Ein undankbarer Einstand

Beim Debüt von Bo Svensson zeigte Mainz gute Ansätze und besetzte die Zwischenräume vielversprechend. Warum Frankfurt als Gegner für die 05er ungelegen kam – unter anderem im Vergleich zur Konstellation des Bayern-Spiels.

Bo Svensson gab sein Debüt als neuer Trainer beim FSV Mainz 05. Zum Einstand setzte es für den Tabellenvorletzten bzw. nun Tabellenletzten eine Heimniederlage gegen Eintracht Frankfurt. Der Lokalrivale erwies sich für die Mainzer als strukturell und stilistisch undankbarer Gegner – anders als eigentlich zu erwarten. Die Eintracht agiert unter Adi Hütter typischerweise sehr weiträumig und muss in der letzten Linie in diesem Kontext häufig im 1gegen1 verteidigen. Diese Konstellation hätte den athletischen Mainzer Offensivakteuren gelegen kommen sollen.

Nicht umsonst hatte Hütter in seinen bisherigen Saisons in der Bundesliga in vier Duellen gegen den Mainzer Kader nur einen Punkt gesammelt. Diesmal kamen die 05er aber beispielsweise kaum gefährlich in die Räume neben der gegnerischen Dreierkette. Zum einen hatte Frankfurt eine besondere Absicherung, indem sich der ballferne Sechser oft sehr nah vor die letzte Linie zurückfallen ließ und gegebenenfalls hätte auffüllen können.

Zum anderen schickte Bo Svensson eine der am wenigsten „körperbetonten“ Aufstellungen aufs Feld, die sein Kader hergibt: Der flinke Burkardt agierte alleine in der Spitze und mit Stöger kam ein Feingeist für Edenilson Fernandes in die erste Elf. Schließlich gelang es den Gastgebern kaum, die Frankfurter Flügelläufer zu überspielen. Wenn Durm bzw. Kostic ballnah auf den Außenverteidiger ins Pressing gingen, gehörten schnelle Tiefenpässe entlang der Linie zu einer der Antworten seitens der Mainzer. Die Umsetzung funktionierte nicht: Niakhaté beispielsweise versuchte diese Bälle sehr oft, die Passgewichtung passte aber nur selten.

Gute Ansätze im Aufbau, aber zu wenige Momente für den Aufbau

So weit, so unproblematisch: Eigentlich brauchten die Mainzer solche Aktionen überhaupt nicht, denn die vielversprechenden Ansätze entwickelte sie beim Debüt des neuen Coaches ohnehin über die Halbräume. Grundlegend dafür waren das aktive Verhalten der Innenverteidiger mit Ball und das vielfältige Bewegungsspiel der Doppel-Sechs. Gegen die präsente Besetzung des Frankfurter 3-4-2-1 im Zentrum hatten es Barreiro und Latza schwer. Sie liefen sich aber gut frei, um hinter die erste gegnerische Linie zu gelangen.

Grundformationen

Bei Ballbesitz der eigenen Außenverteidiger gelang das noch nicht ganz so gut, zumal angesichts der kurzen Vorbereitungszeit etwa für mögliche Abläufe. Gerade in diesen Situationen waren die diagonalen Wege von den Außenverteidigern (zurück) in den Sechserraum gegen jene kompakte Formation der Eintracht kaum zugänglich. Im Einzelnen wechselten bei Frankfurt die Staffelungen des Offensivtrios: Mal formierte sich Younes gemeinsam mit Kamada in den Halbräumen, seltener hielt er sich zentraler als klarere Zehn wie im 3-4-1-2.

Wenn er im Verschieben auf die linke Mainzer Seite aus der Mitte startete, hatte die Eintracht manchmal noch mehr Personal in unmittelbarer Ballnähe als es gegenüber möglich war. Aus 3-4-2-1-Ausgangsstaffelungen hielten sich Kamada und Younes oft an den gegnerischen Sechsern, um später ballnah zum Innenverteidiger vorzurücken. Von dieser Position schaffte es Mainz wesentlich besser als von außen, die erste Frankfurter Linie zu überwinden – über Vertikalpässe und Ablagen.

Die drei Offensivleute hielten sich gut im Halbraum und kamen oft aus der Dynamik entgegen, um Zuspiele von St. Juste oder seltener Hack auf einen nachrückenden Sechser klatschen zu lassen. Barreiro und vor allem Latza fanden gute Bewegungen, um sich für diese Bälle entsprechend zu lösen. Letztlich hatten die Mainzer aber noch zu wenig Ballbesitzzeiten, um von diesen teilweise starken Eröffnungen in die Übergangszonen auch im großen Stil zehren zu können.

Unter dem Eindruck der vertikalen Bewegungsmuster des Frankfurter Pressings und/oder eines hohen, passiven Zustellens ließen sie sich zu vielen (gezielten) Diagonalbällen verleiten – auch in Situationen, in denen sie gefahrenlos zumindest in der ersten Linie horizontal hätten zirkulieren können. Zudem verpassten sie nach Balleroberungen wiederholt den Übergang in ruhigere Passagen. Selbst wenn diese Ballgewinne tief im Mittelfeld stattfanden und mögliche Konterwege daher recht weit waren, spielten Svenssons Mannen viele Aktionen ungeduldig vertikal wieder nach vorne, statt zunächst einmal die Innenverteidiger mitzunehmen.

Präsente Besetzung des Zwischenlinienraums sorgt für Ansätze

Setzten sich die Gastgeber mal im vordersten Drittel fest, resultierten diese Momente dementsprechend hauptsächlich nach zweiten Bällen, kaum nach ausgedehnten Ballbesitzpassagen und schrittweisem Aufrücken. Auch dort hatte Mainz wiederum vielversprechende Momente. Diese gingen nun auch von den Außenverteidigerpositionen aus, vor allem von Niakhaté auf links. Erneut hatte Frankfurt mit vielen herausschiebenden Bewegungen des ballnahen Sechsers und/oder Offensivakteurs grundsätzlich viel Personal im dortigen Halbraum.

