Vier Fragen zum WM-Finale

VS

Heute steigt das WM-Finale in Moskau: Wir versuchen die wichtigsten Fragen und Themen zu diskutieren, mit dem Blick zurück und nach vorn.

1. Warum hatte Kroatien gegen England anfangs so große Probleme?

Eigentlich hatte man erwarten können, dass die Kroaten ihre zweite Linie gegen den Ball tief halten würden. Überraschend spielten die Achter im Pressing jedoch recht hoch: Ohnehin formierte sich Modric in einigen 4-4-2-Staffelungen, auch Rakitic rückte teilweise zusätzlich zu diesen Konstellationen nach vorne und „überrückte“ quasi die erste Linie im Angriffspressing. Diese Versuche, den englischen Aufbau früh zu stören, gingen jedoch nach hinten los und so machte die Anpassung Kroatien anfällig: Hinter den hohen Achtern war zu viel Raum und dort wurden sie in der ersten Halbzeit oder der ersten halben Stunde speziell bei langen Bällen überladen: Englands 3-1-4-2 mit hohen Achtern konnte sich in den Räumen um Brozovic austoben und viel Dynamik in die Angriffszonen bringen.

Erst im Laufe der Partie sollten die Kroaten das besser in den Griff bekommen. Dafür spielten verschiedene Faktoren zusammen. Hauptsächlich gingen diese von den Kroaten selbst aus, auch wenn die strategisch defensiver werdende Haltung und das konservativere Aufrückverhalten der Engländer seinen Teil beitrug. Zum einen passten die Kroaten die Rollen der umliegenden Spieler an: Vor allem die Flügel agierten zunehmend tiefer, auf der rechten Seite eher mannorientiert zurückfallend, auf der linken Bahn in etwas komplexerer Einbindung mit manchen Rückstößen nach innen zum Füllen der Bereiche neben Brozovic.

Diese Klarheit der Aufgabenverteilung half Kroatien, die Halbräume etwas dichter zu bekommen und die englischen Flügelläufer sauberer aufzunehmen. Zum anderen spielten sie das Pressing als solches einfach häufig tiefer: Zwar rückten Modric und Rakitic auch in Halbzeit zwei noch oft vor, aber nicht innerhalb eines Angriffs-, sondern eines Mittelfeldpressings, nun aus einer engen Grundstaffelung neben Mandzukic. So wurden die Rückwärtswege kürzer und bei englischen Aktionen durch den Halbraum konnten die kroatischen Achter schneller wieder zurückfallen, um noch beim etwaigen Zuschieben der Folgeszenen mit einzugreifen.

Hinzu waren in den ersten Phasen der Partie bei Kroatien noch gewisse Ballbesitzprobleme gekommen. Sie versuchten beispielsweise über Bewegungen nach außen, das englische 5-3-2 seitlich zu überspielen, aber fächerten im Mittelfeldzentrum dabei zu breit auf. Die Achter standen mitunter zu breit und waren so untereinander wenig verbunden. Zwar lief die Zirkulation in den tiefen Zonen noch recht gut und stabil, aber nach vorne ergaben sich von den Seiten zu wenige Anschlussoptionen für die Folgeaktion, ähnlich auch bei langen Diagonalbällen.

Abermals löste Kroatien das im Laufe der Partie interessant, ohne das Problem vollends zu beheben: Sie fokussierten sich später sehr konsequent auf ein Flankenspiel, sobald sie sich am Flügel nach vorne gespielt hatten, setzten das aber geschickt um und brauchten dafür nur wenig Offensivpersonal. Das Timing der Aktionen passte gut, die individuellen Charakteristika von Mandzukic und Perisic wurden gezielt genutzt. Den Engländern wurde in dieser Konstellation gewissermaßen ihre geringe Intensität und die nicht wirklich ausgereiften Pressingübergänge zum Verhängnis: Dagegen konnte Kroatien auch mit wenig Präsenz die Angriffszonen recht gut erreichen und dann sehr direkt die Fünferkette fordern, im unmittelbaren Duell mit dem eigenen Offensivtrio.

