Heiße Luft in Amsterdam

1:1

Louis van Gaal spielt 2014 reloaded, Deutschland bindet die Flügelverteidiger und hat Ruhe – bis zu späten Umstellungen und nachlassender Entscheidungsfindung.

Wer die dritte Amtszeit von Louis van Gaal als Bondscoach bisher noch nicht eingehender verfolgt hatte, der brauchte nicht lange, um Bekanntes zu entdecken: Im Testspiel gegen die DFB-Elf ließ der legendäre Tulpengeneral in den extremen Mannorientierungen verteidigen, die seine Teams auch schon in den Jahren unmittelbar vor seinem zwischenzeitlichen Karriereende ausgemacht hatten. Oranje spielte über den gesamten Platz in 1gegen1-Zuordnungen, natürlich torseitig ausgerichtet und ballfern jeweils etwas weniger eng, um den Anschluss an die Mitspieler nicht zu verlieren.

Typischerweise musste Blind weit gegen Müller herausgehen, der sich oft im Zentrum tummelte. In der Anfangsphase starteten Sané und Havertz im Wechsel ballfern viele Sprints hinter die Abwehr, denen de Ligt und de Jong zunächst hinterhergehen mussten, um in den Momenten dazwischen die Gegenspieler über Abstände von drei oder vier Metern tauschen zu können. Insgesamt nahmen die Mannorientierungen viel Luft aus der Partie, da sich die Niederländer in dieser Anlage auch weiter zurückziehen mussten. Es gab punktuell zwar einige sehr intensive Momente, aber dazwischen hatte die Begegnung doch vergleichsweise viele „Standzeiten“.

Auflösen über (Eck auf) Kehrer

Die niederländischen Mannorientierungen gegen die deutsche Aufbauformation

Zumal gestaltete die deutsche Mannschaft ihren Aufbau gegen diese Mannorientierungen strukturell eher zurückhaltend, ohne zu viel an der Organisation verändern zu wollen. Im Zentrum gab es manche Rochaden zwischen Gündogan, Musiala und den Offensivspielern, aber auch das Bemühen, möglichst nicht zu viel rotieren zu wollen, und weiterhin keine größeren positionellen Umformungen.

Wenn die Niederländer vorne mit den zwei Stürmern gegen die zwei Innenverteidiger standen, hielt sich vor allem der linke Angreifer – in der Regel Depay – passenderweise etwas breiter, um Kehrer als den flacheren Außenverteidiger mit im Deckungsschatten zu versperren. Das typische Vorgehen der deutschen Mannschaft lautete dagegen: Irgendwann kam im Zentrum einer der dortigen Akteure dynamisch zum Ball, bot sich an und verlagerte – häufig mit dem ersten Kontakt – nach rechts auf Kehrer heraus. Über ein solches Dreiecksspiel ließ sich Depays Position im Passweg knacken.

Nach diesen Aktionen hatte Kehrer viel Raum und konnte aufrücken. Eigentlich hätte nach der niederländischen Mannorientierungslogik Malacia gegen ihn herausschieben müssen. Das funktionierte aber aus mehreren Gründen nicht gut und nochmals deutlich weniger als im Duell von Dumfries gegen Raum auf der anderen Bahn. Zwei relativ simple Faktoren als Basis: Erstens war Kehrers Startposition flacher und daher in vielen Szenen der Weg für Malacia recht weit, so dass er es vorzog, in der Kette zu bleiben. Zweitens war er genau dazu und zu Aufgaben in der Absicherung ohnehin vermehrt gezwungen, da Blind gegen Müller die letzte Linie so oft verlassen musste.

Drittens spielte die Ausrichtung der DFB-Elf als weiterer Faktor entscheidend hinein. Das deutsche Team kam im Laufe der Anfangsphase schnell dahinter, wie man diese Aufrückräume forcieren und so den Gegner weit zurückschieben konnte – durch das Binden der Flügelverteidiger. Wechselnd wichen die Offensivspieler nach außen aus und besetzten genau den Raum vor Dumfries und vor allem Malacia. So wurden diese beschäftigt und taten sich schwerer, schnell herauszuschieben. Auf der rechten Seite war es immer häufiger Havertz, der während des Aufbaus ohne Ball nach außen wich und Malacia band. (Vom Prinzip ähnlich ließ Pep Guardiola mal gegen Roger Schmidts Pressing mit vorrückenden Außenverteidigern die Stürmer breit spielen.)

Beispiel, wie Deutschland auf den flach positionierten Kehrer öffnen konnte: Musiala kommt mit Auftaktbewegungen dynamisch entgegen und verlagert raus

Die Herausforderung, den Kehrer-Freiraum gut zu nutzen

Selbst wenn Deutschland auf diese Weise Kehrer „befreien“ konnte und phasenweise enorm leicht ins Angriffsdrittel aufzurücken vermochte: So groß die Räume auch wirken, ist es dennoch für den jeweiligen Spieler, der den Ball treiben kann, gar keine ganz leichte Aufgabe, sie auch geschickt zu nutzen. Einerseits muss man ein gewisses Tempo und Zug ins Dribbling bringen, damit der Raumgewinn auch effektiv wird – bevor die überspielten Reihen zurückschieben (hier in Person der niederländischen Stürmer weniger das Thema) und/oder der Gegner sich im Mittelfeldzentrum wieder neu orientieren und klar organisieren kann.

Andererseits darf man nicht zu schnell und hektisch vorstürmen, weil man dann leicht dazu tendiert, in die letzte gegnerische Linie „hineinzurennen“ (und ggf. die Mitspieler zu ebenfalls zu vertikalen Bewegungen zu veranlassen) statt nochmalige Verlagerungsmöglichkeiten mit einzubeziehen. Kehrer musste erst einmal die richtige Balance finden. Gleichzeitig waren die unterstützenden Bewegungen der Mitspieler wechselhaft: Erst wegzugehen und Raum zu öffnen, bevor im richtigen Moment ein Kollege kurz zum Herstellen eines 2gegen1 wieder dazukommt – das gelang nicht immer.

Die niederländischen Verteidiger wiederum agierten für ihren Teil geschickt: Sie fielen gegen Kehrers Dribblings recht schnell und vor allem geschlossen zurück, hielten die horizontalen Abstände enorm eng und rückten erst sehr spät, dann aber äußerst dynamisch auf Gegenspieler im Rückraum heraus. Die deutschen Spieler konnten sich häufig einige Schritte nach hinten ins Zentrum absetzen, hatten dann aber gegen Herausrückbewegungen fast nur noch seitliche Anspielstationen, die die Niederländer noch einigermaßen verzögern konnten. Vereinzelt kamen Spielzüge durch wie bei Sanés Chance in der Anfangsphase.

Auch das deutsche Tor gehörte dazu. Bei diesem Treffer spielte eine wichtige Komponente mit herein, die es ansonsten nur in wenigen Angriffen so gab – ergänzendes Aufrücken aus der Innenverteidigung. Nachdem Deutschland den Gegner wieder an den Strafraum gedrängt hatte und nochmal neu nach halblinks verlagern konnte, stellte Schlotterbeck einen Zusatzspieler her. Der Freiburger löste sich im Rücken von Malen nach vorne weg für den Querpass von Gündogan und besetzte einen offenen Halbraumbereich. So war der erste Ball auf Raum effektiver und dieser wiederum konnte bei seinem Rückpass in eine deutlich kontrolliertere Situation zurückspielen. Dadurch schließlich war mehr Zeit da, in denen die folgenden Bewegungen wirksam vorbereitet werden konnten – insbesondere Musialas wichtiger diagonaler Tiefenlauf.

Solche Freilaufbewegungen aus dem Rücken des Stürmers nach vorne sind für viele Verteidiger sehr unintuitiv, weil sie einer klassischen Absicherungslogik widersprechen, aber in den letzten zwei bis drei Jahren sieht man sie doch langsam mehr und mehr (siehe auch Blinds Orientierung in der einen Szenengrafik weiter unten). Im Hinblick auf die Restverteidigung konnte die deutsche Mannschaft grundsätzlich stets auf den ballfernen Außenverteidiger setzen, aber dafür war die extreme Mannorientierungsspielweise des Gegners doch unangenehm: Prinzipiell deckten Depay und Malen fast von oben im 1gegen1 und fast die Rückpasswege, blieben meistens also sehr hoch und so war es für das DFB-Team gar nicht so einfach, einer 2gegen2-Gleichzahl in der letzten Linie zu entkommen.

Höheres Vorrücken: Notwendigkeit und Risiko

Nach dem Rückstand zur Halbzeit versuchte Oranje, das Pressing etwas weiter nach vorne zu verlagern. Theoretisch hört sich das auf Basis der starken Mannorientierungen leicht an, da man nur jeden direkten Gegenspieler höher und aggressiver anlaufen müsste. Praktisch ist man aber doch von den genauen Positionen und ggf. Positionsveränderungen der anderen Mannschaft sowie deren Abständen abhängig. Tendenziell versuchten die niederländischen Flügelverteidiger höher auf Sprung zu stehen, um die deutschen Außenverteidiger früher anlaufen zu können. Auf der linken Seite wichen die Niederländer in einigen Szenen davon ab: Malacia schob nicht höher, sondern Kehrer wurde anders verteidigt, wahrscheinlich wegen der Abstände. Oft musste Depay ihn aufnehmen und Berghuis schob als nomineller Zehner halblinks in die erste Pressinglinie.

Das verstärkte nochmals die ohnehin schon erhöhte Notwendigkeit auch für die zentralen Spieler, aggressiver und weiter vorschieben zu müssen. Das gab manch kuriosem Effekt, wenn etwa de Ligt zwischenzeitlich am deutschen Strafraum verteidigte. Genau darin lag die Schwierigkeit für den Gastgeber: Wenn man höher pressen und dafür aggressiver verfolgen wollte, reichte nur ein einziger Spieler, der sich in einer beliebigen Situation doch nicht trauen würde, so weit aus seiner Position herauszuschieben – und schon wäre eine Anspielstation für den Gegner offen und das ganze Gebilde könnte in sich zusammenfallen.

Die Herausforderung für die Niederlande im höheren Pressing, alle zentralen Optionen schließen zu können (hier allerdings gegen eine der eher schlechteren deutschen Aufbaustaffelungen mit sehr hohen Außenverteidigern und dann späte, suboptimale Unterstützung von vorne) – nur möglich über weiträumiges Verfolgen der Verteidiger. Sané ist hier im ersten Moment hinter Berghuis zwar nicht anspielbar, nach Rüdigers Rückpass auf Neuer könnte sich das aber ändern. Daher muss Blind weit ins Mittelfeld rücken. Neuer verhält sich clever und dribbelt bzw. geht mit Ball einige Schritte nach vorne. Nachdem Blind Sané aufgenommen hat, versucht Havertz als weitere Option dazuzukommen. Auch er könnte die Situation potentiell auflösen. Hier reagiert Depay (tiefer gegen Kehrer) geschickt und schiebt etwas an den entsprechenden Raum heran. Als Neuer dann zum Flugball ausholt, orientiert er sich schnell wieder zurück.

Zunächst brachte die höhere Spielweise die Niederländer also nicht voran. In der Anfangsphase von Durchgang zwei blieb weiter das DFB-Team etwas gefährlicher und schien die besseren Aussichten zu haben, die Partie noch stärker zu den eigenen Gunsten zu bewegen. Nachdem die eine oder andere Torchance nicht genutzt wurde, ließ mit der Zeit aber die Entscheidungsfindung nach. Gegen die vermehrten Herausrückbewegungen des Gegners neigten die deutschen Spieler dazu, zunehmend vertikaler und hektischer die direkten Vorwärtswege zu suchen und sich schneller zum unbedachten Tiefenball auch in Situationen hinreißen zu lassen, in denen sie zuvor noch überlegter agiert hatten.

DFB-Team wird unruhiger, Oranje passt spät an

So gingen Spielanteile verloren und es entstand eine nachteilige Eigendynamik, die den Eindruck von Unruhe brachte. Nachdem von niederländischer Seite der Freiraum vor Kehrer recht lange zugelassen und nur zwischenzeitlich durch die veränderte Aufteilung zwischen Berghuis und Depay bekämpft worden war, gab es zum Ende der Partie hin schließlich noch eine größere Anpassung bei Oranje: Oft schob einer der defensiven Mittelfeldakteure (oft der eingewechselte Wijnaldum) bei Verlagerungen oder Flugbällen auf den deutschen Rechtsverteidiger dynamisch heraus und/oder stand schon auf dem Sprung.

So hatte Kehrer schneller einen Gegenspieler vor sich. Malacia (später Aké) konnte in der Abwehr bleiben und einen Offensivspieler aufnehmen. In jener Konstellation, in der Kehrer früher gestellt wurde und vermehrt kurze Unterstützung brauchte, wurde die breite Besetzung der rechten Seite für Deutschland von einem Vorteil zumindest zu einem kleinen Ballast. Der dortige Spieler konnte aus hoher Startposition nicht viel mehr machen als die nächste Gleichzahlsituation zu schaffen und hatte auch nicht die besten Winkel für eigene Aktionen, was der eingewechselte Brandt zu spüren bekam.

Wenn ein anderer Akteur aus dem Zentrum unterstützte, hatte man jeweils die Gefahr, den Raum weiter zuzulaufen. Es war keinesfalls zwingend, dass die deutsche Mannschaft jene Gleichzahlsituationen gruppentaktisch nicht auch hätte ausspielen und zu den eigenen Gunsten lösen können – sondern es war absolut möglich und grundsätzlich erst einmal mit einer theoretischen 50%-Chance, nur eben keine ideale Ausgangslage. Manchmal gelang das auch und führte noch zu manchem Ansatz, wegen der zunehmend unruhigen Entscheidungsfindung in Summe letztlich deutlich seltener, als es normalerweise zu anderen Zeitpunkten, beispielsweise einem geordneten Spielbeginn, gewesen wäre.

Niederländischer Ballbesitz gegen deutsches Pressing

Folglich kamen die Niederländer besser in die Partie und nutzten jene Phase zum Ausgleich. Daneben gab es noch den überraschend zurückgenommenen Elfmeter, aber darüber hinaus gar nicht so viele weitere größere Chancen. Exemplarisch wurden in den beiden Szenen die wichtigsten Elemente des Spiels der Elftal im eigenen Ballbesitz: Viele Flug- und Diagonalbälle einerseits, wie bei der Verlagerung de Jongs auf den zurück köpfenden Dumfries vor dem 1:1, und kleine lokale Pärchen- oder Dreiecksbildungen, die schnell ausgespielt wurden, andererseits.

Auf diesen zwei Säulen ruhte der Ansatz der Niederländer über das gesamte Spiel hinweg, in den unterschiedlichsten Zonen des Feldes, ob im Umschalten oder aus dem Aufbau heraus. Stilistisch erinnerte das sogar recht stark an die Ausrichtung der WM 2014 – allerdings in aufgepepptem Gewand, da einfach besser und zielorientierter ausgeführt. Während van Gaals letzter Amtszeit als Bondscoach hatte Oranje über eineinhalb Jahre hinweg auf dem Weg nach Brasilien seinerzeit im 4-3-3 immer wieder viele gute Ansätze. Beim Turnier selbst waren Aufbau- und Ballbesitzspiel aus einer 3-4-1-2-Grundordnung dagegen ein großes Problemfeld und schon in der grundlegendsten Basis unsauber – bezüglich der Struktur als solcher wie auch bezüglich der Qualität der reinen Ballzirkulation.

Die Problematik hatte sich damals bis in van Gaals anschließende Zeit bei Manchester United weitergetragen, in der aktuellen Phase als Bondscoach setzt sie sich nicht mehr fort. Gegen Deutschland blieb Oranje in der Spieleröffnung vom Torhüter aus aber zumindest nicht frei von Problemen. Gegen die niederländische Dreier-/Fünferkette konnte das deutsche Team mit vier Offensivspielern (zwischen 4-2-3-1, 4-2-1-3 und 4-2-2-2) immer aus Zwischenpositionen zwischen den fünf nominellen Abwehrspielern das Anlaufen starten. Auf dieser Basis war es auf verschiedene Weisen möglich, flexibel und asymmetrisch in 3gegen3-Gleichzahlsituationen zu schieben und den jeweils ballfernsten Akteur immer zusätzlich auf dem Sprung zu den gegnerischen Sechsern zu haben.

Eine frühe Pressingszene des deutschen Teams: Müller schiebt hier ballfern ein und Werner kann auf einen Rückpass hin ins Anlaufen starten (worauf Oranje kurz nur über van Dijk noch lösen könnte, der darin aber unsauber agierte), die Doppel-Sechs enorm kompakt ballseitig, Außenverteidiger schiebt ballnah bei Bedarf hoch

Damit hatte das deutsche Team mehr Handlungsmöglichkeiten gegen den Ball als der Gegner auf der anderen Seite und einfacher die Möglichkeit, überhaupt im vordersten Drittel zu verteidigen. Es konnte schneller reagieren und kam insgesamt auch zu einer – im Verhältnis zur kurzen Trainingszeit im Nationalmannschaftskontext – soliden Umsetzung. Auch aus dieser Perspektive trug der Unterschied der Pressingspielweisen entscheidend dazu bei, dass in Halbzeit eins die Spielanteile stärker auf deutscher Seite lagen. Gelegentlich konnte sich de Jong gegen 4-2-1-3-Staffelungen seitlich neben den Zehner absetzen. Ansonsten gab es viele schnelle Rückpässe auf Flekken, der letztlich oft mit Flugbällen auf die Flügelverteidiger neu zu eröffnen versuchte.

Extremes Auffächern schafft (nur) Ballsicherung

Nach kurzer Zeit begannen die Niederländer mit verschiedenen Umformungen: Unter anderem ging Blind zwischenzeitlich weiter ins Mittelfeld nach vorne, Malacia bewegte sich flacher, um kürzer anspielbar zu werden, und teilweise ging Depay währenddessen früher nach außen. Vor allem das extrem breite Herauskippen von Koopmeiners rechts zwischen den weiterhin auffächernden de Ligt und den außen bleibenden Dumfries oder gar zwischen de Ligt und van Dijk nahm mehr und mehr eine Schlüsselrolle an. Die Niederländer schienen darauf abzuzielen, die Struktur möglichst großräumig anzulegen und möglichst viele Spieler um den deutschen Block herum zu positionieren.

Gleichzeitig gab es die Vielzahl an möglichen Umpositionierungen, die jeweils dazu zwangen, sich neu zu orientieren. Im Verbund machten diese Faktoren es dem deutschen Team zunehmend schwieriger, durchgehenden Zugriff in der ersten Linie zu schaffen. Punktuell entstanden weiterhin gute Pressingmomente auf den gegnerischen Keeper, aber gegen das enorme Auffächern und das Andeuten statischer Flugbälle wurde es kaum praktikabel, jeden Querpass und jede Verlagerung zuzulaufen. Die Anzahl der Szenen, in denen Deutschland sich um 10 bis 20 Meter zurückziehen musste, nahm zu. Die niederländische Ballbesitzstruktur funktionierte zumindest insoweit gut, dass sie dem Gegner den Zugriff in der vordersten Linie wegnahm – aber eben hauptsächlich dort.

Selten entstand aus entsprechenden Szenen mehr als ein kleiner Raumgewinn. Die Niederländer konnten dem gegnerischen Druck entweichen, den Ball sichern und vielleicht einige Meter aufrücken – aber selten brachten selbst das weite Herauskippen von Koopmeiners und die verschiedenen Flugbälle mehr als das. Diese Umformungen im Aufbau sorgten erst einmal dafür bzw. waren insoweit „erfolgreich“, gegnerische Vorteile zu verhindern oder zu neutralisieren, aber sie wirkten nicht so weit, dass sie klar eigene Vorteile brachten. Sie stellten gewissermaßen eine Pattsituation her, reduzierten Druck und dienten vor allem der Ballsicherung.

Gute niederländische Ansätze in Anschlussaktionen von außen

Kurz gesagt: Jenseits dieses Effekts der Ballsicherung produzierte der Aufbau der Niederländer kaum Situationen, die wirklich klares und vielversprechendes Potential für Angriffe hergegeben hätten. Um nach vorne zu kommen, musste Oranje statt auf die Qualität der Ausgangslage – also die größere Struktur als Grundlage – auf das gruppentaktische Verhalten der Beteiligten setzen.

Weiterer und „offensiverer“ Raumgewinn gelang dann einige Male in den Folgemomenten, da die Niederländer auch gute Ansätze zeigten, wenn es darum ging, von den Flügelverteidigerpositionen (bzw. allgemein nach Verlagerungen) Anschlussaktionen herzustellen.

Berghuis nach einem Ballgewinn ausweichend, um den Ballbesitz zu sichern: Aus der Dynamik haben sich die Positionsbesetzungen vertauscht; im Grunde ist Berghuis in dem nun folgenden Ballbesitzmoment praktisch in der Position des Flügelverteidigers (Malacia), Malacia in der des Halbverteidigers (Blind) und Blind in der des Sechsers (de Jong). Blind verhält sich dann auch stellvertretend so: Mit dem erneuten Pass zurück auf den Flügelverteidiger (hier eben Berghuis statt Malacia; von dem Raum her gesehen, in dem er sich bewegt) löst er sich zentral als Anschlussoption in den Raum. Genauso kommt Depay in dem Moment als diagonale Option ins Mittelfeld.

Zum einen betraf das die ballführenden Spieler: de Ligt hatte beispielsweise beim Andribbeln einige Male ein hervorragendes Timing für den Moment des Tiefenballes, wie vor der gefährlichen Szene mit Malen zu Spielbeginn. In jener Aktion glänzten zudem die gegenläufigen Bewegungsmuster der Angreifer, die gut trainiert wirkten: Die beiden formierten sich vor dem Lauf eng aneinander und lauerten in kurzen Abständen auf den Sprint in die Spitze. So stellten sie die Verteidiger vor eine Aufgabe in einer Szene, in der eigentlich von vornherein klar, dass nur genau jene Aktion ein gefährliches Mittel für den Durchbruch würde sein können – letztlich aber mit der Frage, wer von beiden wie den entsprechenden Weg machen würde.

Malacia tat dem niederländischen Spiel mit seiner sauberen Orientierung in der Diagonalen sehr gut. Er erkannte schnell die vorhandenen Räume und Wege ins Mittelfeld hinein und befand sich dadurch in verhältnismäßig günstiger Ausgangsposition, sofern er außen im 1gegen1 von Kehrer oder einem Offensivspieler gepresst wurde. Wenn sich de Jong als kurze Anspielstation anbot und ein entsprechender Pass umsetzbar war, ergriff Malacia ziemlich zuverlässig solche Gelegenheiten. Auf jener Seite unterstützte Depay zudem gut, indem er sich gegenläufig diagonal zum Ball zurückfallen ließ, oft in kleine Zwischenräume des deutschen Mittelfelds (hierzu eben die Szenengrafik oben).

Zum anderen kamen, wie in einem solchen Fall, die kleinen Pärchenbildungen ins Spiel. Die niederländischen Offensivkräfte sorgten an unterschiedlichen Stellen für kleine Ballungen, die sie mitunter attackierend bis riskant ausspielten – ob einer der Stürmer in direkter Nähe zum Flügelverteidiger, beide Stürmer eng im Zwischenlinienraum oder einer von ihnen im Duett mit Berghuis überladend auf einem der Flügel. Diese kurzen, lokalen Engenbildungen bieten für die ersten Momente nach Verlagerungen, solange der Gegner noch nicht komplett hat nachschieben können, hohes Potential: Man lockt damit die unmittelbaren Gegenspieler an, vergrößert so die Anschlussräume zum Rest und kann sich dynamisch genau dort hinein lösen, um den Spielzug wieder zu beschleunigen.