Gerade in Person ihres Linksverteidigers schaffte es Mainz einige Male trotzdem vom Flügel in entsprechende Zwischenräume hineinzuspielen. Solche scharfen Diagonalpässe gelangen Niakhaté viel besser als die vertikalen Bälle am Flügel. Zudem kam an dieser Stelle eine der wichtigsten Mainzer Qualitäten der Debüt-Partie Svenssons zum Tragen: Die Zwischenraumbesetzung. Alle drei nominellen Offensivakteure des 4-2-3-1 suchten Lücken um die gegnerischen Sechser herum, ob zwischen diesen oder in Schnittstellen zu den Flügelläufern.

Weitgehend fanden sie dort auch im Einzelnen gute Positionen – Stöger noch mit der geringsten Konstanz, Quaison am häufigsten, Boetius am saubersten. Insgesamt basierte die Mainzer Aufteilung auf einer passenden und gezielten taktischen Orientierung der Offensivleute auf Zwischenlücken. Das ist für das erste Spiel des neuen Trainers viel Wert und brachte gegen die Eintracht bereits gefährliche Ansätze.

Die nächste Herausforderung für Bo Svensson und sein Team wird es diesbezüglich sein, entsprechende Ansätze in Strafraumnähe auszuspielen. Beispielsweise waren die Bewegungen von Burkardt als zentrale Spitze noch stark auf die Tiefe ausgerichtet, zu wenig auf die Unterstützung zum Ball, was aber in der zweiten Halbzeit besser wurde. Auch andere Akteure hätten mehr ergänzende Läufe unternehmen können, wenn der Ball weiter am Flügel lief, statt sich direkt in den Sechzehner zu ziehen.

Stöger wiederum fehlte gerade in ballfernen Bereichen letztlich etwas die positionelle Geduld. Er verließ einige Male Räume zu früh, in denen er im weiteren Verlauf hätte wertvoll werden können. Grundsätzlich ist für ein fokussiertes Zwischenraumspiel daher nicht die Idealbesetzung, generell als einrückender Offensivmann aber keine uninteressante Option. In einer solchen Rolle dürfte man von ihm vor allem punktuelle Glanzpunkte aus einzelnen dynamischen Bewegungen nach innen erwarten können.

Selbst wenn er sich gelegentlich zu schnell und/oder zu weit zum Ball zurückfallen ließ, stärkte dies zumindest die Präsenz in der Absicherung. In dieser Hinsicht machten die Mainzer ohnehin einen soliden Eindruck und ließen wenige Frankfurter Umschaltmomente zu, da sich auch die beiden Sechser kompakt formierten. Bei Ballbesitz im letzten Drittel hielten diese sich recht eng aneinander. Dadurch hatten sie Kompaktheit zur Absicherung und theoretisch stets Verbindung zueinander.

Überhaupt galt das für verschiedene weitere Spielphasen, nicht zuletzt die häufigen Abprallersituationen: Auch hier nahmen Latza und Barreiro mit ihre engen Positionierungen eine Schlüsselrolle ein und sorgten so für Stabilität. Die Eintracht stand der Mainzer Kompaktheit bei zweiten Bällen aber kaum nach: Nicht zuletzt das Vierermittelfeld des 3-4-2-1 erlaubte exzellente Staffelungen im Zentrum.

Der besondere Schwung des Bayern-Spiels schwierig zu wiederholen

Auch deshalb stellte Frankfurt einen so undankbaren Gegner für die 05er dar. Durch die Kombination aus den zwei Pärchen im defensiven wie auch offensiven Mittelfeld und ihrer typischen Intensität konterte sie letztlich eine der wichtigsten Mainzer Stärken. Jene Stärke war erst in der Vorwoche für den guten Auftritt bei den Bayern entscheidend gewesen: Der Umgang mit dynamischen Engensituationen. Gutes Umschaltverhalten aus einer Rautenformation heraus hatte nicht den einzigen Schlüssel in jener Begegnung in München bedeutet.

Grundsätzlich weist die Mainzer Kaderstruktur eine hohe Ansammlung von gleichzeitig körperlich wie technisch starken Spielern auf. Das hört sich zunächst einmal sogar nach einer Idealkombination an. Vor allem hat Mainz auf allen Positionen sehr viele „Situationslöser“ in den eigenen Reihen, von denen jedoch wenige sich durch ein gestaltendes oder organisierendes Profil auszeichnen.

Das Duell mit Bayern war eine der seltenen Partien, in denen gerade die Quantität solcher Spielertypen gefragt war: Es brauchte viele Leute, die hohe Intensität gehen und gut improvisieren konnten. Einerseits agierten die Mainzer Spieler enorm giftig, unter anderem auch bei zweiten Bällen, und brachten andererseits im chaotischen Hin und Her von Umschaltszenen ihre technischen Qualitäten ein. Gegen die Bayern mussten sie solche Situationen kaum vorbereiten, denn dies erledigte weitgehend die Spieldynamik für sie.

Zusätzlich schwang sich Alexander Hack aus der Innenverteidigung zum Schlüsselspieler auf, der von Interimstrainer Jan Siewert zu einer enormen Anzahl an Dribblingfinten im Aufbau angewiesen schien. So überspielte er mehrmals fast im Alleingang die erste Münchener Pressinglinie und verschaffte seinem Team nochmals zusätzliche Bonussituationen für Schnellangriffe. Selbst ohne diese Aktionen hätte Mainz aber ein aussichtsreiches Setting vorgefunden, um phasenweise zu glänzen:

Die Spieler konnten in ihrer engen Rautenformation immer wieder nachjagen und versuchen, sich mit individuellen Aktionen aus Dynamiken hinaus zu wuchten. Gegen Bayern lassen sich damit hervorragend andere Nachteile ausgleichen. Die Eintracht gehört zu den Bundesligamannschaften, die am ehesten zu einer ähnlichen Performance imstande sind. Wenn sie dann auch noch im 3-4-2-1 saubere Staffelungen der Mittelfeldpärchen bei zweiten Bällen herstellt, läuft es in den Abprallersituationen maximal auf ein Patt hinaus – und so war das Mainzer Potential in diesem Bereich egalisiert.

