Die Lage der DFB-Elf

Was wurde nicht alles über die Ausrichtung des deutschen Nationalteams mit Dreierkette debattiert. Wie sieht es nach den ersten zwei EM-Partien gegen den Welt- und den Europameister aus?

Dreier- oder Viererkette, Kimmich rechts oder im Zentrum – das waren hitzige Diskussionen der letzten Tage und Wochen. Wenn es darum geht, was die Nationalelf am besten spielen sollte, müsste man die Frage aktuell eigentlich in zwei ausdifferenzieren. Die Diskussion, welches System für das DFB-Team (bzw. genauer natürlich: den aktuellen Kader) besonders geeignet ist, und die Diskussion, wie man gegen einen bestimmten (Top-)Gegner wie die Konkurrenten aus Frankreich und Portugal agieren sollte, kann man unabhängig voneinander führen. Im Folgenden liegt der Schwerpunkt auf Frage zwei.

Für die beiden Spitzenspiele zum Turnierauftakt war das von Joachim Löw in der Vorbereitung erarbeitete 3-4-3/5-2-3 keine schlechte Option. Gerade gegen Portugal konnte man davon ausgehen, dass eine Dreierkettenformation vielversprechend sein würde – wie in der Vorschau in unserem EM-Heft nachzulesen.

Insgesamt verfügt die deutsche Mannschaft in der momentanen Ausrichtung über eine ordentliche Absicherung und damit eine Basis, auf der sie sich gegen die zwei starken Auftaktgegner jeweils viele Spielanteile verschaffen und durchgängig mithalten konnte. Es gab immer wieder Phasen, in denen sie das Spielgeschehen sogar überdurchschnittlich stark im Griff hatte.

Von der Grundorganisation agierten beide Gegner ähnlich, speziell in der Systematik gegen den Ball. Deutschland hatte es jeweils mit eher engen 4-3-3-Ausrichtungen (stärker 4-1-4-1-haft bei Portugal; in der Rückzugsbewegung bei Frankreich mehr 4-5-1-haft, bei Portugal mit Fünferreihentendenzen) zu tun, dazu hoher individueller Qualität und ausgeprägter Physis und Athletik, dies insbesondere bei Frankreich. Die Portugiesen verteidigten im Mittelfeld noch mannorientierter als der amtierende Weltmeister (und hatten daher mehr 4-3-2-1-Tendenzen). Im französischen Defensivkonstrukt rückte Rabiot mitunter von der linken Acht weit in die Breite, um dort den Außenverteidiger zu ergänzen bzw. zu entlasten.

Deutschlands Sechser und die Physis

Vor dem Auftakt gegen den Weltmeister gab es Sorgen, ob eine Doppel-Sechs aus Gündogan und Kroos ausreichend Physis mitbringen würde, um gegen die starke Mittelfeldbesetzung um Pogba und Kanté zu bestehen. Beide Spieler konnten dagegen strategisches Geschick und Ballsicherheit in die Waagschale werfen. Kroos und Gündogan bewegten sich, ob im Pressing oder in dynamischen (Umschalt-)Szenen im zweiten Drittel, geschickt im Raum und trafen ausgewogene Entscheidungen.

Defensivformation gegen Frankreich

Auch im klassischen Verteidigen setzten sie mitunter Glanzpunkte: Kroos baute zwar in der Schlussphase der Partie mit den Kräften enorm ab und wurde fahriger, hatte bis dahin aber reihenweise Balleroberungen im defensiven 1gegen1. Sein Timing im Zugriffsübergang war sehr stark. Er antizipierte beispielsweise geschickt, wann er sich zurückziehen musste und wie und wo sich Möglichkeiten ergeben würden, aus dem Rücken eines Gegenspielers diesem den Ball wegzuspitzeln. Über viele Phasen war die Partie ein Beleg, inwieweit Kroos, sofern er seine Beteiligung nicht schleifen lässt, ein kleines Pressingmonster sein kann.

Gegen den Ball erhielten die nominellen Sechser des DFB-Teams gegen Frankreich ohnehin zusätzliche personelle Unterstützung von Havertz. Dieser ließ sich aus der Offensivabteilung auf die rechte Achterposition zurückfallen und stellte so eine 5-3-2-Defensivformation her. Erst in der zweiten Halbzeit kam diese gegen Portugal wieder vor. Hauptsächlich organisierte sich das Zentrum in Spiel zwei in einer 2-1-2-Verteilung aus zwei Spitzen, einem Zehner und zwei Sechsern. So spiegelte Deutschland die gegnerische Formation und schob mit den eigenen Flügelläufern frühzeitig auf die gegnerischen Außenverteidiger vor.

Dementsprechend lag auch die Pressinghöhe im Durchschnitt höher als zum Auftakt gegen Frankreich. Es gab in der zweiten Begegnung mehr Situationen, in denen Deutschland hoch zustellte, wenngleich oft in Form eines eher passiven Zustellens. Die mannorientierte Ausrichtung galt grundsätzlich auch noch in Phasen höheren Mittelfeldpressings und zog sich teilweise bis in die Rückzugsbewegung durch.

Das war gegen Portugals offensive Einzelkönner nicht ohne Risiko. Auf der ballfernen Flügelläuferposition waren die Entscheidungen manchmal zu gewagt. Der betreffende Spieler konnte nicht immer schnell genug zurückkommen, um zusätzliche ballferne Absicherung zu schaffen. Wenn Portugal in der ersten Aufbaureihe mit den Innenverteidigern enorm breit auffächerte und die tiefen Sechser sich als passende Ergänzung dazu bewegten, drohten sich für die deutsche Elf zumindest knifflige Szenen zu entwickeln.

Hohes Zustellen gegen Portugal

Für die Stürmer wurde es dann schwierig, in der Horizontalen Zugriff auf Pepe und Dias zu finden. In den großen Abständen ließen sich die direkten Zuteilungen schwieriger aufrechterhalten, solange man gleichzeitig aus der kompakten Startposition agieren wollte. Diagonale Flugbälle des Gegners sorgten für etwas mehr Unruhe als in der ersten Begegnung, aber eben nur Unruhe. Daran kann man schon erkennen, dass die deutsche Elf auch in der zweiten Partie insgesamt wenig zuließ – trotz der zwei Gegentore. Insbesondere der frühe Rückstand nach druckvollem eigenen Start passierte unglücklich.

Selbst Portugals beste Druckphase im Anschluss an das 2:4 brachte wenig Zwingendes und die brenzligen Momente resultierten fast nur nach Standardsituationen. Bei ruhenden Bällen muss die DFB-Auswahl für die kommenden Aufgaben ganz besonders dringend nacharbeiten. Dass die Mannschaft im Laufe des tiefen Verteidigens mitunter zu passiv gegen die Portugiesen wurde, trug zu der Häufigkeit gegnerischer Standards bei.