Spielerqualität hilft van Gaal(s Spielweise)?

In diesen Szenen stach Depay auch individuell gesehen hervor und setzte damit fort, was er schon letzten Sommer bei der EM gezeigt hatte. Wenn er von den Flügelverteidigern im Zentrum oder Halbraum angespielt wurde, konnte er im Zweifel auch über Einzelaktionen den Übergang in die Spitze herstellen. Seine Vorlage zur Großchance von Malen stand beispielhaft dafür – beeindruckend, wie bruchlos und dynamisch er nach dem wegspringen Ball im Duell mit Gündogan aus der Bewegung zum Ball direkt einen dann enorm scharf gewichteten Pass anschließen konnte.

In diesem Zusammenhang noch eine letzte kleine Hypothese, warum Elemente von van Gaal‘schem Offensivspiel momentan vielleicht etwas besser funktionieren als „früher“: Wenn man auf die vergangenen Jahre zurückblickt, dann war es rein gruppentaktisch in van Gaal-Teams eigentlich oft so, dass viele Spieler eine gute Zwischenraumbesetzung entwickelten (nur bei United dann weniger; in der vorigen Amtszeit als Nationaltrainer zumindest wechselhaft; bei Bayern seinerzeit aber für die damaligen Verhältnisse ziemlich ausgeprägt; bei AZ davor ohnehin).

Daraus entstand damals ein relativ geringer Effekt. Heute gibt es viel mehr Spieler, die einerseits viel selbstverständlicher in diesen Bereichen zurechtkommen – auch unter Druck und/oder in suboptimalen Situationen – und die andererseits selbstverständlicher die Orientierung auf diese Bereiche haben und sie vor allem selbst dann halten, wenn eine Isolation droht. Dementsprechend bekommt man einzelne gute Bewegungen in Zwischenräume hinein auch aus einer vergleichsweise breiten, festen Positionsstruktur ganz automatisch öfter und besser angespielt und genutzt.

Fazit

Wegen der enormen Mannorientierungen (und der dadurch erzwungenen passiven Strategie) der Niederländer verlief der Klassiker zwischen den Nachbarländern (gefolgt von einem post-match-Spektakel, das Unterhaltung bot) letztlich in vielen Phasen recht unspektakulär. Vor acht Jahren erreichte die van Gaal‘sche Elftal bei der WM mit genau dieser Defensivlogik (und damals noch weniger Qualität bei eigenem Ballbesitz) immerhin einen dritten Platz, aber dafür musste auch sehr vieles günstig zusammenlaufen. Ob man sich noch einmal darauf verlassen kann, scheint zumindest fraglich – und es war eben vor acht Jahren.

Aus Sicht der deutschen Mannschaft lässt sich aus dieser Partie vielleicht gar nicht so viel mitnehmen, weil die Spielweise des Gegners so extrem angelegt, damit auch eher bedingt „repräsentativ“ ist und man in der großen Mehrzahl der Partien doch auf andere Art und Weise gefordert sein wird. Insgesamt war es ein ordentlicher Auftritt des deutschen Teams. Die Ausweichbewegungen der Offensivakteure zum Binden der gegnerischen Flügelverteidiger stellten ein gutes Element dar, mit dem die DFB-Auswahl in Halbzeit eins passend auf den Gegner reagierte.

Hansi Flick dürfte optimistisch stimmen, dass sein Team im Pressing die in Phasen enorm weiträumige Aufbaustruktur des Gegners doch einigermaßen gut überstand – angesichts dessen, dass sein Bayern-Team Probleme am ehesten gegen massives Verlagerungsspiel im zweiten Drittel hatte. Allerdings dürfte dies auch daran gelegen haben, dass Deutschland letztlich doch zu selten – dank der ausgeprägten Möglichkeiten, sich im eigenen Ballbesitz auszuruhen – auf Mittelfeldhöhe verteidigen musste, als dass sich das Thema wirklich hätte auswirken können. Wenn es doch passierte, dann brachten die Niederländer im zweiten Drittel ihre Verlagerungen gar nicht immer so dynamisch und attackierend an. Gleichzeitig spielt man im Nationalmannschaftsumfeld dann doch nicht so aggressiv und auch nicht mit so hoher Linie auf Abseits, wie das der FCB als Vereinsteam mitunter tat.

Koom 22. November 2023 um 12:07

>> „…dass wir auch im Sommer keine Verteidigungsmonster werden. Wir können nur
>> erfolgreich sein, wenn wir die Zeit, in der wir verteidigen, minimieren.“
>> – Nagelsmann

Puh. Ja, ich verstehe, was er meint. Aber sein Umkehrschluss kann IMO nicht klappen.

1. Ist unsere Offensive schlichtweg nicht stark genug, um einen Gegner zu klump zu schießen. Wir haben extrem viele Spieler, die gerne aufs Tor gehen, aber kaum Goalgetter – die also auch konstant gut treffen. Die meisten unserer Offensiven sind im Bereich direkt vorm Strafraum am Liebsten, im Strafraum haben wir eigentlich nur Füllkrug.

2. Guardiola investiert viel Zeit und Geld in diese Philosophie und ist nahe dran. Aber selbst er kann nicht die Verteidigungsarbeit sein lassen, auch er braucht eine Endverteidigung, die nicht nur Harakiri spielt. Er nimmt dafür das ganze Team in die Pflicht, stellt sie aber auch so ein, dass das Gegenpressing gut funktioniert. Das macht Nagelsmann aus meiner Sicht nicht, bzw. zu wenig – und auch da: Das einzuspielen wird dauern.

Es existiert leider fast keine Basis im deutschen Fußball, auf der man aufbauen könnte. Die Topteams verteidigen eigentlich alle mehr oder weniger auf Mann-gegen-Mann-Basis, weil das Gegenpressing nicht gut funktioniert und es keine abgestimmte Defensivarbeit im Bereich vor der Abwehrreihe gibt.

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tobit 22. November 2023 um 15:47

Also ich fand Havertz jetzt links nicht übel gegen Österreich. Das Problem waren da ja auch nicht die unkonventionell besetzten – und besonders verteidigten – Flügel, sondern der eklatante Mangel an Positionierungsskills im Sechserraum.
Wie oft Goretzka da den bekannten Mustern der Halbverteidiger einfach nur im Weg stand, war hanebüchen und wurde nur übertroffen von seiner weitgehenden Unanspielbarkeit. Wenn er dann mal an den Ball kam, hat er mal wieder gezeigt, dass er spielerisch einfach nichts kann. Im sortierten Spiel gegen den Ball war er ganz ok, aber das gab es ja kaum mal, weil man den Gegner noch mehr zu Gleichzahl“kontern“/-schnellangriffen eingeladen hat als der BVB.
Gündogan hat weite Teile der ersten Halbzeit – wohl geplant – viel zu hoch gespielt, nach dem 1:0 war er dann sofort tiefer und man hat zumindest etwas weniger Bälle im ersten Drittel hergeschenkt. Aber er war da jetzt auch nicht the second coming of Busquets, sondern halt so ein improvisierter Notnagel mit ein bisschen Pressingresistenz.

Noch ein paar Gedanken:
Gnabry in der Mitte werde ich auch nicht schlau draus. Als (zweiter) Stürmer vor drei gut gestaffelten Spielmachern mag das Sinn ergeben, aber als Zehner ist er einfach komplett verloren.
Rüdiger und Tah als echte Halbverteidiger sind mir zu eindimensional und Rangnick hat ihnen genau diese Dimension ganz simpel mit angepassten Anlaufwinkeln (Rüdiger von innen, Tah von außen) weggenommen. Als LIV und RV sahen sie dann aufgrund ihrer anderen Startpositionen (und damit Spielwinkel) besser aus, da war das Spiel aber auch schon verflacht.

Die nicht existente Basis liegt aber ja nicht nur an Nagelsmanns Taktik und dem Zeitmangel sondern auch an der Weigerung sich von Löws Uralt-Idee einer Doppelsechs aus Achtern (damals Kroos/Khedira) zu lösen. So langsam hat man sämtliche Kompensationsstrategien ausprobiert, und alle sind mehr oder weniger krachend gescheitert.

Nach gestern würde ich ja wirklich gerne mal ein Spiel ohne die großen Inidividualkönner sehen. Also nur mit den ständig für nicht gut genug befundenen Wasserträgern/Mannschaftsdienern.
Ducksch – Müller
Havertz – Brandt – Hofmann
Weigl – Groß
Kehrer – Tah – Thiaw
Ortega
Meinetwegen auch mit Henrichs und/oder Raum statt einem der Zehnertypen.

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tobit 22. November 2023 um 18:09

Vllt auch noch Anton statt Thiaw oder Tah, fällt mir mal wieder zu spät ein

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Taktik-Ignorant 22. November 2023 um 19:13

Das ist natürlich ein Gedankenexperiment aber man würde Brandt selbst mit der Umgebung keinen Gefallen tun, ihn aufzustellen, er ist einfach total außer Form. Dann lieber noch einen gelernten Außenverteidiger an seiner Stelle, und vielleicht doch Wirtz oder Musiala für den vermutlich ebenfalls auch wegen seiner Rollensuche bei Arsenal verunsicherten Havertz. Vielleicht noch Füllkrug statt Duksch (obwohl für Duksch dann meines Wisssens ein geringfügiger Geschwindigkeitsvorteil sprechen würde).

Aber der Trainer, der mit so einer Aufstellung käme, würde geteert und gefedert. Lediglich einem Rudi Völler würde man so ein Experiment noch zugestehen….

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AG 23. November 2023 um 07:35

Sorry, aber Weigl ist einfach nicht mehr auf dem Level, dass er mal hatte. Und Groß ist auch gar nicht so defensivstark, letztlich mehr ein weiterer Spielmacher/Achter. Wenn, dann mal einen Abräumer wie Andrich aufstellen.

Und Nagelsmann ist doch schon lange ein Ballbesitztrainer wie auch Tuchel. Nur wollen beide sehr unterschiedliche Dinge mit dem Ball: Tuchel nutzt den Ballbesitz defensiv und Nagelsmann offensiv (und extrem vertikal).

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AG 23. November 2023 um 07:43

Außerdem: Duksch ist es auch nicht. Wenn experimentieren, dann direkt Undav. Der hat in den wenigen Spielen schon mehr xG gesammelt als die meisten anderen Deutschen in der Bundesliga (ohne Elfmeter) – außer Sané und Kleindienst in deutlich mehr Minuten.

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tobit 23. November 2023 um 09:06

Es geht ja auch nicht um reine Defensivstärke im Mittelfeld. Dann würde ich einfach Goretzka nehmen. Es geht mir um das Positionsspiel als Doppelsechs, und da sind Groß und Weigl einfach deutlich besser als die „Weltklasse“spieler. Wegen meiner könnte man auch Andrich probieren, aber besser als Weigl ist der halt auch nicht, nur halt etwas anderer Spielertyp.
Und Undav sammelt die xG in einer brutal gut geölten Maschine, überwiegend als Einwechselspieler. Ducksch ist als Spielertyp viel geeigneter für Nagelsmann, weil er nicht nur ein reiner Verwerter ist. Und wenn man nur nach xG geht, wieso dann nicht direkt Kleindienst?

Und es geht ja auch nicht drum, mit diesem Team ernsthaft die EM anzugehen, sondern einfach Mal zu sehen, ob man mit Systemspielern ein halbwegs funktionales Konstrukt auf den Platz bekäme oder ob das Problem woanders liegt. Weil, wenn man nichtmal mit den Strukturgenies eine gute Struktur schafft, liegt es nicht am Kader.

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AG 23. November 2023 um 11:37

Wurde Goretzka nicht wiederholt ausprobiert und für nicht passend befunden? Und im statistischen Vergleich schneidet Andrich einfach viel besser ab als Weigl (mit einem großen Nachteil: Andrich spielt aktuell nicht). Beispiel letzte Bundesligasaison: Andrich hat 2400 Minuten vs Weigl 1900. Alle weiteren Stats pro 90 Minuten, um das auszugleichen, und per FBRef/Opta. Weigl bietet nicht viel nach ganz vorne, Andrich zumindest für einen Mittelfeldspieler durchschnittlich viele Schüsse/xG und mehr Assists/Shot creating actions als Weigl. Im Ballbesitz spielen beide ähnlich viele Pässe, die Passquote ist leicht besser bei Weigl (89 zu 84%). Aber wie nützlich ist das, wenn Weigl fast gleich viele Progressive Pässe wie Andrich spielt (3,9 zu 3,7)? Dribbler sind beide nicht, das werde ich also ignorieren. Leider hat Opta keine Pressing-Daten, das wäre hochinteressant. Also z.B. Passquote unter Druck etc. Mit Positionierung sieht es leider genauso aus, allerdings kommt Andrich im Schnitt sogar noch etwas tiefer an den Ball.

Und bei defensiven Aktionen führt Andrich deutlich in Tacklings wie Interceptions (zus. 3,9 vs 2,9) und auch in gewonnenen Kopfballduellen. Weigl tackelt zwar mehr gegnerische Dribbler, aber mit praktisch der gleichen Erfolgsquote (2,0 zu 1,7 mit 56/58%) – dadurch verliert er aber auch solcher Duelle.

Der einzige klare Vorteil in den stat. Daten hat Weigl bei Miscontrols und bei Dispossesions mit jeweils grandiosen 0,1/90 vs Andrich mit 0,8 und 0,2. Selbst mit gelben Karten und Fouls sind sie ähnlich. Diese Saison sind tatsächlich zwei Assists für Weigl dazugekommen und er steht mehr auf dem Feld. Wenn letzteres sich für Andrich ändert, würde ich ihn klar bevorzugen.

Undav hat leider zu wenige Minuten und zu viele Einwechslungen, um ihn ernsthaft einzuschätzen. Wären seine aktuellen Stats belastbar, würde ich ihn als Weltklasse bezeichnen – und zwar in xG, Assists, Passen und Dribbeln zusammengenommen. So würde ich ihn nur mal testen wollen 😉 Kleindienst halte ich tatsächlich für besser als Ducksch, aber da habe ich keine starke Meinung

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Taktik-Ignorant 23. November 2023 um 12:18

Zu Goretzka: Es kommt darauf an, wo, neben wem und gegen wen er spielt (und natürlich auf seine Formkurve, die keineswegs konstant ist). Die Mehrzahl seiner guten Spiele macht er als 8er bzw. box-to-box-Spieler, hin und wieder funktioniert es (im Verein, da zuletzt mit Kimmich an seiner Seite) auch auf der „Doppel-6“. Fazit: in dem hier diskutierten Gedankenexperiment allenfalls als weiterer Arbeiter, aber weiter vorne (z.B. statt Brandt), auch weil er in guter Form richtig Zug zum Tor hat; in der derzeitigen Verfassung eher nicht, und sicher nicht auf der 6.

Weigl/Andrich: im Endeffekt sehe ich dann doch eher, dass die Zahlen tobits Präferenz für Weigl bestätigen: so klein sind die statistischen Unterschiede gar nicht, vor allem weil sich die jeweiligen kleinen Vorteile Weigls (z.B. etwas mehr Pässe, und die etwas präziser als Andrich ergibt m.E. zusammengenommen ein dann doch signifikant besseres Paßspiel) ergänzen. Für Weigl trifft aber auch zu, dass er schon geraume Zeit immer wieder mal im Dunstkreis der Nationalelf war, aber dort nie richtig überzeugen konnte, und bei Andrich ist es halt die fehlende Spielpraxis, die gegen ihn spricht.

Undav: es kommt halt darauf an, welche Stärken er im Gegensatz zu anderen Kandidaten für die Stürmerpositionen hat.

tobit 23. November 2023 um 13:36

Ich will ja gerade einen, der nicht ständig mit nach vorne rennt. Das macht Groß ja schon genug. 89% vs 84% Passquote ist nicht nur ein leichter Vorteil. Weigl bringt 8 Bälle vor einem Fehlpass an den Mann, Andrich nur 5. Weigls Passquote ist besser als 93% der Mittelfeldspieler in den Top5 Ligen, Andrichs ist besser als 65% (laut fbref). Mit anderen Worten: der eine ist ein mittelmäßiger Passspieler, der andere Weltklasse auf diesem Gebiet. Das ganze setzt sich dann wie du selbst zeigst bei der Ballkontrolle fort. Bei fbref liegt Weigl bei den Tackles übrigens leicht vor Andrich (2,0 zu 1,93 p90).
Goretzka gefällt mir gegen den Ball im DM mittlerweile ganz gut. Bissig und mit gutem Körpereinsatz, lässt sich auch nicht mehr ganz so leicht rauslocken. Aber in Ballbesitz ist er da halt maximal (und mit viel Wohlwollen) ein Zweitligaspieler. Diese Probleme kann man weiter vorne leichter kaschieren, aber verschwinden tun sie da auch nicht.

Ich gebe zu, ich habe auch nicht viel von Undav gesehen. Da war aber mal wirklich gar nichts besonderes dabei. Bessere Technik als Füllkrug, ordentliches Stellungsspiel außerhalb des Strafraums, relativ schnell ohne zu schlaksig zu sein. Vor dem Tor dann eher Typ Malen als Typ Haaland. Meiner Meinung nach kommen die xG überwiegend durch die toll für ihn aufgelegten Bälle und nicht aus seinen eigenen Fähigkeiten.
Kleindienst ist nochmal ein ganz anderer Spielertyp. Richtig gut bei langen Bällen, unfassbare Arbeitsrate gegen den Ball und vor dem Tor immer den Kopf oben. Passt wie Kießling damals großartig zu seinem Klub, aber mal so gar nicht zu den anderen N11-Spielern.
Ducksch ist der kombinativ stärkste deutsche Stürmer seit ich aktiv Fussball schaue und kommt trotzdem mit wenig Präsenz aus. Und scoren kann der auch genauso gut wie die anderen.

Daniel 23. November 2023 um 19:00

@AG
Danke für die Datenauswertung…obwohl ich daraus die komplett anderen Schlüsse ziehe als du. In den für einen Sechser relevantesten Kategorien führt Weigl in den Stats pro 90-und zwar ziemlich signifikant. 89 zu 84 % Passgenauigkeit ist auf diesem Niveau ein verdammt großer Unterschied, zumal man hier berücksichtigen muss, dass Andrich in einer allgemein und insbesondere im Ballbesitzspiel stärkeren Mannschaft spielt. Weigl’s Werte bei Miscontrols und Dispossesions sind (wie du selbst sagst) grandios-und meines Erachtens sind das die Schlüsselkategorien schlechthin für einen Sechser. Was offensiv passiert ist bei einem Sechser herzlich egal, dafür hat Deutschland mehr als genug Kräfte im Mittelfeld. Nur Andrichs Vorteile in den reinen Defensivwerten sind relevant-im Gegensatz zu den meisten hier seh ich da aber nicht das Hauptproblem.
Alles in allem seh ich deine Zahlen eher als Beleg für den Eindruck, den ich auch aus den Spielen habe. Weigl ist genau die zuverlässige Relaisstation im Sechserraum, die sowohl der Nationalmannschaft als auch den Bayern und dem BVB fehlt. Ein jederzeit anspielbarer Spieler im defensiven Mittelfeld, die die Abwehrreihe mit der Offensive verbindet, dabei kaum Bälle verliert und auch nicht völlig überhastet in den Angriffsmodus umschaltet.

@tobit
„Ducksch ist der kombinativ stärkste deutsche Stürmer seit ich aktiv Fussball schaue“
Klose war kombinativ sehr stark für einen Mittelstürmer seiner Zeit-und tatsächlich war auch Gomez besser, als er meist dargestellt wurde…und so lang wie wir hier schon diskutieren hast du die glaub ich aktiv gesehen 😉 Von der derzeit realistischen Optionen sehe ich Ducksch aber auch kombinativ am stärksten

tobit 23. November 2023 um 19:31

Habe erst überlegt, ob ich „stärkster seit Klose“ schreibe. Aber ich finde Ducksch tatsächlich im reinen Kombinationsspiel stärker, vor allem deutlich kreativer und in seinen Passausführungen variantenreicher. Dafür haben Klose und Gomez in fast allen anderen Disziplinen die Nase mehr oder weniger weit vorne. Klose hätte ich aber zu jedem Zeitpunkt seit seinem Rücktritt wieder genommen, einen besser passenden (oder auch nur individuell besseren) Stürmer hat die N11 in diesem Jahrtausend nicht gehabt.

Taktik-Ignorant 24. November 2023 um 00:06

Die hohe Bewertung von Duksch finde ich jetzt schon ein wenig überraschend. Zwar Jugend-Nationalspieler bis in die U18, aber seine Stationen (nach einem wenig beeindruckenden Debut beim BVB) sind bislang Paderborn, St. Pauli, Kiel, Fortuna D-dorf, Hannover und Werder – das ist dann doch ein Stück entfernt von Klose. Aber da aus der obigen Experimentalaufstellung die besseren Techniker und Kombinationsspieler (Musiala, Wirtz, Sané, Gnabry, Gündogan, Kimmich) raus sind, ergibt es Sinn, statt des kantigen Füllkrug jemanden aufzustellen, der sich etwas besser einbinden lässt.

Zu Weigl/Andrich: im Hinblick auf das gesuchte Spielerprofil würde ich Daniel und tobit zustimmen, dass Weigl bei den dafür wichtigen Zahlen die Nase vorne hat. Aber bei beiden handelt es sich um Zahlen, die vornehmlich aus Bundesliga-Duellen und nicht aus Spielen gegen internationale Konkurrenz stammen. Das mindert m.E. ihre Aussagekraft.

AG 24. November 2023 um 07:54

Ich bin auf jeden Fall von euren Argumenten überzeugt, dass ich Weigl da gerne mal sehen wollen würde. Trotzdem bleibe ich bei meinen Bedenken, ob das Gesamtpaket sich lohnt, aber eine Chance sollte er bekommen. @Taktik-Ignorant: Daten aus internationalen Duellen gibt es auch, die zeigen in eine ähnliche Richtung, sind aber schwerer zu vergleichen (unterschiedliche Wettbewerbe, wenige Minuten). Schau doch selber mal rein!

tobit 24. November 2023 um 13:39

@Taktik-Ignorant
Ducksch ist kein herausragender Stürmer, das will hier glaube ich niemand ernsthaft behaupten. Aber er ist ein Stürmer mit besonderen Eigenschaften, die der N11 meiner Meinung nach immer gutgetan haben. Hat ja auch bei allen seinen Klubs immer überzeugt. Erst hat er in der zweiten Liga ein Topteam gebraucht um zu performen, dann ging es bei einem schwächeren Team irgendwann auch. Und jetzt geht es halt auch bei einem schwächeren Team in einer größeren Liga, weil er in seinem Spielstil so gefestigt und erfahren ist, dass er ihn auch gegen bessere Gegenspieler durchdrücken kann.
Ich hätte zum Beispiel auch letztes Jahr schon eher Ducksch als Füllkrug mit zur WM genommen, oder dem BVB im Sommer als Haller-Konkurrent empfohlen (hätte auch nur 1/3 der Ablöse gekostet).