Licht und Schatten gegen den Ball

Genauer gesagt stellten sich im Kampf um zweite Bälle sogar leichte Vorteile für die Gäste von Adi Hütter ein. Das zeigte sich gerade im Anschluss an Frankfurter Aufbauszenen, die häufig mit langen Bällen endeten. Zumindest in Teilen waren diese wiederum ein Resultat des Mainzer Pressings. Der grundsätzliche Ansatz bei Svenssons Debüt sah vielversprechend aus, wenn er auch (noch) nicht ganz sauber funktionierte und einzelne kleine Feinheiten Schwierigkeiten bereiteten.

Häufig formierten die Mainzer sich auch gegen den Ball in 4-2-3-1-haften Anordnungen und versuchten nach außen zu lenken. Die offensive Dreierreihe schob ordentlich in die seitlichen Räume mit nach und die Flügel hatten gute diagonale Bewegungen, teilweise auch weiter nach vorne. Anspiele auf den Flügelläufer bzw. auf der linken Frankfurter Seite auch auf Halbverteidiger Ndicka in hochgeschobener Position wurden durch weites Herausrücken des ballnahen Außenverteidigers gepresst. Besonders mit dieser Ergänzung brachte Mainz viele Spieler zum Ball und drückte den Gegner zumeist nach außen weg.

Neben den kleinen Asymmetrien der ersten Linie hatte die Eintracht weitere Variationen im Programm: Hasebe kippte manchmal breit heraus und auch Younes holte sich situativ die Bälle zwischen Ndicka und Kostic ab, um anzudribbeln. Überhaupt suchten die Hessen bevorzugt den Weg über links. Bei Bedarf ließ Mainz Latza weiträumig herausrücken. Durch die Nutzung des Deckungsschattens bei diagonalen Pressingbewegungen nach außen gelang es häufig, den Frankfurter Gegenspielern Pass- oder Dribbelwege weit außen an der Seitenlinie aufzuzwingen.

Die häufigste Konstellation blieb aber das Pressing auf den Halbverteidiger. Da die Mainzer Sechser in diesen Fällen meistens stark von den beweglichen Rochaden von Kamada und Younes beschäftigt wurden, konnten sie nicht immer ganz so nah an die Ballungszone anschließen. Am ehesten daraus entwickelten sich Probleme, sobald noch ein zweiter Faktor hinzukam. Vereinzelt funktionierte etwa das Timing im Verschieben nicht so sauber. Auf dem Weg nach außen kamen die Mainzer daher einige Male zu spät.

Zudem hatte Quaison sehr viel Raum in der Horizontalen zuzulaufen. Bewegte sich Hasebe geschickt, musste er mitunter sehr tief nach hinten „einklappen“, zumal eben bei größeren Abständen zu den eigenen Sechsern. In der Folge konnte die Lücke zwischen Stöger und Boetius zu groß werden: In diesem Fall öffnete sich für Ndicka der diagonale Passweg auf den ballsicheren Sow als ballfernen Sechser. Ein solches Überspielen des Mainzer Pressings kam insgesamt aber nur selten vor. Wesentlich häufiger war die Konstellation, dass Svenssons Mannen die Frankfurter Vorwärtswege an der Seite blockierten.

Mainz steht stabil bei zweiten Bällen, aber holt zu wenige zweite Bälle

Unabhängig davon, ob die Mainzer darüber hinaus gerade Druck auf den Ballführenden ausüben konnten oder nicht: Letztlich entschieden sich Ndicka und Hinteregger dazu, mit vielen langen Diagonalbällen zu operieren. Diese spielten sie auch gezielt – bevorzugt hinter Brosinski auf André Silva. Insgesamt konnte der Frankfurter Angreifer in Unterzahl kaum mal einen langen Ball festmachen, zumal das allgemeine Nachrückverhalten seines Teams weniger aggressiv daherkam als gewohnt. Die Abpraller nach weiten Pässen der Eintracht sprangen stattdessen regelmäßig ins Mittelfeld zurück.

Dort gingen die kompakten Duelle letztlich aber doch fast immer wieder an die Eintracht, trotz der guten Staffelungen der Mainzer Sechser beispielsweise. Aber Hütters Team setzte nicht nur die typische eigene Intensität und die Präsenz der 3-4-2-1-Grundformation dagegen, sondern auch sehr gute Ergänzungsbewegungen der Halbverteidiger. Das war ihr entscheidender Vorteil bei langen Bällen, gegen den selbst die enge Interpretation der offensiven Mainzer Dreierreihe nicht ganz mithalten konnte.

So standen die Gastgeber letztlich gegen Abpraller einerseits „nur“ sehr stabil, vermochten andererseits aber zu wenige davon für sich zu sichern. Nicht zuletzt im Hinblick auf die eigenen Ballbesitzzeiten, die sich für die Ansätze mit dem Ball hätten nutzen lassen, war dies ungünstig. Wenn Frankfurt zahlreiche lange Bälle schlug, damit zwar kaum Gefahr entfachte, diese bald darauf aber wieder in die erste Aufbaulinie überführen konnte, bedeutete das für die Mainzer also ein Problem. Sie hatten noch seltener das Leder als ohnehin schon.

Nicht einmal die Grundstabilität wurde letztlich belohnt. Die Entstehung des Elfmeters vor dem 0:1 machte deutlich, dass auch in einigen Basisfragen noch Arbeit auf die neuen Mainzer Verantwortlichen wartet. In dieser Szene gestaltete sich die Überzahl der Restverteidigung eigentlich komfortabel genug, um den Schnellangriff zu stoppen. Zunächst verteidigte die gesamte Viererkette alleine gegen André Silva und später gegen zwei Mann, ließ sich von Kamadas kreuzendem Laufweg zu sehr beschäftigen. Beide Innenverteidiger orientierten sich zwischenzeitlich zu diesem. Vor allem Hack als ballferner Akteur ging zu weit hinüber und so wurde die Schnittstelle zum Außenverteidiger immer größer – die André Silva dann attackierte.