Deutschlands Sechser und die Absicherung

Zum Risiko wurde die Besetzung mit Kroos und Gündogan vor der Abwehr insgesamt also nicht, und das galt explizit auch für das defensive Umschalten. Gerade in der Partie gegen Frankreich gehörte es zu den größten deutschen Teilerfolgen, welch wenige Konter die DFB-Elf zuließ. Das lag nicht ausschließlich an der geschickten Abwägung von Kroos und Gündogan und nicht nur an ihrer Beteiligung im allgemein von den meisten Positionen aus engagiert geführten Gegenpressing des Teams.

Zum einen spielte die Dreierkette eine wichtige Rolle, aus der Ginter und Rüdiger im Halbraum viele aufmerksame Herausrückbewegungen unternahmen, um Kontereinleitungen zu unterbinden. Obendrein hatten die Verteidiger im bisherigen Turnier starke individuelle Szenen in der Restverteidigung, speziell Hummels bei Entscheidungen vor möglichen 1gegen1-Szenen und Ginter bei klärenden Aktionen und im Anschluss an Durchsichern in der letzten Linie.

Zum anderen lag die deutsche Stabilität gegen französische Konter auch daran, dass Kroos und Gündogan nicht besonders weit aufrückten. Sie bewegten sich bereits zu Beginn der eigenen Ballbesitzszenen tief, forderten früh die Bälle und gingen im weiteren Verlauf selten weiter mit nach vorne. Damit hatte Deutschland automatisch viele Leute hinter dem Ball, also hohe Präsenz in der Restverteidigung.

Dies bedeutete allerdings gleichzeitig ein „Problem“ aus offensiver Sicht: Das Nationalteam brachte wenig Personal nach vorne und die Offensivleute blieben dadurch oft auf sich alleine gestellt, zumal gegen Frankreichs Physis. Gerade nach schnellen Übergängen ins vorderste Drittel, beispielsweise über aggressive Verlagerungen oder Flugbälle über die Halbräume, wurden die Abstände zwischen Mittelfeld und Sturm weit. In den unmittelbaren Anschlussmomenten machte sich die fehlende Unterstützung für die Offensiven durch eine „zweite Welle“ besonders deutlich.

Der einzige potentielle „defensive“ Nachteil der tiefen Sechserpositionen, dass die Abwehrspieler im Umschalten eigentlich weiter entfernt von den gegnerischen Angreifern sind und nicht so gut Kontakt halten können, wird durch die vertikale Ausrichtung dieser Akteure wieder abgeschwächt.

Ballbesitzqualität im Zentrum

Dass sich die deutschen Sechser so weit hinten bewegten, war für den Spielaufbau selbst nicht unbedingt in dieser ausgeprägten Form nötig. Kroos kippte in typischer Manier oft nach links heraus und holte sich generell viele Bälle unmittelbar vor der Dreierkette ab. Von dort spielte er anschließend einige Eröffnungen, die die Verteidiger auch selbst hätten anbringen können. Zum einen finden sich in der deutschen Dreierkette ausschließlich ausgewiesene Passgeber, zum anderen sind es zahlenmäßig gleich drei und nicht nur zwei Mann, denen solche Kroos-Aktionen effektiv die Aufgaben abnehmen.

Offensivformation gegen Frankreich

Nur aus Sicht der übermäßigen hinteren Präsenz im Spielaufbau durch die Kombination aus Dreierkette plus zwei tiefe Sechser wäre eine Viererkette gegen Frankreich eine beachtenswerte Erwägung gewesen. Dafür hätte es aber nicht zwingend einer anderen Formation oder Besetzung bedurft. Vielmehr wäre eine strukturelle Umformung für den Moment des eigenen Ballbesitzes in Frage gekommen.

Eine typische Möglichkeit hierfür ist eine asymmetrische Staffelung der Dreierkette, also: Ein Halbverteidiger schiebt höher und breiter. Rechts wird diese Option mit Ginter gelegentlich genutzt, gegen Portugal häufiger als noch gegen Frankreich. Auf links könnte man die Umformung noch weiterführen: Der Flügelläufer davor geht frühzeitig mit nach vorne in die Spitze (wie es Gosens zumeist später in Strafraumnähe machte) und Kroos kann herauskippen. Gegebenenfalls hätte es dafür aber einen Seitentausch von Ginter und Rüdiger gebraucht.

Allerdings blieb im Laufe der Partie gegen Frankreich die zurückhaltende Einbindung der Sechser kein uneingeschränktes Dauerphänomen. In der zweiten Halbzeit gab es vermehrt Szenen, in denen Kroos bzw. Gündogan sich in eigenen Ballbesitzphasen weiter nach vorne orientierten. Die Umsetzung dieser Ansätze war sogleich ziemlich gut: Sie fanden geschickt Zwischenräume innerhalb der französischen Formation, deren vertikale Kompaktheit zwischen Mittelfeld- und Sturmreihe nachließ.

Deutschland entwickelte ein beinahe überraschend sauberes Positionsspiel im zweiten Drittel und ließ Frankreich zwischenzeitlich viel laufen. Zum einen orientierten sich die Einzelspieler in diesen Bereichen individuell clever. Zum anderen wirkte die Zielstrebigkeit und Ruhe, mit der sie entstehende Zwischenlücken anvisierten, gut und betont eintrainiert. Paradebeispiel für diese Kombination war in der unmittelbaren Schlussphase die Leistung von Can: In insgesamt etwa neun Minuten, die er auf dem Platz stand, hatte er drei herausragende Ballaktionen allein im Vorwärtsspiel (plus einen uninspiriert verschenkten langen Ball in die Sturmspitze).

In dieser Hinsicht schloss der deutsche Auftritt gegen Portugal an die Anzeichen aus den späteren Phasen der ersten Begegnung an. Insgesamt bewegten sich Kroos und Gündogan bei Ballbesitz der DFB-Elf nicht ganz so tief wie zuvor. Das extreme Herauskippen nach links war seltener. Gelegentlich positionierte sich Kroos dafür in höheren Zonen am Flügel, Gosens stärkte die Offensivpräsenz, Gündogan pendelte emsig als Anspielstation durch den gesamten Sechserraum und einer der vorderen Akteure ließ sich im Zentrum etwas tiefer als Ergänzung nach hinten zurückfallen.

Zu Beginn des Aufbaus war das auch deshalb möglich, weil Hummels sich nach vorne auf die Sechs schob und die Halbverteidiger mehr wie Innenverteidiger agierten. So hatten die portugiesischen Flügelstürmer zudem weitere Wege im Herausrücken. Wenn Kroos aus dem linken Halbraum gerade ankurbelte, kam es häufiger vor als gegen Frankreich, dass Gündogan frühzeitig zum Zwischenlinienraum vorschob, als zusätzliche Station. Insgesamt war die Konterabsicherung nicht ganz so stark wie gegen Frankreich.