@AG
Andrich wäre für mich nur dann besonders interessant, wenn man noch Kroos hätte, weil die ihre Schwächen gegenseitig kompensieren würden. Oder wenn man nochmal prime Hummels und Boateng als IV hätte, weil dann das Aufbauspiel nicht so am Mittelfeld hängen würde.
Aber in der aktuellen Konstellation sehe ich Weigls Skillset deutlich interessanter, weil die Stamm-Achter sind ja defensiv nicht schlecht, nur halt sehr zugriffsorientiert (wie Andrich auch). Da ist ein die Position haltender Sechser wie Weigl (oder tlw auch R.Khedira, wenn er mal wieder fit und in Form ist) mir wichtiger als dessen individuelle Zweikampfbilanz. Und in Ballbesitz tut ein Beruhiger den Achtern auch mehr Gutes als ein weiterer Tiefensucher.

AG 28. November 2023 um 22:26

Undav unbesiegt: zwei weitere Tore aus dem Spiel raus. Ein Abschlussspieler, der vor dem Tor funktioniert, würde gut zu den kreativen Zehnern der Mannschaft passen 🙂

Taktik-Ignorant 23. November 2023 um 12:08

Der mehr oder weniger gleiche Kader hat nach der Übernahme von Flick erst einmal eine reibungslose und souveräne WM-Quali hinbekommen (man vergleiche die beiden Quali-Spiele gegen Nordmazedonien) und ist dann graduell in der NationsLeague und der WM-Vorbereitung abgerutscht. Unter Völler dann im ersten Spiel nach Flick eine gerade von Einsatz und Laufbereitschaft her ordentliche Leistung, in den beiden ersten Spielen unter Nagelsmann mit guten und weniger guten Momenten, aber insgesamt achtbar, und jetzt plötzlich wieder kraft- und glücklos, gehemmt, verunsichert, teilweise auch teilnahmslos.

Das kann nicht nur an den gewählten Taktiken liegen (davon verstehe ich ohnehin nichts), sondern es hat ziemlich viel mit Psychologie zu tun. Das scheint auch Nagelsmann erkannt zu haben, zumindest lassen es seine Kommentare im TV nach dem Österreich-Spiel so vermuten („gute Einheit“, „hohe Qualität“, „aber wenn der Schiri anpfeift, ist plötzlich alles weg“) – das zeigt auch gleichzeitig seine Ratlosigkeit. Und scheint ein Indiz dafür zu sein, dass nach dem Abgang von Flick ein Trainer vom Typ Louis van Gaals bei allen unbestrittenen Qualitäten Nagelsmanns die bessere Wahl gewesen wäre.

Von daher ist es gut möglich, dass selbst so ein radikales Experiment wie das von tobit angedachte nicht viel bringen würde, unabhängig von einzelnen Personen. Aber reizvoll wäre es. Wenn mir auch in der vorgeschlagenen Aufstellung das kreative Element etwas zu kurz kommt. Wie genau sollte so eine Elf denn spielen? Hinten dichtmachen, den Ball nach vorne bolzen und auf Glück hoffen, bzw. auf zweite Bälle beim Gegenpressing? Für schnelle, präzise Konter mit flachen Bällen fehlt vorne die Geschwindigkeit, und für längere Passfolgen mit ruhigeren Phasen und intelligenten Zuspielen (hoch oder flach) in den Strafraum fehlt die Kreativität. Im Spiel gegen den Ball vor allem sähe ich die Stärken einer solchen Aufstellung.

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Koom 23. November 2023 um 13:23

Spiel ist halt nicht Training. Mit solchen Unsinnsaussagen kommt ja auch Terzic und es lässt mich echt an der Qualität dieser Trainer stark zweifeln. Bedenken die nicht, dass es auch einen Gegner gibt, der vielleicht Dinge anders macht oder die Schwachpunkte angreift, die man im Training vielleicht nicht so angeht?

Gehen wir mal fieserweise davon aus, das der ganze N11-Kader taktisch relativ schlecht ist. Wie willst du da einen Gegner simulieren, der einen überragenden Mittelstürmer hat? Oder die gute Pressingspieler haben, die einen Sechser gut als Team attackieren können? Der Mannschaft [tm] fehlt ja dafür schlichtweg die Kenntnis, wie man sowas macht, weil es in ihren Vereinen nur rudimentär existiert.

Natürlich sieht das dann im Training geil aus, weil da effektiv dann keiner dem anderen spielerisch weh tun kann.

tobit 23. November 2023 um 14:57

Das schlimme ist ja, dass der Gegner keinen überragenden Mittelstürmer braucht. Und so wirklich überragend war das Pressing der Österreicher jetzt auch nicht. Das waren halt ein paar Grundlagen, die eigentlich jeder Jugendspieler mittlerweile lernt, garniert mit ein paar simplen Anweisungen zu Anlaufwinkeln. Was sie so viel besser gemacht hat, war die gemeinschaftliche Umsetzung dieser Vorgaben. Das fehlt Deutschland mit Ausnahme des Völler-Spiels und der ersten ~10 Flick-Spiele seit mindestens 5 Jahren komplett (angefangen hat es schon mit den Abtritten von Lahm und Klose). Ist also auch ein Problem, das älter als die wirklich üble Trainer-Misere der Bundesliga Topteams (die ich abseits von Marsch, Seoane und Terzic auch nicht ganz so schlimm sehe wie du) ist.

Taktik-Ignorant 24. November 2023 um 00:28

Wenn die deutschen Spieler tatsächlich taktisch so schlecht wären, dann müsste man eher die Leistungsausschläge nach oben erklären; wir reden hier aber von einem Kader mit einer zweistelligen Anzahl von Champions-League-Siegern, die bis heute bei europäischen Top-Vereinen spielen. Die von Leuten wie Tuchel, Guardiola, Chavi, Ancelotti, Klopp, Heynckes oder Xabi Alonso trainiert wurden oder noch werden (und, ok, von Terzic). Fehlende taktische Kenntnis oder Verständnis sollte da eigentlich nicht das Problem sein.
Und auch das gemeinsame Herangehen scheint nicht ganz unmöglich, es flammt ja immer wieder mal auf. Der Verweis auf taktische Defizite scheint mir deshalb doch ins Leere zu gehen, zumindest ist er zu monokausal.

Koom 24. November 2023 um 12:53

@tobit: Ich stimme dir da total zu. Wollte nur anbringen, dass es in der Spitze schon ein Problem ist, aber im Grunde beherrschen die Deutschen momentan kaum mannschaftliche Herangehensweise auf einem auch nur halbwegs soliden Niveau. Das ist fast durchgängig Stückwerk und Individualismus. Wir sind im Grunde schon beim Heldenfußball der 90er angekommen, nur das die durchaus auch taktisch ausgebildet waren.

Taktik-Ignorant 22. November 2023 um 16:10

„Puh“ war auch meine Reaktion, einmal im Spiel und einmal bei Nagelsmanns Interview.
„Die Zeit, die wir verteidigen, minimieren“ – ich übersetze das mal ins Deutsche: eine Fußballmannschaft greift an, wenn sie den Ball hat; sie verteidigt, wenn der Gegner den Ball hat. Wenn man Letzteres „minimieren“ möchte, muss man selber den Ball haben. Folglich redet er von Ballbesitzfußball.

Dafür braucht es einige Dinge: erstens ist es nie ganz zu verhindern, dass der Gegner mit Ball mal vor das eigene Tor kommt – da muss man ein Konzept haben, wie man dem Gegner den Ball abjagt und dann wieder in die gegnerische Hälfte kommt (was wiederum heißt, entweder ein gepflegtes Aufbauspiel auch in der eigenen Hälfte zu praktizieren, selbst dann wenn der Gegner gut presst, oder die Bälle weit nach vorne zu schlagen und dann die „zweiten Bälle“ festzumachen.
Ferner muss man selber ein gutes Pressing- und Gegenpressingspiel praktizieren. Das in einer Nationalmannschaft einzuüben fällt schwer, wenn die Spieler es nicht aus den Vereinen gewohnt sind. Haben wir denn, wenn schon keine „Verteidigungsmonster“, denn zumindest „Gegenpressingmonster“?

Organisation von Gegenpressing und Endverteidigung: Guardiola hatte einen Busquets, Schweinsteiger, Alonso oder jetzt Rodri. Allesamt Weltklasse auf ihrer Position.
Außerdem braucht es Leute, die es auch mögen, den Ball schnell und präzise zu passen, um den Gegner viel laufen zu lassen, und geduldig auf die Lücke zu warten, um dann das Spiel zu beschleunigen und vors Tor zu kommen (das fehlt z.B. gerade ganz brutal den Spaniern, bei MC gibt es diese Beschleuniger); die deutschen Angreifer haben aber andere Qualitäten, die eher dazu taugen, bei eigenem Ballbesitz ziemlich direkt auf das Tor zu gehen.

Im Übrigen könnte sich Nagelsmann auch fragen, warum das mit dem Verteidigen gegen Frankreich beispielsweise gar nicht so schlecht geklappt hat, obwohl die Franzosen die Zeit, in der wir verteidigen mussten, (wenn auch gegen unseren Willen) ziemlich maximiert haben. Es geht wohl doch, wenn jeder weiß, was zu tun ist, wie und wo er stehen muss, und insgesamt eine feste Position und Aufgabenbeschreibung hat.
Von daher sehe ich nicht, wie Nagelsmann sein Konzept, dem eine innere Logik nicht ganz abzusprechen ist, umsetzen möchte. Oder habe ich überlesen, dass er heute Toni Kroos überredet hat, wieder mitzumachen?

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Taktik-Ignorant 19. November 2023 um 01:00

Unterhaltsam war das Auswärtsspiel gegen die Türkei ja durchaus, bei 5 Toren kannste nicht meckern….

Anscheinend ist Deutschland immer noch auf dem Trip, zu experimentieren und Lehren zu ziehen. Weshalb auf einen Linksverteidiger verzichtet wurde (obwohl mit Raum einer im Kader war) und ein Stürmer pro Forma auf dieser Position geführt wurde (und dort auch anzutreffen war), erschließt sich mir nicht, zumal Nagelsmann ja angekündigt hatte, dass es jetzt darum gehen sollte, den Kader einzuspielen.

Ohnehin liegt der dringendste Bedarf wohl darin, dem Team wieder mehr Sicherheit zu geben. Ein erster Schritt wäre ein konsequenter Einsatz der Viererkette mit 2 echten Außenverteidigern, von denen immer mindestens einer seine Rolle vornehmlich defensiv interpretieren müsste.

Noch bedenklicher ist, dass die Türken über beide Flügel immer gefährlich werden konnten; mehrfach wurde die deutsche Abwehr durch Bälle hinter ihre rechte Abwehrseite übertölpelt – Paradebeispiel war das 1:1. Dort konnte man auch erkennen, wie jemand, der Fußball spielen kann, einen Ball sauber an- und mitnimmt, ohne dabei dem Gegner die Chance zu geben, Boden gutzumachen.

Die Kombination Henrichs/Sané funktioniert offensichtlich nicht, und wurde zudem auch ziemlich alleine gelassen, wenn beide linken Außenspieler der Türken vorrückten. Schlechtes Verschieben dürfte mal wieder einer der Gründe sein, warum die deutsche Mannschaft nie Zugriff auf das Spiel fand, kaum Zweikämpfe gewann und so gut wie nie einen zweiten Ball festmachen konnte.

Zudem gelang es, wenn einmal ein Ball erobert werden konnte, was meist in der Nähe des eigenen Strafraums passierte, weder, das sofort einsetzende, ziemlich geschickte Gegenpressing der Türken auszuspielen noch mit einem weiten Ball nach vorne zu überwinden, wozu allerdings auch die Geschwindigkeit der deutschen Stürmer nicht ausreicht (außer bei Sané, aber auf den einen Schnellen kann sich eine Abwehr natürlich einstellen, außerdem war Sané meist selber in solchen Situationen weit hinten, um Henrichs zu unterstützen).

Insgesamt bleibt wohl das Fazit, dass gegenüber den kläglichen Leistungen unter Flick so gut wie keine Verbesserung erkennbar ist und auch nicht deutlich wird, wie Nagelsmann eigentlich spielen lassen will.

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tobit 19. November 2023 um 08:23

Ich hab nur vor der Pause kurz eingeschaltet und mich gewundert warum Henrichs beim Gegentor so brutal weit rüberverschoben ist. Hab jetzt im Nachhinein gesehen, dass der Kicker Havertz als LV geführt hat. War also wohl eine echte 3er-Kette Rüdiger/Tah/Henrichs, oder gab es mal Momente wo sich jemand viertes da sauber eingereiht hat?

Henrichs würde ich an sich schon mit Sané zusammen als möglich ansehen. Und würde da ein Spiel mit Sonderaufgaben für ihn (da kein AV auf der anderen Seite) nicht zu hoch hängen. Aber strukturell macht der offensivere AV auf links halt viel mehr Sinn. Und Henrichs ist definitiv kein defensiv denkender Spieler, sondern ein Wingback mit guter Technik und Übersicht.

Nagelsmann scheint ja auch gar nichts gegenüber Flicks letztem Jahr verändern zu wollen. Es geht weiter mit den wechselnden Abwehrbesetzungen, die von Rüdiger (der im Klub aus gutem Grund nie der Abwehrchef ist) kommandiert werden sollen, und einer „Doppelsechs“ Gündogan/Kimmich, die alles spielt, nur das nicht.

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Koom 19. November 2023 um 12:42

Man muss sagen: Dem deutschen Fußball fehlen IMO nicht die Talente. Sondern die Trainer. Die Hoch-Zeit war mit Klopp, Tuchel, Guardiola in der Bundesliga. Das zog auch die anderen Teams mit, die gegen diese Trainer Konterpläne entwerfen mussten. Das ganze Niveau wurde dadurch gesteigert.

Aber jetzt gibt es die nicht mehr. Kaum ein Verein spielt taktisch, individuell wie als Mannschaft, irgendwie hochwertig. Am ehesten noch Alonsos Leverkusener, die dann auch zurecht oben stehen. Dahinter Tuchels Bayern, der alle Hände voll zu tun hat, den maroden, wirren Kader vernünftigen Fußball spielen zu lassen. Und das wars dann auch schon, dahinter wird nur gerannt und gerannt.

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Taktik-Ignorant 19. November 2023 um 16:07

Es war ja so, dass Havertz tatsächlich immer wieder mal links hinten zu finden war, aber es liegt in der Natur der Sache und war wohl auch so geplant, dass er seine Rolle offensiv interpretieren sollte. Dann hätte es aber auch eine klare Anweisung an Henrichs geben müssen, dass er seine Rolle defensiv interpretieren muss. Dass z.B. beim 1:1 der offensive Spieler auf rechts, Sané, die rechte Abwehrseite alleine decken musste (kann mich nicht erinnern, wo Henrichs da gerade stand) und den Lauf des türkischen Spielers in den Raum hinter ihn verpennt hat, darf so nicht vorkommen. Beim zweiten Gegentor hat Henrichs den Innenverteidiger spielen und den ansonsten ganz alleine vorm Tor stehenden Mittelstürmer decken müssen. Als der dann unter der Flanke hindurchhüpfte und Henrichs ausrutschte, war wieder rechts hinten niemand da, der den freien türkischen Auswahlspieler hätte übernehmen können. Somit vielen die beiden Gegentore aus dem Spiel heraus nicht über die Havertz-Seite, und zumindest bei dem ersten Gegentor hatte Havertz auch kein indirektes Mitverschulden.

Kimmich/Gündogan als „Doppelsechs“ hat nicht funktioniert, aber das war z.B. der Mehrheit der Mitforisten hier schon vorher bekannt; warum Nagelsmann das testen wollte (war Groß verletzt, oder war er in Nagelsmanns Augen nur der Platzhalter für den im Oktober verletzten Kimmich?), und noch dazu im gleichen Spiel, wo er den Linksverteidiger Havertz bringt, bleibt sein Geheimnis.

Im Sinne einer kontinuierlichen Wiedereingewöhnung einer 4-2-3-1- oder 4-2-2-2-Formation, die der deutschen Mannschaft vertraut und somit eher geeignet ist, ihr wieder Stabilität zu verschaffen, wäre es wohl sinnvoller gewesen, mit Raum den zur Verfügung stehenden LV zu bringen und Havertz anstelle von Musiala spielen zu lassen. Und nicht Brandt, der eine schlechte Phase hat (überspielt?) und dessen Ballan- oder Mitnahmen fast gleichbedeutend waren mit türkischer Balleroberung. Und der zudem dauernd falsche Entscheidungen traf bzw. (wie übrigens einige andere Spieler auch) sich zu spät vom Ball trennte.

Und eben Groß statt Kimmich. Kimmich müsste den Back-up für Gündogan geben, Havertz und Goretzka als Ersatz für Wirtz oder Musiala, Gnabry für Sané – auf diese Weise könnte man Schlüsselspieler im Spiel auch einmal ohne Qualitätsverlust ersetzen. Und bei den anderen Positionen müsste man notgedrungen hinnehmen, dass keine internationalen Top-Leute zur Verfügung stehen, und die vorhandenen Spieler regelmäßiger einsetzen, damit sie Routine und Selbstvertrauen bekommen.

Zur Qualität der Trainer: ich glaube schon, dass Nagelsmann ein hervorragender Trainer ist, der es ähnlich draufhat wie Tuchel oder Klopp (oder Heynckes, der immerhin in den Minikreis jener (inzwischen 5) Trainer gehört, die die Champiaons League mit 2 verschiedenen Vereinen gewonnen haben), dem aber wohl noch klar werden muss, dass er einer NM nicht 20 verschiedene Formationen/Taktiken beibringen kann – erst recht nicht, wenn die betreffende NM so verunsichert ist und unter ihren Möglichkeiten spielt und das nächste Turnier unmittelbar vor der Tür steht.

Ansonsten ist es richtig, der aus finanziellen Gründen unvermeidbare Abgang von Klopp und Guardiola nach England hat in Deutschland eine Lücke hinterlassen; eigentlich ist es in der Buli aber auch nur der FC Bayern, der sich einen Trainer der allerersten Kategorie leisten kann. Xabi Alonso wird in Leverkusen auch nicht alt werden.

Hinzu kommt, dass deutsche Vereine im Zweifel ohnehin eher Trainer beschäftigen, die der Landessprache mächtig sind (selbst Guardiola hat ja in seinem Sabbatjahr auch fleißig Deutsch gelernt), weshalb sich in der Buli eben vor allem Deutsche, Österreicher und Schweizer und vielleicht noch Flamen und Niederländer tunneln (Alonso hatte immerhin als Spieler bei Bayern Zeit, etwas Deutsch zu lernen). Dieses Sprachargument verliert zwar an Kraft, je internationaler die Kader werden, aber es bleibt der finanzielle Abstand zur Premier League und anderen europäischen Spitzenvereinen. Und dann müsste der deutsche Fußball es eigentlich über die Trainerausbildung richten, aber die scheint ebenso wie die Spielerausbildung modernen europäischen Standards etwas hinterherzuhinken.

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Taktik-Ignorant 19. November 2023 um 16:11

„Somit vielen die beiden Gegentore…“ – der Erfinder der Autokorrektur möge in Fritten ruhen!

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Daniel 19. November 2023 um 16:40

Vielleicht hätte ich das Spiel doch geschaut, wenn ich gewusst hätte, dass es ein so dermaßen abgefahrenes Experiment gibt wie Havertz als LV. Versteht irgendwer die Idee dahinter? Defensiv könnte das ja schon rein theoretisch nur mit extrem guter Absicherung und/oder Gegenpressing funktionieren – beides hat die N11 so gar nicht. Aber selbst offensiv sehe ich da nur bei einer extrem einrückenden Einbindung von Havertz einen Mehrwert im Vergleich zu Raum. Bei der „normalen“ AV Einbindung der Nationalmannschaft, also wenig spezialisiert und recht linear, ist Havertz in jeder Spielphase ein Downgrade zu Raum.

@tobit
Nagelsmann spielt konsequent mit einer klaren Neun vorne drin, das ist auf jeden Fall eine Veränderung zu Flick. Als Abwehrchef dürfte für die EM Hummels vorgesehen sein-ähnlich wie Neuer ist er aber qua Alter und Verletzungshistorie zu „schade“ um ihn in irgendwelchen dämlichen Testspielen zu verheizen.

@Koom
Bayern ist mit Sicherheit nicht die taktisch zweithochertigste Mannschaft der Buli…eher eine der schwächsten. Bayern lebt diese Hinrunde von einer sehr schwachen CL-Gruppe, einer von dem phantastischen Duo Kane/Sané getragenen Offensivstärke und übrigens auch einer meist starken Torwart und (zentralen) Verteidigungsleistung (grad die letzten beiden werden oft vergessen). Das Mittelfeldspiel ist schlecht bis katastrophal (sowohl individuell als auch im Verbund) mit dem Ausscheiden in Saarbrücken als absoluten Tiefpunkt.. für das entscheidende Gegentor würde jede F-Jugend von ihrem Trainer rundgemacht. Im Vergleich zu heute vor einem Jahr ist Bayern in jeder Hinsicht schwächer-abgesehen von der Tatsache, dass mit Kane der Offensive jener Spielertyp (wieder) hinzugefügt wurde, den sie so sehr braucht wie der Fisch das Wasser.
Der SC Freiburg ist auf jeden Fall eine taktisch hochwertige Mannschaft…wenn auch nicht sonderlich spezialisiert auf irgendwas bestimmtes, daher geht das oft unter. Union Berlin war auch spannend, weil sie unter Fischer so ein im Grunde italienisches Denken in die Buli gebracht haben: immer erst an die Defensive denken.

In Bezug auf die N11 sollte Nagelsmann meiner Meinung nach Experimente erstmal unterlassen. Es braucht einen Neuner, einen Sechser und echte AV, alles andere funktioniert jetzt schon seit Jahren nicht. Es geht darum ein funktionierendes Team auf die Beine zu stellen und nicht darum, einen möglichst hohen Marktwert auf Transfermarkt.
———-—-Füllkrug——Sané———-
———Musiala————-Wirtz——-
————-Weigl–Gündogan———-
Raum—Rüdiger—Hummels—Henrichs
Dass die Herren Havertz, Kimmich und Goretzka größere Stars sind als Weigl oder Raum mag schon sein, aber auf ihren angestammten Positionen ist die Konkurrenz eben zu stark und sie auf die Problempositionen zu schieben klappt offenbar nicht.

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Taktik-Ignorant 19. November 2023 um 21:08

Im Prinzip bin ich auch dafür, die Spieler auf ihren angestammten Positionen einzusetzen. Zu Havertz Ehrenrettung sei jedoch angemerkt, dass die Abwehrprobleme auf seiner Seite geringer waren als auf der Henrichs-Seite. Dennoch ist das nicht seine Position (wie würde das erst gegen einen Gegner aussehen, der nicht als Nr. 38 der Weltrangliste ersatzgeschwächt anreist?). Ein stabiles Gerüst (mit einem 9er, denn die NM braucht auch eine robuste, wuchtige Strafraumbesetzung in der Offensive) sollte mehr wiegen als der gleichzeitige Einsatz möglichst vieler Hochkaräter.

Und Henrichs ist ebenfalls ein AV, der viele Stärken nach vorne hat und auch offensiv denkt. Er rechts und Raum oder Goosens links könnte der offensiven Denke zu viel sein; in Leipzig, wo die Spieler dauernd zusammen sind, kann es dem Vereinstrainer gelingen, das aufzufangen (allerdings wählt auch Rose sehr genau aus, wann er beide gleichzeitig spielen lässt).

Zu Hummels: wurde wohl nicht nur geschont, sondern litt tatsächlich noch unter seiner Verletzung aus dem letzten Buli-Spiel. Seine Rückberufung zeigt, dass Nagelsmann in Rüdiger nicht den Abwehrchef oder -organisator sieht, und in den übrigen jüngeren IV auch nicht. Allerdings muss dann sein Geschwindigkeitsdefizit kompensiert werden.

