Nach dem Schwung die Hürden

1:1

Viele gute Momente im Vertikal- und Übergangsspiel bei wenig Effektivität: Nach dynamischer Anfangsphase der Gastgeber und ihrer Raute pendelt sich die Partie zunehmend auf ein leistungsgerechtes Remis ein.

Was zunächst als 4-3-3 angekündigt war und kurzfristig so begann, veränderte sich bei Manchester United bald in Richtung Raute. Mata rückte nicht einfach vom Flügel ein und rochierte mit Ander Herrera, sondern betätigte sich als Zehner mit verschiedenen Horizontalbewegungen. Auch Lukaku und Rashford als Stürmer zeigten sich umtriebig, Letzterer beispielsweise mit vielen durchgehenden Diagonalläufen von tieferen Zonen halblinks bis weit nach außen zur rechten Seite. Für die situative Flügelbesetzung aus der Raute heraus konnte United zudem mit seinen Spielertypen im Mittelfeld noch Sorge tragen, insbesondere durch die Athletik Pogbas als hilfreicher Voraussetzung.

Vor allem aber tat den Gastgebern der komprimierte Fokus auf das Zentrum gut: So starteten sie zunächst aus einer kompakten Anlage mit vielen Anspielstationen heraus, konnten von dieser Basis aus mit anschließender Weiträumigkeit besser umgehen. In dieser Konstellation zeigte die Mannschaft von Ole Gunnar Solskjaer einen spielerisch guten Auftritt. Insbesondere die gruppentaktische Interaktion funktionierte: Sich bietende Möglichkeiten im Zusammenspiel nutzten die Spieler zielstrebiger aus als in manchen Partien der letzten Wochen und mitunter kombinierten sie über sehenswerte Doppelpässe. Die entsprechende Grundlage dafür lieferte ihnen auch das Gerüst der Raute: Sie machte es wahrscheinlicher, dass die verschiedenen Bewegungen zueinander fanden und sich die Situationen ergaben, in denen diese Interaktion möglich wurde.

Nicht ganz ausgewogen und geschlossen

Demgegenüber hatte Chelsea Probleme mit der Timingabstimmung im Herausrückverhalten. Die vorderen Spieler schoben häufiger recht aggressiv heraus, wenn die hinteren Akteure tiefer blieben, und einzelne Bewegungen beispielsweise der Verteidiger geschahen immer mal außerhalb der jeweiligen gruppentaktischen Muster. Hinzu kam in der ersten Phase der Partie, dass die Zehnerposition Matas recht stark über eine Mannorientierung Jorginhos verteidigt zu werden sollen schien. Zwar wurde der zentrale Sechser auch ohnehin schon einige Male tief gebunden, wenn er die letzte Linie für das mitunter weiträumige horizontale Durchschieben der Verteidiger auffüllen musste.

Aber so konnte er die Bereiche im Feldzentrum nicht stabil und vor allem ausgewogen genug abdecken. Mit zwei anderen Mittelfeldakteuren und potentiell dem ergänzenden Einrückaktionen vom ballfernen Flügel hatte Chelsea zwar noch genügend Präsenz, um sich lokal in den ballnahen Zonen geschärft aufzustellen. Doch bei verschiedenen gegnerischen Bewegungen in anschließende Ausweichräume, beispielsweise durch zurückfallende Stürmer, konnten sie in Schwierigkeiten geraten. Es bildeten sich Unstetigkeiten in der Raumaufteilung, sobald etwa Hazard von halblinks mal seine zockende Einbindungsmöglichkeit aufnahm und so nicht mehr die verbliebene Reihe ergänzen würde.

Wenn United beispielsweise über links aufbaute und Chelsea dort ins Pressing ging, lief sich Pogba mit gutem Timing diagonal nach außen hinter Kanté frei, um eine schnelle Anspielstation zu bieten. Der Achter der Gäste konnte dagegen nicht zu weit nach hinten mitgehen, da er sonst die direkte Kompaktheit zu sehr gefährdet und/oder die horizontale Anbindung für den Gegner zu sehr geöffnet hätte. Konstellationen wie diese waren es, die Chelseas Außenverteidiger zu einigen sehr weiten Herausrückbewegungen zwangen, um dadurch lokal offene Gegenspieler aufzunehmen. Diese Reaktionen waren schwierig zu timen und drohten die Ungleichverteilung nur zu verschieben, indem die Außenverteidiger auch gegen die Stürmer der Raute als Unterstützung nicht unwichtig waren.