Auch in den Zwischenbereichen hinter den portugiesischen Stürmern bewegten sich die beiden Sechser wiederum geschickt bei Ballbesitz ihrer Verteidiger. Wenn sie sich zentral kompakt aneinander formierten, ließen sich Bruno Fernandes und William Carvalho mehrfach unüberlegt herauslocken. Sie schoben frühzeitig an die beiden deutschen Mittelfeldakteure heran, öffneten so aber Passwege ins offensive Mittelfeld für die Dreierkette.

Deutschlands Offensivabteilung und das Bewegungsspiel

Dies waren vielversprechende Situationen für die DFB-Elf und sie bildeten einen der Faktoren dafür, warum Deutschland gegen die Portugiesen viel mehr Gefahr und Schwung ausstrahlte als gegen Frankreich. Der Unterschied bzw. die Steigerung war keine alleinige Frage des Offensivtrios und auch nicht das Ergebnis einer großen Veränderung, sondern höchstens kleiner Anpassungen. Im Grundsatz verfolgte die deutsche Mannschaft eine ähnliche Anlage wie gegen Frankreich und operierte weitgehend mit ähnlichen Mitteln im Angriff. Die Versuche gingen aber wesentlich besser auf, aus mehreren Gründen.

Die Faktoren dafür könnte man auf drei Hauptkategorien verteilen. Erstens kommt es auf den Gegner an: Portugal hatte beim Defensivansatz manche Parallelen zu Frankreich, aber ohne die herausragende Grundstabilität des ersten deutschen Gruppengegners und letztlich mit schwächerer Flügelverteidigung. Zweitens interpretierte die deutsche Elf ihre gesamte Ausrichtung nochmals offensiver und forscher, wirkte dadurch dynamischer.

Das kann eine psychologische Begleiterscheinung nicht nur der Tabellenkonstellation und der Einstimmung sein, sondern auch der Erfahrung aus dem Auftakt: Es ist nachvollziehbar, das erste Topspiel bewusst wie auch unterbewusst etwas zurückhaltender anzugehen, gerade wenn man sich seiner eigenen Spielweise noch nicht ganz sicher ist, und in der zweiten Begegnung aktiver zu werden, nachdem man zuvor gemerkt hat, dass man auf höchstem Niveau in dem gewählten System zumindest mithalten und auf eine Grundstabilität vertrauen kann. Das macht sich im individuellen Verhalten jedes einzelnen Spielers bemerkbar und kann sich aufsummieren zu einem Eindruck, den man etwa als zusätzliches Engagement oder Schwung beschreibt.

Drittens geht es um die deutsche Ausführung der eigenen Spielweise, die in einigen Details besser umgesetzt wurde als in der ersten Partie. Beispielsweise gelang es den Offensivleuten noch besser, die gegnerischen Außenverteidiger zu binden. Sie fanden gegen Portugal passende Momente, um sich nach außen in deren Dunstkreis zu bewegen. Dadurch erschwerten sie es Semedo und Guerreiro, auf die deutschen Flügelläufer herauszurücken.

Ähnlich wie es Frankreich gemacht hatte, liefen diese grundsätzlich Kimmich und Gosens an, um sie nach Anspielen schnell wieder in den Rückwärtsgang zu drängen. Ballnah gelang das den Portugiesen noch recht gut, aber sie agierten etwas zurückhaltender und es deuteten sich kleine Abstimmungsprobleme an, weil die Flügelstürmer unsicher schienen, wie hoch oder tief sie sich jeweils bewegen sollten oder durften. Das war für das Prozedere im Übergeben stets suboptimal. Gerade nach Verlagerungen trugen blockende Aktionen durch die deutschen Offensivleute Früchte. Einige Male rückten Portugals Außenverteidiger daher verspätet heraus und das gab Kimmich und Gosens mehr Zeit.

Diese wiederum nutzten auch die deutschen Offensivleute ihrerseits, um anschließend aus der seitlichen Position die Schnittstelle zum Innenverteidiger zu attackieren und für direkte Weiterleitungen diagonal in die Tiefe zu starten. Dass solche Aktionen prinzipiell auch gegen Frankreich erfolgreich und zumindest wichtig sein können, illustrierten die Ungarn bei ihrem Überraschungspunktgewinn gegen den Weltmeister in der Entstehung des eigenen Treffers.

Im Auftaktspiel des DFB-Teams liefen die offensiven Bewegungen noch nicht ganz so gezielt ab. Es gab bereits einzelne Ansätze von Bewegungen auf die gegnerischen Außenverteidiger hin, aber sie blieben unstetig. Allgemein startete das vordere Trio gegen die Franzosen sehr variabel und umtriebig und unternahm verschiedenste Rochaden, die sich jedoch nicht immer strukturiert gestalteten. Der klare Fokus, welche Bewegungen schwerpunktmäßig genutzt und welche in welchen Situationen bevorzugt werden sollten, schien noch zu fehlen.

Das Thema Durchschlagskraft

Allgemein ist es für die Offensivabteilung eine Frage, ob Müller als Schlüsselfigur in der derzeit bevorzugten 3-4-3-Besetzung ideal passt: Der Münchener kommt besonders zur Geltung, wenn er möglichst viele Mitspieler in seiner unmittelbaren Nähe hat, um die er sich herum bewegen kann bzw. die für Bewegung um seine Bewegungen herum sorgen. Bei einem 3-4-3 mit vielen horizontalen Wegen und zurückhaltender Doppel-Sechs gibt es nicht unbedingt die höchste Präsenz in der Spitze. (Das wäre jetzt eine Bemerkung zur eingangs erwähnten Frage eins.)

Nicht zuletzt deshalb war es sehr wichtig, dass sich gegen Portugal innerhalb des Angriffstrios beim Vorwärtsspiel eine schärfere Tiefenstaffelung entwickelte. Die vielen horizontalen Rochaden standen nicht mehr so klar im Mittelpunkt, sondern es kam vermehrt zur Aufteilung, dass sich einer der drei Akteure etwas tiefer als die beiden anderen hielt – nicht immer nur zentral, wie auf einer Zehnerposition, sondern in sehr unterschiedlichen Kanälen.

Vor dem 4:1: Gute Zwischenraumbesetzung aus der Dynamik gegen schlechte portugiesische Staffelung: Der tiefe Flügelspieler rechts bringt nichts, Sanches wird durch die Zirkulation nach vorne gezwungen und Havertz und Müller bewegen sich gut und gezielt.

Diese vertikale Aufteilung war der gegenseitigen Unterstützung und Interaktion förderlich. Es passierte nicht so schnell, dass die drei Angriffsspieler überengagiert zu weit auseinander drifteten. Erschloss einer von ihnen eine gute Position im Zwischenlinienraum, besetzten die anderen beide höhere Räume, gaben Tiefe und konnten im Idealfall Verteidiger in der Kette binden. Durch die Mannorientierungstendenzen der Portugiesen gegen Gündogan und Kroos kamen solche Situationen erst recht zur Geltung: Es wurde einfacher, die Offensivleute in den Lücken, die sie besetzt hatten, auch tatsächlich mit Vertikalpässen anspielen zu können.