Der 6-er neben Gündogan: Bei Weigl bin ich skeptisch. Löw und Flick hatten ihn durchaus im Fokus, aber offensichtlich hat er sie nicht überzeugt. Nagelsmann scheint das ähnlich zu sehen. Die verstehen das Trainerfach alle sicher besser als wir. Die Baustelle kriegt wohl auch der neue BT nicht geschlossen, jedenfalls nicht bis zur EM.

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Daniel 22. November 2023 um 11:43

„Und Henrichs ist ebenfalls ein AV, der viele Stärken nach vorne hat und auch offensiv denkt. Er rechts und Raum oder Goosens links könnte der offensiven Denke zu viel sein…“
Im Gegenteil: Nagelsmann ist es offensichtlich der offensiven Denke zu wenig. Anders kann man diese Länderspiele kaum interpretieren.
Davon ab ist die Frage, wo man mehr defensive Denke herbekommen könnte. Zwar gibt es auf der IV-Position in Deutschland größere Auswahl als außen, aber da sich die Aufgaben doch deutlich unterscheiden ist beileibe nicht jeder gute IV ein potentieller AV-auch nicht unter defensiven Gesichtspunkten. Die einzigen deutschen IV, die auch einen guten AV hergeben, sind meines Erachtens Klostermann (defensiv vielleicht die beste Option, aber leider extrem verletzungsanfällig) und Kehrer, der (ähnlich wie Weigl) zwar als Spielertyp ganz cool, aber von allen drei Bundestrainern der letzten Jahre letztlich als zu schwach für eine tragende Rolle angesehen wurde und in Bezug auf individuelle Qualität unter den beiden Leipzigern anzusiedeln ist.

Weigl hatte halt einfach keine Chance bisher, weil Deutschland seit mittlerweile fast einem halben Jahrzehnt versucht, ein Mittelfeld aus Gündogan, Kimmich, Goretzka und bis vor ein paar Jahren Kroos irgendwie ins Laufen zu kriegen..was ja auf dem Papier auch extrem verlockend klingt. Die Frage ist, wie viele Turniere man dieser Idee noch opfern will, bis man ihr offensichtliches Scheitern endlich anerkennt.

@Koom
Finde schon, dass Rose bei Leipzig derzeit mehr Aufbauarbeit macht als Terzic oder er selbst in Dortmund. Allerdings gibt es bei Leipzig abgesehen von den AV und Blaswich keine Deutschen auf dem Platz (Werner wird gerade ausgemustert), insofern hat das keine wirklichen Auswirkungen auf die N11. Die N11 lebt letztlich von Bayern und dem BVB, und bei beiden geht taktisch derzeit nix zusammen, man lebt nur von individueller Qualität

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Koom 20. November 2023 um 12:35

@Daniel: Das wollte ich nicht ausdrücken. Aber Freiburg produziert sehr wenig Material für die N11. Mein Blick ging da mehr um die (erweiterte) Spitze, da seh ich schon Tuchels Bayern als in der Tendenz aufsteigend, aber immer noch nicht gut.

Allgemein zu Nagelsmann: Ich halte ihn für einen guten Trainer, aber ein fettes ABER: Er ist zu sehr fokussiert auf die Offensive, auf seine „geniale Idee“, dass er die Gegner idealerweise zu Klump presst. Aber er hat weder den Kader, noch haben die Spieler dabei das notwendige Handwerkszeug. Hätte Nagelsmann in der N11 einen Mittelstürmer wie Kane, der eben ein Fixpunkt ist, dann kann das vielleicht klappen. Aber man hat da Füllkrug. Der erfüllt den Zweck, ist aber keine Waffe.

Für das, das man angeblich viel Defensive geübt hat, war das schaurig. Aber wiederum auch nicht überraschend. Man bimst nicht in 2-3 Tagen etwas ein. Wenn die Herangehensweise im Spiel auch betont defensiv wäre, dann funktioniert es dabei. Aber das ist gerade wie die ersten 3 Fahrstunden und dann wird man in ein F1 Auto gesetzt.

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Taktik-Ignorant 20. November 2023 um 15:43

Die Ideen „Defensivverhalten einüben“ und „Experiment mit Havertz als LV“ widersprechen sich halt irgendwie, egal wie lange man zum Üben Zeit hat. Allerdings ist Zeit der entscheidende Faktor bei Nationalmannschaften: man hat nämlich keine, und selbst vor den großen Turnieren bleibt netto, wenn es hoch kommt, eine Woche an konzentriertem Training. Die ersten Äußerungen von Julian Nagelsmann ließen vermuten, dass er den Unterschied zwischen Vereins- und Nationalmannschaften verstanden hatte. Auch die Herangehens- und Spielweisen bei Hoffenheim, Leipzig und Bayern unter seiner Ägide lassen erkennen, dass er eigentlich in der Lage ist, seine Spielphilosophie nach dem zur Verfügung stehenden Kader auszurichten. Daher war die experimentelle Aufstellung gegen die Türkei etwas ernüchternd.

Was für Füllkrug gilt (ich interpretiere die Bemerkungen von Koom etwas weiter), nämlich Zweckerfüllung auf gehobenem, aber keinesfalls Weltklasseniveau, gilt auch für andere Positionen: lieber Spieler einsetzen, die ihre Position beherrschen und ernst nehmen, als möglichst viele „Weltklassespieler“ auf dem Platz, egal wo und egal ob sie miteinander können oder nicht.

Was Tuchel und die Bayern anbelangt, so denke ich schon, dass Tuchel zuletzt bei PSG und Chelsea gezeigt hat, dass er Mannschaften besser machen und zum Erfolg führen kann. Dass es bei Bayern hakt, liegt zum einen an der Unausgeglichenheit des Kaders und zum anderen an den immer wieder auftretenden Formschwankungen bei vielen Spielern.

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Koom 20. November 2023 um 17:18

Ich glaub, „hier“ sind wir uns generell einig, dass es wohl besser wäre, einen nur gehobenen Spezialisten auf die Position zu stellen, anstatt einen hochwertigeren „Allrounder“. Also anders: Lieber vielleicht einen 6er, der diese Position wirklich mit Leib und Seele spielen will, anstatt Kimmich, der die Position für die Königsposition hält, aber auf ihr fast eher spielt wie ein (tiefer) 10er.

Ich denke, die Nationalelf (und nicht nur die, auch Bayern oder Dortmund) braucht auch einfach wieder eine Grundlage, eine funktionierende Basis. Das 4-2-3-1 (oder verwandete Iterationen) wäre dafür ideal. Sauberes Verschieben, Kettenverhalten, Zweikampfführen, Spielaufbau, Absicherung, Laufwege. Das ganze Grundlagenpaket. Das kann man auch mit durchschnittlichen Kickern machen und dabei dann die paar Weltklasse-Leute, die man auch hat, besser supporten.

Aber diese Grundlagenarbeit will wohl keiner machen. Terzic macht nur Verwaltungsarbeit und setzt vorraus, das diese Basics irgendwoher schon kommen. Rose zuvor und jetzt bei Leipzig auch. Tuchel hat einen Kader, dem von Flick und Nagelsmann jegliches 4-2-3-1-Verhalten mit Abwehrarbeit herausverkauft oder -trainiert wurde.

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Emmanuel 13. November 2023 um 13:21

Trying to be productive with the international break: a third of the way into the season are there any tactical trends in Europe or the Bundesliga that people have noticed? Teams worth watching?

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Taktik-Ignorant 14. November 2023 um 14:38

Well it could be an eye-opener to compare Bayer Leverkusen at the beginning of last season (for example on matchdays 10-12) with the team at the end of the season and whith what they are playing right now, in order to appreciate the work of Xabi Alonso. The end of season status as an in-between as the players were still the same whereas last summer the squad was subject to some substantial changes, with Diaby leaving the club and Grimaldo, Xhaka and Boniface joining it.

And of course a comparison between the Bayern Munich team under Nagelsmann and right now under Tuchel.

And as a dissuasive expample for how not to do things: Borussia Dortmund.

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Taktik-Ignorant 14. November 2023 um 14:43

And for Leverkusen I forgot to mention Jonas Hofmann as a newcomer, whose regular appearances in the starting block speak for themselves.

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tobit 14. November 2023 um 16:29

Stuttgart could also be similarly interesting as Leverkusen. They had quite little turnover for a team that battled relegation til the very end. The improvement was kind of visible last season (would have been 5th in the eight games under Hoeneß) but they made another gigantic step this year despite losing their two best players very late in the transfer window.

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Taktik-Ignorant 14. November 2023 um 17:16

I thought of Stuttgart, too, but eventually I don’t believe their success will last.

It is indeed quite surprising how Stuttgart was able to compensate for the loss of two key players in summer (unlike Cologne for example which is really struggling). But despite of the good reputation of Sebastian Höneß as a coach I am under the impression that Stuttgart depends too much on one player (its central striker Guirassy) in order to become a benchmark of modern football Also, they did not play so much worse last season when they had to maintain their Bundesliga status through relegation matches – they are just more succesful in scoring and I doubt this string of luck will last.

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tobit 14. November 2023 um 18:11

They were on pace for about 55 points in Hoeneß eight games last year. They’re on pace for about 70 this year. I agree that it won’t last, but if management stays grounded (it won’t, it’s Stuttgart) they could become quite a solid team like Frankfurt or Freiburg. So for now, I’ll just enjoy some good football while it lasts.

Köln got no money (just like Stuttgart) but Hector and Skhiri left for free instead of the 40m+ Stuttgart got for Endo and Mavropanos. Also they couldn’t plan to buy anyone because they faced a registration ban. And then when they could sign players, they went for far more attacking players (Ljubicic is the effective successor of Skhiri, because Christensen didn’t even make the matchday squad for 5 games) on a defensively focused team. So I wasn’t surprised of their collapse.

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Taktik-Ignorant 14. November 2023 um 21:48

Well yes, it’s sad for Cologne as it could be (have been?) a very successful „Bit City Club“ – just like Stuttgart, which I enjoyed watching already last season – so in order to get back to Emmanuel: if you have some time left in-between Premier League games and want to switch to Bundesliga, try to catch Bayer Leverkusen and Bayern Munich, and Stuttgart. As to the entertainment factor, you won’t be disappointed, and it is also a way of playing football that shows intent, purpose and a plan, well executed by skilled players.

AG 15. November 2023 um 15:12

I disagree about the luck part: they were extremely unlucky last season, and by xG, they were the 7th best team, far from relegation. This season, they are playing much better, both getting more chances and allowing less from the opponent. In fact, they play like a champions league team, and continued to do so without Guirassy in the last games.

Of course, they are still very dependent on Guirassy. If he will leave in the winter or if he will be injured a lot, they might well drop out of the CL places. But they would still be likely to qualify for Europe. Shows that Stuttgart just has the better players, and Köln was exceptionally dependent on two players in particular.

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Taktik-Ignorant 18. Oktober 2023 um 18:13

Kleinere Lehren aus den ersten Auftritten der NM unter dem neuen Bundestrainer:
Nagelsmann zeigt tatsächlich eine andere Herangehensweise als Flick. Flick oder Löw hätten auf der USA-Reise die Mannschaft ziemlich durcheinandergewürfelt, im Sinne der Belastungssteuerung und um des Testens willen. Bei Nagelsmann hingegen wies die Startelf insbesondere im Zentrum jedoch eine erstaunliche Kontinuität auf: im Mittelfeld das Pärchen Gündogan/Groß, davor Musiala/Wirtz, davor Sané und der (für eine Halbzeit vermutlich dann doch wegen des frühen Dortmunder Buli-Spiels geschonte) Füllkrug, in der Abwehr Goosens, Rüdiger (der zweite IV ist wohl noch eine offene Baustelle) und rechts einen gelernten IV (zumindest solange Henrichs verletzt ist), dem dann naturgemäß eine defensivere Rolle zufällt als dem klassischen Flügelspieler Goosens.
Das ist erst einmal ein schlüssiges Konzept, und es sieht ganz danach aus, als plane der BT damit für die EM. Dieses Konzept trägt auch zumindest teilweise bei personellen Ausfällen: Behrens könnte für Füllkrug einspringen, Gnabry für Sané (die Statik würde dann wohl entsprechend angepasst), Havertz könnte sowohl für eine der beiden Stürmerpositionen als auch für Wirtz oder Musiala einspringen (ebenso Müller), für die beiden Letztgenannten käme auch Goretzka in Frage. Kimmich wäre Ersatz für Gündogan, und daneben bräuchte es für Groß noch einen weiteren eher robusten, einfachen Spieler mit defensiver Rolle (Can?).

Rüdiger scheint in der IV der einzige Gesetzte (zu Recht, angesichts seiner Leistungen im Verein), und für den zweiten Platz scheinen Hummels und Tah eher in Frage zu kommen als Schlotterbeck, Ginter oder Thiaw.

Es wird sich zeigen, ob die Achse der beiden jungen Hochbegabten (Wirtz/Musiala) in zentraler Rolle auf Dauer und gegen stärkere Gegner funktioniert. Aber es wäre schade, einen davon nicht aufzustellen, auch wenn das für Havertz oder Goretzka (und auch Müller) schlechte Nachrichten sind.

Die Kombination eines körperlich robusten mit einem schnellen, wendigen Spieler in vorderster Linie erscheint mir auch sinnvoller als eine Ansammlung reiner „Feinfüßler“, denn im Endeffekt ist die Durchsetzungsstärke ein wichtiger Aspekt, und die Mischung macht es.

Schade, dass der ebenfalls immer wieder sehr starke Jonas Hofmann dabei aus dem Raster zu fallen scheint….

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Koom 19. Oktober 2023 um 11:27

Klingt schlüssig. Die Idee dürfte wohl sein, eine gewisse Stärke zu entwickeln, die dann auf dem Platz für den Gegner ein Problem sein soll. Konkret also ein (nicht nur für deutsche Verhältnisse) dribbelstarke Offensive mit einem klassischen 9er. Im Grunde auch ein bisserl RB-Schule, weil das sehr zentrumsfixiert ist (ähnlich wie das beliebte 4-2-2-2 der RB-Klubs).

Musiala, Wirtz, Sane sind alles variantenreiche Offensivspieler, nicht unbedingt streng auf eine Rolle festgelegt. Denen gilt es natürlich, auch defensiv mitzuarbeiten, und sei es durch gutes Gegenpressing. Da sehe ich nur Musiala als kleines Problem, der Rest hat auf die eine oder andere Weise schon nachgewiesen, dafür willig zu sein. Und Musiala hat mit Tuchel einen Trainer, der da ebenfalls wert drauf legt.

Defensiv ist es natürlich generell immer noch problematisch. Ausser Rüdiger gibt es gerade keinen deutschen IV, der formstark ist. Talent ist fraglos da, die potentielle Klasse kann man Süle, Schlotterbeck und Co. nicht absprechen.

Beim RV kann ich mir vorstellen, dass Nagelsmann da tatsächlich Kimmich bringen will.

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Taktik-Ignorant 19. Oktober 2023 um 23:56

Der RV Kimmich war allerdings 2018 eher eine der Schwachstellen, hinter ihm gab es für den Gegner ähnlich viel Raum wie für Gegner Brasiliens, wenn Marcelo den LAV gab. Kimmich steht mehr für Spielstärke als für defensive Absicherung, und deshalb suggeriert mir mein persönlicher Kaffeesatz eher eine Leipziger Lösung.

Das Defensivverhalten der Offensive insgesamt (Mittelfeld eingerechnet) ist wohl verbesserungsbedürftig, sonst kämen nicht so viele vielversprechende Angriffe vor das deutsche Tor; das dürfte nicht nur an Musiala festzumachen sein, dem die defensive Wehrhaftigkeit keineswegs abgeht, wenn er weiter hinten spielt (siehe das letzte Auswärtsspiel der NM in den Niederlanden). Vielleicht alles eine Frage der taktischen Disziplin.

Ungeachtet dessen fällt mir aber noch keine Erklärung ein, wieso die Mexikaner in klarer numerischer Unterzahl vorne zu ihren beiden Toren gekommen sind ….

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tobit 20. Oktober 2023 um 10:31

Der RV Kimmich 2018 war war aber auch nur als Mitläufer in diesem Team eingeplant und wurde rechts in allen Spielen heftigst alleingelassen. Die hauptsächlichen Probleme dieses Teams lagen woanders und wurden danach zumindest teilweise durch eine Versetzung Kimmichs ins Zentrum behoben.
Kimmich als RV würde sehr wahrscheinlich heute auch nicht den dritten IV ersetzen, sondern Gosens. Dann müsste Sané wieder nach links (oder Führich wird zum Überraschungsstammspieler), weil Breite braucht man ja doch auf beiden Seiten. Oder man spielt symmetrische 3er-Kette mit Gosens/Raum und Kimmich/Hofmann/Henrichs daneben. Eine 4er-Kette mit zwei offensiven AV würde ich bis auf weiteres ausschließen.

Natürlich ist man defensiv anfällig, wenn man vor der Abwehr mit einem 2.Sechser/Achter (Groß hat in Brighton immer einen zweiten Sechser neben sich) und drei Zehnern spielt (plus ein verkappter Flügelstürmer in der Abwehr). Ist schon bezeichnend, wenn Leroy Sané defensiv (also nicht nur im Gegenpressing, da ist er eh herausragend) zur besseren Hälfte des Teams gehört.
Deswegen spreche ich mich ja auch ständig für einen Sechser/DM (Weigl/Khedira/Andrich) mit einem Spielmacher (Kimmich/Groß/Gündogan) daneben aus. Was bei mir am ehesten zu Lasten von Musiala oder Füllkrug gehen würde, weil deren Einfluss auch bei optimaler Einbindung am inkonstantesten ist. Könnte da aber auch mit einem benching von Wirtz leben, weil der bei der N11 bisher kaum mal wirklich zur Entfaltung gekommen ist.

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Taktik-Ignorant 21. Oktober 2023 um 02:46

Ich nehme an, dass Nagelsmann mit einer Viererkette spielen wird, wobei eine Außenverteidigerposition offensiver und eine defensiv ausgerichtet sein wird. Letztere könnte dann zur Not auch mit einem Innenverteidiger besetzt werden, der schlicht die Mission hat, seine Seite zuzumachen und bei Kopfballstandards seine Stärken auszuspielen (Stichwort: WM 2014 Ochsenabwehr mit Höwedes auf links).

Dann könnte er nämlich ein (leicht variables) 4-2-3-1 oder auch ein 4-2-2-2 spielen lassen – eine Formation, die die deutschen Spieler gut kennen und gewohnt sind. Da es erst einmal darum geht, Stabilität wiederzufinden und eine verunsicherte Mannschaft in die Spur zu bringen, ist das ganz hilfreich. Den großen Taktikbaukasten kann man bei Nationalmannschaften, deren Spieler sich selten und in wechselnden Konstellationen sehen, ohnehin nicht aus dem Schrank holen. Aus genau diesem Grund sehe ich aber auch nicht die 3er-Kette im Kommen.

Musiala hatte zwischenzeitlich mit Formschwankungen zu kämpfen, sein Spiel bringt aber Überraschungsmomente, die kaum ein anderer Spieler draufhat; Wirtz würde ich auch in der NM belassen, er akklimatisiert sich gerade und weist dort steigende Tendenz auf. Die Art, wie er das Leverkusener Spiel prägt, ist schon beeindruckend. Wenn also ein richtiger 6er, dann eher zu Lasten von Groß.

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tobit 21. Oktober 2023 um 10:32

Sehe ich genauso. Der defensivere AV wird zu 100% ein IV sein, weil wir keine defensiven AV haben. Außer man nennt Kehrer oder Klostermann fälschlicherweise so obwohl sie überwiegend als IV spielen. Problem mit Kimmich als AV wäre für mich, dass die Verschiebung der drei IV nicht zu Rüdiger passt (LIV zu HV ist seine gute Rolle) und eigentlich Schlotterbeck als LV erzwingt (alle anderen möglichen AV sind viel schwächer oder spielen nichtmal LIV, wenn es irgendwie vermeidbar ist).

Das 4-2-2-2/4-2-3-1 sehe ich auch als gute Basis. Ich würde darin aber maximal drei aus Kimmich, Gündogan, Musiala, Wirtz aufstellen (6er, 9er, Sané haben Priorität). Und da fällt aktuell Musiala für mich hinten runter. Außer man stellt ihn halt auf die Neun, wo seine inkonstanten aber brutal durchschlagskräftigen Aktionen genial wären.

Koom 23. Oktober 2023 um 21:18

Mal anders aufgezäumt: Kimmich hat große Offensivqualität, da sollten wir uns vermutlich einig werden. Gutes Auge, gute lange Bälle und Flanken, guter Schuss. Sein Schwachpunkt ist, dass er fast nur offensiv denkt und er defensiv wenig mithilft bzw. viel herumirrt. Ihn als RAV einzubauen ist dann vermutlich einfacher, als ihn als 6er oder 8er zu bringen. Man kann dann nämlich eine Struktur schaffen, die auch ohne seine Hilfe defensiv gut stehen kann.

Aber das Puzzle steht und fällt damit, wen man als echten 6er auffindet und wie der agiert. Ich glaube auch hier sind „wir“ hier alle einig, dass man gerne mal eine „Holding Six“ wieder hätte, die den Raum vor der Abwehr einnimmt, bespielt und verteidigt. Das muss kein tiefer Spielmacher wie Gündogan sein, es würde auch mal ein Staubsauger tun, der das konzentriert macht. Davon würde dann auch die Statik dahinter profitieren, wo man rein von den Anlagen eigentlich 3-4 wirkliche starke IVs hat, die aber größtenteils nicht eingenordet sind.

tobit 23. Oktober 2023 um 23:03

Ganz so schlimm finde ich Kimmichs Defensivverhalten nicht. Aber man muss ihn natürlich seinen Instinkten entsprechend einbinden – was halt eine herausrückende, jagende Rolle ohne allzu komplexe Absicherungsaufgaben bedeutet. Also eher S.Khedira als Lahm, Özil oder JogiN11-Schweinsteiger (um mal seine Vorgänger als Archetypen zu gebrauchen). Gleichzeitig will man ihn in Ballbesitz aber auch möglichst präsent haben, weil er aus so vielen Situationen Gefahr erzeugen kann. Da also dann eher HeynckesBayern-Schweinsteiger. Spricht für mich schon sehr für eine Einbindung als Achter neben einem primär defensiv absichernden Sechser und mit mindestens einem weiteren klar auf’s Mittelfeld ausgerichtetem Spieler in der Umgebung.

Ich finde auch nicht, dass man den dritten Mittelfeldspieler besonders stark nach dem Abräumer aussuchen muss. Kimmich will ja sowieso im Spielaufbau präsent sein, man muss also mit Andrich, R.Khedira oder Martel auf der Sechs nicht zwingend Arnold, Groß oder Gündogan als Nr.3 dazustellen (mit Weigl sowieso nicht). Wichtig wäre halt, keinen Neuneinhalber als dritten Mittelfeldspieler zu verkaufen.

Zu Kimmich als AV:
Es macht viel mehr Sinn, den offensiven AV auf links zu haben, wegen der IV-Zusammensetzung. Kimmich wäre zwar auch als LV wahrscheinlich ein offensives Upgrade zu Gosens/Raum, man müsste aber eigentlich einen Flügelstürmer statt Zehner Gündogan/Wirtz vor ihn stellen um auf seine ständigen Ausflüge in die Mitte reagieren zu können.
Ich sehe da insgesamt keinen Gewinn fürs Team, weil man auf dem Spielberichtsbogen nur Gosens durch Führich ersetzt und Gündogans Backup (durch seinen Positionswechsel nach hinten) jetzt Groß und nicht mehr Wirtz heißt. Von der höheren Komplexität eines eingerückten AVs haben wir da noch gar nicht gesprochen.