Möglichkeiten zum Raumgewinn für United

Situativ verteidigte Chelsea in einem 4-4-2 bzw. formte dahin um, wenn Hazard zentraler bleiben durfte und Kovacic dahinter nach links herausschob. Dieses Auffüllen konnte er aber aufgrund der Rolle Jorginhos nicht immer so leisten, sondern musste sich häufiger auch umorientieren. So konnte sich auch ganz praktisch auswirken, dass United im Feldzentrum rein numerisch einen Spieler mehr hatte. Beispielsweise wurden Verlagerungen über Hazards Halbposition auf Young teilweise recht effektiv und erlaubten dem Rechtsverteidiger Aufrückmöglichkeiten am Flügel, wo der Raum für die Defensivmannschaft eigentlich oft hätte zugelaufen werden können. Die Bewegungen innerhalb des Mittelfelds zu timen war für die dortigen Spieler also eine Herausforderung, die sie individuell nicht einmal schlecht lösten – Jorginho bei der Ausführung seiner Deckungen, Kanté etwa im Anlaufverhalten.

Es blieb trotzdem nicht aus, dass United immer mal Ausweichräume innerhalb des Mittelfelds für sich fand. In einem typischen Fall musste ein zunächst potentiell ballnaher Spieler seine Zugriffssituation verlassen, um nach hinten nicht zu viel Raum preis zu geben. Durch Matas Rochaden ergaben sich für Ander Herrera einige Freiheiten im Halbraum, wenngleich er diese etwas unstetig nutzte. An dieser Stelle zeigte sich schon ein Knackpunkt bei der vor allem zu Beginn vielversprechenden und gut anzuschauenden Spielstärke Uniteds: die Frage nach der Rendite. Sie nutzten Kombinationsmöglichkeiten zwar gut, aber stellten sie nicht konstant genug her. Zum Strafraum hin wurde das Bewegungsspiel ungeordnet, nicht eindeutig genug festgelegt.

Die starke Tendenz zu ausweichenden Läufen aus der Raute heraus drohte also überhand zu nehmen. Zu Anfang schafften es gerade die ballführenden Spieler besser, in den nötigen Momenten wieder die Orientierung auf die tornahen Schnittstellen zu forcieren. Gefahr entstand primär über das Absetzen der Stürmer. Beim Tor konnte sich Lukaku zwischen den Anpassungsversuchen des Mittelfelds kurz als freier Spieler für einen Querpass in Position bringen, ein typisches Motiv. In diesem Fall spielte er dann den entscheidenden Ball tief in die Schnittstelle, die Chelsea hier nicht mehr verteidigt bekam, nachdem Azpilicueta weit außen verteidigen und Willian in den ersten Momenten den Lauf von Shaw selbst verfolgen musste.

Dynamiken des Spielcharakters

Mit der Zeit verlief sich der Auftritt der Gastgeber ein wenig. Das war nicht unbedingt eine Erscheinung des Verhaltens im Offensivbereich. Auch im zweiten Drittel neigte United stärker dazu, sich bei den Ausweichbewegungen aus dem Mittelfeld zu früh und zu weit auf den Flügel ziehen zu lassen und dort dann abgedrängt zu werden. Das korrespondierte mit formativen Verschiebungen, indem die Raute häufiger ins asymmetrische 4-2-3-1 zurück tendierte, dann eher mit Pogba über links. Auf der anderen Seite bekam später Chelsea mehr Gleichförmigkeit in ihr Spiel gegen den Ball: Die grundsätzlich mannorientierte Ausrichtung Jorginhos ließ Sarri wesentlich reduzieren, so dass Mata stärker an die Abwehr übergeben wurde.

Überhaupt fokussierten sich die Gäste auf die Kohärenz der Linien. Die einzelnen Spieler rückten insgesamt weniger ambitioniert heraus und legten Wert auf die Funktionalität der Standardabläufe. Bis sich diese Entwicklungen wesentlich verstärkten, war es bei beiden Mannschaften bis dahin häufiger mal vorgekommen, dass Spieler sich situativ in außergewöhnlichen, untypischen, unerwarteten Positionen fanden, gewissermaßen aus der Reihe. Gleichzeitig hatte United ein recht offensives Aufrückverhalten aus dem Mittelfeld, vor allem mit den verschiedenen seitlichen Bewegungen. Das gab Chelsea Voraussetzungen zum Umschalten. Im Falle von Hazards Zocken hatten die Gäste direkt eine sehr vielversprechende erste Anspielstation.

Überhaupt zeigten sie eine ruhige, kluge Kontereinleitung, nutzten verzögernde Dribblings geschickt und trafen rationale Entscheidungen bei der Raumnutzung. Oft gelang es ihnen, sich aus dem Konter gut nach vorne zu lösen, wenn auch die Szene nicht torgefährlich durchgebracht werden konnte. Das brachte einen in vielen Phasen recht vertikalen Gesamtzug in die Partie, zusammen mit Uniteds Aufrückmomenten. Nur führte das bei Chelsea dazu, dass im letzten Teil des Umschaltens der gezielte Übergang in den Ballbesitz mehrmals übergangen wurde. In solchen späteren Zügen der Situationen schenkten sie also einige Bälle her, die ursprüngliche Einleitung derselben bewältigten sie insgesamt sehr stark.