2. Wie setzte sich Frankreich gegen die offensivstarken Belgier durch?

Abermals hat Frankreich im Halbfinale demonstriert, wie stabil sie sind. Ihr leicht asymmetrisches 4-4-2 und die starke Strafraumverteidigung ließen kaum etwas zu, obwohl Belgien einige interessante Ansätze präsentierte und sich weitgreifende Anpassungen zurechtgelegt hatte. Vor allem die ruhige Entscheidungsfindung und die pragmatische, effiziente Positionsfindung schon in den ersten beiden Reihen prägten die französische Defensive: Die Staffelung von Mbappé nach innen und von Matuidi zu den Sechsern war sehr sauber. Griezmann und Giroud fanden einen guten Mittelweg – dicht genug um den belgischen Sechserraum herum, aber breit genug, um sich den eigenen Bewegungsradius nicht einzuschränken und situativ nach hinten oder schräg nach außen Raum füllen zu können.

Zudem brachte Belgien die eigenen Ansätze letztlich nicht gut genug zusammen, um Frankreich abschließend gefährden zu können: Die breite Hazard-Rolle hinter Mbappé funktionierte für sich ganz gut, aber wenn die Belgier sich über de Bruynes unterstützendes Ausweichen rechts nach vorne arbeiten konnten, fehlte es so an stabilen Verlagerungsoptionen zum Halbraum, um Kapital aus Fellainis Aufrücken gegen etwaige Mannorientierungen Pogbas schlagen zu können. Als das belgische Mittelfeld sich später linksseitiger bewegte, um Frankreichs erste Linie zu binden und mehr Raum für Alderweireld zu schaffen, gelang es den Belgiern nicht, das mit sauberen, klaren Bewegungsmustern auszuspielen, sondern drifteten etwas überambitioniert umher.

Statt die Zirkulation hoch zu halten, versuchten sie es etwas zu oft auch in ungünstigen Situationen noch durch die Ballungen halblinks, wo Frankreich aber dann viel Präsenz gegen die Kombinationen hatte. In solchen Überzahlsituationen trafen Pogba und Kante schnell die Entscheidung zum Pressingübergang, um die Situation entsprechend zu nutzen. Besonders beeindruckend waren bei Frankreich schließlich einige Umschaltmomente. Diese wurden über die Verbindung aus Dribblignutzung und der im Podcast diskutierten klaren, konsequenten Bewegungssystematik ausgeführt: unmittelbares, unterstützendes Zurückfallen von Griezmann, Ausweichen von Giroud, der in sämtlichen Spielphasen sehr wichtige, vor allem raumöffnende Diagonalläufe einbrachte, und Durchstarten von Mbappé.

3. Welche Art von Spiel ist im Finale (strategisch) zu erwarten?

Strategisch ist gar nicht so klar zu sagen, wie sich das Spiel entwickeln wird. Dass sich eine klare Frontstellung mit einem Ballbesitzübergewicht für eines der Teams ergeben dürfte, scheint eher unwahrscheinlich. Vielmehr sollten die Spielanteile recht ausgeglichen sein und beide sich mit (längeren) Zirkulationsphasen abwechseln, die vermutlich erst einmal defensiv geführt werden. Bei Kroatien ist ein geringeres Auffächern im Mittelfeld zu erwarten, Frankreich dürfte wohl wieder Matuidi als nominellen linken Außenspieler für Stabilität ins zentrale Mittelfeld ziehen. Wenn sie also wieder eher über halbrechts aufbauen, könnte Kroatien erst einmal die zweite Pressinglinie sehr tief halten und punktuell – wenn sich die Szenerie klar auf jene Feldseite fokussiert hat – Rakitic als ballnahen Achter im Halbraum herauspressen lassen, eventuell sogar bis auf Varane.

