Pflichtsieg für Bayern
Gegen das bewegliche 5-2-3 Unions entwickelte der Tabellenführer wenig Durchschlagskraft. In Anschlussaktionen und in der Aufteilung in den Aufbauräumen fand Bayern nicht die optimale Dynamik. Die Münchener konnten aber auf Stabilität und Grundbeweglichkeit um den Strafraum herum zählen.
Mit einem soliden Ergebnis bei Union Berlin erfüllten die Bayern an diesem Wochenende eine Pflichtaufgabe. Es war ein unspektakulärer Sieg in einer unangenehmen Partie mit diszipliniertem taktischem Auftritt der Gastgeber. Aus einer flexiblen 5-2-3-Formation heraus setzte Union auf stabile Defensivpräsenz mit wechselnden Anlaufbewegungen und auf lange bzw. zweite Bälle auf jeweils einen Flügel mit abgesicherter Staffelungsbildung.
In dieser Konstellation konnten die Berliner kaum gefährliche Abpraller gewinnen, aber hatten stets viele Spieler hinter dem Ball. Nach vorne entwickelten sie hauptsächlich aus Anschlussaktionen nach eigenen Rückpässen Gefahr, wenn Bayern aus tiefer Position herausrückte und auch die letzte Linie direkt sehr ambitioniert vorschob. Mit schnellen langen Bällen oder einzelnen Verlagerungen im unmittelbaren Folgemoment schufen die Gastgeber gelegentlich unangenehme Staffelungen mit zwei oder drei Leuten an der letzten Linie.
Stabile Umsetzung bei Union
Eine der wichtigsten Komponenten für Unions Defensivformation waren die Rollen der nominellen offensiven Flügelspieler der 5-2-3-Grundordnung. Aus einer je nach Münchener Aufrückverhalten potentiell leicht asymmetrischen Ausgangsstaffelung hielten sich Ingvartsen und Bülter zunächst horizontal sehr eng zum räumlichen „Streifen“, der unmittelbar neben ihrem jeweiligen Sechser lag. Daher rückten sie langsam und eher bogenförmig auf, boten so den Münchener Innenverteidigern die ersten Kontakte quasi nach innen an.
Bei etwaiger Rückzugsbewegung hielten sie die Nutzung des Deckungsschattens in den Halbraum in ihrem Rücken sehr aktiv und lange aufrecht. Das erschwerte insgesamt einrückende Einbindungen der Münchener Außenverteidiger, auch wenn das Übergeben auf der Außenbahn letztlich nicht mehr in jeder Situation so bruchlos möglich war wie sonst. Die Flügelläufer Unions wiederum fanden ein gutes Timing für aufrückende Bewegungen neben das enge Mittefeld zur Ergänzung lokaler Kompaktheiten, insbesondere aus ursprünglich ballfernen Zonen bei flachen Verlagerungen.
Tiefe Vorstöße am Flügel gefährlich, Folgebewegungen vom Flügel weniger
Ließen sich die Außenstürmer der Bayern sehr frühzeitig durch den Halbraum zurückfallen, verfolgte Union auch bei schwierigen Passwegen trotzdem vorsichtshalber etwas weiter – in unterschiedlichen Verteilungen, tendenziell durch Trimmel bzw. Subotic. Links wurden die Münchener dagegen durch einfache Raumöffnungen am Flügel mit Tiefenläufen von Davies einige Male gefährlich. Dazu trug auch das Verhalten in der letzten Linie Unions gegen Flugbälle allgemein bei: Zwar wurden auch einige Bewegungen innerhalb der Offensivzonen sehr gut zwischen Halb- und Flügelverteidigern übergeben. Gerade bei Nachstößen aber agierte die Dreierkette passiv im Durchschieben und blieb teilweise zu sehr in der Grundposition.
Die weiteren Münchener Ansätze aus den Flügelbereichen heraus blieben unvollendet. Durch den als tiefen Zehner unterstützenden Goretzka ergaben sich grundsätzlich Möglichkeiten für Dreiecks- und Kreiselaktionen mit den Duos auf den Seiten. Daraus resultierten einige gefällige Spielzüge, bei sämtlichen Fortsetzungen diagonal ins Feld hinein fehlte jedoch oftmals die letzte Folgebewegung im Anschluss an solche gruppentaktischen Abläufe. Das waren alles andere als dramatische Ausmaße: Vielmehr handelte es sich um ein konstantes Quäntchen und damit bereits genug, dass es gegen Unions intensives Bewegungsspiel oftmals schwierig wurde
Tieferer Mittelstürmer oder höherer Sechser
Insgesamt brachten die Gäste nicht ihre volle Dynamik in die Übergangsbereiche. Beispielsweise gingen die Aufbauspieler bei Möglichkeiten zum Andribbeln etwas zurückhaltender zu Werke als in manch anderer Begegnung – auch in aussichtsreichen Momenten. Daneben gab es Situationen zusätzlich erschwerter Bedingungen durch Unions flexible und von der Intensität recht gut balancierte Bewegungen aus der ersten Linie heraus: Dazu gehörten die gelegentlichen 5-2-1-2-Umformungen, wenn die Flügelstürmer aus dem langsamen Vorrücken schließlich ganz zum Zustellen der Innenverteidiger übergingen und Ujah dafür auf den situativ tieferen Sechser zurückfiel.
