Bayern verwalteten mit Hitzfeld und Magath den Spielerniveau-Vorteil relativ problemlos, aber doch bedrängter als jetzt in diesem und letzten Jahrzehnt. Alles war noch viel mehr Helden/Leitwolf-Fußball. Detailarbeit wie heutzutage war noch ganz weit weg im deutschen Fußball. Wenn man da mit gutem Fitnesstraining (Klinsmanns Einfluss) und Spielstruktur (Löws Freiburg-Schule) kam, dann war das schon ein Quantensprung zu vorher und auch zu den meisten anderen Nationalmannschaften, selbst von hoher Qualität.

Unter Flick/Löw war dann in der Bundesliga Klopp präsent und hatte mit Mainz tolle Erfolge und baute Dortmund auf. Flick, der mit Hoffenheim zuvor ja auch schon durchaus strukturiert unterwegs war, konnte dann mit Löw, der IMO kein tiefer Detailarbeiter ist, aber Fußball auch sehr gut versteht, dann viel aus der Bundesliga nach und nach abfarmen und auf der Arbeit von Klopp und später Heynckes aufbauen.

Löw und Flick seh ich wie Holmes und Watson. Nicht als eins zu eins Vergleich, aber einfach 2 Personen, die sich gut ergänzen. Löw fehlte definitiv ein Detailfanatiker wie Flick. Sorg hatte schon in der Bundesliga „bewiesen“, dass ihm dafür die Skills fehlen.

Ein Zuschauer 13. September 2021 um 13:18

Das mit Flick und Löw und der Aufgabenteilung überzeugt mich ja nicht so ganz. 2012 und 2008 war Flick ja auch dabei, 2016 war es schon nicht mehr. 2016 fand ich aber fast die stärkste Leistung der NM unter Löw abseits der WM 2014. Und das Problem da war auch eher im Bereich Strategie als genaue Umsetzung würde ich sagen.

Koom 13. September 2021 um 13:45

Ich fand die NM auch 2008 und 2012 schon gut unterwegs. Eigentlich war generell die Zeit Löw+Flick gut anzuschauen, viele gute Entscheidungen wurden getroffen und man war beständig Mitfavorit. Das die Spanier einfach einige Jahre weiter waren, ist halt einfach so.

2014 und 2016 kamen halt noch mehr Effekte zusammen: Guardiola veränderte viel, in der Bundesliga waren Klopp und Tuchel zudem unterwegs und bereicherten den Fußball und generell war die Kloppsche Gegenpressing-Spielweise in einem 4-2-3-1 nahezu Standard, zumindest was Defensive und Umschalten anging. Das macht die Aufgabe, daraus ein Team zusammenzubauen, dann doch schon leichter.

Passend dazu: Problematischer wurde es in der NM dann, als Klopp und Guardiola weg waren. Tuchel rieb sich bei Dortmund auf und war weniger prägend unterwegs, als er „opportunistisch“, weil er aus einem wechselhaften Kader, der in Stimmungsgrüppchen zerfallen war (noch unter Klopp) maximalen Erfolg rausholen musste.

Taktik-Ignorant 13. September 2021 um 16:02

Bei der EM 2016 war das Problem der NM eher, aus ihrer dominanten Spielweise heraus vorne zu Torchancen und zu Toren zu kommen. Abwehr und Mittelfeld waren klasse, aber im Sturm spielten ein formschwacher Müller, ein verletzungsanfälliger Gomez und Draxler, dahinter Özil (Sané war erstmalig im Aufgebot, aber noch blutjung und Ergänzungsspieler). Diese Kombination sorgte kaum für Torgefahr in gegnerischen Strafräumen. Es gab aber auch keine besseren Leute, deren Nichtberücksichtigung man Löw hätte vorwerfen können. (Kleine Anekdote am Rande: großes Lob erhielt Löw damals für seine Idee, Kimmich als Rechtsverteidiger einzusetzen, also genau für die gleiche Maßnahme, für die er bei der letzten EM so angegriffen wurde). Dadurch war aber die NM insgesamt doch schwächer als in der guten Phase von 2006 bis 2014 (wobei für mich die tollsten Spiele die bei der WM 2010 und danach bis Spätherbst 2011 waren, im Frühjahr 2012 gab es dann eine für mich nicht ganz erklärliche schwächere Phase).
Flick ist jetzt noch nicht so lange als Cheftrainer unterwegs, 1,5 Jahre bei den Bayern und 3 Spiele mit der NM. Dass er da keine 30 Spielsysteme implementiert hat, geschenkt. Besser scheint auch tatsächlich, eine Mannschaft beherrscht ein System und findet sich darin zurecht, und man feilt nach und nach daran, etwaige Schwächen zu beheben, und stellt taktisch ein wenig auf den Gegner ein.