Erst dadurch führten die guten Tiefenstaffelungen so häufig zu sauberen und hochwertigen Übergängen in die vorderen Zonen. Damit gingen direkt günstige Voraussetzungen zum Ausspielen der Szenen einher. Das war gegen Frankreich das größte Problem gewesen: Deutschland hatte sehr gefällig agiert und viele Ballpassagen verbucht, teilweise auch länger im vorderen Drittel – aber letztlich fast keine zwingenden Szenen.

Zunächst einmal stand dahinter auch eine personelle Frage: Mit einer nur drei Mann zählenden Offensive aus Müller, Havertz und Gnabry musste man ein klares athletisches Mismatch gegenüber den Defensivakteuren des amtierenden Weltmeisters erwarten. In dieser Konstellation war nicht mit hoher Durchsetzungsfähigkeit zu rechnen, selbst wenn für Flanken von rechts zusätzlich Gosens häufig sehr fokussiert in Mittelstürmerposition einlief. Ohnehin griff Deutschland meistens auch nur mit diesen Spielern allein an.

Gegen die Franzosen wäre womöglich Sané wegen seiner raumüberbrückenden und explosiven Dribblings eine vielversprechende Wahl als Startspieler gewesen, eventuell sogar Musiala mit seiner enormen Wendigkeit in den dichten Szenen. Für den zweiten Gruppengegner war die schon im ersten Spiel eingesetzte Offensivabteilung schließlich eine passende Personalwahl.

Im Angriffsdrittel operierte die deutsche Mannschaft erneut mit vielen Chip-Bällen und Flanken und Hereingaben von der Seite, die auch gegen Frankreich zu den meist verwandten Werkzeugen zählten. Allgemein gab es zwischendurch die Tendenz im deutschen Spiel, zu früh und zu oft darauf zurückzugreifen und sich zu mechanisch auf diese Vorgabe einzuschießen. Solche Aktionen entfalten aber nur dann größere Wirkung, wenn man die richtigen Situationen für sie schafft und sie erst dann ausführt, statt sie einfach nur in beliebigen Situationen und möglichst oft auszuführen, weil man sich vielleicht vorgenommen hatte, mit diesen Mitteln zu arbeiten.

Die Vorbereitung der Angriffsmuster, die es auch gegen Frankreich oft gab, aber noch nicht so strategisch und gezielt eingeleitet, funktionierte gegen Portugal deutlich besser – unter anderem dank der passenden Aufteilung, die das gewählte Offensivtrio herstellen konnte. Diese besseren Vorbereitungen waren – neben Faktoren wie dem Gegner und der erhöhten Offensivpräsenz – ein wesentlicher Unterschied.

Fazit

Deutschland spielte stark gegen Portugal – weil das Team viele Aktionen gut umsetzte und weil es Probleme des Gegners gut ausnutzte. Selbst wenn die DFB-Elf diesen gelungenen Auftritt – im Sinne jener Umsetzung – für den weiteren Turnierverlauf konservieren kann, heißt das aber nicht, dass er unbedingt zu weiteren ähnlich spektakulären Spielverläufen und Ergebnissen führt.

Nicht alle Tore gegen Portugal fielen aus solch klaren und präzise herausgearbeiteten Schusspositionen wie der dritte (von MR in einer Detailanalyse gewürdigt) und vierte Treffer. Die beiden anderen basierten ebenso wie die meisten sonstigen Abschlüsse des Teams darauf, Gefahr über die druckvollen Hereingaben zu erzwingen. Portugals 4-3-3/4-1-4-1-hafte Ausrichtung mit doppelter Breitenbesetzung – teilweise einem mannorientiert tieferen Flügel – fand auf die deutsche Struktur, speziell die Position der Flügelläufer, keine wirkliche Antwort. Gegen Ungarns tiefstehendes 5-3-2 wird die Aufgabe eine andere sein.

Genauso wie gegen Portugal der erzwungene Zufall den Deutschen in einzelnen Situationen half und genauso wie der mitreißende Auftritt nicht zu viel Euphorie entfachen sollte, genauso war die Niederlage gegen Frankreich zuvor etwas unglücklich entstanden und verdiente nicht so viel Ernüchterung, wie sie auslöste. Insgesamt waren die beiden Partien gar nicht so unähnlich, sondern sich näher, als sie schienen. Die Ausführung gegen Portugal war besser und die Interpretation sinnvollerweise offensiver, was eine weitere Steigerung herbeiführte. Im Gesamtpaket kann man dem DFB-Team bisher eine gute EM bescheinigen – (noch) keine sehr gute, aber doch so gut, dass aus zwei Partien zumindest die nun zu Buche stehenden drei Punkte angemessen sein dürften.

osch@d 21. Juni 2021 um 13:20

Also ich sehe mir gerade nochmal die Tore an Portugal gegen Deutschland

Tor 1: Müller kann fast 30m mit Ball am Fuß unbedrängt auf der rechten Seite zum Strafraum durchlaufen, sich den freistehenden Zielspieler am Strafraum in Ruhe ausgucken und flanken. Dann haben wir 3 gegen 3 und keiner der 3 Portugiesen guckt auf die 2 Mann, die den Ball nicht haben. Einer der 2 beschleunigt, Pass, Tor.

Tor 2:

5 Spieler der Deutschen stehen auf letzter Linie gegen 4 Portugiesen – finde den Fehler. Rüdiger kann von der Mittellinie Fahrt geradeaus aufnehmen und unbedrängt den in den freien Raum startenden Links-Außen anspielen, der die Verteidigerlinie überläuft und in den Rücken unbedrängt weiter flankt. Das ist offensiv nicht besonders ausgetüftelt, sondern defensiv unfassbar schlecht. Diesen Offensivplan könnte man auch einer Kindermannschaft geben, so trivial ist der.

3) komplexerer Spielzug, finde ich offensiv gut gespielt, Portugal macht leichte Fehler, aber nicht schlecht verteidigt.

4) Kimmich kann auf der 16er-Linie unbedrängt sich den Zielspieler seiner Wahl ausgucken, Flanke, Tor

3x völlige Katastrophe von Portugal, 1x ordentlich von Deutschland. Das ist mal meine Bilanz.

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Taktik-Ignorant 21. Juni 2021 um 17:53

Wenn wir schon dabei sind, einzelne Spielszenen anzusprechen – kurz vor Spielende gab es einen erfolgversprechenden Konter der deutschen Mannschaft, 3 gegen 2-Situation, Goretzka läuft lange mit dem Ball am Fuß, die beiden rechts bzw. links von ihm mitgelaufenen Angreifer fächern (breit genug) auf, und Goretzka nutzt die freie Schussbahn zu einem Schuss, der die Oberkante der Latte streift. Wie hätte man das besser ausführen können, um die Überzahl dahingehend auszunutzen, einen Spieler frei vor den Torwart zu bringen?

