Werbung für Ajax und die Liga zum Rückrundenauftakt

Der Start in die Eredivisie-Rückrunde zwischen Ajax und Groningen brachte eine ansehnliche Partie von guter Qualität, die trotz einiger Negativpunkte insgesamt besser war als erwartet. Manchmal vergisst man die Stärke dieser Liga fast ein wenig.

Ajax-Groningen: Eine Einordnung

Was konnte man erwarten von einer Auftaktbegegnung in die Rückrunde zwischen Ajax und Groningen? Der Meister hat zwar keine schwache erste Saisonhälfte abgeliefert und überzeugte wieder einmal in Einzel-Spielen mit starken Auftritten, aber es waren doch auch erneut kritische Einschätzungen nötig – von zu simplen Ausrichtungen, schwächeren Leistungen oder der nicht entscheidend vorangehenden Gesamtentwicklung. Im größeren Kontext folgt die Eredivisie einem recht gut erkennbaren und charakteristischen Taktik-Muster, das von vielen engagierten, besonderen und guten Ausrichtungen ebenso geprägt ist wie von einigen bedenklichen Aspekten. Dazu lässt sich zumindest zur Hälfte die ambivalente Auszeichnung durch starke Mannorientierungen rechnen, die manchmal intelligent genutzt werden, manchmal aber auch zu extrem sind und dann für Probleme sorgen. Bei aller taktischen Qualität gab es deshalb im Lichte schwacher Leistungen der Vereinsteams auf europäischer Ebene gewisse Kritik an der Liga, die im Anschluss an die Weltmeisterschaft keine größeren Veränderungen wie beispielsweise die stärkere Wiederaufnahme der Dreierkette – abgesehen von vereinzelten Versuchen durch Heracles und Dordrecht – zeigte. Diese Auftaktpartie am Freitagabend wusste aber zu überzeugen – sowohl im Hinblick auf die Leistung von Ajax in der ersten Halbzeit als auch auf die generelle Qualität der Begegnung, die sich sehen lassen und Werbung für die Eredivisie sein konnte. Insgesamt wirkte das Match wie eine interessante Erinnerung daran, dass man ihre taktische Stärke nicht vergessen sollte, dass diese gewisse Kritik auf doch eigentlich hohem Niveau geübt wird, dass die Eredivisie besser ist, als man selbst meint, wenn man über gewisse Negativpunkte nachdenkt. Daneben gab es in dieser Begegnung aber auch tatsächlich einige kleine Fortschritte der Kontrahenten – von Groningen im Detail der Ausführung ihrer Spielweise und vor allem von Ajax, die nach dem Wintertrainingslager in mehreren Punkten stärker und sicherer wirkten als noch zum Ende der ersten Saisonhälfte.

Ein erstes Beispiel für diese positive „national-taktische“ Einordnung: Beide Teams verringerten den Grad der mannorientierten Ausrichtung in der Defensivarbeit. Vor allem war für diese Bewertung aber ein zweiter Punkt entscheidend: In diversen Bereichen gab es in dieser Begegnung generell gute und sinnvolle Ansätze – natürlich funktionierte dabei nicht alles und natürlich gab es auch gewisse Probleme – zu sehen, was insgesamt zu einem taktisch hochwertigen und interessanten Spiel von guter Qualität führte. Es gab interessante Pressinganordnungen und gegnerische Aufbaureaktionen, die diese auflösten – sicherlich waren die hierfür genutzten und engagierten, freien Bewegungsmuster vieler Akteure eine zentraler Pluspunkt. Eine zweite Säule bildeten hierfür kleine Einzelszenen und besondere spezielle Phänomene: die Positionsrochaden der Innenverteidiger bei Ajax samt asymmetrischer Aufbaustellungen, die Abstimmung vieler Bewegungen – diesmal waren es sogar die vertikalen Synchronisierungen in der Dynamik um Milik herum, die nicht immer wirklich passten – oder die teils lockende Nutzung einer tiefen Einbindung von Keeper Padt bei Groningen. Ebenso sollte man die auf beiden Seiten vorhandene und sehr bewusste Verwendung von Dribblings zur Raumnutzung, Raumöffnung, zum Aufrücken und zur Pressingauflösung nennen, die gerade bei Serero und fast bei allen Innenverteidigern auffiel. Solche kleinen Elemente oder eben auch einzelne Momente waren es, die dann immer wieder sporadisch die positive Gesamtbewertung wieder ins Gedächtnis riefen und unterstrichen. Manchmal vergisst man fast ein wenig, wie gut und „cool“ die Eredivisie in bestimmten Dingen doch ist.

