Türchen 21: Ashley Young

Ashley Youngs Weg bei Manchester United vom Dynamikdribbler 2011 über den ineffizienten Problemfall einige Jahre später bis zu seinem zweiten Frühling als Außenverteidiger seit 2018 war wechselhaft und in seiner letzten Episode auch so nicht wirklich zu erwarten.

An den FC Barcelona kam man 2011 kaum heran, aber durch den Einzug ins Champions-League-Finale nach einer starken Saison auf internationalem Parkett und einem weiteren Meistertitel in England hatte Manchester United seinen Platz in der vordersten Reihe der dahinter folgenden Top-Teams definitiv gefestigt. Auch der Start in die neue Spielzeit gelang dem Team von Sir Alex Ferguson direkt sehr gut, mit einem neuen System und einigen neuen Spielern. Eine Reihe furioser Ergebnisse in der Premier League wurde erst unterbrochen durch die überraschende Heimklatsche im Stadtduell gegen City, das zu einem ersten zwischenzeitlichen Leistungsbruch führen sollte.

Young als dynamischer Dribbler 2011

Grundsätzlich hatte sich Ferguson eine interessante Neu-Ausrichtung zusammengelegt: David de Gea spielte als Torwart extrem aktiv mit, Anderson und Tom Cleverly formierten eine enorm weiträumige Doppel-Sechs in fast gleichberechtigter Rollenverteilung, vorne stürmte der junge aufstrebende Danny Welbeck neben Wayne Rooney und Nani und Ashley Young wirbelten auf den Flügeln. Letztgenannter war einer der zahlreichen Neuzugänge: Young wechselte von Aston Villa zu United und gehörte 2011 zu den vielversprechendsten Talenten als Außenstürmer in Europa.

Er war ein dynamischer und zum damaligen Zeitpunkt auch besonders moderner Dribbler mit guter Schuss- und Flankentechnik und war vor allem sehr flexibel in seiner Spielweise mit einer guten Mischung aus inversen Aktionen zum Tor hin und klassischem Zug zur Grundlinie. Young hat eine grundsätzlich gute Positionsfindung und konnte solche Wechselspiele entsprechend wirksam umsetzen. Das kam unmittelbar nach seinem Transfer in der neuen Ausrichtung von Ferguson besonders zum Tragen, da diese genau auf jene variable Bandbreite in der Rolleninterpretation der Außenstürmer zugeschnitten war.

Uniteds offensive Ausrichtung zu Saisonbeginn 2011/12, am Beispiel des Kantersiegs gegen Arsenal

Über die hohe Offensivpräsenz, die generelle Weiträumigkeit und die vielen Ausweichbewegungen der zentralen Angreifer gelangte Young beispielsweise sehr häufig in die für ihn günstige Situation, dass seine Einbindungen in eine laufende Angriffsaktionen hinein aus einer höheren Vorposition erfolgten und er sich somit über den äußeren Rückraum einschalten konnte. Mit den passenden Positionierungen und Bewegungen spielte er das recht konsequent aus. Dagegen war er in engeren Zwischenräumen nicht so fokussiert und auch in kleinräumigen Feinheiten nicht besonders sauber, von wo ihm auch die zielstrebige Wahrnehmung für die Möglichkeiten von unmittelbaren Übergängen etwas abging.

Youngs spätere Probleme mit Entscheidungsfindung und fokussierter Orientierung

Diese Probleme sollten in späteren Phasen seiner Zeit bei United gravierender werden, gerade angesichts der Fortschritte vieler internationaler wie englischer Teams mit der allgemeinen Kompaktheit im Laufe jener Jahre. Zwischenzeitlich hatte Young zu Beginn der Rückrunde 2014/15 unter Louis van Gaal nochmals ein Formhoch, in der zweiten Saison des Niederländers wurden aber die Schwierigkeiten exemplarisch deutlich. Spätestens zu diesem Zeitpunkt machte Young in der typischen Rolle als dribbelnder und meist inverser Außenstürmer zunehmend eine unglückliche Figur, da sich vor allem seine schon zuvor nicht immer optimale Entscheidungsfindung teilweise katastrophal zeigte.

Beispielsweise hatte er größere Probleme damit einzuschätzen, wann er wie lange Dribblings halten sollte und noch forcieren konnte, oder wann es passend war, bestimmte gruppentaktische Konstellationen auch mal dann weiterzuführen, wenn sie nicht umgehend ganz vielversprechend aussahen. Weiterhin tendierte er in den Offensivzonen, wo man oft einfach schon zügiger in Strafraumnähe kommt, dazu, aus ungünstigen Situationen und etwa mit ungünstigen Winkeln den Ball in den Sechzehner zu bringen zu versuchen, dies also teilweise ohne ausreichend Abwägung übermäßig zu erzwingen. Schließlich drehte er sich vorne oft nicht so geschickt und geplant in Räume hinein:

Bei Anspielen ins 1gegen1 mit einem Gegenspieler im Rücken konnte er sich durch seine geschmeidigen Bewegungen zwar weiterhin recht gut aus dem unmittelbaren Zugriff heraus lösen, aber in welchen Raum er sich dafür schon vor der Aktion orientierte oder auch erst spontan mit der Aktion orientierte, war teilweise unspezifisch und wahllos. Da er bei diesen Entscheidungen nicht gut und konsequent genug taktisch auf die umgebenden Konstellationen achtete und sie dadurch nicht unbedingt dazu passten, ergaben sich dementsprechend Schwierigkeiten für die Anschlussaktionen,

Youngs neue Perspektiven als Außenverteidiger

Im Grunde genommen war dann eigentlich spätestens 2016/17 klar, dass er in diesem Zusammenhang keine besondere Perspektive mehr als Flügelstürmer bei United haben würde. Nun stand er zunächst aber noch im Kader: Die Konstellation einer weiteren Verbindung von Young und Manchester konnte dann fast nur noch in einem Szenario gütlich werden – als Außen- bzw. potentiell auch Flügelverteidiger. José Mourinho nahm diesen zwar mutigen und eigentlich erst etwas unorthodoxen, aber in gewisser Weise letztlich doch folgerichtigen Schritt vor. Young spielte erst vereinzelt Linksverteidiger, dann später immer häufiger und letztlich auch konstant Rechtsverteidiger, fuhr sogar schon im Sommer 2018 als Flügelläufer mit zur WM.

Young als Rechtsverteidiger Ende der vergangenen Saison in der Partie gegen Chelsea

Zunächst einmal war es in dieser Konstellation von Vorteil, dass Young weiter von den Strafraumbereichen entfernt war, nicht so frühzeitig und auch quantitativ nicht so häufig in den unmittelbaren Offensivzonen eingebunden wurde. Dadurch entwickelte sich sein Spiel vorne nicht so einseitig linear, sondern diese einst in jüngeren, wendigeren Jahren noch für eine gewisse Zielstrebigkeit entscheidende Charakteristik wurde durch die tiefere Rolle besser kanalisiert. Er rückte gelegentlich in den Halbraum, sicherte dort tiefer ab und agierte bei etwaigen Vorstößen nicht nur als breiter Außenverteidiger, sondern pendelte auch stark vertikal durch den Halbraumkanal und sorgte damit dort für eine recht konstante, aber trotzdem dynamische Besetzung.

Gerade wenn Young als Linksverteidiger aus dem tiefen Halbraum im Aufbau aktiv war, bot eine solche Position allgemein für einen Rechtsfuß aussichtsreiche Möglichkeiten. In diesem Kontext kam eine der wichtigsten, wenngleich unterschwelligen Stärken Youngs zum Vorschein: Der englische Flügeldribbler hat eigentlich eine sehr saubere Passtechnik. Seine Zuspiele sind zwar oft unspektakulär ausgeführt, aber harmonisch. Als Außenverteidiger wurde diese Stärke, allein schon quantitativ, mehr betont und auf diesem Wege brachte er selbst wieder eine etwas bessere Diagonalität in sein Spiel zurück, die er einfach psychologisch mit absinkender Form teilweise verloren zu haben schien.

Weiterhin half es für die Einbindung als Außenverteidiger im Grundsatz, dass Young als Flügelstürmer eigentlich immer schon vergleichsweise defensivstark und diszipliniert gewesen war, vergleichsweise viel gegen den Ball gearbeitet hatte. Besonders seine Zugriffsfindung ist eigentlich sehr gut, das heißt, die Entscheidung, in welchem Moment man tatsächlich auf die Balleroberung gehen sollte. Sowohl in einer als pendelnde Viererkette gespielten Fünferkette als auch in einer Viererkette gelingt es Young somit ordentlich, die grundlegenden Defensivaufgaben in seiner neuen Position ordentlich zu erfüllen. Probleme hatte er aber gelegentlich etwa dabei, dass er sogar ballnah etwas zu breit agierte und das Gespür für den Anschluss zum Innenverteidiger verpasste.

Fazit

Nun darf man die Unterschiede nach seiner kleinen „Umschulung“ auch nicht zu extrem wie Nacht und Tag malen: Young hat als Außenverteidiger nicht mit einem Mal alle seine individuellen Schwächen abgelegt. Immer noch hat er beispielsweise mit seiner Entscheidungsfindung einige Male Probleme, diese kommen jedoch in anderen Situationen und Zusammenhängen entsprechend anders und grundsätzlich eher seltener zum Tragen. Das heißt aber nicht, dass ein solcher Effekt vereinzelt nicht auch umgekehrt und als Außenverteidiger gravierender sein kann als aus der höheren Position heraus. Gerade für die aktuelle Phase seiner Karriere ist die Einbindung als Außenverteidiger insgesamt mit einigen Vorteilen verbunden, in vielen, wenn auch nicht allen Belangen günstiger als jene als Offensivakteur und damit grundsätzlich passend.

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