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osch@d 21. Juni 2021 um 19:56

Die Szenen, die ich genannt habe stehen doch dafür, dass Portugal defensiv völlig abwesend war. Ich wollte meine Behauptungen einfach untermauern mit der Beschreibung konkreter Spielszenen. Und wenn man es so sieht, sind dann 4 Tore fast ein bissl mau.

Das Spiel der Deutschen mache ich damit gar nicht schlecht. Aber ich mache es auch nicht gut, wo es nicht gut war. Sie mussten sich nicht gegen ein Pressing wehren und mussten auch keine Defensive knacken, die den Namen verdient. Sie mussten auch keinen guten Spielaufbau fürchten und da die Portugiesen so zusammengedrückt standen war kontern auch noch schwierig. Das war diesmal alles extrem einfach an dem Tag, als hätte jemand einen Koffer Bargeld herübergereicht.

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savona 21. Juni 2021 um 22:42

Na, immerhin für Portugal hat es gereicht. War ein Muss gegen diesen Gegner, sicher. Aber: so gewinnt man Titel. 😉

Spaß beiseite: gegen einen Gegner in besserer Tagesform wird es nicht wieder Anlass für so viel unverdientes Lob geben, so steht zu hoffen. Bis dahin müssen wir die Euphorie über einen im Ergebnis doch wider Erwarten nicht wirklich misslungenen Turnierstart gegen die aktuellen WM- und EM-Titelträger eben mit Gelassenheit ertragen.

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Taktik-Ignorant 22. Juni 2021 um 17:41

Ich hoffe doch, lieber unverdientes Lob als verdienten Tadel ;-))

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savona 22. Juni 2021 um 19:20

Unbedingt! Wir leiden doch schließlich nicht am Hochstapler-Syndrom. 😉

Koom 22. Juni 2021 um 09:11

Wenn 4 Tore mehr oder weniger auf die gleiche Art zusammenkommen, hat eine Seite Fehler gemacht. Löw wird aber auch immer hart angegangen, was Ingame-Coaching angeht, aber bei den Nationalmannschaften gibt es praktisch gar keine Tüftler unter den Trainern. Frankreich ging gegen Ungarn genauso vor wie gegen uns und wunderte sich, warum das nicht reicht.

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osch@d 23. Juni 2021 um 15:11

Man kann sich als Trainer schon auf den Standpunkt stellen, wer siegt, hat Recht. Aber spätestens seit 2017 ist das Thema Siegen für Löw durch. Also „nur“ seit etwa 4 Jahren. Löw schafft es also Ewigkeiten durchwachsene Ergebnisse zu erzeugen mit Spielern, die in der CL regelmässig abräumen. Löw sucht die Spieler aus, Löw instruiert sie und macht aus Top-Spielern eine mittelmäßige Mannschaft. Findest du nicht, dass man das Löw vorhalten kann?

Ich bin mir sehr sicher, dass man nach Löw eine deutliche Verbesserung sehen wird.

Antworten

Koom 23. Juni 2021 um 16:20

Ich bin auch kein Fan von Löw und sehe die größten Probleme bei der N11 durch ihn. Ich denke, er und Flick waren ein ideales Gespann, nach Flicks Abgang fehlte sehr deutlich taktische Feinarbeit im Kader. Unter Flick wird sicherlich vieles anders (bzw. mehr so wie 2014 rum), aber eventuell neue Probleme reinkommen. Mit den Bayern hat er trotz erstklassigem Kader hinten nicht mehr wirklich dicht bekommen – ein bisserl wie Löw, allerdings hats vorne besser gerollt bei den Bayern.

Mein Punkt war eher: Die anderen kochen definitiv auch nur mit Wasser, werfen weitgehend immer die gleiche Formation mit der immer gleichen Idee auf den Platz. Was die Trainerarbeit in Bezug auf den Gegner angeht, schaut es zumindest bei den größeren Teams gefühlt immer noch wie Pre-2000 aus: Die individuelle Klasse wirds richten. Und gegen gleichwertige Teams wird dann manchmal geknobelt und was grob geändert, aber nicht wirklich ausgetüftelt und auch mehr ein „du deckst den da immer“.

Ich hab da nicht so ein feines Auge, aber egal ob ich Frankreich, Spanien, Portugal oder Deutschland sehe: Man geht gegen jeden Gegner mit der gleichen Idee rein.

studdi 23. Juni 2021 um 16:43

Will Löw auch nicht zu sehr in schutz nehmen weil ich auch nicht sein größter Fan bin aber welche Spieler haebn den seit 2018 Regelmäßig in der Cl abgeräumt? Bayern hat 2020 gewonnen davor und danach istman aber im Achtelfinale und Viertelfinale rausgeflogen. Dortmund war auch nicht im Halbfinale. CHelsea und City dieses Jahr mit Deutschen Spielern im Finale aber in den Jahren davor waren diese Deutschen Spieler auch nicht im Halbfinale. Kroos mit Real Madrid bis 2017 aber seit dem auch nicht mehr. Also unter regelmäßig Abräumen verstehe ich was anderes.
Aber sicherlich hat Deutschland einen sehr guten Kader mit sehr guten Spielern. Aber es fehlen auch auf Schlüsselpositionen gute Spieler.
Bayern z.B. hätte diese Saison evtl auch besser in der CL abgeschnitten wäre Lewandowski nicht verletzt gewesen. Lewandowski ist aber eben auch kein Deutscher Spieler.
Ich denke aber auch das unter Flick manche Abläufe insebesondere im Pressing wieder klarer werden und man wieder besseren Fußball spielen wird.

Daniel 27. Juni 2021 um 13:35

@Koom
„Mit den Bayern hat er trotz erstklassigem Kader hinten nicht mehr wirklich dicht bekommen – ein bisserl wie Löw, allerdings hats vorne besser gerollt bei den Bayern.“
Das kann man ja gar nicht vergleichen. Flick hat bei Bayern aggressiv nach vorne gespielt, was in der ersten Saison hervorragend klappte, in der zweiten bedingt durch sehr wenig Trainingszeit (Sommerpause wurde in Lissabon CL gespielt, Winterpause gab es nicht) zuweilen etwas auf die defensive Stabilität ging. Wobei man auch hier differenzieren muss-in wichtigen Spielen gegen gute Gegner stand Bayern auch in dieser Saison meist ziemlich sicher. Atletico Madrid (die am Ende der Saison immerhin spanischer Meister wurden) erzielte in zwei Spielen gegen Bayern ein Tor-wobei im Rückspiel in Madrid Bayern schon weiter war und mit einer B-Elf um Nübel, Arrey-Mbi, Choupo-Moting und Costa spielte. Als am 27. Spieltag RB Leipzig die Chance hatte, das Meisterrennen wieder (fast) auszugleichen verteidigte Bayern Leipzig weg und gewann 1:0. Flick hat also seine Herangehensweise durchaus stark an den Gegner angepasst-was vielen Nationaltrainern in der Tat abgeht. Wenn man Löw mit einem Bayerntrainer vergleichen will bietet sich eher Kovac an. Auch der wollte defensiv spielen, in der Hoffnung darauf, dass er einen dann aufrückenden Gegner auskontern könnte. Auch er scheiterte daran, dass sich daran kaum ein Gegner einließ und dass letztlich auch die defensive Stabilität leidet, wenn man eigentlich Tore erzielen muss, aber nicht weiß wie.