Fortschritte im Bewegungsspiel gegen Groningens enges 4-4-2

Groningen unter Erwin van de Looi ist eine etwas ungewöhnliche, aber doch gleichzeitig eigentlich recht solide Mannschaft, die sich in dieser Spielzeit zunehmend in die Richtung vieler formativer Wechsel entwickelt hat. Bisher waren auch schon einige Mischanordnungen sowie 4-4-2-hafte Varianten, die sich durch etwas ungewöhnliche positionelle Besetzungen auszeichneten, dabei. Auch in dieser Begegnung ließ der reine Aufstellungsbogen mehrere mögliche Varianten offen, von denen sich van de Looi schließlich für ein 4-4-2 gegen den Ball mit de Leeuw und Antonia in der Spitze entschied. Diese zeigten ein durchaus hohes, aber passives Anlaufen im Pressing, bewegten sich untereinander geschickt asymmetrisch und konnten dadurch über einige Phasen Serero im Deckungsschatten behalten. Manchmal rückte Winterneuzugang Tibbling dennoch zusätzlich mannorientiert auf den Ajax-Sechser nach, woraufhin sich die beiden ohnehin meist klar eingerückten und die Halbräume verdichtenden Außenstürmer noch stärker zusammenzogen. Der im defensiven Mittelfeld verbleibende Kieftenbild wurde im Sechserraum dann situativ von konsequenten und weiten Herausrückbewegungen der Innenverteidiger unterstützt.

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Grundformationen 1. Halbzeit

Insgesamt war das Pressing der Nordniederländer passend und grundsätzlich gut angelegt, weshalb es ihm entsprechend auch gelang, seine Erfolge zu verbuchen und einige lange Bälle zu provozieren. Dennoch konnte sich Ajax beispielsweise über die engagierten und intelligenten Mittelfeldbewegungen sowie die Positionsanpassungen der Innenverteidiger einige Male lösen. Im Laufe der Zirkulation versuchten sie die Bindungen zwischen Mittelfeldreihe und Sturm zu lockern, um dann isolierter gegen diese arbeiten und letztlich mit vielen proaktiven Bewegungen und Passmustern Serero in einem freien Raum zum Aufrücken anspielen zu können. Auf diesem Wege ließen sich ebenso hochschiebende Versuche Groningens, aus tieferen Zonen wieder ins hohe Mittelfeldpressing oder Angriffspressing nachzurücken, im Keim auflösen. Teils als unterstützender Faktor und teils als Reaktion auf das Freispielen Sereros ging Groningen im Bereich knapp hinter der Mittellinie aus ihrer Grundausrichtung in stärker werdende Mannorientierungen über, die beispielsweise die eigenen Sechser auf die gegnerischen Achter oder de Leeuw im Rückwärtsgang angedeutet auf Serero übernahmen. Dabei generierten sie einige gute Stellungen durch Zusammenziehen über dem Halbraum, in die sich die – bis auf Szenen wie vor dem 1:0 – passend getimten und sinnvoll abgesicherten Verfolgungsbewegungen einfügten.

Allerdings zeigte sich Ajax nicht nur beim Auflösen gegnerischer Pressingbemühungen und der Flexibilität der aufrückenden Bewegungen überzeugend, sondern auch mit einigen Mechanismen in den Offensivbereichen. Manchmal verfielen sie in Phasen zu simpler und seitlich driftender Aktionen (problematisch die Folgewirkungen durch den gelegentlichen Kishna-Fokus), doch über starke Dreiecksbildungen, Überladungen und bewusst raumaufziehende Bewegungen untereinander wussten sie die Mannorientierungen – insbesondere über das linke Trio, das sich in den Synergien horizontaler Bewegungen sehr bewusst zeigte – einige Male ansehnlich zu knacken. Im richtigen Moment wich Andersen nach außen und Kishna rückte gegenläufig ein. Von der Grundmethodik entstand das Führungstor zumindest nicht unähnlich, da es auch die gegnerischen Verfolgungen bespielte. Am stärksten waren daneben die zentralen Momente des Zusammenspiels, die sich aus dem initialen Serero-Lauf oder über vorrückende Innenverteidiger ergaben. In solchen Fällen „nisteten“ die Amsterdamer sich bei breitegebenden Außen in den zentralen Bereichen ein, spielten die dortigen Zwischenlücken sinnvoll wie bewusst an und versuchten über kleine diagonale Weiterleitungen sowie Synergien im Zusammenhang mit Miliks Zurückfallen zu kombinieren, was schöne Ansätze generierte. Einiges war noch nicht ausgereift, einiges schon sehr stark und nur mit etwas Pech oder den Anpassungen und der sehr starken gegnerischen Endverteidigung unterlegen, aber der Weg deutete nach einigen schwachen Phasen der Vergangenheit in die richtige Richtung und das Grundgefühl zum Spiel war positiver. Das insgesamt beste Fazit musste man dem gerade im zweiten Drittel guten und engagierten Bewegungsspiel ausstellen.