Fazit

Insgesamt legten die Mainzer trotz der Niederlage letztlich einen ordentlichen Auftritt an den Tag. Aus den guten Ansätzen in der Zwischenlinienraumbesetzung entsprangen gerade im zweiten Durchgang auch vermehrt Torgelegenheiten. Zwischenzeitlich fehlt den Gastgebern nicht viel, um zum Ausgleich zu kommen. Ein Remis wäre für die Mainzer ein achtbares Resultat gewesen gegen einen Gegner, der ihnen gerade wegen seiner kompakten 3-4-2-1-Staffelungen bei zweiten Bällen nicht unbedingt lag. In jedem Fall deutete sich Potential an, auf das Bo Svensson weiter aufbauen kann. Bereits in den letzten Partien unter Jan-Moritz Lichte hatten sich beispielsweise nochmals Verbesserungen der Intensität und des Gegenpressings gezeigt. Insgesamt ist die Mainzer Saison keinesfalls gut, aber die Verfassung des Teams nicht so dramatisch und aussichtslos wie es die brutale Bilanz von nur sechs Punkten aus fünfzehn Partien ausweist.

Koom 21. Februar 2021 um 11:39

Wer meckert, muss auch loben. Svensson entwickelt das Team wieder, ganz im Stil der früheren Mainzer Mentoren. Er bimst die Grundmentalitäten und -mechanismen von Zusammenspiel, Pressing und Überzeugung ein und das greift auch wieder.

Man macht aber auch auf SEHR vielen Ebenen einiges. Nach Heidels Rückkehr wurden reichlich Spieler abgegeben (darunter auch überraschend Mateta, der aber wohl „moralisch“ verbrannt war), aber auch auf Führungsebene wurden Dinge geändert. Der langjährige Co und Interimstrainer Lichte wurde beurlaubt und der reichlich intrigierende Aufsichtsratsboss Detlev Höhne hat seinen Abschied angekündigt – undenkbar vor kurzer Zeit, aber da passte einfach nix zu Mainz und der dort notwendigen Wagenburgmentalität.

Einerseits schön zu beobachten, das manche Kräfte (Heidel) nicht ihre Wirkung verloren haben, andererseits natürlich auch die Sorge, was passiert, wenn dieser mal nicht ist.

Antworten

Koom 20. Januar 2021 um 10:29

Irgendwo muss es hin: Im Grunde bleibt bei Mainz 05 momentan nur die Hoffnung, dass die Probleme „hauptsächlich“ im zwischenmenschlichen Bereich liegen/lagen. Mateta (IMO ein genialer Stürmer) lässt man für kleines Geld gehen und auf dem Platz mauert man sich zu Tode und wundert sich, warum man keine Tore schießt.

Vielleicht sind ja demnächst alle ein supergutes Team, fighten wie einst die Cleveland Indians dann füreinander und rollen die Liga von hinten auf. Aber so wirklich sehe ich das nicht, wie man mit einer Torverweigerungstaktik irgendwie Erfolg haben will. Es ist ja nicht so, dass man bei Standards sonderlich stark wäre. Es gibt keinen passionierten, wirklich guten Standardschützen. Man hat jetzt auch nicht gerade eine Armee von 2m Leuten, die alles einschädeln und defensiv ist man viel zu anfällig, um stabil auf 0 zu spielen.

Gewissermaßen sind Schalke 04 und Mainz 05 gerade gute Beispiele dafür, wie man Abstiegskampf nicht machen sollte. Schalke verpflichtet wild Altstar um Altstar, Mainz mauert.

Antworten

Daniel 20. Januar 2021 um 11:50

+1
Ist mir ein völliges Rätsel, wie man in der jetzigen Situation auch noch Mateta abgeben kann, zudem auch noch auf Leihbasis. Wenn sie jetzt wenigstens sofort eine hohe Ablösesumme für ihn kriegen würden, aber die kolportierten 3 Mio Leihgebühr sind doch für den Eimer, da kriegt man auch nix gescheites für. Mateta war mit 7 Toren und 2 Assists an mehr als der Hälfte der eh schon zu wenigen Mainzer Tore beteiligt. Und Schalke und Mainz müssen ja schon jetzt 5 (Relegation) bzw 7 Punkte aufholen für den Klassenerhalt. Der Rückstand aufs rettende Ufer ist also genauso groß wie die in der Hinrunde insgesamt erreichten Punkte, weiß auch nicht, ob es das schon mal gab (wobei Schalke und/oder Köln heute Abend auch nochmal Punkte auf Mainz dazugewinnen werden). Und im Gegensatz zu CE sehe ich den Mainzer Kader (allerspätestens nach dem Abgang Matetas) auch nicht besser als die der Anderen da unten. Diesen Rückstand kann man nur aufholen mit Siegen, ergo mit Toren. Und wer die bei Mainz wie schießen soll wissen sie wohl nichtmal selbst. Quaison schießt wahrscheinlich zwei bis vier, Burkhardt wenn er nicht mehr im Schatten von Mateta steht vllt auch, dazu noch ein bis zwei von Öztunali. Reicht nicht annähernd. Bei Schalke wissen sie zwar, wer die Tore schießen soll, aber leider nicht wie 😉

Antworten

Koom 20. Januar 2021 um 13:39

Der Kader ist IMO schon nicht schlecht. Zumindest nicht so schlecht, dass ein Abstieg damit als „in Ordnung“ zu bezeichnen wäre. Was da genau intern so alles passiert (oder eben nicht), ist unklar. IMO krankt es beim Kader etwas an vernünftigen Flügelspielern, offensiv wie defensiv, aber auch damit kann man was machen. Es fehlt wohl vor allem ein klarer Offensivplan.

Ich befürchte schon so ein bisserl, dass man wegen Punktestand und Coronakrise schon den Abstieg recht fest einplant und deswegen schon in den Survivalmode geht: Verkaufen, was einen Wert hat, „erfahrene“ Kräfte holen auf Positionen, wo es vermeintlich krankt. Mateta wurde mit dem Pokalspiel in Bochum Persona non grata, als er als der letzte Schütze im Elferschießen (wo alle anderen Mainzer bereits verschossen hatten) mit einem Lupfer ebenfalls vergab. Und in den Spielen zuvor hatte er Chancen, traf aber nicht. Und weil er eine davon mit der Hacke machen wollte, ist er nun als Schönwetterspieler gebrandmarkt. Und Fun Fact: 2-3 Wochen zuvor gabs noch große Zeitungsartikel, weil er Extraschichten schiebt und erwachsen geworden ist. Und wurde dann vom Trainer und Verein eingebremst.