@studdi
Ok..wenn Bayern, Chelsea und City in der CL mies sind in deinen Augen…welche Teams haben dich denn dann überzeugt bzw welche Nationalmannschaften haben Spieler, die in den letzten Jahren mehr gezeigt haben in der CL?

studdi 28. Juni 2021 um 10:16

Ich habe nicht gesagt das Bayern, Chelsea und City mies sind. Ich habe nur gesagt das ich unter regelmäßig Abgeräumt in der CL etwas anderes verstehe. Zwischen 2010 und 2014 war Bayern 3 mal im CL Finale dazu Dortmund 1 mal. Das verstehe ich dann eher unter regelmäßig abräumen.

Da Deutschland ainen Kader hat mit sehr guten Einzelspielern steht außer frage. Das man auch einzelnen Positionen aber auch starke Schwächen hat steht auch außer frage. Andere Nationen haben aber von den einzel Spielern her auch keinen schlechteren Kader.
Flicks 2. Saison nimmst du in schutz, da er nicht viel Trainingsmöglichkeiten hatte. Verglichen mit der Nationalmannschaft war das aber schon sehr viel Trainingszeit, da müsste man Löw auch in schutz nehmen.
Im grunde sind wir ja aber einer Meinung. ich denke auch das Flick wieder besseren Fußball spielen lässt.
Generell könnte man auch mit anderen Nationen verglichen ja auch diskutieren ob bei Nationalmannschaften gar nicht die „besten“ Trainer arbeiten sondern das Niveau an Trainern in Klub Mannschaften besser ist, da diese eben oft auch die tägliche Arbeit mit der Mannschaft bevorzugen.
Da ist dem DFB mit der verpflichtung von Flick schon ein kleiner Coup gelungen.

Koom 28. Juni 2021 um 10:30

Auch wenn ich Flick (imo berechtigt) kritisiere, finde ich seine Verpflichtung auch gut. Er ist definitiv jemand, der eine Mannschaft formen kann. Das er nicht perfekt ist, liegt auf der Hand, aber er lässt mutig spielen, das finde ich immer gut.

Am meisten gespannt bin ich, wie er mit den „Kaderlücken“ umgeht. Entweder hat er als RV ein Loch oder bei den 6ern und ein MS ist nirgendwo weit und breit. Würde mich freuen, wenn er da durchaus einfach Leute holt, „die den Job machen“ und nicht versucht, irgendwie nur die von der Papierform besten in eine Schablone zu pressen. Man wird sehen.

Letztlcich: Wunder sollte man von Flick auch nicht erwarten. Er hat Sane auch noch nicht „hingekriegt“, die Defensive der Bayern wurde durchaus poröser unter ihm und man kann gespannt sein, ob er nicht die Flinte ins Korn wirft, wenn er mit dem Verband mit irgendwas ringen muss. Ich hoffe und wünsche ihm aber ne gute Zeit. Er ist zwar kein Klopp, was Charisma und Intelligenz angeht, aber als Fußballtrainer hat er ne klare Linie, die ich gut finde.

Daniel 28. Juni 2021 um 20:44

@Koom
Ist jetzt halt die Frage, was „hingekriegt“ heißt. In 2617 Pflichtspielminuten hat Sané vergangene Saison 10 Tore und 12 Vorlagen erzielt, hat also für einen Scorerpunkt im Schnitt 119 Minuten gebraucht. Damit hat er z.B. besser performt als Ousmane Dembélé (167 Minuten), Angel di Maria (122 Minuten), Raheem Sterling (142 Minute), Sadio Mané (149 Minuten), Roberto Firmino (187 Minuten), Phil Foden (130 Minuten) oder Joao Felix (147 Minuten). Ist jetzt halt die Frage, ob die auch alle von ihren Trainern nicht hingekriegt wurden. Sané-Bashing ist aber wohl neue Trendsportart.
Die Kaderlücken seh ich nicht ganz so tragisch wie du. Gibt schon Leute, die diese Rollen für Deutschland wahrnehmen können…man müsste sie halt nur nominieren.

@studdi
Ich wüsste nicht, inwiefern ich Flick in Schutz nehmen müsste. Er hat in seiner Amtszeit sieben von neun möglichen Titeln gewonnen. Dass Nationalmannschaften wenig Trainingszeit haben ist richtig…dennoch kann das schon etwas strukturierter sein als bei Deutschland derzeit. Sah es ja übrigens bei Löw auch bei den meisten Turnieren seiner Amtszeit. Der Hauptkritikpunkt an Löw bleibt aber, dass er seit drei Jahren etwas versucht, das den Stärken der Spieler widerspricht.

Koom 28. Juni 2021 um 20:59

Ne, kein Sane-Bashing von mir. Unter Guardiola hatte er eine sehr klare Rolle und Position, die tat ihm auch sehr gut. Seit der Verletzung läufts halt noch nicht. Die Zahlen sind auf jeden Fall in Ordnung. „Übliche“ Zahlen für gute Spieler, die aber nicht ihre Mannschaft dominieren. Also durchaus i.O, aber „gefühlt“ kann da mehr gehen.

Wie gesagt: Generell kein Bashing. Nicht mal schlechtreden. At worst senke ich die Erwartungen, die viele an Flick wie auch Sane anlegen. Ich begrüsse sehr den Wechsel von Löw zu Flick.

Taktik-Ignorant 29. Juni 2021 um 00:37

Nationaltrainer und Vereinstrainer sind auf den ersten Blick grundverschiedene Anforderungsprofile, und es gibt tatsächlich einige Trainer, die reüssieren auf der einen Ebene, aber nicht auf der anderen. Es gibt aber auch Trainer, denen beides gut gelingt (Van Gaal, Koeman, Rinus Michels, Ernst Happel, Ottmar Hitzfeld, und auch Jogi Löw hat als Vereinstrainer nicht nur Nieten gezogen). Von daher wird es spannend sein zu sehen, ob Flick das hinkriegt, die NM defensiv und offensiv zu stabilisieren. Er kann zwar auf den Positionen, auf denen ein Manko besteht, auch keine Spieler herbeizaubern, aber vielleicht gelingt es ihm, für diese fehlenden Positionen Spieler zu finden, die sie leidlich ausfüllen, und sie so mit den auf ihren Positionen internationale oder Weltklasse verkörpernden Spielern zu verknüpfen, dass die NM auch ergebnistechnisch wieder dort ankommt, wo sie von der Kaderqualität hingehört, nämlich unter die ersten 6-7 Teams weltweit.