In die andere Richtung könnten die Kroaten womöglich ebenso Aufrückräume über die rechte Seite forcieren, wie es auch die Belgier versucht haben. Dort steht Matuidi deutlich tiefer als Mbappé und eigentlich eher in der zweiten Linie, so dass neben der Formation mehr Raum ist. Mit Modric als Fokus- und Verbindungsspieler in jenen Zonen, Vrsaljkos Bewegungsspiel und dichteren Mittelfeldstaffelungen könnten sie sich recht gut nach vorne arbeiten. Zum Torerfolg zu kommen, dürfte nach den bisherigen Eindrücken aber sehr schwierig werden: Vielleicht sollte Kroatien erst einmal nur auf Stabilität setzen und punktuell ganz aggressives Flügelspiel in den Strafraum einstreuen, wie es Belgien ansatzweise mit Fellaini in ballfernen Zonen nicht ganz konsequent anbrachte.

Viele Torchancen sind zwischen zwei stabilen und im Mittelfeld präsenten Teams also nicht zu erwarten, die wenig Bälle verlieren und Konter sehr gut absichern. In ihren strategischen Eckpunkten und ihrem Gleichgewicht kann man die Begegnung recht gut einschätzen, die konkreten taktischen Verhältnisse, wie das einfach genau „aussieht“, ist aber noch recht offen. Das wird noch stark von den abschließenden Entscheidungen der Trainer abhängen: Über welche Zonen baut Kroatien auf? Versuchen sie Frankreichs Ballzirkulation auf eine Seite zu lenken? Würden sie eher wollen, dass die Franzosen über die engen Staffelungen auf rechts agieren oder dass sie auch mehr über Matuidi machen müssen?

4. Wer macht das Rennen?

Zuletzt eine kurze Prognose. Fast schon reflexhaft kann man mittlerweile die Favoritenrolle verteilen mit Verweis auf die drei Verlängerungen und die Frische bei den Kroaten, aber gerade gegen die enorme Athletik der Franzosen könnte sich das besonders stark auswirken – zumindest auf die Schlagkraft, wenn auch nicht unbedingt auf die Stabilität. Dies ist nur einer von vielen kleinen Punkten, die für Frankreich sprechen: Insgesamt dürfte sich das Spiel zwar sehr eng bis ausgeglichen gestalten und wahrscheinlich wird Kroatien lange im Spiel bleiben. Aber es gibt eine Fülle von Details, in denen die Franzosen jeweils knapp die Nase vorn haben, die sich über weite Strecken der Partie in einer strategisch eher defensiven Umgebung nicht so klar auswirken werden, von denen aber irgendeiner die Partie letztlich irgendwann zugunsten des Favoriten entscheiden dürften – dafür sind es einfach recht viele.

Es fängt mit kleinen Aspekten an: in der Abwehr und der Strafraumverteidigung ist Frankreich einfach noch besser besetzt. Darüber hinaus hat beispielsweise das Umschaltspiel des Teams von Didier Deschamps noch mehr Potential, wie gegen Belgien abermals sehr systematisch angedeutet. Die Grundausrichtung der zwei Kontrahenten dürfte in diesem Spiel viel ausmachen: Da hat Frankreich einfach das noch breitere, wenn auch dezent genutzte Angebot von Werkzeugen, um mit einem davon die Entscheidung herbeizuführen.

Insofern dürfte Frankreich die Partie nicht unbedingt durchgängig dominieren, aber trotzdem ist der Vize-Europameister klarer Favorit aufgrund der unheimlichen Stabilität, die Kroatien so nicht hat. Dennoch besteht eine Restchance für Kroatien, wenn man sich den Turnierverlauf anschaut. Dänemark gelang ein 0:0 gegen Frankreich – in einer ähnlichen Defensivausrichtung wie Kroatien. Argentinien gelangen drei Tore – in einer leicht ähnlichen Offensivausrichtung wie Kroatien (aber halt mit Messi). Wenn Kroatien die Null lang genug halten kann, dann kann irgendwann ein Ball mal glücklich reingehen – Distanzschuss, Standard, Kopfball, Modrić-Gedankenblitz, auf sowas können die Kroaten hoffen.