Koom 24. Oktober 2023 um 10:09

Kimmich ist durchaus arbeitswillig, aber defensiv sehr unstrukturiert. Ja. ihn „jagender“ einzusetzen kann Sinn machen. Letztlich ist es halt eine Frage, wo man die Dinge so dicht und stabil bekommen kann. Ob er nun als 8er oder AV rumeumelt ist dabei sekundär, weil er defensiv keine Konstanz reinbringt. Er ist halt ein Hund der Autos jagt, wenn er motiviert ist. Das ist er oft, aber auch nicht immer.

Das wird eines der spannendsten und größten Dinge sein, dass man mal wieder einen deutschen 6er findet, der den Job auch defensiv beherrscht.

Daniel 1. November 2023 um 14:13

Ich könnte mir nach den Ereignissen der letzten Wochen vorstellen, dass es auch bei Bayern demnächst wieder (zumindest zeitweise) auf den RV Kimmich hinausläuft. Mazraoui ist politisch nicht mehr zu halten, die Frage ist nur, ob die Vereinsführung das Thema lang genug aussitzen kann, um eine Ablösesumme zu erwirtschaften und damit den Schaden in Grenzen zu halten. Von ihm abgesehen kann nur Kimmich einen Rechtsverteidiger auf internationalem Niveau spielen-also entweder er oder Bayern muss mit Mazraoui’s Verkauf sofort einen Nachfolger mit Startelfqualität holen…was im Winter schwer werden dürfte.
Dass Kimmich sich deutlich (um-)entwickeln müsste, um zu dem Sechser zu werden, zu den Bayern ihn warum auch immer seit Jahren zu machen versucht, ist bekannt. Inzwischen geht es aber massiv in die andere Richtung: Kimmich entwickelt sich mit Siebenmeilenstiefeln zurück, mittlerweile frage ich mich sogar, ob er oder Tuchel oder beide das absichtlich machen, um auch dem letzten Blindfisch in der Vereinsführung den Handlungsbedarf im Mittelfeld vor Augen zu führen. Gegen Istanbul und Darmstadt wäre selbst Emre Can ein Upgrade im Sechserraum gewesen. Bayern braucht mindestens einen, eigentlich sogar zwei Neuzugänge im Mittelfeld: einen positionstreuen, defensivstarken Akteur (im weitesten Sinne Typ Martinez) und einen spielstarken und vor allem PRESSINGRESISTEN Passspieler (im weitesten Sinne Typ Thiago). Letztere Rolle könnte theoretisch Guerreiro bekleiden…leider ist der aber zu verletzungsanfällig, um ihn dauerhaft als Schlüsselspieler einzuplanen. Ohne mindestens einen solchen Transfer braucht man über die CL gar nicht reden und selbst für nationale Titel bräuchte man einiges Dusel-denn schon ein oder zwei ungünstige Verletzungen verzeiht dieser auf Kante genähte Kader nicht (an der Stelle nochmal herzlichen Glückwunsch an das ‚Transferkomitee‘).

@tobit
„…nicht zu Rüdiger passt (LIV zu HV ist seine gute Rolle)…“
Hm…ich hab ihn nicht oft gesehen und bin kein großer Fan von ihm-aber meinst du nicht, dass er das auch auf die andere Seite übertragen könnte? Schließlich ist er doch Rechtsfuß und sonderlich groß ist der Unterschied nicht. Wobei ich die letzten Wochen ein paarmal Leipzig gesehen hab und mich langsam frag, ob man nicht mit Raum und Henrichs auch ganz gut bedient wäre. Beide wirken inzwischen balanciert in der Entscheidungsfindung zwischen Defensive und Offensive (was ich zumindest Raum vor ein bis zwei Jahren eher noch nicht zugetraut hätte).
Ansonsten hat man halt nur verkappte IVs oder Offensivspieler für die Außenverteidigerrollen zur Verfügung…wobei von denen mit Ausnahme von Kimmich auch keiner individuell nennenswert stärker ist als Raum und Henrichs. Bei dem, was Kimmich in den letzten Wochen abliefert, bräuchte er sich aber eigentlich über die Bankrolle derzeit auch nicht zu wundern…Leistungsprinzip und so.

tobit 2. November 2023 um 10:27

Mazraoui hat vor allem nicht die mentalen Eigenschaften für einen Topklub. Der kann nicht damit umgehen, nicht bedingungslos gesetzt zu sein und tritt das öffentlich breit. Das kannst du machen, wenn du beim Verein quasi zum Inventar gehörst und ein Top5-Scorer der Geschichte bist, aber nicht als ablösefreier Zugang aus einer unterklassigen Liga.
Die politischen Geschichten sind den Bayern völlig egal, weil sie dank Mikro-Kader sofort sportliche Auswirkungen hätten. Und Gewinnen geht dem FC Hoeneß schon immer über die Moral. Und welcher große Klub in Europa würde sich aktuell die PR-Zeitbombe ins Haus holen? Eigentlich nur ein ein Premier Ligist in Abstiegsnot oder United (wobei die eher einen LV brauchen).

Wieso Kimmich unbedingt auf die Sechs will, ist doch wohl offensichtlich. Dem wurde in jungen Jahren erklärt, dass der Sechser das Spiel bestimmt. Also sagt sein Ego, dass er da spielen muss. Gleichzeitig ist sein Blick auf das Spiel halt ein sehr offensiver (damit ist er in bester Gesellschaft), also übersieht er, dass das Spiel nicht nur mit Ball bestimmt wird.

Als RV sehe ich Kimmich aktuell nicht. Dafür bräuchte es mehr als nur zwei Neuzugänge im Zentrum, damit dann immer zwei davon spielen können. Weil er ist ja trotz Rückentwicklung und einseitiger Spielbetrachtung immernoch der mit Abstand beste ZM, den Bayern hat. Laimer kann aushilfsweise den Backup für den Martinez-Typus geben, aber auch nicht so wirklich. Goretzka passt weiterhin (trotz massiver Steigerung im Positionsspiel) nicht rein, bzw müsste eigentlich falsche Zehn / hängender Stürmer spielen um Kane dominanter ins Spiel zu kriegen. Und Guerreiro kann den Thiago-Typ auch nicht besser spielen als Kimmich.
Außerdem halte ich Laimer für den besseren RV, weil er athletisch in allen Belangen überlegen, spielerisch und positionell berechenbarer / rollentreuer und defensiv aufmerksamer ist. Links sähe ich Laimer und Kimmich etwa gleich stark, weil die „falsche“ Seite den technischen Aspekt wichtiger macht – vor allem sähe ich sie aber in der aktuellen Ausrichtung beide weit vor Davies (aber auch weit hinter Guerreiro), der in jedem Spiel das ich sehe absolut katastrophal ist.

Wenn man Davies und Goretzka (wäre der nicht einer für Newcastle als Tonali-Ersatz?) im Winter gegen einen Top-Sechser, und zwei bis drei Rotationsspieler für AV und DM eintauschen könnte, wäre der Kader ein großes Stück weiter.
RV: [Mazraoui], Laimer, *R1*, Sarr
LV: Guerreiro, *R2*, (Kimmich), (Krätzig)
DM: *S1*, (Kimmich), *R3*, (Laimer), Pavlovic
ZM: Kimmich, (Guerreiro), (Laimer), Krätzig
7-8 ernstzunehmende Profis plus Sarr, Pavlovic und Krätzig, die man mal in den Kader nehmen kann.

Rüdigers Auftaktbewegungen sind schon sehr auf diese linke Seite ausgelegt (Annahme mit Blick nach innen um sofort den Körper zwischen Ball und dem von außen anlaufenden Gegner und danach freien Blick vertikal zu haben). Im Prinzip ist das der eine diagonale Moment in seinem Spiel. Und der ist nicht nach rechts übertragbar, weil er da dann mit dem schwachen Linken den Pass oder Lauf nach vorne machen müsste. Und am Ende seiner Läufe spielt er auch lieber nach außen, was rechts einen anderen Winkel bräuchte, wofür er sich komplett anders anbieten müsste. Da er sich als halblinker ZIV schon nicht anders anbieten will/kann (obwohl es einfach wäre), traue ich ihm das auf der anderen Seite (wo es schwieriger wäre) auch nicht zu.
Er spielt aktuell bei Real wohl RIV. Die kann ich zwar nicht gucken, aber Artikel und Zusammenfassungen deuten auf eine nicht so überzeugende Leistung der ganzen Mannschaft hin, die von individueller Genialität kaschiert wird. Und die Aufstellungen deuten auch auf eine Menge tiefe Präsenz der Mittelfeldspieler, also weniger Raumüberbrückungsarbeit für die IV, hin.
Raum+Henrichs bräuchte halt eine defensiv ähnlich aufmerksame Doppelsechs wie bei Leipzig und zwei defensivstarke Offensive. Da kriegt man dann weder Kimmich noch Gündogan in der Doppelsech unter, als Halbzehner wären sie dann zumindest defensiv ähnlich stark wie Forsberg. Dann fehlt aber immer noch das systematische Pressing und der Raumstopfer Poulsen aus dem Sturm.

Taktik-Ignorant 24. Oktober 2023 um 15:39

Der Unterschied zwischen Kimmich 2016 (EM) und 2018 (WM) war halt Schweinsteiger, der 2016 das Mittelfeld großräumig beherrschte. Und falls wir uns einig sein sollten, dass 2 offensivstarke Außenverteidiger einer zu viel wäre, dann müsste man bei einem Einsatz Kimmichs als RAV die LAV-Position mit einem geeigneten defensivstarken gelernten LAV (wer soll das sein?) oder mit einem IV besetzen (aber wohl eher nicht Schlotterbeck).

Ich sehe Kimmich daher, so leid es mir tut, nicht unbedingt in der Startelf, sondern eher als Ersatz für Gündogan oder eine der offensiveren MF-Positionen. Aber auch andere hochkarätige Spieler wie Havertz oder Goretzka (oder Brandt in seiner aktuellen Form oder Adeyemi, wenn er wieder an die Leistung vom Frühjahr anknüpfen kann) würden dieses Schicksal teilen.

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Koom 24. Oktober 2023 um 17:00

Ja, die Krux ist, das eigentlich hinten wie vorne (aber vor allem hinten) alles wackelt. Da ist es dann schwer, kreative Freigeister wie Kimmich, Havertz etc. einzubinden, wenn gefühlt fast alle Spieler entweder solche Freigeister sind oder auf eine Struktur angewiesen sind, für die sie dann Aufgaben übernehmen können. Strukturgebende Spieler, also Spieler, die auf dem Feld stetig Positionen besetzen, diese halten und „verteidigen“, dort anspielbar sind etc., sind momentan sehr rar gesät.

Das scheint IMO auch sehr mit der schlechten Ausbildung zu tun haben, die viele solche „Mitläufer“ produziert, die dann keine echte Stärke oder Spezialität haben, aber einen Kader toll auffüllen.


tobit 6. Oktober 2023 um 11:45

Nagelsmanns erster Kader ist ziemlich interessant. Kein RV, sieben Zehnertypen, ein zweiter physischer MS und Andrich statt Can. Also entweder plant er mit Kimmich/Hofmann als Wingback, mit Kimmich/Groß einrückend oder – am wahrscheinlichsten – weiter mit einem IV (Tah/Süle/Thiaw) außen. In Ballbesitz läuft es also fast schon zwangsläufig auf 3-2-4-1 hinaus.

Was ich mich immer wieder frage: wieso nominiert man nicht mal Stefan Ortega. Der hat schon Erfahrung als Ersatz und bewiesen, dass er aus dem Stand voll da sein kann.

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AG 6. Oktober 2023 um 12:56

Ja, der fehlende RV ist mir auch sofort aufgefallen, und ich würde auch von einer Dreierkette ausgehen. Andrich als Abräumer fände ich sogar sehr passend, letzte Saison hat er das sehr konsequent gemacht. Mit robustem Strafraumstürmer könnte ich mir wieder sein agressives 3-1-5-1 vorstellen. Ortega wäre eine gute Wahl, aber an ter Stegen / Neuer kommt wahrscheinlich sowieso keiner dran vorbei…

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Taktik-Ignorant 8. Oktober 2023 um 13:13

Bei Andrich hatte ich mich schon vor einem Jahr gefragt, warum er nicht mal nominiert wird. Damals wäre sie naheliegender gewesen als jetzt, wo er in Leverkusen wenig Spielzeiten bekommt. Aber für ihn wie für Führich oder Behrens wird es vermutlich ohnehin erst einmal ein Schnupperkurs. Nagelsmann ist nicht zu beneiden: gleich beim ersten Auftritt viele Reisekilometer, wenig Zeit zum trainieren, daher fast schon notwendigerweise eine Streuung der Spielbelastung, so dass ich jetzt schon die Kritiken sehe: „er experimentiert genauso ziellos herum wie seine Vorgänger“.
Zum Aufgebot: der fehlende RV ist vermutlich zumindest zum Teil der Verletzung von Henrichs geschuldet. Mein Tipp wäre daher auch der Einsatz eines gelernten Innenverteidigers (Taktik-Baukasten: Stichwort Ochsenabwehr), vielleicht hat Nagelsmann das ja auch im Frankreich-Spiel gefallen.

Echte Außenstürmer scheinen mir auch Mangelware, weshalb ich fast ein wenig geneigt bin, zu spekulieren, ob Brandt mal wieder auf dieser Position aus seinen Jugendjahren zum Einsatz kommen soll, denn im Mittelfeld herrscht in Nagelsmanns Aufgebot ein nahezu guardioleskes Überangebot. Die Absicherung der talentierten Offensiv-Mittelfelder durch DM und Abwehr und die Verzahnung der verschiedenen Mannschaftsteile bleiben das Problem – mal sehen, ob Nagelsmann dafür bessere Lösungen findet.

Immerhin hat er mit Gündogan, Wirtz, Kimmich und Musiala vier sehr spielstarke Mittelfeldleute zur Verfügung, und welche davon am besten zu einander (und zu den übrigen Spielern) passen, ist mir noch nicht ganz klar. Alle vier gleichzeitig auf dem Feld führt zwangsläufig zu einem großen Problem in der Defensivabsicherung.

Noch kurz zu den Torhütern: Ortega macht es bei City wirklich nicht schlecht, bleibt aber als Ersatzmann verständlicherweise etwas unter dem Radar der Bundestrainer. Oberexperte Didi Hamann schlug heute in den Medien übrigens den Bochumer Riemann als 3. Torhüter vor (Taktik-Baukasten: Stichwort Lous-van-Gaal-WM2014-Gedenk-Geniestreich). Elfmeter „killen“ kann er, und Manuel heißt er auch noch, da brauchen sich die Spieler beim Zurufen nicht mal umzugewöhnen. Ist aber nicht grundsätzlich verkehrt, sich für die Torhüterposition auch bei Mannschaften im unteren Tabellendrittel umzusehen, da sind die Keeper ja zwangsläufig besonders kampferprobt. Ter Stegen dürfte ohnehin gesetzt bleiben, und da mit einer Rückkehr von Neuer nicht unbedingt zu rechnen ist, kann er sich vielleicht wirklich mal als wahre Nummer 1 fühlen, was ihm die zusätzliche Sicherheit verleihen könnte, die ihm in der NM manchmal, anders als im Verein, abging.

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tobit 10. September 2023 um 18:19

So, Flick ist Geschichte. Nach einer völlig verkorksten letzten Umstellungspatrone.
Die Idee Arsenal zu kopieren fand ich für das Spielermaterial eigentlich ganz gut, nur war sie an vielen Stellen zu inkonsequent. Kimmich hätte noch klarer vor, Schlotterbeck klarer in die Abwehr gemusst. Bei letzterem passte aber auch die Ausrichtung der Spieler vor ihm so gar nicht. Gnabry stand die ganze Zeit zu eng und zu hoch, auch Gündogan hätte sich angesichts von Can statt Rodri/Rice/Jorginho öfter tief anbieten müssen. So war man viel zu leicht festzunageln und kam nur über Geniestreiche von Wirtz oder Sané mal in gute Angriffssituationen.

Mal schauen, wie Völler am Dienstag das unausweichliche 4-4-2/4-2-3-1 besetzt und wie viel heftiger die Klatsche gegen Frankreich ausfällt.

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Ibou 10. September 2023 um 21:34

I remember seeing some unease (which I shared) about how the exact integration of Havertz would work into Arsenal’s system. A lot of criticism of the purchase remains and a lower level of fluidity than last season, but how do you see it now after a few games?

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WVQ 10. September 2023 um 22:25

Arsenal seit Arteta so gut wie gar nicht gesehen, was machen die denn?

Das gestern… Ich kann’s immer noch gar nicht glauben. Wie kann es denn auf Nationalmannschafts-Niveau passieren, daß ein „einrückender“ RV teilweise bis in den linken Halbraum durchzieht und dies von allen anderen Spielern exakt null kompensiert wird? Ich meine, wenn man Kimmich so verwenden will, dann macht doch gerade bei drei gelernten IV in der Formation ein 3-2-Aufbau Sinn… Quasi dann als City-Kopie mit Kimmich à la Cancelo. Aber die Kette hat ja nicht einen Millimeter nach rechts verschoben, vielmehr schob Schlotterbeck im Aufbau einfach standardmäßig ein Stück hoch, Can ist Kimmich quasi nur nach links/vorne aus dem Weg gelaufen, Gündogan auch, Wirtz sollte wohl auch hoch bleiben, Sané sowieso, und der RV-Raum blieb einfach komplett leer… So eine schlimme taktische Idee habe ich ja im Profifußball überhaupt noch nie gesehen.

Und das Verrückteste war noch, daß Japan (jedenfalls ab der 20. Minute, als ich eingeschaltet habe) nicht mal etwas draus gemacht hat, der Spielverlauf vielmehr von der so oder so bestehenden deutschen Unfähigkeit zu strukturiertem Offensiv- und Defensivspiel bestimmt war und das einzige deutsche Tor überdies noch ausgehend von Kimmich auf halblinks gefallen ist. Dachte echt, ich bin im falschen Film…

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Koom 11. September 2023 um 12:00

Gerade das Spiel gegen Japan zeigte viele Probleme auf, dass tatsächlich die vielbeschworenen Basics fehlen. Und das würde auch kaum ein anderer Trainer hinbekommen, weil diese Basics eigentlich in Vereinsarbeit geregelt werden sollten. Es ist erschreckend, wie schlecht Dortmund und die Bayern dabei sind, sich ballorientiert zu verschieben, Dreiecksbildung durchzuziehen auf dem Feld, einen Mitspieler abzusichern, auch Gegenpressing ist ganz furchtbar geworden.

Tuchel repariert bei den Bayern immer noch und kriegt es gaaanz langsam hin, aber das wirkt fast so, als ob die Guardiola-Bayern einen schweren Autounfall hatten und jetzt in Reha versuchen, überhaupt wieder laufen zu können.

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WVQ 11. September 2023 um 15:28

Grundsätzlich hast Du schon Recht (auch wenn die Probleme der Nationalmannschaft weiter darüber hinausgehen), aber ich kann mir nicht vorstellen, daß die Nummer gegen Japan auf das Konto einzelner Spieler ging. Womöglich hat Kimmich es mit dem Einrücken tatsächlich übertrieben, aber selbst wenn er nur in den rechten Halbraum eingerückt wäre (wie man es von so einer Variante üblicherweise erwarten würde), hätten die drei Abweherspieler trotzdem nach rechts verschieben müssen, und DAS muß vorher klipp und klar eine Ansage des Trainers und überdies wenigstens in einem kleinen Trainingsspiel einstudiert sein. Aber das sah ja aus, als hätte Flick einfach Kimmich pauschal gesagt, daß er im Ballbesitz auf die Sechs geht… und allen anderen nichts!

War letztlich wie gesagt für den Spielverlauf nicht mal entscheidend, aber es exemplifiziert meines Erachtens, welche taktische Rat- und vielleicht sogar Ahnungslosigkeit da zuletzt bestanden hat. Man vergleiche das (von den Flick-Bayern mal ganz abgesehen) mit den ersten Spielen unter Flick, als es eine grundsätzlich ähnlich komplexe Umstellung in Ballbesitz gab (mit Hofmann, der von RV auf RA aufgerückt ist), und da sah das im kollektiven Verschieben alles weitgehend sauber aus. Ich wüßte wirklich zu gern, was sich seitdem verändert hat, denn das Potential war im Trainerteam (und in der Mannschaft) ja offensichtlich da.

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Taktik-Ignorant 14. September 2023 um 19:27

Das ist in der Tat das Seltsame: die taktischen und spielphilosophischen Neuerungen, auch die kleinen Dinge wie das Trainieren von Standards mit einem Spezialisten, funktionierten in den ersten Spielen. Seit gut einem Jahr funktioniert gar nichts mehr, und das kann nicht nur an stärkeren Gegnern liegen. Ich sehe da vielleicht atmosphärische Ursachen, aber da sollten Profifußballer eigentlich drüber stehen.

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Taktik-Ignorant 15. September 2023 um 00:00

Ergänzung: „in den ersten Spielen unter Flick“.

Daniel 11. September 2023 um 09:43

Bin mir gar nicht sicher, ob es gegen Frankreich so eine heftige Klatsche gibt. Wenn Völler einigermaßen vernünftig an die Sache rangeht parkt er den Bus und versucht gar nicht, irgendeine Form von Spielaufbau zu betreiben. Und so ein ausgefeiltes Ballbesitzspiel hat Frankreich dann auch nicht, um das auseinanderzuziehen. Ich könnte mir vorstellen, dass das eher total unansehnlich wird als ein französisches Schützenfest (was aber natürlich schon auch passieren kann)

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Koom 11. September 2023 um 12:02

eine Klatsche gegen Frankreich wird vermutlich sehr viel mehr von Frankreich als von Deutschland abhängen. Gegen Japan war das doch schon eine relativ defensive Aufstellung mit 2 Sechsern + einrückendem Kimmich, dahinter 3 Innenverteidiger. Das war schon die Bollwerk-Lösung und man fing sich von Japan gleich 4 Stück.

Frankreich ist oft einfach zufrieden, nur zu gewinnen. Das wird vermutlich auf ein 0:2 rauslaufen, Deutschland wird viel wertlosen Ballbesitz habe und kaum nen Torschuss schaffen.

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tobit 11. September 2023 um 15:18

@Ibou
Havertz as a Xhaka-successor makes no sense to me. He should mainly play (f)9 or 10, but Arsenal have enough good players for those positions. So it would have made more sense for them to got for Kovacic or Bellingham or maybe even Caicedo to replace Xhaka.
They already looked less fluid in spring when they had to rotate more due to injuries. So it isn’t surprising that this continues with even more new faces in the squad.

@WVQ
Arsenal spielt basically Peps Cancelo-Variante. Letztes Jahr meistens mit Zinchenko als falschem LV, dieses Jahr auch oft mit Partey von rechts (nachdem er auf der Sechs von Jorginho und Rice verdrängt wurde).
Die Positionierung von Süle sieht leider in jeder 3er-Reihen-Variante so aus. Der steht immer zu eng, wenn er nicht nominell als RV beginnt. Ist halt als zentraler IV auch besser aufgehoben mMn. Rüdiger als ZV steht dafür immer zu hoch und blockiert den Passweg zwischen den HV (was auch die bessere Position für ihn wäre). Schlotterbeck war dann das deutschlandtypisch auf LV alleingelassene arme Schwein.