Taktik-Ignorant 29. Juni 2021 um 00:43

Wenn man an Didier Deschamps die Maßstäbe anlegen würde, die einige an Löw anlegen, müsste auch der jetzt sofort zurücktreten…. Wer mit so einem tollen Kader in der ersten KO-Runde rausfliegt, taugt sicher nichts als Trainer ;-))

osch@d 29. Juni 2021 um 01:00

Es ist müssig es schon wieder wiederholen zu müssen – es wurde hier in den letzten Tagen mehrmals gesagt: Löw hat eine ganze Kette von schlechten Spielen und mangelnder Mannschaftsentwicklung hinter sich. Wir reden über 4 Jahre Misserfolg, denn der WM 2018 gingen recht schlechte Spiele voraus schon 2017.

Ganze ehrlich: mir hat heute zwar von Frankreich partiell Disziplin gefehlt, aber es ist halt EIN Spiel in der K.O-Phase. Eins! Die Deutschen sind mit Löw auch schon in der Vorrunde gescheitert. Das ist nicht einmal ähnlich die beiden Dinge.

Es ist ja auch nicht ausgeschlossen, dass die NM es noch hinbekommt in der EM – aber man sieht, was Löw verschenkt. Den Spielern wünsche ich, dass sie weit kommen, auch wenn ich den Trainer eher für mittelmässig halte. Sie können ja nichts dafür.

Koom 29. Juni 2021 um 09:53

Es könnte halt echt passieren, dass die N11 am Ende die EM gewinnt. So richtig weiß keiner, warum und wieso, weil die Mannschaft einfach seltsam abgestimmt ist und sich auch irgendwie durchduselt. Wahrscheinlich ist es nicht. Spanien seh ich momentan als deutlichen Favoriten.

Persönlich glaube ich, dass man mit unserer N11 mehr machen kann, aber dazu gehören ein paar unpopuläre Entscheidungen. Und die scheint Löw nicht zu treffen wollen. Ich halte ihn auch nicht für einen taktisch guten Trainer, aber als Führungsperson und „Leiter“ hat er zweifelsohne große Qualität. Flick und Löw in Zusammenarbeit waren schon fast ideal.


Taktik-Ignorant 21. Juni 2021 um 12:25

Es ist schön, dass die Nationalmannschaften endlich auch wieder zu ihrem Recht kommen. Gleich zwei Artikel zum Portugal-Spiel, da fühle ich mich richtig verwöhnt ;-))

Die von Koom beobachtete Statik liegt vielleicht an 2 Dingen. Zum einen möchten die Spieler nicht durch allzu offensive Bewegungen hinten Lücken aufreißen. Die deutsche Mannschaft war (und ist weiterhin) in der Defensive sehr anfällig (und damit nach der alten Weisheit, wonach ein guter Sturm Spiele, eine gute Abwehr aber Turniere gewinnt, kein Titelkandidat), und im Wissen darum verharren einige ballferne Spieler vielleicht lieber in Positionen, aus denen heraus sie sich rasch wieder nach hinten orientieren können.
Zum zweiten sollte es vorne anspielbare Zielspieler geben. Ich weiß nicht, ob das unbedingt ein Wandspieler sein muss; es reicht, wenn häufig genug die letzte Reihe der gegnerischen Deckung bzw. der gegnerische Strafraum angelaufen werden. Solche Läufe sollten dann aber auch mit Zuspielen belohnt werden, selbst wenn der Pass dann nicht immer gelingt. Zuletzt war es eher so, dass man sich als Gegner der deutschen Mannschaft darauf verlassen konnte, dass anstelle eines solchen Zuspiels im Halbfeld dann eher ein Quer- oder Rückpass gespielt wurde (nein, ich denke jetzt nicht speziell an Kroos), insbesondere wenn der Gegner viele eigene Spieler am und im Strafraum hatte. Das sah gegen Portugal bei den Deutschen aber deutlich besser aus als gegen Frankreich, wobei ich mir ebenso wie scheinbar alle Beobachter nicht sicher bin, ob das an besserem Bewegungsspiel der Deutschen oder eher an der löchrigeren Abwehr der Portugiesen lag.

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Koom 21. Juni 2021 um 10:34

Was bei der N11 insbesondere gegen Frankreich, aber auch manchmal gegen Portugal auffällt ist, dass sie vorne Phasen haben, in denen sie sehr statisch sind. Da stehen dann 3-4 Mann auf einer Linie und schauen dem Spielaufbau (meistens links oder rechts außen im Halbfeld) zu, was der jetzt macht. Es ist dann sehr wenig Bewegung drin. Das klappte bei einigen der Toren – insbesondere dem Dritten – viel besser, wo sich einer fallen ließ, ein anderer steil ging usw.

Aber generell wird relativ wenig gekreuzt und es bleibt oft statisch, was eben auch leicht verteidigbar ist, wenn du vorne keinen Wandstürmer hast, der jeden Ball frisst und dort verteidigt. Generell erscheint es mir oft, dass sehr viele N11-Spieler genau so einen Wandstürmer suchen und brauchen und gefühlt keine Ahnung haben, wie man in der Spitze Chancen generiert ohne einen solchen Spielertypen.

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studdi 21. Juni 2021 um 11:23

Im Artikel über das 3:0 hat MR ja auch beschrieben wie „speziel“ das Tor war da es rein durch Passen und Bewegung entsteht und eben nicht durch Individelle Überlegenheit in sachen Atlehtik oder Technik. Das sieht dan sehr einfach und logisch aus wie so ein Tor fällt ist in der Ausführung dann eben schwer gerade wenn man als Nationalmanschaft (noch) nicht so eingespielt sein kann wie Klubmannschaften durch mangelndes Training.
Natürlcih brauch es dafür in erster Linie Bewegung wie du sagst. Wenn sich alle Spieler bewegen sollen muss das dann abgestimmt sein. Bei besgtem 3:0 bewegt sich ja eigentlich erstmal nur Müller und bricht dadurch die Statik was vl. auch gar nicht so eine schlechte Variante ist wenn man nicht zu viel Training zur verfügung hat um Offensiv abläufe einzustudieren.
Ich hatte bei Arsenal unter Wenger manchmal das Gefühl als hätte er zu allen Offensiv spielern einfach gesagt er möchte das sich alle bewegen. Das hat wenn es gerade in einem Spielzug gepasst hat dann Super ausgesehen und zu tollen Chancen geführt aber oftmals haban die Bewegungen eben nicht zueinander gepasst und dann wurden Bälle verloren und man ist in Konter gelaufen.
Das Speil der N11 ist in vielen Phasen zu Statisch wie du sagst. Die Statik aufbrechen durch Individuelle Überlegenheit ( Atlethischer Wandstürmer oder Dribbler) kann Deutschland nicht (evtl Musiala oder Sane wenn richtig eingebunden). Durch Laufwege und Bewegung ist man durch die Fähigkeiten der Spieler (solide Technik und Spielinteligenz) theoretisch in der Lage die Statik aufzuheben nur müssen diese eben abgestimmt sein das man zu gleichen zeit das selbe denkt. Das ist denke ich durch die wenigen Trainingsmöglichkeiten Schwierig.
Zwischen den Spielen hat man ja auch kaum Zeit für Training da wird 2 Tage regeneriert und am dritten ist schon Abschlusstraining. Deshalbsieht man bei so einem Turnier ja auch selten die selbe klasse wie bei guten Klubmannschaften.