Aliou Bob Marley Cisse 16. Juli 2018 um 19:42

Wie sehr wart ihr überrascht, dass sich die Ballbesitzanteile so sehr zu Gunsten der Kroaten verteilten und es keine ausgeglichenen Zirkulationsphasen, sondern einen spielenden Underdog und einen reaktiven großen Favoriten gab.
Ich möchte ja nicht meinen persönlichen Favoriten glorifizieren, aber eine viel mutigere Spielanlage kann eine Mannschaft unter der Berücksichtigung der drei Verlängerungen zuvor, dem Wissen um das unfassbare Umschaltspiel der Franzosen und dem ersten Finale in der Geschichte nicht bringen.
In meinen Augen hat Deschamps mit der Auswechslung von Kante das Spiel für Frankreich gewonnen. Durch die deutlich stärkere Physis des Back-Ups gelang es Kroatien deutlich seltener gefährliche Bälle in den Strafraum zu bekommen. Ich fand im Übrigen Frankreich gar nicht so souverän in der Defensive. In der ersten Halbzeit gab es sehr viele gefährliche Flanken in den 16-er der Franzosen, bei denen ein Tor fallen hätte können.

Seid ihr der Meinung, dass Kroatien im Laufe des Spiels einen taktischen Fehler begangen hat? Von Außen sah so aus, dass es der blöde Spielverlauf und die beiden Fehlentscheidungen waren und dass Kroatien trotzdem noch nach offensiven Lösungen gesucht hat und zum Schluss-Modric wirklich MVP? Danke.

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Daniel 15. Juli 2018 um 21:29

Kann sein dass Subasic in der zweiten Halbzeit leicht angeschlagen war? Beide Treffer der Franzosen waren Schüsse von außerhalb des Strafraums und weder besonders platziert noch sehr hart und wären eigentlich haltbar gewesen. Subasic springt aber in beiden Fällen gar nicht, sondern fällt eigentlich eher in das bedrohte Eck. Beim ersten Tor ist das noch halbwegs erklärbar, weil er nach dem geblockten ersten Schuss von Pogba seine Position korrigieren muss und der Schuss deswegen etwas gegen seine Laufrichtung (oder besser gesagt Sprungrichtung) ist und Giroud vielleicht etwas im Blickfeld steht. Trotzdem neige ich dazu, dass ein sehr guter TW den gehabt hätte, da der Ball halbhoch und eigentlich recht dankbar war. Spätestens das 4:1 war dann aber ein klarer Torwartfehler.

Wie auch immer: schade. War zwar recht torreich, aber dadurch dass wirklich alles für die ohnehin schon besser besetzte Mannschaft lief nie spannend. Den ersten beiden französischen Toren gehen Schiedsrichterentscheidungen voraus, die man so jedenfalls nicht treffen muss (in meinen Augen auch nicht sollte) und dann in der zweiten Halbzeit die schon oben besprochenen Fernschüsse. Dass Griezmanns nur mäßig geschossener Elfmeter natürlich reingeht, weil Subasic sich für die falsche Ecke entscheidet passt perfekt rein. Ich kann mich spontan nicht erinnern, wann letztmals eine Mannschaft mit so wenig herausgespielten Chancen (expG 0,3) vier (!) Tore gemacht hat. Shit happens kann man da aus kroatischer Sicht nur sagen. Viel vorzuwerfen ist ihnen nicht…außer dass sie beim 1:0 viel zu tief stehen, was Mandzukics Eigentor erst ermöglicht. Glückwunsch an Frankreich…letztlich ist das Land mit den momentan meisten sehr guten Fußballern immer ein verdienter Weltmeister.

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SMR 15. Juli 2018 um 23:23

Stimmt. xG liegt laut Caley Graphics bei 0,3 zu 1,3 aus der Sicht der Franzosen (!). Da kann mal wohl von Effektivität sprechen. Eigentor, Elfer, dazu zwei Distanzschüsse.

Dazu noch kurz eine Frage: Das Eigentor und der Elfmeter müssten dabei doch bei der xG-Metrik bei der 0,3 nicht mit eingerechnet worden sein, denn allein beim Elfer hat man doch alleine schon eine Wahrscheinlichkeit von ca. 0,75?!

Wie Bela Rethy schon angemerkt hat während des Kommentars, es war tatsächlich das torreichste Finale seit 1958. Ich schaue seit 1994 bewusst die WMs (und seit 92 die EMs) und habe noch nie so viele Tore in einem Turnierfinale erlebt, das war schon krass.