Mit den laufstarken Prömel und Andrich gab es dahinter weiterhin zwei Leute für situative Mannorientierungen auf die weiteren Mittelfeldkräfte. Ihre Bewegungen wurden im Laufe der ersten Halbzeit wichtiger, nachdem die Bayern einige Muster aus dem Aufbau abzuwandeln begannen. Die Flügelläufer rückten früher auf, um Ingvartsen und Bülter zumindest in eine tiefere Startposition zu zwingen. Alternativ erschwerten sie das ergänzende Vorrücken der Flügelläufer ins Mittelfeld. Gleichzeitig gab es in der Offensivabteilung vermehrt asymmetrische Staffelungen mit einem Außenspieler in der Halbraumbesetzung. Auf die tieferen Grundpositionen reagierten Unions Sechser mit weiträumigen Herausrückbewegungen, so dass oftmals einer auch längerfristig in der ersten Linie mit Ujah verteidigte.
Aufteilung im Aufbau leicht nachlässig
Sie versuchten die Nutzung des Deckungsschattens weiträumig zu gestalten, konnten aber gelegentliche Unterzahl auch in der zweiten Linie letztlich nicht immer verhindern. Zumal über verstärkte 4-3-3-Staffelungen mit zwei Achtern in der Raumbesetzung kam Bayern vorerst zu Eröffnungen in die Halbräume. Um diese Möglichkeiten ausschöpfen zu können, spielten die Münchener die Übergänge sehr schnell. Die Anschlussbewegungen der Aufbauakteure selbst gestalteten sich vor der Pause aber noch unsauber und etwas passiv. Sie hätten umliegende Räume noch mehr ausschöpfen können.
Daher gelang es ihnen auch nicht so gut in die nächste Linie nachzuschieben und effektiv den Anschluss und damit die Rückwege für den Passempfänger zu verkürzen, falls Union sich im ersten Moment gut genug zusammenziehen und dieser aus dem Achterraum zum Beispiel zu einer Ablage gedrängt war. Dementsprechend ließ sich über solche Rückpässe wenig zusätzliche Dynamik für weitere Verlagerungen erzeugen. Insgesamt gingen die Münchener mit der Raumaufteilung aus der ersten Linie und in der Folge mit Aufrückmomenten nicht optimal um. In der zweiten Halbzeit gab es einige Verbesserungen, als etwa Alaba vermehrt aus breiteren Positionen auch schräg neben Thiago bzw. Kimmich agierte. Das hatte schon vor der Pause zu einer der Strafraumszenen von Davies geführt.
Die vereinzelten Möglichkeiten zum Aufdrehen direkt aus den Zwischenräumen des Mittelfelds heraus – bereits vor der Pause gelegentlich auftretend – erzeugten auch keine weitere Durchschlagskraft. Nicht zuletzt trug dazu bei, dass die offensiven Flügel Unions in diesen Momenten trotz ihrer tieferen Position die horizontale Schlagdistanz zum Ball einige Male wieder zum weiteren Heraus- bzw. Einrücken nutzen konnten. Zusammengenommen war es nicht unbedingt die beste Offensivleistung der Bayern unter Flick, in der Qualität etwa gegenüber dem knappen Pokalsieg auf Schalke, der von der Spielanlage gut vergleichbar war. Diesmal könnte tatsächlich das Thema der geringen Praxis eine Rolle gespielt haben. So mussten eine clevere Aktion Goretzkas und eine Ecke den Erfolg sicherstellen.
Fazit: Bayerische Stärke
Aus dieser Perspektive mag der Sieg eine kleine glückliche Note tragen. Aber trotz der eher geringen Durchschlagskraft zeichneten sich die Münchener selbst im vorderen Bereich immer noch durch eine Reihe von Eigenschaften bzw. Stärken aus, die in solchen Konstellationen das „Erzwingen“ oder „Provozieren“ von Gefahrenmomenten wahrscheinlicher machen: Darunter fällt etwa die saubere und wohl gut trainierte Umsetzung der Flügelabläufe – ob in der Abwägung der Entscheidungen wie immer stärker bei Davies erkennbar, in koordinativer Hinsicht der Bewegungen oder einfach in vielen technischen Details, exemplarisch dem Schnitt der Tiefenpässe des eingewechselten Coman.
Ebenso zählt beispielsweise die individualtaktische Aktivität – auch wenn sie diesmal in den Übergangszonen nicht ideal war – in Strafraumnähe dazu. In der Entstehung des Elfmeters schließlich setzte sich Lewandowski aufmerksam in eine Startposition hinter Subotic ab, der gegen eine tiefere Position Müllers mannorientiert versetzt vor der letzten Reihe stand, und sorgte damit für eine wesentlich bessere Ausgangslage für den weiten Ball aus der Tiefe.
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