Umstellung reicht nur zur Eindämmung

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Tottenhams Probleme mit Ajax werden später von der Raute vermehrt kaschiert, die zumindest das gegnerische Spiel eingrenzt, deren Verbesserung aber nicht wirklich überlegen macht.

Rückpässe zum Auflösen, Aufrücken über die Flügel

Tottenham hatte über weite Phasen mit der Zugriffsfindung Probleme. Die Gastgeber von Mauricio Pochettino starteten aus dem 5-1-2-2 mit etwas verbreiterten Achtern und versuchten durch das Viereck der vordersten Spieler vor allem der gegnerischen Doppel-Sechs viel Präsenz entgegen zu stellen. Aus der leicht seitlich verschobenen Grundposition der Mittelfeldakteure schoben diese auch für das Pressing auf die Außenverteidiger heraus, die die Spurs nur selten durch Herausrücken der Flügelläufer im Zuge einer pendelnden Viererkette übernehmen ließ. Sie schienen in diesem Zusammenhang zunächst auf Stabilität in der Tiefe bedacht.

Im Verschieben nach außen rückte der ballnahe Achter also heraus, die weiteren Folgebewegungen gestalteten sich aber eher zurückhaltend, so dass zumindest nur selten unmittelbar Druck ausgeübt werden konnte. Der ballferne Stürmer ließ sich jeweils eine Linie tiefer fallen und nahm dann dort den offen gelassenen gegnerischen Mittelfeldakteur auf. Dadurch ergab sich stets eine gute Anschlusskompaktheit, allerdings führte das andererseits auch dazu, dass Tottenham die verschiedenen Rückpasswege nicht so konstant und umfassend abdecken konnte. Ajax gelangen also relativ gut Neueinstiege in die tiefe Zirkulation und Verlagerungen von dort zwischen den Seiten.

Im weiteren Verlauf kamen sie deswegen erst einmal solide über die Flügel ins mittlere Drittel. Auch in diesen Momenten verteidigte Tottenham wiederum mit den Achtern weit in die Breite. Bei Ajax schaltete sich Tadic von der Mittelstürmerposition recht präsent als Unterstützungsakteur ein, teilweise fast etwas überbordend mit der Gefahr, auch mal den einen oder anderen Raum zu stark zu verengen, worin sich die Gäste aber mehrmals zurechtfinden sollten. Diese Rückstöße wurden oft mannorientiert von Wanyama verfolgt, der sich daher ebenfalls vielfach in breiteren Zonen mit aufhielt. Demgegenüber orientierte sich der ballferne Achter wiederum eher flach und breit gestaffelt.

In die horizontalen Zwischenlücken dorthin konnte sich Ajax durch das Spektrum ihrer verschiedenen Freilaufbewegungen aus den insgesamt diesmal guten bis ordentlichen, aber nicht unbedingt optimalen Ausgangssituationen immer mal wieder lösen und das Spiel dann weiter auf die andere Seite nach vorne öffnen. Vor allem Ziyech oder einer der Sechser machten dies, van de Beek band mit seinen häufigen Ausweichbewegungen entweder ballnähere Verteidiger gegen mögliches Herausrücken oder ballferne Verteidiger zum zusätzlichen Blocken von Verlagerungswegen.

Auch in den vorderen Bereichen bildeten schließlich diese zuarbeitenden, ergänzenden Bewegungen und insgesamt die schlüssige Aufgabenverteilung wichtige Punkte für Ajax. Vor allem Tagliafico sorgte nachrückend für die Breitenbesetzung, Tadic stellte Verbindungen vom Flügel her und die anderen Offensivakteure umstellten sehr gut die offenen Halbräume um die zum Strafraum flach organisierten Rückzugsbewegungen Tottenhams. Das Paradebeispiel war Ziyechs Positionsfindung vor dem Tor, zumal aufgrund der guten Wahl und Gewichtung des Passes und des Geschicks van de Beeks bei der Besetzung der Schnittstelle. Solche und ähnliche kleine Kombinationsaktionen nach guter Vornutzung des Rückraums gab es hier und dort in der Art, dass es insgesamt für einen Treffer reichte und prinzipiell auch für einen zweiten hätte reichen können.

Tottenham spielt lange Bälle

Aus dem 4-3-3 konnten die Gäste von Erik ten Hag gegen den Ball sich gut in ihren typischen Mannorientierungen aufreihen gegen Tottenhams Grundausrichtung. Die Stürmer hielten sich auch im höheren Zustellen etwas enger und deckten so die Halbräume ab, konnten dadurch jeweils recht schnell in die Rückzugsbewegung kommen und zumindest den vorderen Teil des Mittelfelds unterstützen, wo sich van de Beek entsprechend in der Nähe von Wanyama hielt. Gegen die Ausgangssituation der drei Ajax-Stürmer gegen die Dreierkette griff Tottenham insgesamt immer wieder sehr früh schon zu langen Bällen, häufig durch den rechten Halbraum nach vorne geschlagen.