Auch wenn es niemandem hilft, fand ich es schön, dass Modric zum Besten Spieler gewählt worden ist. Endlich bekommt er auf der größten aller Bühnen die verdiente Auszeichnung. Bester Jungspieler war für mich auch Mbappe, der Goldene Handschuh ging an Courtois, das passte auch. Immerhin.

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CE 16. Juli 2018 um 19:09

Die eigentliche xG-Wertung war 0.3 (+1 OG + 1 PK) zu 1.3. Elfmeter und Eigentore werden mit 1 gewertet.

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Peda 16. Juli 2018 um 10:13

Du sprichst da richtigerweise einige Punkte an, die mir in der Diskussion des gestrigen Finales noch völlig untergehen.

Subasic war bei keinem der Schüsse wirklich auf der Höhe – Timing, Balance, Positionierunghaben da nicht wirklich gepasst, Dass man in einem WM-Finale dann nicht wenigstens versucht die Bälle zu erreichen, kann ich überhaupt nicht verstehen.

Hat Kroatien eigentlich immer so tief verteidigt oder was war da der Plan vor dem 1:0? Die Positionierung war ja schon ein halbes Eigentor! Zudem greift aus meiner Sicht Pogba aus Abseitsposition ein.

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bs 16. Juli 2018 um 10:35

Das 4:1 hatte ich so gesehen: Mbappé zieht von links nach rechts in den Strafraum und setzt zum Schlenzer Richtung rechtes Eck an. Ein Verteidiger (Vida glaub ich) antizipiert den Schuss auch so und versucht sich in die Schussbahn zu bringen. In dem Moment, in dem Vida genau zwischen Mbappé und Subasic steht, zieht der Stürmer ins linke untere Eck ab. Subasic hat den Schuss schlicht zu spät. Wahnsinnig geschickt und clever von Mbappé.
Wie dem auch sei, Subasic soll schon vor dem Englandspiel angeschlagen gewesen sein…

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bs 16. Juli 2018 um 10:37

Subasic hat den Schuss natürlich garnicht, sondern zu spät „gesehen“^^

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ST 16. Juli 2018 um 17:48

Ein, wie ich finde, furchtbares Finale! (Und ich kenne BRA-ITA 1994!)
Im Grunde waren 5 von 6 Toren zweifelhaft oder beruhten auf krassen Abwehrfehlern. Die haltbaren Schüsse der Franzosen waren ja auch nur möglich, weil das Mittelfeld der Kroaten es gar nicht bis zurück schaffte.
Die ersten beiden Tore der Franzosen waren unter aller Sau! Ohne Torschuss aus dem Spiel heraus zu zwei Treffern zu kommen ist nicht nur eines Weltmeisters unwürdig, es führt den Fußball als solchen ad absurdum! Wenn das Schule macht, mit einem extra starken Defensivblock nur Standards um den gegnerischen 16er abzugreifen, muss sich die FIFA ernsthaft ein paar Regeländerungen einfallen lassen. Schön wäre irgendwas, das die Schwalben bestraft! Ein Videobeweis nach dem Spiel und nachträgliche Gelbe z.B. Würde die „Tatsachenentscheidung“ aufweichen, aber kann man als Regel ja einführen.
(Generell müssten auch alle Spieler, die so sehr verletzt oder geschwächt sind, dass sie auf dem Boden liegen müssen, sofort per Trage vom Feld gebracht werden! Ohne Behandlung auf dem Platz.)

Bei Zeit Online stand: “ Ein Weltmeister, den dieses Tunier verdient hat.“ Das wirklich einzig positive an dem Spiel. Die kämpfenden und spielenden (!) Kroaten hätten den Eindruck dieses Tunieres verdreht.