Mal auf die Zukunft blicken: Im Grunde hat man durchaus Leute, die wissen, wie man Tore macht. Quaison ist stark, Onisiwo ist gut, Burkhard kommt, Öztunali ist nicht zimperlich. Dazu jemand wie Kunde, auch Boetius kann das eigentlich gut. Aber momentan geht man nur noch zum Kontern in Unterzahl nach vorne, da bräuchtest du schon Ibrahimovic.

Antworten

Daniel 20. Januar 2021 um 15:01

Tja, wann ist ein Abstieg schon „in Ordnung“. Eigentlich nur für einen überraschenden Aufsteiger, für alle anderen ist er das nicht. Also aus der momentanen Bundesliga höchstens für Bielefeld. Aber zwei (oder drei) Vereine müssen halt runter. Und wer außer Bielefeld hat denn einen schlechteren Kader als Mainz? Bei Köln und Werder kann man drüber diskutieren, Schalke hat ein paar bessere Spieler, aber dafür einen völlig chaotisch zusammengestellten Kader. Vor der Saison hätte man noch über Union diskutieren können, aber die haben ordentlich aufgerüstet und spielen jetzt die Saison ihres Lebens. Das Pech der unteren Mannschaften ist auch, dass „natürliche Konkurrenten“ wie Union, Freiburg oder Aufsteiger Stuttgart eine starke Saison erwischen und jetzt schon enteilt sind. Hoffenheim und Hertha haben grad ihre Probleme aber werden sich (ob mit oder ohne Trainerwechsel) schon noch so weit steigern, dass sie nicht unten reinrutschen. Auch Bremen und Augsburg werden noch zwei bis maximal drei Siege reichen, um fast sicher durchzusein. Da wird das wohl auf Schalke, Mainz, Köln und die Arminia beschränkt bleiben…

Antworten

Koom 20. Januar 2021 um 16:50

Mal ganz abstrakt gesprochen: Individuell sind die Mainzer nicht schlecht. Athletisch gut, im Schnitt recht schnell, solide Technik. Das, was der Artikel da oben anspricht, ist nicht falsch. Ich würde spontan sagen, dass die Hälfte der Bundesliga nur etwa gleichwertige Kader hat. Die Krux ist deswegen: Wer momentan ein stimmigeres Bild auf den Platz bringt, der hat mehr Erfolg. Stuttgart macht das gut, Union auch, Freiburg sowieso sehr oft. Eigentlich war das idR die Mainzer Stärke, dass der Kader vielleicht ne Spur schlechter war, dafür mannschaftlich wie taktisch nen Tacken besser.

Seit ein paar Jahren verhält sich das eher umgekehrt. Das letzte mal taktisch interessant war man mit Siewert gegen die Bayern. Davor gefühlt ein paar Jahre lang nicht. Und wenn man mal gewinnt, wird exakt die gleiche Formation im nächsten Spiel wieder aufs Feld geschickt.

Persönlich tippe ich sehr auf Abstieg. Es gibt momentan nichts, was anderweitig Hoffnung gibt. Wie man sich dann da schlägt, wird sich weisen. Bundesligisten haben sich zuletzt alle sehr schwer getan und Mainz 05 ist nicht das Mainz 05 früherer Tage, wo man in sich ruht. Ein Durchreichen nach unten ist nicht unwahrscheinlich.

Antworten

Koom 12. Januar 2021 um 10:56

Vielen lieben Dank für den Artikel. 🙂

Der Artikel macht nen Hauch Mut, weil er konstruktiv ist und – sagen wir mal – mit guten Willen versucht zu erkennen, dass da was im Aufbau ist. Mir persönlich fehlt da momentan dieser Blickwinkel, mir erschien Svenssons Ansatz als recht furchtsam. Es erinnerte im Ansatz an Martin Schmidt, der mehr und mehr von hohem Angriff zu Kick’n Rush degenerierte. Aber für so einen Ansatz erscheint mir die Defensive nicht ideal zu sein der Mainzer. Dafür bauen sie zu viele einfache Böcke, auch und gerade bei Standards. Und eigentlich hat man eine sehr gute Power nach vorne, wie du auch gut hervorhebst.

Hast du eine Idee, wie Svenssons bisheriges Wirken bei Liefering so war. Zuletzt war das dort ja auch eher „ausbaufähig“ gewesen, aber der Anspruch eines Farmteams ist natürlich anders als der eines Teams, das um „mehr“ spielt.

Um ein Vorurteil abzufeuern: Ich befürchte das David Wagner-Konundrum: Jemand, der unter Tuchel/Klopp/Frank aktiv war (sei es unter oder mit ihm gespielt hat), muss „folgerichtig“ genau so gut sein. Stand der Dinge hat das aber keiner so bewiesen. Tuchel hat mit Klopp nichts zu tun, war nur ein weiterer Glücksgriff von Heidel. Die sonstigen Gefährten Schwarz, Kramny, Demandt, Kolvidson, Wagner, Lieberknecht uvm hatten bis auf kleine lichte Momente jetzt nicht den großen Schuss gehabt. Lieberknecht erschien mit von denen bislang der konstanteste, aber der ließ auch konventioneller Spielen.

Antworten

tobit 12. Januar 2021 um 11:09

Das David Wagner Konundrum gibt es echt in jedem Sport. Die Bundesliga stellt gerne Klopp- und Tuchel- Lehrlinge ein. Die NFL jeden, der mal im selben Raum wie Sean McVay gesessen oder mit Belichick gearbeitet hat. Völlig egal, wie unerfolgreich die Mehrheit davon ist.

Interessant, der Artikel las sich für mich überhaupt nicht nach Martin Schmidt. Aber ich hab das Spiel auch nicht gesehen.

Antworten

Koom 12. Januar 2021 um 17:29

> Interessant, der Artikel las sich für mich überhaupt nicht nach Martin Schmidt. Aber ich hab das Spiel auch nicht gesehen.

Was ich vom Spiel gesehen hatte, hat mich eher an ihn erinnert. Ich fand, dass Mainz zu passiv war und zu sehr auf Umschaltspiel gehofft hat – auch da von eher weiter hinten, wie es Schmidt auch eher macht. Den Ansatz fand ich noch nie gut, eben auch und gerade, weil Mainz jetzt keine Jaap-Stam-like Defensive hat, wo man sowas mal machen kann.