Durch einzelne Rückstöße insbesondere der Achter konnten die Gastgeber in der unmittelbaren Vorbereitung solcher Momente zwar nicht selten einen jeweiligen Gegenspieler ein Stück herausziehen. Aber trotz Llorente als großgewachsenen Zielspielers ging jene Strategie mit den langen Bällen letztlich nicht wirklich auf: Die Abwehrlinie Ajax´ traf viele gute Entscheidungen auch in brenzligen und/oder dynamischen Szenen, fand ein gutes Timing für raumgreifendes Herausrücken und zog je nach Situation im unmittelbaren Kopfballduell auch mal zurück, um sich mehr auf die Abdeckung in möglichen Folgeszenen zu konzentrieren.

Gerade die Außenverteidiger unterstützten bei jeder Möglichkeit, in der sie nicht ballnah im Pressing herausrücken mussten, sehr geschlossen und insgesamt auch kompakter als die Flügelläufer von der Gegenseite. Im Mittelfeld entwickelte die schnelle Rückzugsbewegung der Ajax-Spieler viel Wirkung, während bei Tottenham manche Vorwärtsläufe eher etwas zu ungeduldig daherkamen. Insgesamt machte das Gesamtkonstrukt bei Tottenham keinen so sauber und spezifisch organisierten Eindruck, zumal Pochettinos Team dort normalerweise besser aufgestellt ist. Den stabileren Zugriff auf Abpraller und zweite Bälle fanden in der Gesamtkonstellation damit die Gäste.

Erst in der Phase unmittelbar vor der Pause und dann auch weiter im zweiten Durchgang konnte Tottenham die gegnerische Überlegenheit zunehmend eindämmen, im Mittelfeld besser mithalten und dort Ajax in ein umkämpftes, bisweilen unsauberes Duell verwickeln. Einen entscheidenden Faktor dafür bildete auch die Umstellung Pochettinos, der endgültig aus Anlass der erzwungenen Auswechslung Vertonghens reagierte. Schon zuvor hatte sich Rose vom linken Flügel diagonal einrückend positioniert und asymmetrische Viererkettenkonstellationen hergestellt, allerdings war er selbst als die zusätzliche Ergänzung in den Halbraumbereichen nicht so gut aufgehoben und die gesamte Variation sehr improvisiert umgesetzt.

Mit der Raute im Spiel

Nach der Einwechslung von Sissoko für Vertonghen vollzog sich der Wechsel auf eine Viererkette wesentlich geordneter: Nun formierte Pochettino eine Rautenformation – und wählte damit eine prinzipiell passende Grundordnung. Das kam nicht unbedingt direkt im Aufbauspiel als solchem zur Geltung, indem Tottenham dort den zusätzlichen Zentrumsspieler für etwaige Überzahlbildung hätte entscheidend nutzen können. Auch die Raute blieb im Verschieben für Ajax noch gut zu verteidigen, da sie im Gesamtkontext des Spiels über das jeweilige Einrücken ballferner Spieler in den entsprechenden lokalen Strukturen auch so stabil genug waren.

Vielmehr machte sich die Raute für den Kampf um Abpraller nach den weiterhin häufigen langen Zuspiele bezahlt: Einige Bälle, die eher nach hinten oder diagonal zurücksprangen, gingen zwar auch nach den Veränderungen an Ajax mit deren Anschlussbewegungen der Stürmer einerseits sowie der Außenverteidiger andererseits. Aber dafür eroberte Tottenham besonders die höheren Mittelfeldzonen vermehrt für sch, wohin sie aus der Raute sehr präsent und druckvoll mit Alli, Eriksen und Sissoko nachrücken konnten, etwa bei horizontalen Kopfballweiterleitungen oder horizontal abgefälschten Bällen gerade in den ballfernen offensiven Halbraum. In diesen Bereichen ergaben sich dynamische Überladungsansätze und punktuell einige Abschlussmöglichkeiten.

Das Ausspielen gelang Tottenham in dieser Begegnung aber kaum, gerade die Ausführung der Raute wirkte improvisiert: Aus dem Mittelfeld gestalteten sich die Bewegungen recht unklar, drifteten oft in abgelegene, schwierig erreichbare Räume ab, so dass Verbindungen abbrachen und die ballführenden Spieler oft zu sehr ambitionierter Dribblingnutzung getrieben waren. Insofern sich daraus viele unsaubere Angriffsverläufe ergaben, war das 4-1-2-1-2 wiederum sehr wichtig dafür, dass Ajax in der zweiten Hälfte kaum mehr in Konter kam. Das Umschalten konnte Tottenham durch die hohe Personaldichte im Zentrum verhindern und sich so weitere Offensivpräsenz schaffen.

In dieser Hinsicht bestand ein Nebeneffekt des Formationswechsels im Pressing noch darin, über die Tiefenstaffelung der Raute Querpässe und Rückraumnutzung für Ajax etwas zu erschweren – und damit umgekehrt deren Aufbau längerer Zirkulationsphasen für eigene Spielanteile oder auch Entlastung. Letztlich gelang es Tottenham nach der Pause also vor allem, mehr Zugriff auf die Partie zu bekommen und primär Ajax´ Entfaltung zu verhindern, mit hohem Aufwand. Weiter darüber hinaus kamen sie allerdings nicht: Sich selbst konstante, stabile Strukturvorteile zu schaffen, blieb in einer durchwachsenen Begegnung aus. Die zweite Halbzeit machte auch deutlich, wie anfällig Ajax noch sein kann. Für das Rückspiel im Speziellen sollten die Amsterdamer vor dem Hintergrund der gesamten Eindrücke dennoch fast alle Trümpfe in der Hand haben.

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