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CHR4 16. Juli 2018 um 19:21

das mit dem sofort per Trage vom Feld bringen, gab es schon mal (ich glaube es war bei der WM 2006): da waren die Spieler auch sehr oft schnell wieder auf den Beinen … 😉 – dazu gab es, soweit ich mich erinnern kann cA. 6-8 Tragen mit Personal rund ums Feld verteilt, die in ca. 10-15 sec zur Stelle waren – schade, dass das nicht beibehalten wurde, das hab ich mir nach Schauspieleinlagen schon so oft zurück gewünscht

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SMR 16. Juli 2018 um 21:54

„Wenn das Schule macht, mit einem extra starken Defensivblock nur Standards um den gegnerischen 16er abzugreifen, muss sich die FIFA ernsthaft ein paar Regeländerungen einfallen lassen. “

A propos „Schule machen“: Was sind denn Eurer Meinung nach die Trends dieses Turniers?

Die Wichtigkeit von Standards fällt mir da als Erstes ein. Im kicker heute konnte man eine kurze Vergleichsstudie lesen, nach der 45 % der Tore bei dieser WM nach Standards fielen (zum Vergleich: Bundesliga 31 %, englische Premier League 26 %). Fast jedes zweite Tor, das ist schon extrem auffällig. Durch Pressing plus Gegenpressing fielen nur 10 % der Tore (BL 15 % und PL 14 %), nach Kontern 15 % (BL und PL beide 23 %) und nach Angriff 30 % (BL 32 % und PL 37%). Wird man jetzt auch in den Ligen und in der CL vermehrt einen Trend hin zu mehr Standards sehen?

Von den Grundformationen hätte ich jetzt spontan keine großen Neuerungen gesehen. 2006 bis 2010 wurde das 4-2-3-1 quasi zur Standard-Grundordnung, nach 2014 sahen wir die Renaissance der Dreier- und Fünferketten. Gab es irgendwas Interessantes, was man noch nicht so oder zumindest lange nicht gesehen hatte?

Plakativ gefragt: Ist der Ballbesitzfußball tot? Braucht man gegen so kompakte Defensivblöcke jetzt wieder die Sturmtanks vorne drin und 1-gegen-1-Dribbler auf den Außen? Kommt es allgemein wieder mehr auf die individuelle Klasse der Offensiv-Akteure an, wie z.B. bei Belgien, Frankreich, Kroatien etc, also die Rückkehr des Heldenfußballs? Können Distanzschüsse wieder wichtiger werden, weil man nicht mehr gut in den Strafraum kommt?

Wenn ich mir die letzten Turniersieger anschaue (Frankreich jetzt, Portugal 2016, auch wir 2014), komme ich eigentlich nicht umhin, festzustellen, dass vor allen Dingen eine gehörige Portion Pragmatismus zum Sieg führt.

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Achsel 17. Juli 2018 um 00:58

Ich hab mir vor der Wm so meine Gedanken gemacht bzgl. der Dfb Elf und hatte schon die Befürchtung dass es wieder keine Standards geben wird, die auch mal ein enges Spiel entscheiden können. Wenn man die Ligen so bisschen verfolgt hat, hat doch feststellen können dass viele Mannschaften defensiv durchaus sattelfest stehen können. Und das spielerisch da an nem durchschnittlichen Tag nicht viel zu machen ist. Also brauchts nen Plan B und der heisst Standards in dem Falle. Ich denke schon dass das ein , wenn auch kurzweiliger, Trend sein kann. Im Verein gibts ja die Mgl mehr lösungsorientiert zu trainieren.

Was die 1vs1 angeht. Keine Ahnung warum die jemals totgesagt wurden. Die waren immer wichtig und werden es immer bleiben. Eben weil sie den Unterschied machen können. Wer das in der Ausbildung unterbindet oder verpennt ist einfach nur dumm. Ne Balance zu finden ist natürlich extrem schwer, aber wenn da jemand extrem talentiert ist kann ich dem das doch nicht austreiben.

Distanzschüsse halte ich bei diesen beweglichen und engmaschigen Defensiven für eher schwierig, gefühlt werden mehr Schüsse geblockt als früher.

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studdi 17. Juli 2018 um 09:00

Für mich ein Trend dieser WM bzw. etwas was man in Zukunft vl öfters sehen wird könnte das zocken auf Konter werden. Besonders bei Eckbällen 2-3 Spieler vorne stehen lassen wie es die Mexikaner gemacht haben. Oder auch Belgien gegen Brasilien immer mit 2-3 Mann auf Konter gezockt.