@Koom
Jop, der Unterschied bei der Passgeschwindigkeit war mal wieder erschreckend. Das war ja schon unter Löw ein Problem, aber da fiel es nur gegen Teams wie Spanien wirklich auf. Flick hatte es am Anfang eigentlich ganz gut hinbekommen, aber dann ist man 2022 (nach dem Italienspiel) ganz komisch abgebogen.
Personell könnte man es als Bollwerk-Lösung bezeichnen – nur strukturell war es das nicht. Gündogan hat 1zu1 seine City-Rolle als „verspäteter Zehner“ gespielt und Schlotterbeck war ein offensiver Flügelläufer.

@Daniel
Völler kann mit diesem Team aber nicht den Bus parken.
1. hat er (oder sein Trainerteam) nicht den Skill, das in zwei Einheiten gut einzuüben.
2. sind die Spieler dafür individuell überwiegend ungeeignet.
3. ist Frankreich gut genug, auch gegen gut eingestelltes Busparken (was wir nicht hinkriegen) deutlich zu gewinnen. Klar werden die wahrscheinlich kein Feuerwerk a la Spanien (6:0) abbrennen, aber die individuelle Klasse wird reichen um die unausweichlichen Fehler der Deutschen (egal ob beim Busparken oder einer anderen Strategie) wesentlich effektiver zu bestrafen als Japan das konnnte.
(4. kann er sich unausweichlich unerfolgreiches Busparken medial nicht leisten, weil es nicht dem Anspruch an „Die Mannschaft^(tm)“ entspricht. Dafür hat er persönlich Flick zu lange geschützt, offenbar ja auch gegen eine Mehrheit im DFB.)

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WVQ 11. September 2023 um 15:54

> Arsenal spielt basically Peps Cancelo-Variante.

Ja, das hätte dann gepaßt und ich hätte es für die aufgestellten Spieler ebenfalls recht passend gefunden… wenn es auf dem Platz auch nur annähernd passiert wäre.

> Die Positionierung von Süle sieht leider in jeder 3er-Reihen-Variante so aus. Der steht immer zu eng, wenn er nicht nominell als RV beginnt. Ist halt als zentraler IV auch besser aufgehoben mMn. Rüdiger als ZV steht dafür immer zu hoch und blockiert den Passweg zwischen den HV

Das mag alles sein, aber es WAR ja gar keine Dreierreihen-Variante; es war eine Vierrerreihe, bei der einfach der RV fehlte! Was Du beschreibst, wären Mängel in der Umsetzung, aber ich habe einfach keine Umsetzung gesehen. Süle, Rüdiger und Schlotterbeck standen alle exakt da, wo sie standen, wenn Kimmich die RV-Position besetzt hat.

Von/unter Völler gehe ich jetzt auch davon aus, daß die Maßgaben einfach Reinhängen, Zweikämpfe gewinnen, Verausgaben etc. sein werden. Die einzige offene Frage ist in meinen Augen, ob vielleicht Wolf oder Wagner es irgendwie vermittelt bekommen, daß man im Aufbau nicht fünf bis sieben Spieler in der letzten Linie parkt, sondern den Zwischenraum besetzt – ein paar Positionsjusteíerungen schienen mir so ziemlich das einzige, was man unter den gegebenen Voraussetzungen durch bloße Ansage versuchen könnte und was nicht nur dem Aufbau, sondern auch der defensiven Stabilität und dem „Gegenpressing“ helfen könnte. Selbst das unwahrscheinlich, aber ansonsten würde es einer sowieso vollends verunsicherten Mannschaft nichts bringen, irgendwelche größeren Neuerungen aufgetragen zu bekommen.

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tobit 11. September 2023 um 18:14

Süle hat sich auch 2021 in den guten Spielen genau so positioniert. Der spielt wirklich einfach immer so, wenn er RIV ist, egal wie die Ausgangs- oder Zielstaffelung ist.

Ansonsten gebe ich dir komplett recht: außer Kimmich, Sané und Wirtz (+tlw. Havertz und Gündogan) hat die Umsetzung schlicht nicht stattgefunden. Und außer Kimmich haben die halt alle einfach ihren normalen Stiefel gespielt, also wahrscheinlich auch keine angepassten Aufgaben gehabt.

Schlotterbeck will ich hier aber ein bisschen entschuldigen, der hat hauptsächlich als Reaktion auf den Mist vom Rest (insbesondere Gnabry) so hoch und breit gespielt. Sah man dann auch in der zweiten Halbzeit: Da haben er und Gosens viel tiefer gespielt, weil Gnabry und Schade mehr breit geblieben sind.

WVQ 11. September 2023 um 20:17

Werde Süle diesbezüglich nochmal genauer beobachten. Magst grundsätzlich Recht haben, aber so extrem ist es mir noch nie aufgefallen. Das offensichtliche Gegenbeispiel wären in meinen Augen tatsächlich die ersten Flick-Spiele, in denen er zumindest mal wirklich in einer HV-Position gelandet ist und nicht weitgehend exakt auf der ursprünglichen IV-Position blieb. (Daß das damals kein komplettes Durchschieben war, war ja in dem Fall nur gut, da Kehrer so in die günstige Position als HV-/6er-Hybrid gelangte.)

Grundsätzlich kann der AV gegenüber vom einrückenden AV natürlich nur insoweit verschieben, als es seine beiden Nebenmänner zulassen, und dasselbe gilt für die vertikale Positionierung in Bezug auf den AS bzw. ggf. zentrale Spieler. In dem Sinne war Schlotterbeck gestern wohl tatsächlich chancenlos. Aber am Ende lief es einfach darauf hinaus, daß eigentlich nur Kimmich ins Zentrum gezogen ist und alle Reaktionen darauf waren höchstens von ausweichender Natur. Sané und Wirtz würde ich da auch überhaupt nicht rausnehmen; beide hätten ja das riesige rechtsseitige Aufbauloch nach Kimmichs Einrücken zumindest notdürftig füllen können, entweder durch eine tiefere, breitere Positionierung von Wirtz im Halbraum oder eine tiefere von Sané auf dem Flügel, aber das habe ich auch beides nicht gesehen. Wie gesagt: Sah aus, als hätte einfach niemand gesagt bekommen, was er denn tun soll, wenn Kimmich da in der Mitte aufkreuzt. (Und Kimmich auch nicht, wohin er denn genau kreuzen soll.)

In der zweiten Halbzeit hat sich die Frage dann ja nicht mehr gestellt, da Kimmich weitgehend auf RV geblieben ist bzw. höchstens mal noch im Halbraum vorgerückt ist. Da hatte man offenbar in der Halbzeit die Reißleine gezogen und es hat einfach gar niemand mehr verschoben. (Es sei denn ich habe einzelne Situationen übersehen, habe dann bald nicht mehr arg aufmerksam hingeschaut.)

WVQ 13. September 2023 um 01:47

> ein paar [Positionsjustierungen] schienen mir so ziemlich das einzige, was man unter den gegebenen Voraussetzungen durch bloße Ansage versuchen könnte und was nicht nur dem Aufbau, sondern auch der defensiven Stabilität und dem „Gegenpressing“ helfen könnte.

Und siehe da: Spielt die Doppelsechs tatsächlich auf der Sechs, besetzen die drei Offensiven tatsächlich nicht stupide die letzte Linie, schieben die AV beim ersten Anzeichen von Ballbesitz nicht gleich brutal hoch, und hat man dann noch einen Müller in (unerwarteter) Topform, der aber auch jeden bedürftigen Raum erkennt und Verbindungen und Dynamik herstellt, wo sonst eigentlich gar keine sind, schafft man es plötzlich nicht nur, den Ball ohne Risiko zu halten und gelegentlich kontrolliert nach vorne zu tragen, sondern man kann Ballverluste (insoweit man sie nicht vermeidet) auch viel besser abfangen und den Gegner gelegentlich stellen, statt ihm nur hinterherzurennen. Alles ohne nennenwertes Einüben, bloß durch passende (tiefere) Grundpositionen.

Zugegeben, Frankreich war in gewissem Sinne sogar ein dankbarer Gegner, weil es sich wie gewohnt nicht daran gestört hat, eine Halbzeit lang nicht groß zum Zug zu kommen und früh zurückzuliegen. Aber Japan hatte uns ja nun auch nicht gerade zerpresst. Und man muß Frankreich am Ende trotzdem auch daran hindern, einen dann früher oder später mit latenter Wucht zu überrollen. Was umso bemerkenswerter war, als es nach Gündogans Verletzung einen frühen Bruch gab, ab dem die Anbindung der deutschen Offensive deutlich wackeliger wurde und man lange kaum noch zu aussichtsreichen Offensivaktionen kam.

Die Personalwahl auf den AV-Positionen muß man durchaus auch loben, das hat in Kombination mit dem deutlich dosierteren Hochschieben (insbesondere von Tah) gut funktioniert. Kann nicht sagen, daß ich mir stattdessen Kimmich als RAV gewünscht hätte.

… und übrigens auch nicht auf der Sechs. So fürchterlich Can das mit Ball am Fuß überwiegend spielt, er hält (inzwischen) zumindest die Position und im Defensivzweikampf kann man ihn an guten Tagen auch akzeptieren. Hätte natürlich nichts dagegen, wenn Kimmich jetzt noch eine solche Wandlung in der Positionsdisziplin vollzöge, möglich bleibt’s ja. Aber solange nicht, dann lieber einen, der den Raum besetzt hält. Gerade in der Kombination mit Gündogan, der plötzlich wie ausgewechselt wirkt, wenn er Bälle in Situationen erhält, in denen es tatsächlich vertikale Anschlußmöglichkeiten ohne Harakiri-Gefahr gibt. (Und natürlich am liebsten gleich Groß + Gündogan, wenn Weigl schon nicht eingeladen wird, denn Can wird das weiterhin nicht regelmäßig zumindest so hinbekommen wie heute.)

Man darf gespannt sein, wer dann das nächste Spiel der Nationalmannschaft leitet und ob er die sich aufdrängenden Lehren aus dem heutigen Spiel zieht.

Taktik-Ignorant 13. September 2023 um 14:07

So kann man sich irren, mit den Prognosen zum Frankreich-Spiel. Aber lieber so als anders herum.

Das Japan-Spiel habe ich leider nicht gesehen, nur die Tore in einer Aufzeichnung. Allerdings zeigte das Frankreich-Spiel immer noch genügend Defizite auf, sowohl beim Mannschaftsverhalten im Spiel als auch im Hinblick auf die Besetzung einzelner Positionen.

Ballgewinne beispielsweise gelangen gegen die Franzosen kaum, und schon gar nicht in aussichtsreichen Positionen. Das lag natürlich zum einen an der insgesamt tieferen Stellung, aber auch an der nicht immer optimalen Positionierung zum Gegenspieler, die zu oft in Ruhe den Ball annehmen und sich orientieren konnten; auch Pässe über längere Entfernungen wurden kaum durch geschicktes Stellungsspiel abgefangen, und bei der Positionierung als „Deckungsschatten“ fehlte oft ein Meter und damit ein Schritt, um Pässe abzufangen. Wenn es denn mal gelang (in den seltenen Momenten, wo der Ballbesitzwechsel zu Deutschland nicht auf einem Einwurf, Torabstoß oder ähnlichem beruhte), war der Ball selbst bei Überzahl in Ballnähe oft schnell wieder weg, weil zwei deutsche Spieler sich gegenseitig behinderten. Immerhin wurde als Ausweg nicht immer nur der Pass nach hinten gewählt, ein Grundübel des deutschen Spiels. So waren die Franzosen die meiste Zeit feldüberlegen, ohne groß in die Gefahr plötzlicher Gegenangriffe zu laufen. Bei etwas konsequenteren Schiedsrichterentscheidungen oder mehr Glück bei den Standards hätte die Pausenführung keinen Bestand mehr gehabt.

Individuell: immer noch werden einige Spieler auf Positionen eingesetzt, die nicht optimal sind. Henrichs ist eher auf der rechten Seite zu Hause, hatte zwar einige gute Offensivaktionen, war aber sowohl gegen Coman als auch gegen Dembelé einfach überfordert, obwohl er versuchte, durch variables Deckungsspiel (mal näher dran, mal weiter weg) zumindest nicht jedes Mal überlaufen zu werden. Tah hatte es als Innenverteidiger auf der RAV-Position leichter, weil Deschamps auf Mbappé verzichtet hat und die Offensivaktionen der Franzosen auf der linken Seite weitgehend dem frz. LAV Hernandez überlassen wurden. Eine Dauerlösung ist das eher nicht, aber Kimmich möchte ich dort auch nicht sehen, bei ihm habe ich jedes Mal Angst, dass er seine Position zu selten hält, weil er um jeden Preis mit dem Ball das Spiel prägen möchte. Weiterhin fehlt ein zentraler Stürmer, und im zentralen offensiven Mittelfeld besteht ein Überangebot an guten Spielern, das nur schwierig austariert werden kann.

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WVQ 13. September 2023 um 17:15

Sehe ich überwiegend schon auch so. GUT war das Spiel in vielerlei Hinsicht nicht. Aber gemessen am planlosen Chaos unzähliger Spiele vorher haben zumindest ein paar ganz basale Dinge endlich wieder einmal gestimmt (siehe meinen obigen Kommentar).

Henrichs hatte natürlich seine liebe Not mit Coman und Dembélé, aber da gibt es in meinen Augen wenige Verteidiger, die die nicht haben, und ganz sicher nicht im deutschen Kader. Er hat es zumindest überwiegend geschafft, den Außenstürmer so lange zu beschäftigen, bis (was seit langem auch nur extrem schlecht funktioniert hat) Rüdiger oder Can unterstützen konnten, und auch deren Bewegungen wurden dann meist grundsätzlich angemessen durchgesichert. Daß irgendwo jemand einen AV oder rausgerückten IV hat stehen lassen und einfach durch war, habe ich glaube ich im ganzen Spiel nicht gesehen. Das ist letztlich eine Minimalerwartung an eine deutsche Nationalmannschaft, aber es war immerhin Frankreich und es hat vorher gegen individuell weitaus weniger bedrohliche Gegner regelmäßig überhaupt nicht funktioniert. Und Henrichs hat die Defensivposition eigentlich auch nur verlassen, wenn er abgesichert war und es wirklich Chancen auf offensive Produktivität gab; auch das war immer ein riesiges Problem. (Und Gosens hat mir später eigentlich in allen Belangen weniger gut gefallen, wenngleich das deutsche Spiel da allgemein schon ziemlich zerfasert war.)

Tah wurde weitaus weniger geprüft, klar. Aber das, was man von ihm erwarten konnte, hat er getan. Und seine kaum existente Vorwärtsbewegung war zumindest mal ein klares proof of concept, daß die Außenverteidiger keine Außenstürmer sein müssen, damit man auch gegen eine kompetente Abwehr gefährlich werden kann. Gerade in der Anfangsphase mit Gündogan und sehr umtriebigem Müller gab es auch über rechts einige aussichtsreiche Situationen.

Koom 14. September 2023 um 10:56

Fairerweise: Anderers Spiel. Frankreich war Favorit, selbst ohne die Japan-Klatsche wären sie das gewesen. Ergo kann sich DE mehr drauf verlagern, defensiv gut zu stehen und es wird vom Publikum mehr goutiert, wenn man keine 15 Torchancen hat und „nur“ 1 Tor macht.

Das ist im Grunde dann vergleichbar der Leistung des BVB, wenn sie mal gegen einen Großen spielen: Da stehen sie auch plötzlich tiefer und bekommen dann aber auch vorne mehr Räume. Und es wirkt dann so, als ob „der Knoten endlich geplatz ist“. Und dann kommt der nächste kleine Gegner und nichts geht mehr. Und alle dann so „MENTALITÄT“, „haben den Gegner nicht ernst genommen blaflasel“. Nein, der Gegner hat nur weniger angeboten, weil er selbst eher darauf erpicht war, kein Gegentor zu bekommen als selbst eins zu erzielen.

Taktik-Ignorant 15. September 2023 um 00:05

Das Problem ist natürlich, dass die deutsche Mannschaft auch in Zukunft, trotz aller ehrenhaften Bemühungen, das eigene Unvermögen offenzulegen, keinen Rechtsanspruch auf die Außenseiterrolle haben wird und nicht darauf pochen darf, dass der Gegner versucht mitzuspielen. Spielerische Lösungen gegen tiefstehende Gegner wird Deutschland auch künftig brauchen – aber auch da gibt es „Basics“ (Bewegungsverhalten, Laufwege, Passgeschwindigkeit), die selbst unter Nationalmannschaftsbedingungen (ständig wechselnde Kader, wenig Trainingseinheiten) funktionieren sollten. Und beim BVB ohnehin ….

AG 19. September 2023 um 14:17

Interessant, dass es jetzt doch wieder ein offensiver Trainer werden soll: Nagelsmann! Natürlich hat er schon bei Hoffenheim gezeigt, dass er strauchelnde Teams auf die richtige Spur bringen kann. Dazu hat er Erfahrung mit mittelfeldstarken Teams ohne Mittelstürmer.

Ich halte das für eine starke Lösung, allerdings mit hohem Risiko durch seinen Hang zu 3-1-5-1 und Co. Wie seht ihr das?

Koom 19. September 2023 um 15:44

Da es genug negative Meinung (und durchaus zurecht) über ihn geben wird, lass ich mal den Optimisten raushängen:

Nagelsmann ist ein Fachmann, der vor allem bei Hoffenheim sehr viel gezeigt hat, dass er den Fußball von Grund auf versteht. Wenn er die Nationalelf als das sieht, was sie ist und ihre Probleme versteht und auch die Kürze der Zeit im Auge hat, dann kann das eine gute Verpflchtung sein.

Um das zu erläutern: Die Nationalelf hat keinen Modus für eine kontrollierte Spielweise. Schlechtes Freilaufverhalten, schlechtes Gegenpressing, schlechtes Verschieben mit und ohne Ball. Wenn Nagelsmann das so erkennt und praxisorientiert das behebt, kann das was werden. Wenn er meint, mit den „taktischen Grundschülern“ direkt ins Physikstudium einzusteigen, wie mit den Bayern, dann wirds furchtbar.

WVQ 20. September 2023 um 13:44

Denke das trifft es so ziemlich. Hängt voll und ganz davon ab, wie hoch Nagelsmann zielt und wie viel er als bereits gegeben annimmt. Ich mußte auch direkt an Hoffenheim denken, wo er innerhalb weniger Spiele Struktur und Sinn in eine vormals desolate Mannschaft gebracht hat. Und dann mußte ich auch an Bayern denken, wo er versucht hat, einen hochspezialisierten Ansatz alternativlos komplett auf die Spitze zu treiben. Wenn er beim DFB mehr das erstere als das letztere macht, könnte es interessant werden.

Eine andere Frage – und die stimmt mich nicht so optimistisch – ist die, welche Freiheiten er beim DFB gegeben (wohl) Vertrag nur bis zur EM und (zweifellos) klarer Aufgabenstellung, das Team in die Nähe einer Finalteilnahme zu bringen, überhaupt haben wird. Das klingt eher nach der Bayern- als nach der Hoffenheim-Variante. Grundsätzlich dennoch möglich, es über kleine Schritte und basale Korrekturen anzugehen und dann von da zu schauen, was nach oben hin noch geht, aber man muß es dann wohl ziemlich genau treffen, was die strategischen und taktischen Entscheidungen anbelangt, insbesondere gegeben die (netto) sehr kurze Zeit bis zum Turnier.

Noch eine Frage ist, inwieweit die Passung Spieler/Trainer stimmt und ob Nagelsmann bei den Nominierungen noch grundlegende Korrekturen vornimmt (#Weigl…). Betrachtet man die Kader bei Nagelsmanns erfolgreichen Stationen Hoffenheim und Leipzig, hatte er immer eine technisch starke und taktisch disziplinierte Defensive, die den tiefen Aufbau so gut regeln konnte, daß man auch aus hohem Druck heraus sowie auch gegen tiefe, passive Gegner gefährlich werden konnte. Das ist beides so ziemlich das Gegenteil dessen, was die N11 derzeit zu bieten hat, und erneut weit näher an der Bayern-Situation. Und zumindest in der ersten Linie wird sich da auch personell nicht mehr viel ändern lassen.

Insofern… wird spannend.

AG 21. September 2023 um 08:34

Ich bin doch etwas überrascht über die negative Reaktion auf ihn. Eigentlich war doch lange Konsenz, dass er gut für die Spielanlage von Teams ist, und die Ergebnisse sprachen auch eher für ihn. Das zeigt sich allerdings klarer in xG als in den reinen Ergebnissen:

In Hoffenheim war er bis Ende der Saison 18/19. Die erste Saison, für die ich Daten habe, ist die davor. In den beiden hatte Hoffenheim eine xG-Differenz pro Spiel über die Saison erst von +0,1 (sind Dritter geworden) und dann +0,7 (sind nur Neunter geworden, aber nach xG wären sie das drittbeste Team). Das erklärt auch, warum Nagelsmann nach einem eher schlechten Ergebnis zu einem besseren Team gewechselt ist. Seitdem erreicht Hoffenheim durchgängig nur xGDs von +/-0.

Leipzig: 17/18 war ein relativ schwaches Jahr mit +0,2xGD/90, 18/19 waren sie aber schon in den Top 3 mit +0,75. In den beiden Jahren unter Nagelsmann haben sie jeweils +1,0xGD/90 erreicht und waren damit klar die zweitbeste Mannschaft in der Buli, einmal sogar nach Platzierung 😉 Seit dem Abgang von Nagelsmann? Wieder zweimal +0,7.

Die Bayern sind etwas schwerer einzuordnen, da gibt es ja auch noch andere Ziele. Nichtsdestotrotz hat Nagelsmann sie nach einem „schwachen“ 20/21 mit xGD von +1,0/90 wieder auf ihr voriges Level um +1,5 in 21/22 zurückgebracht. Die letzte Saison war klar schlechter, aber fairerweise hat Tuchel sie ja auch nicht direkt verbessert.

WVQ 21. September 2023 um 15:07

An Nagelsmanns fachlichen Fähigkeiten zweifelt ja keiner und an seinen bisherigen (weiterhin beeindruckenden) Erfolgen auch nicht. Um die zu sehen, braucht man auch keine xG-Daten, man braucht sich bloß die Spiele angucken. ;~) Aber bei Bayern sind halt Dinge passiert, die gerade angesichts seiner früheren Stationen Fragen aufwerfen – darunter die, ob er in einer spielerischen und teils auch ergebnistechnischen Krise geeignete Korrekturen vornehmen kann und ob er gut mit einem Kader arbeiten kann, bei dem eher wenig Talent für einen systematischeren tiefen Aufbau vorhanden ist. Und auf einen solchen Kader trifft er halt in der Nationalmannschaft erneut und von der bisherigen Spielweise her ist die Mannschaft auch eher mit dem Flickschen Bayern zu vergleichen als mit dem Stevensschen Hoffenheim, so daß man nun gespannt sein darf, ob Nagelsmann in der N11 eher erneut zur Bayern-Variante greift (aggressiv vertikaler Spielaufbau, früh viel Personal an der letzten Linie, v.a. tempo- und dribblingbasierte Angriffe, Gegenpressing dann mehr aus der Situation heraus und Defensive allgemein eher nur als Notfallplan) oder ob er eher wieder aus einem tieferen Spielaufbau heraus spielen läßt, was mir persönlich für die N11 trotz teils begrenzten Talents dafür der deutlich aussichtsreichere Ansatz zu sein schiene.