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Taktik-Ignorant 21. Juni 2021 um 12:13

Ich finde, dass ich bei Nationalmannschaften teilweise bessere Kombinationen zu sehen bekomme; Italien und Frankreich beeindrucken mich mehr als Klubmannschaften, und kleinere Länder wie Wales oder Tschechei sehe ich besser als so manche Bundesligamannschaft. Wenn man bedenkt, wie wenig die miteinander trainieren können, muss ich vor den Nationalmannschaftstrainern immer den Hut ziehen. So sehr reißt mich der Vereinsfußball demgegenüber nicht vom Hocker.
Aber grundsätzlich ist das natürlich das Hauptmanko: ein Nationaltrainer hat kaum Zeit, Dinge einzuüben. Vor einem Turnier wie jetzt der EM gibt es vielleicht 2,5 Wochen Vorbereitung, dazu kommen dann einige Spieler später, weil sie noch ein nationales oder europäisches Pokalendspiel bestreiten mussten, und mit dem vollständigen Kader bleibt vielleicht eine gute Woche. Davon geht dann möglicherweise ein Tag noch für Sponsorentermine verloren. Dann bleibt nur die Möglichkeit, einige wenige Spielzüge, Standards und eine offensive und defensive Grundordnung einzuüben, der Rest muss mit individueller Klasse, viel Laufarbeit und gutem Spielverständnis/hoher Spielintelligenz bewerkstelligt werden. Dass die Nationalmannschaftsfußball trotzdem oft so gut aussieht, spricht meines Erachtens für Letzteres.

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Koom 21. Juni 2021 um 13:04

Ich muss sagen, dass die EM schauen Spaß macht. Gerade im Vergleich zur Bundesliga ist der Klassenunterschied zwischen den Teams geringer und sie haben ihre jeweils eigenen Probleme. Man merkt es sehr, dass da trotz hohen Spielerbewertungen das ganze Geschehen viel enger beisammen ist. Und ja, man muss da ein Stück weit den Hut ziehen, vor allem von Teams, die auch ein eigenes Offensivspiel betreiben. Italien macht das bislang sehr gut, Frankreich verlässt sich viel zu sehr auf individuelle Klasse.

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Taktik-Ignorant 21. Juni 2021 um 17:58

Das reicht bei den Franzosen ja oft auch. Gegen Ungarn waren aber auch ein paar gelungene Spielzüge dabei. Die mögen es aber halt mehr, wenn der Gegner mitspielt und sie etwas Platz haben. Aber ich glaube, gerade die Franzosen halten sich in der Erwartung, dass sie noch länger im Turnier sein werden, etwas zurück….

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tobit 22. Juni 2021 um 11:20

Wales und Italien haben mich auch beeindruckt. Sowohl im Kombinationsspiel als auch in den Strukturen. Schade, dass das Spiel mit der roten Karte für Ampadu gekillt wurde.

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Koom 21. Juni 2021 um 13:12

Ich bin da vermutlich zu weit weg von der „echten“ Materie, aber ich habe den Eindruck, dass viele Spieler sich abseits der Trainingseinheiten und dem Spiel wenig mit ihrem Beruf beschäftigen. Das habe ich schon mal in Punkto Athletik angekreidet, geht aber auch bei so Themen wie Standards und Absprachen zwischen Angreifern.

Es ist schade, dass man bei letzterem nicht etwas mehr die vorhandene Eingespieltheit von Havertz und Werner nutzt, die da durchaus schon schöne Wege haben – aber fairerweise spielt Chelsea auch erheblich defensiver und die beiden haben nicht vergleichbare Räume in der N11. Und Gnabry machte es engagierter als zuletzt, wenn auch sehr über Dribblings. Letztlich war das Bewegungsspiel nur bei den Flügeln konstant gut – und folgerichtig auch die Mehrzahl der Tore dadurch.

Zurück zum ersten Absatz: Wäre gut (und notwendig), wenn man sich zumindest für die sehr häufig auftretende Situation mit Kroos am Ball und stehende Abwehr was ausdenkt. Da reiht sich Abwehr wie Angriff einfach nur auf und schaut zu Kroos, der dann fast immer nur eine Verlagerung zu Ginter oder Kimmich spielt. Wenn da konstant einer entgegengeht und vielleicht einfach einer nur kreuzt, entsteht viel Bewegung und wir haben genau für sowas Spieler, die das nutzen können.

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peter 21. Juni 2021 um 15:49

Das wundert mich auch. Wie kann es sein das es Spieler der absolute Weltklasse gibt die noch nicht mal 90 minuten durchhalten? Und dann lese ich in der FAZ einen Beitrag über die Mentalität von Goosens, das der nicht aufgibt und immer weiter macht. Das sollte doch jeder Spieler tun. Wie Schweinsteiger in 2014, durchmachen bis nichts mehr geht. Mann kan ja alles mögliche ausdenken als Trainer, und die Fussballer sind heutzutage technisch Perfekt ausgebildet. Aber wenn ich dann sehe wie Elfmeter verschossen werden, Standardsituationen nicht gut ausgeführt usw, das versteh ich einfach nicht. Schiess jeden tag 100 Elfmeter und dann wirds irgendwann mit den Augen zu auch gehen. Oder sogar so etwas wie Zweibeinigkeit. Das kann man sich anlernen, wenn man die Zeit dafür nimmt (weiss ich aus Erfahrung). Ich habe schon oft das Gefühl das viele Profis einfach zu talentiert sind und zuviel verdienen das die sich ausserhalb des Trainings noch gedanken machen was sonnst noch besser kann. Stichwort Kobe Bryant.
Ich war/bin ein enormer Fan von Kobe Bryant. Wie der jede freie Stunde benutzte um besser zu werden, entweder durch Training, Filmanalysen an zu schauen oder 1000 Schüsse am Tag zu machen, ist schon bemerkenswert. Und ich glaube da gibt es schon noch was nach zu bessern bei viele Spieler.

Was mir als nicht-Deutscher immer sehr gefallen hat war das die Mannschaft genau diese Eigenschaften immer besitzt, das kämpferische, nicht aufgeben wollen. 2018 war ein Tiefpunkt was das an betrifft und ich bin froh das das Team jetzt wieder zu den Werten zurück findet!

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Joakina 21. Juni 2021 um 08:31

Geht mir auch so, zwei super Artikel, einer über meinen Lieblingsspieler Müller, danke!
Jetzt warte ich nur noch auf die Kommentare, die gehören einfach dazu.

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Benedikt 20. Juni 2021 um 23:01

Heute schon 10 Mal die Seite besucht in Erwartung eines Artikels
Dann direkt zwei. seit Ewigkeiten geile Artikel. Danke!

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