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Koom 17. Juli 2018 um 09:18

> Kommt es allgemein wieder mehr auf die individuelle Klasse der Offensiv-Akteure an, wie z.B. bei Belgien, Frankreich, Kroatien etc, also die Rückkehr des Heldenfußballs?

Ein Stück weit sicherlich. Taktisch kannst du nicht mehr so viel Vorteile herausholen, damit du den individuellen Klassenunterschied ausgleichen kannst (im Gegenteil natürlich immer, siehe N11 bspw). Kroatien spielte taktisch sehr stark, sehr variabel und glich dadurch den in der Breite nicht ganz so starken Kader ganz gut aus. Im Finale war man trotzdem unterlegen, sogar deutlich (wenn auch nicht spielerisch).

Aber: einen einzelnen Helden zu haben und ein Heer namenloser Arbeiter scheint aber auch nicht auszureichen: Siehe Portugal und Argentinien, teilweise sogar Brasilien. Frankreich hat natürlich gerade eine absurde Qualität in der Breite. Allein das, was zuhause geblieben ist, würde auch bei der WM groß mitmischen können.

Ich denke mal, dass auf grund dessen (und das ist ja bereits erkennbar) die Ausbildung der Spieler wieder verstärkt auf individuelle Fähigkeiten (Tempo, Dribbling, Torschuss) gehen wird. Um dann in 10 Jahren herum wieder mit Taktiken auftrumpfen zu können, die diese Wildfangs zum einen nutzt, zum anderen deren Art aber auch ausnutzt. Ein Kreislauf – wie meistens.

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SMR 18. Juli 2018 um 09:20

Zum Ausbildungsaspekt: Sind wir dann nicht doch, zumindest in Teilen, bei der Kritik von Mehmet Scholl vom vergangenen Jahr? Zumindest in der Sache 😉

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Palazzo 17. Juli 2018 um 13:30

Also unsere “ Die Mannschaft “ hat doch einen Spizenwert von 50% erziehlt .
Warum seit Ihr alle so pessimistisch dieser Wert gibt doch Hoffnung 😉

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Koom 17. Juli 2018 um 16:15

In Punkto Standards:
Ich habs in der Vergangenheit geschrieben und wiederhole mich da gern: Ich verstehe bis heute (inkl. der WM) nicht, dass die Standardsituationen im Schnitt doch relativ schlecht sind, von vielen (gerade Spitzenteams) kaum oder gar nicht trainiert werden.

Ich hab schon vor Jahren gesagt, dass man aus Sicht von purer Effizienz eigentlich nur eine gute Defensive und ansonsten absurd gut Standards trainieren sollte – plus natürlich, wie man diese Standards gezielt herausholt. Wenn man sich Bewegungen von bestimmten Spielern anschaut (Robben war da immer sehr kreativ), dann halte ich das für einen vielversprechenden Ansatz.

Und zum Standard selbst: Ruhender Ball, alle Abstände bekannt und trainierbar. Beim sonst so unberechenbaren Fußball ist das doch eine Situation mit erstaunlich viel bekannten Parametern.

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rb 18. Juli 2018 um 10:14

bei statsbomb wurde der sinn des trainings von standards auch mal interessant behandelt: https://statsbomb.com/2017/02/changing-how-the-world-thinks-about-set-pieces/

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kalleleo 17. Juli 2018 um 16:50

Ich finde die Liste pragmatischer Turniersieger kann beliebig lang fortgefuehrt werden: Spanien ’10, Italien 06, Frankreich 98, Brasilien 94, etc das sagt nicht wirklich viel aus, dass das pragmatische (und glueckliche Team) am Ende gewinnt

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SMR 18. Juli 2018 um 09:17

Das ist natürlich richtig, dass Pragmatismus irgendwie immer dazu gehört und gehört hat. Da kann man noch mehr Beispiele finden.

Mir fallen spontan in der Rückschau evtl. nur Brasilien 2002 und Brasilien 1970 ein, die relativ spektakulär gespielt haben. Wir haben ja selbst nicht nur 2014, sondern auch 1954 und 1974 gegen die jeweils spektakulärsten Teams Ungarn und die Niederlande gewonnen.

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