Und nur damit kein Mißverständnis entsteht, ich halte Nagelsmann für den besten verfügbaren Trainer für die N11, den fachlich bisher besten Nationaltrainer überhaupt und ich bin heilfroh, daß es nicht van Gaal oder gar irgendetwas noch schlimmeres geworden ist. Die Mannschaft braucht ja Entwicklung und Sachverstand und keinen Rückfall in die 2000er-Jahre.

Daniel 21. September 2023 um 20:26

Also van Gaal „Entwicklung und Sachverstand“ abzusprechen ist aber ziemlich absurd. Sachverstand hat er im Überfluss und er hat auch mit Sicherheit schon oft gezeigt, eine Mannschaft entwickeln zu können-und zwar vor allem im Ballbesitzspiel.

„Die letzte Saison war klar schlechter, aber fairerweise hat Tuchel sie ja auch nicht direkt verbessert.“
Nett formuliert. Tuchel versucht halt auch, einen komplett anderen Stil zu implementieren, daher ist es ein Stück weit verständlich-aber von der Qualität ist Tuchel’s Amtszeit noch immer deutlich schwächer als jeder vergleichbar lange Zeitraum unter Nagelsmann. Allein schon der grauenhafte Auftritt gegen ManU gestern hat mal wieder verdeutlicht, wie weit diese Mannschaft von geordnetem Fußball entfernt ist. Wenn DAZN diesen Grottenkick mit Regensburg-Verl statt FCB-ManU überschrieben hätte wäre das nur wegen des Stadions aufgefallen.

Ansonsten sehe ich das wie AG: Nagelsmann hat bisher überall einen Effekt gehabt. Ob er bei Bayern wirklich gescheitert ist? Schwierig. Wenn man Nagelsmann wohlgesonnen ist kann man auch externe Faktoren (Verlust der beiden wichtigsten Spieler Lewy im Sommer und Neuer im Winter, meiste Spieler hatten keine gute WM) für das Nachlassen in der Rückrunde verantwortlich machen. Wenn man das Problem hingegen bei Nagelsmann sieht ist es natürlich konsequent, ihn auch als Bundestrainer kritisch zu beäugen-schließlich wird er auf viele Spieler nun erneut treffen.

WVQ 21. September 2023 um 22:59

> Also van Gaal „Entwicklung und Sachverstand“ abzusprechen ist aber ziemlich absurd.

Das bezog sich auf die (medial teilweise zirkulierenden und DFB-intern sicherlich zumindest teilweise auch einmal diskutierten) „noch schlimmeren“ Alternativen (wie bspw. Magath oder Sammer oder überhaupt jeder beliebige frühere Nationalspieler ohne großen Trainer-Sachverstand).

Van Gaal sehe ich in der jüngeren Vergangenheit sehr kritisch. Nein, an grundsätzlichem Sachverstand mangelt es dem nicht und entwickeln könnte er eine Mannschaft auch – die Frage wäre nur, wohin. Die Auftritte der holländischen Nationalmannschaft unter ihm waren in beiden Amtszeiten reichlich zynisch. Man kann glaube ich schon seit einer Weile nicht mehr sagen, daß van Gaal noch für sonderlich modernen Fußball steht.

Ansonsten halte ich es für unstrittig, daß es in München Probleme gab, die zumindest teilweise klarerweise Nagelsmann anzulasten waren, und ich finde es naheliegend, die potentiellen Hürden zu diskutieren, die angesichts der ähnlichen Kaderzusammensetzung womöglich auch in der Nationalmannschaft entstehen könnten. (Oder nicht – bin wie gesagt sehr gespannt darauf, was er mit der Mannschaft machen wird.)

tobit 22. September 2023 um 10:11

Die N11 müsste ja auch nicht unbedingt modern spielen. Systematisch wäre ja schonmal ein Fortschritt.
Die Niederlande hatten in jeder von van Gaals Amtszeiten einen Punkteschnitt von 2,00 oder besser, in seiner letzten Amtszeit sogar von 2,35. Seine Amtszeiten liegen dahingehend auf Platz eins, drei und sieben unter den Bondscoaches die länger als ein Jahr durchgehalten haben. Und sie waren unter ihm immer besser als unter seinen direkten Vorgängern und Nachfolgern. Er macht also offensichtlich immernoch sehr viel richtig und erreicht seine Spieler.

Auf Nagelsmann bin ich aber auch gespannt. Wenn er seinen Bayern-Ansatz wählt, wird er scheitern, weil der schon im Club nur mit einer wirklich eingespielten Elf gelaufen ist. Wenn er seinen Leipziger oder Hoffenheimer Ansatz umsetzt, sehe ich gute Chancen auf ein erfolgreiches Jahr und zumindest mal keine Totalblamage bei der EM.
3-1-5-1 kann eine ziemlich interessante Struktur für Deutschland sein – wenn man Kimmich in die 5 stellt (egal ob innen oder außen und egal aus welcher Startposition) und Weigl dahinter hat.

WVQ 23. September 2023 um 20:24

Klar, modern ≠ erfolgreich; in puncto Erfolg da hat’s bei van Gaal am wenigsten gemangelt. Und ja, eine klare Struktur wäre auch schon ein fundamentaler Fortschritt. Hätte mich aber trotzdem damit schwergetan, und es wäre sicherlich auch ziemlich weit von den Richtungen entfernt gewesen, in denen die deutschen Top-Vereine derzeit so arbeiten (Dortmund mal außen vor, wo’s keine Richtung mehr gibt). Aber wie auch immer, nun ist die Variante ja aus dem Spiel.

Nagelsmann hat auf der Vorstellungs-Pressekonferenz nun schon gesagt, daß er bereits einen klaren (und relativ „einfachen“) Ansatz nach dem Motto „gesunde Aggressivität mit und gegen den Ball“ vor Augen hat. Nicht unbedingt sehr spezifisch, aber wenn man dazunimmt, daß er auch sehr deutlich (wenngleich auch unspezifisch) gesagt hat, daß er rückblickend eigene Fehler in der Bayern-Zeit sieht, die er nicht wiederholen will, stimmt es mich eigentlich recht optimistisch.

Und ja, ein früher Fingerzeig wird zweifellos sein, ob er einen positionsgetreuen Sechser mit Startelf-Potential nominiert (der nicht Can heißt). Groß hat die Aufgabe zuletzt ja überwiegend sehr ordentlich gemacht, aber Weigl wäre nochmal viel klarer das benötigte Profil, und das könnte dann dem großen Haufen an Achtern/Zehnern in der Tat viele Möglichkeiten eröffnen, in meinen Augen auch unabhängig von der Grundordnung.

Taktik-Ignorant 27. September 2023 um 00:08

Nagelsmann hatte bei seinen bisherigen Stationen als Vereinstrainer natürlich viel mehr Möglichkeiten, mehrere „Systeme“ und taktisch variables Spiel einzuüben. In der Nationalmannschaft findet er eine ganz andere Situation vor: eine Ansammlung von Spielern („Mannschaft“ wäre nach den letzten Spielen zu hoch gegriffen), die er in 3 oder 4 Einheiten von je 10 Tagen in unterschiedlicher Zusammensetzung sieht und die zuletzt in einem desolaten Zustand war. Daraus soll er in den Monaten bis zur EM eine schlagkräftige Truppe formen, die die Vorrunde übersteht (bei dem Modus machbar) und möglichst noch mindestens 2 weitere Spiele erfolgreich bestreitet, und dabei (über Engagement, Biss und Leidenschaft) wieder Bindung zum Publikum findet.
Das ist eher eine Projektarbeit als langfristiges „Entwickeln“ einer Mannschaft. Hier hat der DfB zumindest gelernt: Löw (nach 2018) und Flick sollten eine Mannschaft „entwickeln“, die ab 2024 wieder auf Weltklasseniveau konkurrenzfähig ist.
Dazu müsste er sich quasi neu erfinden, von dem ihn auszeichnenden, teilweise verbissen verfolgten Perfektionismus abrücken und psychologisch, bei der Spielerauswahl und im taktischen Bereich die (wenigen) richtigen Stellschrauben finden, deren Drehen den erhofften kurzfristigen Erfolg bringt.
Hoffentlich haben seine letzten Monate als Bayern-Trainer nicht das Verhältnis zu einem wichtigen Teil der Nationalspieler beschädigt – es ist ja bis heute nicht heraus, was im Innenverhältnis im Bayern-Kader so vorgefallen ist, dass Nagelsmann trotz sportlich alles andere als aussichtsloser Lage entlassen wurde und Tuchel (anders als in Chelsea) seine liebe und bis heute anhaltende Müh und Not hatte, den Kader wieder in die Spur zu bringen.

Persönlich hätte ich Louis van Gaal ganz gerne als BT gesehen (was kein Plädoyer gegen Nagelsmann sein soll), weil er genau diese Fähigkeiten bei seinen letzten, ebenfalls sehr befristeten Tätigkeiten für die Elftal (WM 2014 und WM 2022) unter Beweis gestellt hat; Oranje hat bei beiden Turnieren mit einer eher geringen Zahl international hochkarätiger Spieler „überperformt“. Mit seiner Erfahrung wäre es ihm zuzutrauen gewesen, der Mannschaft eine einfache und klare Ordnung zu geben.

Bei Nagelsmann wird sich jetzt zeigen, ob ihm das gelingt. Er selbst geht dabei ein hohes Risiko ein, denn bei einem Misserfolg wäre er auch erst einmal „verbrannt“ und seine Karriere entschleunigt. Was für ihn spricht: er ist ein wirklich guter Trainer. Und sein Mut, sich unter Inkaufnahme erheblicher finanzieller Einbußen (soweit die Vertragslage bekannt ist) in dieses Abenteuer zu stürzen, verdient Respekt.

Und vielleicht gelingt es ihm ja, nicht nur der Mannschaft wieder Leben, Selbstbewusstsein, Teamgeist und Leidenschaft einzuhauchen, sondern auch einen Weg zu finden, diese komische Gemengelage aus personellen Notständen auf bestimmten Positionen bei einem Überangebot an Klassespielern (Mittelfeld mit Gündogan, Kimmich, Musiala, Wiertz, inzwischen auch wieder Goretzka, Halbstürmer mit Havertz, Gnabry, Sané, Müller, Adeyemi (wenn er mal gesund ist)) in ein stimmiges und schlagkräftiges Mannschaftsgefüge zu überführen.


Daniel 14. November 2022 um 10:24

Wird es wieder eine WM-Vorschau geben?

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Taktik-Ignorant 14. November 2022 um 15:04

Wenn man den diversen Einlässen in den Leserforen deutscher Online-Medien Glauben schenken darf, wird sich ja niemand die WM ansehen (was dann bei mir immer die Frage aufwirft, weshalb so viele Leute, die ein Spiel angeblich nicht gesehen haben, es hinterher so engagiert kommentieren). Eine Vorschau erfordert viel Vorarbeit, mal sehen, ob etwas kommt. Zudem ist wenig Vorlaufzeit, die Aufgebote stehen erst jetzt, nachdem die letzten Spieltage im Vereinsfußball vorbei sind und man endgültig weiß, wer nicht verletzt ist. Und dann rollt in 10 Tagen schon der Ball. Ist halt eben alles anders als bei einem normalen Turnier. Vielleicht wird erst etwas gebracht, wenn wirklich die ersten WM-Spiele gelaufen sind.

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Koom 14. November 2022 um 15:12

Auf Twitter wurde sich schon geäussert (von Tobi Escher und anderen): Nein, weil sie schlichtweg keine Zeit dazu haben und es zu viel Umfang hätte.

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Daniel 16. November 2022 um 14:10

Ok, Twitter nutz ich nicht, danke für die Info. Hab es schon befürchtet, nachdem hier ja leider schon seit Jahren nur noch wenig veröffentlicht wird und da ja immer viel Arbeit drinsteckte

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MaHo27 7. Juni 2022 um 23:16

Mal eine Frage an die Community hier, weil mir das zuvor nie so aufgefallen ist. Habe aber zum Beispiel auch das Spiel gegen Italien nicht gesehen. Hatte heute das gesamte Spiel über das Gefühl, dass Kimmich sich frei bewegt hat und Gündogan die meiste Zeit damit beschäftigt war, dessen Bewegungen auszubalancieren bzw. die Struktur aufrechtzuerhalten. Ist mir besonders in der ersten Halbzeit im eigenen Ballbesitz aufgefallen, wo Kimmich immer wieder sehr nah an Gündogan heran gelaufen ist, wenn der Ball auf dem Weg auf die linke Seite gewesen ist. Dadurch wurde der Raum dort sehr eng, während der Weg für eine mögliche Seitenverlagerung innerhalb der englischen Formation sehr weit war. Hatte sonst eigentlich immer das Gefühl, dass Kimmich zumindest im Ballbesitz eigentlich ein ganz gutes Raumgefühl hat. Habe ich mich da getäuscht oder war das heute eher eine Ausnahme? Ist schade gewesen, weil Gündogan so seine eigentlichen Stärken im Ballbesitz nicht zu hundert Prozent ins Spiel einbringen konnte, womit man den Engländern noch gefährlicher hätte werden können.

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WVQ 13. Juni 2022 um 16:11

Ich habe es ähnlich gesehen. Grundsätzlich – und man verzeihe mir, daß das relativ polemisch klingt – scheint mir das Problem schlichtweg zu sein, daß Gündogan nicht Goretzka ist und die Nationalmannschaft nicht Bayern. Konkret: Bei Bayern spielt Kimmich die Sechs mehr oder weniger alleine, unterstützt von sehr engen HV, während Goretzka (oder alternativ bspw. auch Musiala) im Ballbesitz stark aufrückt bzw. „schlimmstenfalls“ zwischen Sechs und Zehn pendelt. D.h. Kimmich ist es gewohnt, sowohl horizontal als auch vertikal seinen Raum frei wählen zu können, ohne daß er sich dadurch enorm weit von seinen Nebenspielern entfernt und ohne daß ihm einer im Weg steht. In der Nationalmannschaft spielen die HV breit, wodurch Kimmich viel öfter tiefere Räume besetzen muß (→ Abkippen) und der zweite Sechser wiederum wirklich im Sechserraum gebraucht wird. Das geht in der N11 sowohl mit Goretzka als auch Gündogan noch ganz gut, Goretzka fällt dann eher aus höherer Grundposition zurück, Gündogan ist mehr oder weniger schon da. (Allerdings gehen da regelmäßig Verbindungen in Zehner- und Halbräume verloren, sofern die denn überhaupt sinnvoll besetzt sind.) Das große Problem mit Gündogan entsteht, wenn Kimmich nicht abkippt bzw. wieder vorrückt und folglich beide im Sechserraum sind. Gündogan ist stark strukturschließend veranlagt, d.h. er bewegt sich ohne Ball ständig sehr umsichtig, um Verbindungen herzustellen. Kimmich ist hingegen ist sehr aktionszentriert, d.h. fordert den Ball und drängt dann auf vertikale Aktionen. Das beißt sich fürchterlich, wenn der eine Raum besetzt und der andere dann in genau diesen Raum will. De facto stehen sie sich dadurch schlichtweg immer wieder auf den Füßen und statt Synergien entsteht die (von Dir beschriebene) Notwendigkeit für Gündogan, wieder aus dem Weg zu gehen bzw. aus der Situation irgendwie wieder eine brauchbare Struktur herzustellen (die aber eh kaum genutzt wird, weil Flick zentral vertikale Lösungen will und ansonsten Bespielen der Flügel).

Finde es selbst sehr schade, daß ein dermaßen hochveranlagter Spieler wie Gündogan vom Typ her im Grunde einfach nicht in die Nationalmannschaft paßt, aber genau so ist es. Flick will keinen kontrollierten, stabilen Spielaufbau (wofür Gündogan perfekt wäre), er will den Gegner mit Tempo zerspielen (was paradoxerweise oft für Tempolosigkeit sorgt, weil man dann ja doch nicht ständig einfach drauflosrennen kann und für diesen Fall keinen Alternativplan außer – auch sehr anfälligem – Ballsichern hat, aber es hilft natürlich nichts, wenn bloß ein einziger Spieler überhaupt versucht, auf ein strukturierteres Vorrücken und das Nutzen von Zwischenräumen hinzuwirken, während die anderen im wesentlichen darauf aus sind, diese Zwischenräumen zu überspielen).

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Taktik-Ignorant 14. Juni 2022 um 18:56

Strukturiertes Vorrücken ist schwierig, wenn dafür auf den Verteidigerpositionen die passenden Spieler zum (mit-)aufrücken fehlen; wenn man gegnerisches Pressing umspielen will, muss man paßsichere Spieler haben, die auch den Blick für ihre Position und die der Mitspieler haben. Flicks Idee war ja dann doch eine andere, nämlich das sehr schnelle, steile vertikale Zuspiel. Aber dafür sind die meisten deutschen Spieler der hinteren Reihe zu langsam (im Kopf). Bis die sehen, dass sich weiter vorne jemand vielversprechend löst, steht der Betreffende entweder im Abseits (oft Werner, auf den dann die Kritik einhagelt) oder wurde vom gegnerischen Mittelfeld „zugestellt“. Die Alternative wäre das langsame, geordnete Vorrücken in die Nähe des gegnerischen Strafraums und dann die plötzliche Beschleunigung, um Lücken in die dichte Abwehrmauer des Gegners zu bringen. Dafür ist Gündogan im Prinzip sehr geeignet.
Aber das Bewegungsspiel der deutschen Offensive in solchen Momenten, von denen es in den letzten Spielen einige gab, lässt schon länger zu wünschen übrig. Sieht allerdings bei anderen Nationen nicht viel besser aus (Frankreich, Spanien).

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MaHo27 15. Juni 2022 um 14:01

Vielen Dank für die ausführlichen Antworten. Vermutlich passt dann ein vertikal-orientierter Spielertyp wie Goretzka eher zu den Bewegungsmustern von Kimmich. Was wirklich schade ist, weil Gündogan in meinen Augen individuell der Beste, weil der sauberste und spielintelligenteste der ganzen 8er im deutschen Kader ist, auch wenn Gündogan seinen Peak vielleicht schon überschritten hat. Vielleicht bekommt die Nationalelf es ja aber bis zur WM und insbesondere in der direkten Vorbereitung darauf hin, ein Konstrukt zusammen mit Kimmich und Gündogan aufzubauen. Gegen Italien hat dies ja auch schon besser funktioniert, auch wenn Italien wirklich nicht gut war.

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Taktik-Ignorant 15. Juni 2022 um 21:57

Gündogan dürfte sogar im Moment vor Goretzka in der Hierarchie stehen, weil Goretzka wie einige Bayern-Spieler in der zweiten Saisonhälfte mit einem Formtief zu kämpfen hatte, das immer noch nicht überwunden scheint. Er ist jung genug, um der Nationalmannschaft bis zur Heim-EM 2024 erhalten zu bleiben. Eine irgendwie geartete „Unvereinbarkeit“ mit Kimmich ließ sich gestern gegen Italien jedenfalls nicht feststellen.
Mich wundert immer wieder, wie sehr nach dem Italien-Spiel Sané kritisiert wurde. Bei ihm war die Spielintensität deutlich höher als in den Spielen zuvor, er wirkte frischer, explosiver, und zeigte einige gute Ideen, auch wenn nicht alle Pässe gelangen und alle Entscheidungen (wann abspielen und an wen) überzeugten. Aber er war deutlich auffälliger als die Spiele zuvor. Schade nur, dass ihm die zentrale Rolle inzwischen wirklich besser zu liegen scheint als der Flügel, denn zentral spielen eigentlich schon genug andere.

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Taktik-Ignorant 6. April 2022 um 19:30

Ich sehe Werner auch bei Chelsea nicht so schlecht, dort spielt er m.E. eine sehr gute Rolle, auch im Spiel gegen den Ball, selbst wenn er nicht als „hauptamtlicher“ Torjäger fungiert (in der vergangenen Saison hat Chelsea im Sturm ja sehr variabel gespielt, personell und positionell sehr flexibel und dabei sehr erfolgreich, was natürlich bei der extremen Terminbelastung gerade im englischen Fußball optimal ist; in dieser Saison war als 9er Lukaku anfänglich gesetzt, und Werner kam häufiger neben ihm zum Einsatz, allerdings scheint Lukaku mit Tuchel zu fremdeln und kommt jetzt kaum noch auf Einsatzzeiten). Ich sehe ihn also nicht wirklich schlecht, auch in der Besetzung als 9er, aber leider hängt er in der NM immer etwas in der Luft, weil auf seine Laufwege nicht oder nicht schnell genug eingegangen wird.

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Taktik-Ignorant 7. April 2022 um 15:39

Sorry, war unten als Antwort auf AG gedacht….

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tobit 7. April 2022 um 18:36

Werner braucht jemanden, der für ihn mit dem Rücken zum Tor spielt. Dann ist er super, weil er das Spiel tief machen kann und für IV sehr unangenehm zu spielen ist. Was mir an ihm besonders gefällt ist, dass er nicht so Ballkontaktsüchtig ist wie andere Halbstürmer. Er tut sein Ding da wo du ihn hinstellst, füllt ab und zu mal die Flügel oder zwischen den Linien auf und vertraut ansonsten darauf, dass das Team den Ball schon zu ihm bringen wird, wenn es drauf ankommt. Ist finde ich einfach ein angenehm zu beobachtender Spielertyp.

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Daniel 4. April 2022 um 17:33

Danke für den Artikel, ich freu mich immer, wenn hier mal wieder was veröffentlicht wird 🙂 Bei momentan aber grad mal ca zwei Beiträgen pro Monat ist es aber schon schade, wenn ein Artikel für ein so witzloses Testspiel vergeudet wird wie dieses. Acht Monate vor der WM in den wichtigsten Wochen des Vereinsfußballs hatten die Spieler beider Mannschaften exakt eine Aufgabe: unverletzt zu ihren Vereinen zurückzukehren. Daraus irgendwelche Schlüsse für die WM abzuleiten ist ungefähr so sinnvoll wie aus dem Franz-Beckenbauer-Pokal der Saisonvorbereitung die Endtabelle der Bundesliga herauslesen zu wollen.

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Taktik-Ignorant 4. April 2022 um 23:29

Natürlich ist es zu früh, Rückschlüsse für die WM abzuleiten. Auf der anderen Seite ist es aber verständlich, wenn nicht nur der Vereinsfußball beleuchtet wird, sondern der wichtigste Fußball- (und wenn es nach den für Senderechte gezahlten Summen geht, Sport-)wettbewerb der Welt, der jetzt schon seine Schatten vorauswirft, in den Mittelpunkt rückt. Überhaupt halte ich den Nationalmannschaftsfußball für unterschätzt; langfristige Trends und Neuerungen lassen sich an ihm viel besser ablesen als an Vereinsspielen, die im kollektiven Fußballgedächtnis selbst der Vereinsfans eher kurzlebig bleiben. Ich habe mich gerade darüber gefreut, dass es einen Artikel zur Nationalmannschaft gab und Flicks Suche nach der richtigen Spielweise und Formation somit auch fachlich-analytisch kompetent begleitet wird.

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Koom 5. April 2022 um 09:44

Nationalmannschaften sind für mich aus 2 Gründen interessant: Es gibt einen Überblick über die „fußballerisch Ausbildung“ im Lande. Und sehr reizvoll: Es geht sehr viel weniger um Geld, sondern tatsächlich nur um den Sieg und den Titel. Sicherlich gibts auch gute Siegprämien, aber generell spielt das weniger eine Rolle.