Antworten

studdi 12. Januar 2021 um 11:28

Rose ist als Klopp Schüler nicht zu vergessen 😉 Ohne jetzt den großen einblick zu haben macht es bei Mainz auch den Eindruck den du beschreibst. Es wird dann immer vom Mainzer Weg gesprochen indem man einen „Internen“ Trainer mit Mainz vergangenheit bevördert. War bei Martin Schmidt ja auch so.
Was Mainz richtig erfolgreich gemacht hatte bzw. zu dem 1. Ligisten der man jetzt seit Jahren ist. War neben Klugen Managment vor allem das Trainer wie Frank/Klopp und Tuchel extrem gut waren bzw. Mutig und neue Sachen eingeführt haben und damit war man der Konkurenz immer einen Schritt vorraus.
Das war der Mainzer weg meiner meinung nach und nicht einfach jemanden Internen zu befördern und von Ihm zu verlangen das er Fußball spielt wie in der Vergangenheit.

Antworten

Koom 12. Januar 2021 um 17:42

Natürlich auch Rose. Stand der Dinge geht der wohl als Positivbeispiel durch, aber das muss ja nichts heißen. Und es heißt auch nicht, dass die genannten schlechte Trainer sind, aber eben auch kein Klopp.

Und zum Mainzer Weg: Das erschien als Erfolgsmodell. Anstatt die ständig kreiselnden Feuerwehrmänner zu holen, brachte man einen Internen. Erst Klopp (Auslaufmodel als Spieler), dann Tuchel (Jugendtrainer). Dazwischen der Versuch Hjulmand (unterschätzt), mit Schmidt den nächsten Jugend/Amateurtrainer (der insgesamt positiv bewertet wurde, weil er mit Mainz die Europaliga erreichte).

In Dortmund ist es ja ähnlich, nur wollte man dort einfach von Mainz importieren. Aber bekam dann keinen kuschligen Klopp2, sondern einen Technokraten in Tuchel, der eben kantig ist und ne klare Meinung hat – und dabei kein Weltdiplomat wie Klopp ist. Das war den Genialen aus Dortmund dann halt auch unangenehm, also ist man den losgeworden.

Und generell ist das Modell Mainz 05 seitdem gang und gäbe. Die halbe Bundesliga befördert oder holt lieber Jugendtrainer, anstatt auf dem Markt einen „alten“ zu nehmen. Und die Jungs werden dann zum nächsten Tuchel oder Klopp überhypt, kriegen dann beim ersten Mißerfolg das Schlottern und stellen ihre Mannschaft immer feiger ein. Sei es Wolf, Tedesco, Schwarz und wie sie alle heißen. Für alle ist es quasi die Chance, aber auch ihre gefühlt „einzige chance“. Und Angst ist immer ein schlechter Ratgeber.

Zurück zu Heidel: Ich glaube, er weiss schon, worauf es ankommt. Aber das wird dauern, bis es reinsickert. Wenn man ihn kennt oder einfach die PKs von ihm verfolgt und mit dem Vorgänger vergleicht: Das sind Welten. Das ist ein redegewandter, offener, intelligenter Mann mit Herz. Es wird darum gehen, aus den Einzelspielern, die nicht schlecht sind, wieder ein Team zu machen. Daran wird Heidel arbeiten. Schmidt hat seine Stärken auch im Reden. Svensson war lange stellvertretender Kapitän, also wird er auch sozial kompetent sein. Das ist dann schon ein unterschätztes Standbein. Und vermutlich viel mehr Grundvorraussetzung, als innovative Aufstellungen und Taktiken auf den Platz zu werfen. Das kommt dann direkt danach.

Antworten

Daniel 15. Januar 2021 um 15:00

Ich persönlich find das Modell etwas gekünstelt, einen völlig unerfahrenen Trainer zu holen und einen ehemaligen Trainer als Sportdirektor zu holen. So von außen betrachtet sieht das finde ich sehr aus nach „Wir wollen irgendeinen frischen jungen Trainer, weil das cooler wirkt…und als Notfall holen wir uns schonmal den Interimsnachfolger in den Verein.“ Zudem ist mir auch nicht richtig klar, wie jetzt die geplante Arbeitsteilung zwischen Schmidt und Heidel sein soll, wenn beide wie du sagst ihre „Stärken im Reden“ haben. Man braucht aber nicht zwei Leute, die das öffentliche Gesicht sind und den Verein repräsentieren. Schon gar nicht in Mainz, was ein eher ruhiger Bundesligastandort ist. Mir fallen jetzt auch nicht viele gute Manager ein, die zuvor als Trainer aktiv waren. Dafür sind die Unterschiede zwischen diesen Positionen doch zu groß. Bei Heidel ist mir auch immer noch nicht klar, wie seine Arbeit auf Schalke eigentlich zu bewerten ist.
Zu Svensson kann denk ich niemand hier was sagen. Oberflächlich betrachtet sieht das so aus wie du sagst-die Sehnsuch nach Klopp 2.0. Dafür holt man die Klopp’sche Mischung aus dem Mainzer Erfolgweg von einst (junger, unbekannter Trainer) und dem Stallgeruch eines ehemaligen Spielers. Zumindest im Bereich der Trainerauswahl würde ich Heidel aber einen gewissen Vertrauensvorschuss geben. Offensichtlich in Mainz, aber meiner Meinung nach zumindest in diesem Bereich auch auf Schalke, hat Heidel in der Vergangenheit ein gutes Händchen gezeigt.

Antworten

Koom 15. Januar 2021 um 20:22

Vorweg: Ich sehe die Kritik von dir berechtigt. Der Grund, warum man 2 Redner geholt hat, liegt wohl darin, dass Heidel gesundheitlich angeschlagen ist (Schlaganfall). Er ist zwar wieder fit, aber er wollte nicht alles alleine machen. Er wird wohl gerade in den ersten 1-2 Jahren dominanter sein, Schmidt soll aber wohl von Anfang an als Vertretung und Nachfolger aufgebaut werden. Rhetorik war zuletzt auf jeden Fall ein Problem, sowohl alle Trainer als auch Manager Schröder waren da extrem langweilig und phrasenschwingend.