Koom 13. September 2021 um 18:08

Deswegen sehe ich Flick auch nur kritisch. Seiner ersten größeren „Krise“ (letzte Bayernsaison, Gegentorflut, „nur“ Meister) ist er ja davongegangen. Grundsätzlich bin ich aber mal ganz happy, bei der Nationalelf wieder einen Trainer zu haben, der ein scharfkantiges Offensivspiel beherrscht und auch mutige Entscheidungen bei der Personen- und Positionswahl trifft. Und sie auch nicht einfach nur dahinstellt, sondern vernünftig einbindet und mit Plänen ausstattet.

Alles weitere muss man sehen.

osch@d 14. September 2021 um 14:22

Aber auch da: 2016 hat man Probleme durch geeignete Bewegungsmuster und Positionsbesetzung in den Strafraum einzudringen und zum Abschluss zu kommen. Welches Problem haben wir 2021 gesehen? Das Identische!

Ich vermute auch, dass mancher Spieler seine Position geräumt hat im Mittelfeld (nicht besetzter 6er-Raum), weil vorne tatsächlich sonst nichts ging. Dann kommt der Umschaltmoment und hinten brennt’s.

Es kann doch nicht sein, dass man ein halbes Jahrzehnt zu blöd ist Eindringen in den Strafraum zu analysieren und Lösungen zu entwickeln. Konzepte wie Schnittstellenpässe, Doppelpass, Viererkette hinterlaufen liegen auch vor für Spieler wie Sane, Gnabry, Müller und Co. – dafür muss man einfach willens und fähig sein Detailarbeit zu leisten.

Taktik-Ignorant 15. September 2021 um 10:10

2016 fehlten dazu die Spieler; Müller war außer Form (zumindest was seine Torjägerqualitäten angeht, ansonsten spielte er gut). Für 2018 stimmt die Kritik nicht – die Deutschen hatten die meisten Torschüsse aller Mannschaften, allerdings waren Gomez als „Joker“ und Timo Werner jetzt auch nicht so die Knipser, und Müller wieder außer Form.
2021 waren Gnabry und Sané bei weitem nicht so stark wie 2019 oder auch jetzt wieder, und Löw hat sich mit der späten Rückholung von Hummels und Müller auch verzockt. Ich sehe da keine ein halbes Jahrzehnt währende Kontinuität von Problemen beim Eindringen in den Strafraum (das klappte zwischendurch immer wieder mal gut), sondern eher 2018 und 2021 Phasen mit formschwachen Spielern (nicht Löws Schuld) und unzureichender Turniervorbereitung (Löws Schuld).

Koom 15. September 2021 um 10:27

osch@d: Grundsätzlich d’accord. Die Spieler kommen ja auch alle mit einem Grundverständnis an, da sollte jeder wissen, wie Pressing, Fallen etc. funktionieren. Aber: Gerade Offensivspiel ist ja auch viel Zusammenspiel. In der Defensive kann man mit einer berherzten Grätsche und einem Befreiungsschlag ja viel regeln, vorne geht das kaum.

Man konnte auf dem Platz sehen, dass es im Offensivspiel nicht viele echte Ideen gab außer „gib dem Kroos den Ball“ und 2021 dann noch „schlag ne Flanke von irgendwo“. Ergo hat man also dort keine vernünftigen Abläufe und Laufwege trainiert, sondern hoffte auf individuelle Momente.

Und wie man es auch im Verein sehen kann: Es gibt zwar gerne mal einen „sofortigen Trainereffekt“, aber nahezu immer sieht man auch den vorigen Trainer noch in vielen Abläufen. Wenn es vorher einen Defensivfan hatte und nun ein Offensivtrainer kommt, dann sind die ersten Monate toll, dann fängt es hinten an zu scheppern. Und umgekehrt. Abläufe müssen überall trainiert werden, sonst werden sie vergessen. Ich denke mal, dass sowas auch der NM passiert ist. Flick ist offensichtlich ein großer Offensivfreund. Seine Arbeit wird eine zeitlang auch ohne ihn gehalten haben. Und nach und nach wechselte natürlich auch das Personal, wodurch der Lerneffekt noch mehr schwindet…

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