Meistens erfolgreich gegen den Druck, weniger gegen die Passivität

Überhaupt spielte sich das Team von Maurizio Sarri aus vielen Drucksituationen heraus. Hohes Angriffspressing der Gastgeber mit zwei hohen, engeren Stürmern, zunächst mannorientiertem Zustellen Matas gegen Jorginho und späterem Nachrücken des Zehners etwa überwanden sie in den meisten Fällen durch gute Mechanismen. Links wich beispielsweise Kovacic zur Seite und öffnete Raum für die Anschlussbewegung Jorginhos nach außen, so dass dieser direkt frei werden oder als spätere Weiterleitungsoption für ihn selbst in Position gebracht werden sollte.

Erhielt Kovacic am Flügel das Leder, versuchte er etwa kurz nach innen mitzunehmen und sich dann über einen Doppelpass weiter nach innen begeben zu können. Dieses Grundprinzip war entscheidend bei Chelsea, zeigte sich ebenfalls bei den tieferen, zurückfallenden Einbindungen Willians. Dieser, Hazard und Kovacic arbeiteten viel mit einleitenden Dribblings und pendelten dann von einem Raum zum nächsten, spielten dabei in konsequenter Aufgabenverteilung mit Jorginho oder Kanté als gewissermaßen stationären Prellspielern und bewegten sich so um diese herum.

Reihte sich United tiefer im gewöhnlichen Mittelfeldpressing auf, formierten sie sich hauptsächlich in einem flachen 4-3-3-0 und später noch vermehrt in einem asymmetrischen 4-4-2. Dagegen hatte Chelsea in den ersten Linien etwas Ruhe und kam auch – nach kleineren Startschwierigkeiten – insgesamt gut nach vorne. Sie konnten die die Bälle im seitlichen Halbraum neben dem passiven Block ins offensive Drittel tragen. United wich langsam und stabilitätsorientiert zurück, ehe schließlich die drei Angriffsspieler nicht die letzten Wege bis zum Strafraum zurück machten. Ließen sie sich tiefer mit zurückfallen, gingen sie aber in unorthodox breitere Positionen über, quasi den Außenverteidiger der Gäste blockierend, den Weg durch den dazwischen liegenden Vorwärtskanal im Halbraum aber zulassend.

Für die Orientierung und die Wahl im Passspiel war das situativ ein kleiner Störfaktor für Chelsea. Im Offensivdrittel bildete sich bei den „Blues“ ein Problem mit ihren prinzipiellen Linksüberladungen. Sie wollten oft mit Hazard, dem helfenden Kovacic und dem Außenverteidiger angreifen. Zunächst kamen sie erst gut zum Sechzehner hin und konnten mit ihrem Trio am Strafraumeck herum kombinieren, aber gegen die abwartende bis verzögernde Defensive nicht entscheidend Dynamik aufnehmen. Im Grunde genommen gelangten sie fast zu schnell nach vorne, ließen sich gegen den zurückweichenden Gegner übermäßig in diese Dreiecksaktionen hineintreiben.

Ballfern gab es im Halbraum eine recht klar aufrückende Rolle von Kanté, in vielen Fällen bis in die letzte Linie. Dadurch verringerten sich die Alternativen zum Fokus auf den halblinken Bereich in seiner Dauerhaftigkeit noch mehr. Die Gleichmäßigkeit der Struktur nahm zu und ließ die ballführenden Spieler mehrmals die Suche nach Entscheidungen abbrechen und zurück in den linken Halbraum abdrehen. Dorthin gelang es United zumeist frühzeitig genug zu verschieben. Chelsea musste entweder das Dreiecksspiel zum Durchbruchsversuch forcieren oder weit verlagern. Daneben waren noch Rückpässe ins Zentrum, wo sich Jorginho gut anbot, eine Option, die Anschlussmöglichkeiten aber nicht ganz so stabil.

Fazit

Beide Mannschaften agierten mit einer tiefen Defensivlinie, jedoch in unterschiedlichen Ansätzen, United mit Fokus auf die Kompaktheit der Endverteidigung in einer abwartenden Haltung, Chelsea über die weiträumigen und mitunter zu offenen Folgebewegungen hinter dem ersten Herausrücken. Später bekamen sie das Thema Kompaktheit besser in den Griff. Meistens konnten die hintersten Reihen der Kontrahenten das Herausspielen klarer, sauberer Abschlusspositionen jeweils noch verhindern, nachdem die Teams in verschiedenen Konstellationen zunächst gut mit gefälligen Spielzügen durch das zweite Drittel nach vorne gelangt waren.

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