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Daniel 6. April 2022 um 16:57

Ich halte nicht Nationalmannschaftsfußball für uninteressant, ich halte Freundschaftsspiele für uninteressant. Sich ausgerechnet das Testspiel zur Analyse auszusuchen finde ich halt sehr erstaunlich in einer Zeit, in der es jede Woche mehrere Spiele um Aufstiege, Abstiege, Meisterschaft und Weiterkommen in K.O-Runden gibt. Freundschaftsspiele sind auf Nationalmannschaftsebene auch nicht spannender oder aussagekräftiger als auf Vereinsebene. Wer sich ein Urteil über Weigls Eignung für die N11 bilden will wird wohl oder übel portugiesische Liga schauen müssen (oder bis zur WM warten), da hilft auch kein Scherzspiel gegen Holland.

@Taktik-Ignorant
Im ersten Satz sagst du, die WM sei der wichtigste Sportwettbewerb der Welt. Direkt danach meinst du aber, der Nationalmannschaftsfußball werde unterschätzt. Die beiden Aussagen krieg ich irgendwie nicht zusammen…

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AG 6. April 2022 um 18:38

Tatsächlich konnte man auch gestern Weigl in der Champions League gegen Liverpool beobachten (und zum Rückspiel)! Hat auch ein ordentliches Spiel gemacht, soweit ich auf ihn geachtet habe – sicher aber kein einfacher Gegner.

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Taktik-Ignorant 6. April 2022 um 19:23

Kurz zu meinem scheinbaren Selbstwiderspruch: Der Begriff „unterschätzt“ bezog sich auf die Kritik, die manchmal (auch in diesem Forum) an der Qualität des NM-Fußballs im Verhältnis zum Vereinsfußball geäußert wird. Demgegenüber meinte ich mit „wichtigstem“ Wettbewerb, dass einer WM (weltweit) wesentlich mehr Publikumsinteresse und Medieninteresse entgegenschlägt als Vereinswettbewerben (und zwar auch dort, wo beide im frei empfangbaren Fernsehen übertragen werden). Ablesbar auch an der Zahl der Buchpublikationen und Sonderhefte zu den verschiedenen Ereignissen. Insofern sehe ich da keinen Widerspruch. Danke für die Gelegenheit zur Klarstellung.

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Daniel 6. April 2022 um 20:32

Für mich persönlich wird der Nationalmannschaftsfußball in den letzten Jahren zunehmend interessanter bei proportional abnehmendem Interesse am Vereinsfußball, der zunehmend mehr einer endlosen Partie Monopoly gleicht. Auf Nationalmannschaftsebene ergibt es noch Sinn, sich über die vermeintlichen oder tatsächlichen Schwachstellen einer Mannschaft zu unterhalten, während die reichsten Vereine eben alles in Geld ersäufen und sich kaderplanerische und taktische Fragen kaum noch stellen.

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Taktik-Ignorant 7. April 2022 um 15:38

Ich denke, das trifft vor allem auf die Vereine in der Premier League zu. Und auf PSG. Real Madrid ist bereits auf diverse Staatshilfen angewiesen, und der FC Barcelona konnte sich zu Saisonbeginn noch nicht einmal die Weiterbeschäftigung Messis zum halben Gehalt leisten (frage mich allerdings, woher das Kleingeld für die Winterverstärkungen kam). Und bei Bayern gehen inzwischen wieder viele Spieler, weil sie anderswo das Gehalt bekommen, das ihnen der FC Bayern nicht zu zahlen gewillt ist. Dort gibt es schon Anlass, über Schwachstellen im Kader zu diskutieren. Aber grundsätzlich stimmt es schon, Vereine können auf dem Markt nach Anforderungsprofil einkaufen, Nationalmannschaften können nur aus dem Reservoir schöpfen, das den richtigen Pass hat, und müssen darauf hoffen, dass Anforderungsprofil und Qualität passen.

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tobit 7. April 2022 um 16:26

Das Geschäft hat sich in den letzten Jahren verändert. Die Big3 haben kein Abo aufs CL-Halbfinale mehr und bekommen entsprechend von den Spielern auch keinen „Rabatt“ mehr. Man hat halt auch als absoluter Topverdiener eines der anderen Top10-Vereine dieselbe Chance auf einen CL-Titel wie wenn man für ne ganze Ecke weniger bei Bayern spielt.

Barca hat im Winter nochmal neue Kredite aufgenommen und die Namensrechte am Stadion verkauft. Gesund ist das sicherlich nicht, was sie da veranstalten, aber ist halt wie mit den großen Konzernen in anderen Branchen: too big to fail
Auba ist zwar teuer, war aber immerhin ablösefrei und liefert erstmal, Adama ist geliehen und Ferran wird nicht weniger wert werden (da war ich von der „geringen“ Ablöse sehr überrascht). Wenn sie sich damit sportlich konsolidieren können, wonach es ja durchaus aussieht, stört sie dann der zu lange Auba-Vertrag auch nicht mehr.

Daniel 14. April 2022 um 12:27

Das trifft schon auch auf die Bundesliga zu. Mit Ausnahme von Florian Wirtz spielen die besten 30 Spieler der Bundesliga doch ausnahmslos in München, Dortmund oder Leipzig. Leipzig ist sehr schwach in die Saison gekommen, Bayern und Dortmund spielen prinzipiell eine unterdurchschnittliche Runde und dennoch werden diese drei Vereine ihre jeweiligen Ziele in der Bundesliga problemlos und mehrere Wochen im Voraus erreichen. Es ist eben auf den ersten drei bis vier Plätzen einfach kein echter Wettbewerb mehr. In der PL ist das Gefälle durch unterschiedlich reiche Eigentürmer sicherlich nochmal extremer, aber grundsätzlich ist es überall das Gleiche.

@tobit
Einen nennenswerten „Rabatt“ wird Bayern nur in ganz wenigen Situationen bekommen haben. Aber durch sehr hohe Einnahmen im Merchandise und Kartenverkauf konnte Bayern die Gehälter in manchen Fällen noch mitgehen. Dieses Geschäftsmodell ist aber für zwei Jahre durch Corona komplett eliminiert worden, weswegen das jetzt nicht mehr möglich ist.


Taktik-Ignorant 31. März 2022 um 17:10

Vielen Dank für die ausführliche Analyse.
Mich hätte interessiert, wie die Taktik der Niederländer in der ersten Halbzeit, das Spiel auf Kehrer zu lenken (Raum wurde weniger Raum gelassen, er galt offensichtlich als der gefährlichere Außenverteidiger), besser hätte bespielt werden können. Kehrer kam mir oft ziemlich ratlos vor, da die Niederländer deutsche Freilaufbewegungen recht gut durch ihre eigene Staffelung verpuffen lassen konnten. Für den Rechtsfuß Kehrer war es schwer, die geeignete Anspielstation zu finden, und oftmals musste wieder hinten herum zurück gespielt und neu aufgebaut werden.
In der zweiten Halbzeit, wo sich die deutsche Mannschaft zu Beginn noch einmal steigern konnte und einige Male vielversprechend vor das niederländische Tor kam, war der Bruch nach ca. 10 Minuten, als die Niederländer den Druck beim Anlaufen nochmals intensivierten und die Abspiele der Deutschen hektischer und ungenauer wurden. War das vielleicht auch eine Folge der Müdigkeit nach dem intensiven Pressing in Halbzeit 1, bei dem die deutschen Mittelfeldspieler und Stürmer lange Wege laufen mussten?

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tobit 31. März 2022 um 19:38

Ich weiß nicht ob der offene Kehrer wirklich das Ziel war oder eher ein Nebenprodukt der Spielertypen auf seiner Seite. Blind vs. de Ligt, Malacia vs. Dumfries, Frenkie vs. Berghuis, Memphis vs. Malen sind jeweils sehr verschieden und wirken entsprechend auch unabhängig von den Mannorientierungen anders zusammen.
Eine Lösung wäre natürlich ein präsenter, pressingresistener Sechser gewesen. Die beste Annäherung daran mit der realen Besetzung wäre ein Seitentausch von Gündogan und Musiala gewesen um Kehrer eine konstantere Anspielmöglichkeit zu geben. Eine andere Möglichkeit wäre es gewesen, Müller und Havertz klarer halbrechts starten zu lassen und mit ihnen entweder Raum für Kehrer freizublocken den dieser dann anläuft oder mit Gegenbewegungen doch mal einen Passweg zu öffnen. Generell fand ich Havertz Positionen gegen (zentral/halblinks) und mit dem Ball (rechts breit) zu weit voneinander entfernt. In den Positionen kommt er zwar eigentlich in sehr gute Situationen für sein Spiel, aber er kam oft zu spät in die Positionen, weil die Umschaltmomente zu schnell und zu häufig waren.

Ein Faktor für den stärkeren Druck der Niederländer nach der Pause war für mich Wijnaldum, der in meiner Wahrnehmung deutlich attackierender gespielt als Koopmeiners und das Mittelfelddreieck ein bisschen „gedreht“ hat. Auch wichtig war, dass Gündogan und Kehrer seltener kurzen Anschluss an die IV hielten und sich eher zu den vier Zehnern bewegten. Dadurch waren die Rückstöße der deutschen Zehner noch leichter zu verfolgen und es konnte öfter mal ein ZM auf den Aufbau rausstoßen und so viel dynamischeren Druck auf Rüdiger erzeugen. Das hat Malen auf seiner Seite auch in der ersten Halbzeit schon öfter mit etwas tieferen Startpositionen geschafft, Memphis aber eher nicht (einer der Gründe für die vielen Anspiele auf Kehrer in eher langsamen Situationen).

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tobit 31. März 2022 um 19:52

http://sharemytactics.com/178583/
Der Zehner kann sich nach vorne orientieren, weil die deutschen sich halblinks zu eng staffeln und so mit weniger Personal abgeschnitten werden können.
Mit Klaassen wirkte die Besetzung der drei Mittelfeldpositionen auch noch etwas flexibler, da kamen auch mal Frenkie oder Wijnaldum in diese Position. Oder Frenkie/Malacia schob auf Kehrer und Memphis erzeugte die Dynamik auf Rüdiger.

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Taktik-Ignorant 31. März 2022 um 20:19

Danke für die Erläuterungen, die sind mir in der Tat schlüssig.
Dass ich den Niederländern Absicht unterstellt hatte, in Bezug auf Kehrer, mag mit der Erinnerung an ein altes Spiel der NM zusammenhängen, das WM-Halbfinale 2010 gegen Spanien. Da haben die Spanier alle früh attackiert, außer wenn Arne Friedrich am Ball war; bei dem haben sie lediglich die Passwege (insbesondere zu Lahm und Schweinsteiger) zugestellt und ihn bis an ihren eigenen Strafraum mit dem Ball am Fuß durchlaufen lassen. Dort haben sie dann den Ball auf die eine oder andere Weise (Fehlschuss, Fehlpass von Friedrich) erobert. Und Kehrer als gelernter IV auf einer AV-Position ist eben auch nicht die optimale Lösung, es gibt halt in der deutschen NM derzeit auch nicht für alle Positionen Top-Besetzungen.

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tobit 31. März 2022 um 21:03

Kehrer ist wenn ich mich richtig erinnere gelernter Sechser. Und er ist ja in seinem ganzen Habitus auch kein gewöhnlicher IV. Von daher finde ich nicht, dass er als AV eine Schwachstelle darstellt. Erst recht nicht im spielerischen Bereich. Dagegen spricht auch, dass Memphis sich in der zweiten (stärkeren niederländischen) Halbzeit eher mal Kehrer passiv zugestellt hat wenn der tief blieb und dann Rüdiger eben erst verzögert attackiert wurde.
Kehrer war ja auch in der ersten Halbzeit eher nicht wegen der starken Verteidigung so verloren, sondern weil er wieder und wieder angespielt wurde während sich sämtliche Spieler vor ihm nach links orientierten. Am ehesten könnte man die Falle der Niederländer finde ich darin sehen, dass sie ihn das ganze Spiel über in eine immer offensivere Positionierung gelockt haben, wo er dann nicht mehr so stark ist wie aus der Tiefe. Mich hat es daher auch etwas gewundert, dass Henrichs erst kurz vor Schluss reindurfte, der in diesen Situationen theoretisch deutlich besser zurecht kommt.

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Taktik-Ignorant 1. April 2022 um 16:29

Zu Kehrer: ich glaube (meine Erinnerung kann mich täuschen), er war bei Schalke IV, bevor er von PSG weggekauft wurde. Insgesamt gefällt er mir als IV auch besser. Für das Spiel gestern, besonders in Halbzeit 1, wäre vielleicht tatsächlich Hofmann die beste Besetzung auf der Position gewesen, da von Haus aus Mittelfeldspieler. Aber ich befürchte, dass seine Defensivqualitäten für das hohe Niveau bei Spielen gegen die Top-10 der Welt dann doch nicht reichen.

Das Offensivspiel der NM wird sicherlich insgesamt flexibler und unberechenbarer, wenn Sané und Gnabry bei der WM fit und in Topform sein sollten; mit Gnabry und Goretzka (falls er zurückkommt) ist auch nochmal Einiges an Torgefahr mehr vorhanden. Man sieht auch, dass die Personalreserven nicht unbeschränkt sind, die Wechsel in Halbzeit 2 zogen doch einen Qualitätsverlust nach sich.
Abwehr: Ginter scheint in der Hierarchie zurückzufallen. Es ist nicht seine Saison und er war immer zwar solide, auch offensiv hin und wieder torgefährlich, aber letzten Endes doch kein Verteidiger der allerersten Güteklasse. Ich sehe in der IV Rüdiger, Süle und jetzt auch Schlotterbeck vor ihm, ebenso Kehrer, so dass es zwischen ihm und Tah auf ein Zielphoto-Finish für den letzten IV-Kaderplatz hinauslaufen könnte. Aber alles Spekulation, Wetten auf das WM-Aufgebot lohnen sich erst 2 Wochen vor Turnierbeginn, wenn man sieht, wer überhaupt zu dem Zeitpunkt unverletzt ist. Schade, dass der NM wegen des Kalenders nur eine Woche Vorbereitungszeit bleibt.

Es bleiben nämlich noch einige Baustellen im Spielverhalten offen; die Defensive ist nach wie vor zu anfällig (die Niederlande haben einige vielversprechende Situationen nicht sauber genug zu Ende gespielt, sonst hätte es dicke kommen können), und das Offensivspiel muss an Durchschlagskraft zulegen; dazu gehören auch Ballstafetten, die nicht improvisiert aussehen, sondern gekonnt.

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tobit 3. April 2022 um 20:44

Ja, als Profi hat er überwiegend in der Abwehr gespielt. Aber ausgebildet wurde er meine ich als Sechser.
Das ist die Schwierigkeit bei großen Spielen. Wenn man keinen Lahm hat, hat man nicht für jede Situation den perfekten Außenverteidiger. Hofmann hätte in Ballbesitz in der gegnerischen Hälfte besser gepasst, gegen den Ball und im tiefen Aufbau wäre er nicht besser (eher schlechter) als Kehrer gewesen.

Gnabry als Faktor habe ich vor den aktuellen Länderspielen auch unterschätzt. Er passt einfach perfekt auf RA, weil er so vielseitig spielen kann. Je nachdem was man gerade braucht. Theoretisch würde ich das Havertz auch zutrauen, aber der wird von Flick bisher noch sehr auf seine Spezialsituationen fokussiert eingesetzt. Gnabry ist halt (wenn in Form) dazu auch noch abschlussstark aus allen Lagen, was den anderen Optionen da bisher sehr abgeht. Und klar, Tempodribbler in Topform heben das Offensivspiel immer auf ein neues Level, erst recht wenn sie dann so präsent spielen wie die beiden.

Die Kaderbreite kann definitiv nicht mit den Topnationen mithalten. Man kann halt die Spieler 15-23 nicht so krass nach Formstärke vor dem Turnier aussuchen. Dafür kann man aber mit den klaren Top30 oder so etwas intensiver arbeiten als Spanien oder Frankreich mit ihren 50-60 potentiellen Nationalspielern.
Für die Klarheit der Spielanlage bin ich weiterhin erstmal optimistisch. Flick hat jetzt 4 Lehrgänge in 10 Monaten gehabt und die besser genutzt als Löw die letzten 3 Jahre zusammen. Im Sommer ist man für die Nationsleague auch mal länger zusammen, da dürfte sich auch etwas mehr machen lassen als in den paar Tagen die man normalerweise hat. Allgemein werden aber alle Teams verhältnismäßig unvorbereitet in die WM gehen, weil sie halt mitten in der Saison ist.
Die Defensive wird generell noch länger ein Problem bleiben, weil sie individuell nicht so hochklassig besetzt ist wie bei anderen und bei Flick auch so gar nicht der Fokus ist. Ginter ist da halt genau der falsche Spieler für, auch wenn er nicht wirklich schlechter ist als Rüdiger oder Schlotterbeck. Aber ihm fehlt halt die Dynamik und Durchsetzungsstärke um permanent das halbe Feld zu kontrollieren.

Ein Zuschauer 3. April 2022 um 21:26

Als Schalker möchte ich dazu ergänzen dass Kehrer unter Weinzierl eher als Sechser und vor allem Flügelläufer in der Fünferkette gespielt hat. Unter Tedeso war er Halbverteidiger in der Dreierkette und dabei der fokussierte Spieler im Aufbau. In der Dreierkette sehe ich persönlich ihn ja auch am besten, zweitbeste Position wäre fûr mich defensiver Außenverteidiger in einer Dreierkette – Abidal-style. Ich fand in den Spiel ja auch die Bewegung der Spieler vor Kehrer in den entsprechenden Situationen nicht so gut, aber das hat TR ja auch beschrieben.
Zum Spiel muss ich ja generell sagen, dass ich als jüngerer Zuschauer immer wieder verwirrt bin von Mannorientierungen. Ich habe dann immer so einen wer-spielt-denn-da-auf-welcher-position-und-wieso-sieht-das-alles-so-komisch-aus-Moment bis ich dann checke: ach so, die machen Manndeckung.

Taktik-Ignorant 4. April 2022 um 13:17

@Zuschauer: ich frage mich, wie Sie sich als Zuschauer fühlen würden, wenn Sie sich mal eine Konserve (z.B. ein Spiel aus den 79er Jahren) ansähen, wo die Manndecker ihre Gegner bis auf die Toilette verfolgten…
Ansonsten sehe ich die deutsche Mannschaft realistischerweise da, wo sie auch die Weltrangliste einordnet. Die Mittelfeldpositionen sind sehr gut besetzt (abgesehen von der 6er-Position), gute Tempodribbler haben wir auch, bei den IV ist die Luft etwas dünn, aber so schlecht sind Rüdiger und Süle als (vermutliche) Erstbesetzung nicht, beide schon CL-Sieger auf ihrer Position), nur die zentrale Stürmerposition und die AV sowie die Kaderbreite lassen zu wünschen übrig. Es bleibt abzuwarten, wer dann im Herbst wirklich unverletzt ist. Wie schnell es gehen kann, haben wir an Florian Wirtz gesehen.

AG 5. April 2022 um 14:10

Die AV sehen doch eigentlich gar nicht schlecht aus: links gibt es mit Gosens und Raum gleich zwei richtig gute offensive AV, und für rechts gibt es verschiedene defensivere Varianten (Kehrer, Süle, oder natürlich auf höchstem Niveau Kimmich). Die IV finde ich sogar sehr gut, im Sturm sieht es auch gar nicht so schlecht aus, wenn Havertz dort auch eingesetzt wird wie immer mal wieder bei Chelsea (und natürlich Werner).

Das, was dringend fehlt (und vermutlich die meisten hier auch so sehen) ist ein defensives Mittelfeld. Wir alle träumen von einem Sechser auf dem höchsten Niveau, aber ein Zerstörer wäre erstmal auch okay (und vielleicht noch ein defensiver Ballverteiler wie Weigl). Die sehr offensive Spielweise macht es der IV sehr schwierig, und ein oder zwei sich zurückhaltende und ausbalancierende Sechser könnten da eine Menge abschirmen. Kimmich und Goretzka bilden ein geiles Duo, das mit der Klasse fast alles wegregelt, aber die können auch nicht immer durchspielen.

Taktik-Ignorant 6. April 2022 um 13:36

Die Sicht kommt mir etwas zu optimistisch vor. Auch die Kombi Kimmich/Goretzka in der zentrale lässt nach hinten viele Löcher, wie sowohl bei den Bayern als auch bei der NM zu beobachten war. Und wenn Kimmich auf der 6 spielt, kann er nicht auch noch den RAV machen. Links sehe ich auch Raum oder Gosens, wobei ich auch bei beiden defensive Defizite sehe, und Gosens ist wirklich vor allem ein linker Läufer vor einer 3er-Kette; in einer 4er-Kette würde ich eher Raum sehen. Rechts ist mir Hofmann immer noch zu sehr eine Verlegenheitslösung als auf AV umgeschulter Mittelfelder, der sich gegen internationale Hochkaräter in der Rolle noch nicht bewährt hat. Süle ist für mich Innenverteidiger, der nur hin und wieder bei Bayern als RAV ausgeholfen hat. Auch Kehrer sehe ich allenfalls als rechtes Glied einer 3er-Kette oder als IV in einer 4er-Kette, aber nicht wirklich ganz auf dem Flügel. Er hat diese Position zwar auch schon bei PSG öfter bekleidet, aber so richtig prickelnd fand ich ihn da nicht.
Mittelstürmerposition: Havertz ist ein sehr vielseitiger Spieler, und Werner hat seine Trümpfe, aber richtige Torjäger (also ein Typ wie Silva bei Eintracht/RB, Lewa bei Bayern, Haaland beim BVB oder Schick bei Bayer oder auf internationaler Ebene Benzéma oder Kane) fehlen halt unter den Spielern mit deutschem Pass.
6er-Position: Für mich derzeit Kimmich, mangels Alternative. Und er hat ja auch jede Menge gute Seiten.

AG 6. April 2022 um 18:51

Ist sicher etwas optimistisch, aber sonst gibt es ja nichts zu diskutieren 🙂 Kimmich / Goretzka hinterlassen sicher Löcher, die könnten aber auch zurückhaltender spielen (und das gut!), wenn der Trainer das will. Oder die AV könnten tiefer agieren – letztendlich die Frage, wie Offensive und Defensive ausbalanciert sind.

Deshalb finde ich auch, dass ein offensiver und ein tieferer AV gut passen, solange die Sechser sich nicht wie z.B. bei Liverpool stark zurückhalten. Deshalb auch die genannten RV, die da sicher nicht zu Hause sind; mit etwas Recherche fallen bestimmt auch noch andere Namen ein. Kimmich hatte ich nur genannt, falls beide AV offensiv bestimmen sollen und das Mittelfeld die Absicherung gibt, sonst ist der für mich auch klarer Sechser.

Und ja, ein Weltklassestürmer wäre toll. Werners letzte Saison bei RB sah sehr nach Elite aus (2/3 xG pro Spiel plus 1/5 xA ist verdammt gut), leider ist er bei Chelsea nie so 100% angekommen (ohne schlecht zu sein). Gibt nur bei der Nationalmannschaft nicht so viele Situationen, in denen er seine Geschwindigkeit optimal ausspielen kann. Havertz muss seine Position noch finden, aber seine xG-Werte entwickeln sich sehr gut, er wäre prinzipiell als Stürmer ganz anderer Art gut geeignet. Die Torquoten von Lewa, Haaland, Benzema oder Kane wird er leider vermutlich nie erreichen (wäre nicht traurig, wenn diese Vorhersage nicht eintrifft ;)).

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