Persönlich bin ich aber kein Fan von Martin Schmidt. Da gab es einfach in seiner Zeit als Trainer so einige Sachen, die mir das auf Dauer versaut haben. Taktisch ist das eine, aber auch in Sachen Rhetorik kam er in der Krise sehr an seine Grenzen. Aber er ist so eine Art Tausendsassa, der schon 100e Jobs gemacht hat und deswegen auch eine gewisse Lässigkeit und Erfahrung mit sich bringt. Kann vielleicht Sinn machen, aber aus meiner Sicht ist das eher nix.

Generell kann man zu Heidel sagen, dass seine Stärke Charakter und Persönlichkeit ist. Und er sucht auch Leute, die ebenfalls über Stärken in dem Punkt verfügen, sowohl bei Trainern als auch Spielern. Das geht in Mainz, wo er quasi ein Gott war/ist, einfacher als auf Schalke, wo einfach von vorneherein mehr Geld und mehr Eitelkeiten vorhanden sind. Tönnies und andere „Altgediente“ sind da sehr dominant, und von einem verkappten Zweitligamanager lässt sich da nicht jeder reinreden. IMO letztlich gescheitert ist er IMO weil Tedesco Muffensausen bekommen hat und von mutigen Aufstellungen zu Maurerfußball mutiert ist. Wie zuvor auch schon andere eher jüngere Trainer. Und nachdem da schon kräftig an Heidels Stuhl gesägt wurde, war das dann am Ende schon vorbei und Heidel hatte keine Patrone mehr über.

Antworten

Daniel 16. Januar 2021 um 13:15

Tuchel wurde primär für Charakter und Persönlichkeit gesucht? Das solltest du aber besser nicht Aki Watzke erzählen 😉

Ah ok. Das mit dem Schlaganfall hatte ich nicht auf dem Schirm. Find das mit der Rhetorik immer ein bisschen hochgekocht. Intern ist die Kommunikation eh eine ganz andere. Wenn du Erfolg hast ist es leicht, sympathisch lächelnd mit den Journalisten zu scherzen. Umgekehrt wurde in der Dortmunder Krise 2015 (?) sogar Jürgen Klopp teilweise als dünnhäutig dargestellt, dabei ist der der beste Rhetoriker in der Szene. Oder anderes Beispiel: wenn Streich an der Seitenlinie herumtobt wird das in den Medien als authentische Emotion gelobt. Bei anderen Trainern ist es wahlweise Verzweiflung oder schlechter Stil („was ist das denn für ein Vorbild für die Jugend…“). Das mediale Verhalten des Trainers/Sportdirektors wird halt immer so gedreht, dass es in die Geschichte passt, die man grad über den Verein erzählen will. Ist er ruhig, hat er wahlweise einen souveränen und „über den Dingen schwebenden“ oder halt einen einschläfernden Einfluss. Ist er laut, reißt er wahlweise die Mannschaft mit oder verunsichert sie. Abhängig von den letzten Ergebnissen. Fand jetzt zum Beispiel Schwarz rhetorisch nicht schlechter als Baum, Gisdol, Urs Fischer und viele weitere. Klar, Klopp und Streich sind sicherlich unterhaltsamer, bei Schmidt weiß ich jetzt auch nicht.

Ich meinte eher, dass Heidel als Schalker Manager schon einige ziemlich teure Flops geholt hat. Rudy, Mendyl, Bentaleb, Konoplyanka waren glaub ich alle in seiner Zeit. Und zum Beispiel bei Rudy fand ich schon vor dem Transfer, dass der als Spielertyp eigentlich gar nicht zu Schalke passt. Aber ja, bei Schalke ist sicherlich das Hauptproblem eine völlig dysfunktionale Struktur und Kultur im Verein derzeit. Das muss man im Grund bei jedem als entschädigenden Faktor mit einbeziehen, der da in den letzten zehn Jahren gewesen ist.

Koom 16. Januar 2021 um 20:20

Stichwort Rhetorik: Mir geht es da weniger darum geschliffen reden zu können, sondern authentisch zu sein. Und zwar auch keine antrainierte Authentizität. Eine Fähigkeit, die insbesondere Heidel und Klopp eint, ist es „im Moment da zu sein“. Du wirst von denen kein Interview, Gespräch oder gar Monolog finden, das nicht so klingt, als ob die das gerade spontan erfinden würden. Die beiden sind real, in jedem Sinne. Die „bullshitten“ und phrasendreschen sich nicht durch Gespräche, ob mit oder ohne Kamera und man kann ausgehen, dass sie das auch bei Spielern machen. Das ist gelebte Wertschätzung, jeden Gesprächspartner wahrzunehmen und ernstzunehmen. Damit erreichen sie dann auch die sogenannten schwierigen Spieler, weil sie ihnen nahe kommen.

Mit Streich verhält sich das vermutlich ähnlich. Auch deswegen hat der kein Problem mal damit, sich auch über seine Themengrenzen zu äussern. Aber er stellt (wie Klopp und Heidel) auch klar, wenn es nicht mehr ihr Gebiet ist.

Zu seinen Transfers: Immer schwer zu sagen. Seine grundsätzliche Intention war es wohl, den Verein mal insgesamt zu beruhigen und hat deswegen bestimmte Leute ausgesucht. Gerade Rudy wäre so einer gewesen, der richtig hätte weiterhelfen können. Der ist kein Anführer, aber sachlicher, konstanter Arbeiter. Aber vielleicht war er zu früh da oder man hat unterschätzt, wie sehr andere Spieler vielleicht mit der Führungsetage munkeln. Heidel hat aber sicherlich unterschätzt, wie krass anders Schalke im Vergleich zu Mainz ist. Generell ist Schalke wie Hamburg eigentlich so ein „Untrainierbarer“. Ultrahohe Fanzahlen, supererfolgreich – vor vielen Jahrzehnten. Diese Gemengelage ist extrem gefährlich.

Daniel 18. Januar 2021 um 15:16

Da sprichst du einen sehr guten Punkt an, was echtes Charisma bedeutet. Viele Leute lernen irgendwelche Sprüche oder Körpersprachetricks in Seminaren und wenden sie dann in unpassenden Situationen an. Das ist das genaue Gegenteil von Authentizität. Fußballspieler/trainer/funktionäre stehen extrem im Rampenlicht und jeder fühlt sich dazu berufen, ihre Interviews, ihr Verhalten, ihre Körpersprache und ihren Jubel (teilweise ziemlich vernichtend) zu beurteilen. Dass dann viele davon sich auf die Sicherheit von auswendig gelernten Sprüchen verlassen anstatt zu improvisieren und einen Shitstorm abzubekommen kann ich emotional schon verstehen. Ich würde diesen Leuten, die vor Kameras ziemlich phrasendreschend und auswendig gelernt rüberkommen, aber nicht unterstellen wollen, dass die das im persönlichen Gespräch auch sind. Mir fehlen aber die Einblicke, vielleicht waren das Schröder und die letzten Mainzer Trainer aber eben doch auch, keine Ahnung. Wenn wir wieder mehr „Typen“ wollen sollten wir vielleicht aufhören, jeden etwas abweichenden Charakter sofort runterzumachen, aber das ist jetzt ein weites Thema.

Ich meinte eher Rudys fußballerische Art als seinen Charakter. Mein ganzes Leben lang ist Schalke schon ein Verein, der vor allem defensiv sicher stehen und vorne mit vereinzelten Nadelstichen das siegbringende 1:0 erzielen will. Das klappt mal besser und mal schlechter, aber damit steht Schalke konsequenter für einen Stil als eigentlich jeder andere Bundesligist. Nur ist Rudy weder bei dem einen noch bei dem anderen eine große Hilfe, sowohl von seinem Naturell als auch von seinen Fähigkeiten her. Er ist weder defensiv ein eisenharter Verteidiger noch erzwingt er vorne im Alleingang Torchancen. Seine Stärken liegen im Herstellen und Bespielen von Ballbesitzstrukturen, weswegen er seine stärkste Zeit bei Nagelsmanns Hoffenheim hatte und auch für Bayern und die N11 (zu besseren Zeiten) durchaus wertvoll war. Da Schalke aber seit Jahren keine Ballbesitzstruktur hat (und meinem Eindruck nach auch noch nie wirklich wollte, auch nicht in der ergebnistechnisch starken ersten Tedesco-Saison) fand ich den Rudy Transfer schon damals seltsam. Und meinem Eindruck nach ist Rudy da auch nicht der Einzige. Schalke hat viele mutmaßlich ziemlich starke Ballbesitzspieler (Rudy, Bentaleb, Harit, Uth, Mercan) und langsame Offensivspieler (Ibisevic, Huntelaar, Burgstaller), redet aber immer nur von defensiver Sicherheit und schnellem Umschalten (und spielt auch so). Klappt nur nicht, weil mit Ausnahme von Serdar keiner der Offensivspieler ein guter Umschaltspieler ist (Raman in Teilen noch ausgenommen). Die plausibelste Erklärung wäre für mich, dass Heidel die spielerische Identität des Vereins auf links drehen wollte, sich dabei nennenswert weiter wähnte als er tatsächlich war und deshalb davon ausging, man könne einen Spieler wie Rudy sinnvoll integrieren. Ich weiß auch nicht, was jetzt der Huntelaar-Transfer soll. Wenn Schalkes Problem wäre, dass ihnen die Anspielstationen im Sechzehner fehlen und sie deshalb viel fruchtlosen Ballbesitz in der gegnerischen Hälfte hätten wäre Huntelaar wahrscheinlich eine Verstärkung. Aber bei Schalke beginnen die Probleme doch viel früher, die kommen ja kaum geordnet in die gegnerische Hälfte. Und da wird ein alternder, mutmaßlich ziemlich langsamer Torjäger auch nichts dran ändern (hust…Ibisevic). Ja, der Vergleich mit dem HSV drängt sich auf. Eigentlich sollte man niemanden in den letzten Jahren nach seiner Arbeit auf Schalke beurteilen.

Koom 18. Januar 2021 um 19:50

Von meiner Erfahrung her würde ich es auch Heidel anrechnen, dass der Plan war, konsequent mehr Spielkultur reinzubringen. Seine letzte große Idee nach Tuchel war ja Hjulmand, der Ballbesitzfokus hatte. Nachdem das aber dauerte, er ein wenig Panik bekam und IMO schon recht fest mit einem Abgang liebäugelte, installierte er noch mal eine sichere Umschaltfußball-Lösung.

Sowohl Tedesco als auch Weinzierl hatten beide bei ihren vorherigen Stationen eine rechte gute Spielkultur am Laufen, gerade mit kleinen Teams. Macht also Sinn, mit denen dann die Mannschaft entsprechend umzubauen. Und da sind wir uns hier einig: Spielkultur, Offensivplan ist auf jeden Fall die richtige Entscheidung.

Und zu Rhetorik/Charisma:
Zu allem, was ich von Schwarz, Beierlorzer, Schröder, Lichte so gesehen habe, waren das alles anständige Menschen, aber versteckten sich mal in mehr, mal weniger geschliffenen Phrasen. Schröder nutzte klassische Schlagzeilenphrasen („Alle haben es jetzt verstanden“) und war vor allem sehr darauf bedacht, nichts kritisches zu sagen. Schwarz kam mehr über die Fußballernahe Sprache („Gras fressen“), Beierlorzer ähnlich wie Schröder. Wenn man allein Heidel schon zuhört, der durchaus auch weiß, wie man „drumherum“ reden kann, dabei aber glaubwürdig klingt, weil er mit guten Details ausschmückt, dann sind das einfach Welten.

> Wenn wir wieder mehr „Typen“ wollen sollten wir vielleicht aufhören, jeden etwas abweichenden Charakter sofort runterzumachen, aber das ist jetzt ein weites Thema.

Ich gebe dir zu 100% recht, aber die Medienwelt ist leider pervers. Siehe einfach die Pandemie. Die einen hetzen gegen Drosten, die anderen legen jedes Wort von ihm auf eine Goldwaage oder überzeichnen es krass, um Schlagzeilen zu machen. Selbiges mit Fußballern. Müllers Pißigkeit nach dem Pokalaus war sehr normal und in Ordnung, diplomatisch. Trotzdem bläst man es auf. Und das sag ich als jemand, der die Bayern definitiv nich mag. 😉

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*