Ajax´ Mittelfeld weniger mannorientiert

Gegen den Ball wusste Ajax in der ersten Halbzeit ebenfalls zu überzeugen und deutete dabei einige Veränderungen an. Auf das hohe Pressing traf dies nicht unbedingt zu, da die früh anlaufenden 4-4-2- und 4-3-3-Varianten, in denen entweder Klaassen oder einer der Außenstürmer auf die gegnerischen Innenverteidiger nachschob, in ihrer Grundmethodik bereits bekannt sind. Im Gegensatz zu einigen starken Auftritten boten sie diesmal kleinere Schwachpunkte, die Groningen über gezielte Verlagerungen auf Burnet sogar durchaus anvisierte. In den ruhigeren Defensivphasen fielen die weniger gewordenen Mannorientierungen gerade im Mittelfeldzentrum auf, wo Serero etwas mit nach hinten arbeitete und Lücken stopfte, der ballnahe Mittelfeldspieler standardmäßig herausschob und sein ballfernes Pendant die Verbindungsräume absicherte. Anstelle der klaren Zuordnungen, die in vielen Phasen der Hinrunde noch bestimmend gewesen waren, traten nun diese auch schon recht gut ausgeführten Positionsorientierungen. Interessant ist dies vor dem Kontext des Hinspiels, als Groningen durch sehr systematisches Bespielen der Mannorientierungen noch mit 2:0 gewonnen hatte. Auf den Flügeln traf dies weniger zu, da Schöne und Kishna situativ auch bis in Fünferketten mit den gegnerischen Außenverteidigern zurückgingen.

In diesen Pressinganordnungen war Ajax aber ohnehin nicht so sehr auf druckvollen Zugriff bedacht und konnte daher – gerade in Kombination mit der Spielweise des Mittelfelds – mit dieser recht stabilen Sachlage leben. Insgesamt ließen sie auch vor der Halbzeit nur zwei Schüsse von Groningen zu, obwohl diese auch nach vorne immer wieder gute Ansätze zeigten. Darunter fielen nicht nur ihre Befreiungsverlagerungen in der Tiefe gegen aggressivere Pressingphasen der Hausherren, sondern auch Szenen im zweiten Drittel, wo sie gruppentaktisch überzeugten und durch kleine Überladungen oder Dynamikmomente Ajax´ Struktur auch mehrfach ins Leere laufen ließen. Problematisch war dann das weitere Ausspielen und Nutzen dadurch geschaffener Ausgangslagen, was in dieser Saison sich als ein konstantes Problem des Teams erwiesen hat – trotz der ihrer Ansätze lieferte die Hinrunde daher nur 19 Treffer. Die Anschlussverbindungen aus einer erfolgreich zusammenspielenden Gruppe heraus an die anderen Akteure heran sind etwas zu unscharf und räumlich teilweise zu weit entfernt, weshalb die Verbindungsqualität zwischen einzelnen Gruppen nicht an die spielerischen Ansätze innerhalb einer solchen lokalen Ballung heranreicht.

Anderes Bild und schwächeres Ajax in der zweiten Halbzeit

Dieses positive Zeugnis gerade für Ajax – in genereller Hinsicht blieb es dagegen durchaus bestehen – galt natürlich in der zweiten Halbzeit dann allerdings nicht mehr. Mit der Führung im Rücken wurden die Amsterdamer – wie schon mehrfach in dieser Spielzeit, was eine etwas bedenklich zu beobachtende Entwicklung darstellt – direkt sehr deutlich passiver und zogen sich weiter zurück, verloren dabei aber auch die Konsequenz. Gegen Groningens Aufbau zeigten sie zunehmend 4-4-1-1- oder 4-1-4-1-Staffelungen mit hochgeschobenen Mittelfeldakteuren, die sich zwar um deren leicht nach links gekippten Sechser Kieftenbeld herum gruppierten, aber doch nicht konsequent genug für klaren Zugriff angeordnet waren und letztlich hinter sich einige Räume geöffnet ließen. Insbesondere über die verstärkte Einbindung von Chery als Strippenzieher in zentralen Bereichen sowie die aufrückenden Bewegungen von hinten mit Ball konnten die Gäste diese Lücken im Ansatz bespielen.

Bei etwas besserer Orientierung des Angriffsverlaufs und einem leicht anderen Rhythmus wäre hier für van de Loois Mannen noch mehr möglich gewesen, doch sie waren nun immerhin die bessere Mannschaft, verbuchten einige starke kombinative Ansätze durch zentrale Räume – wenngleich Ajax verhältnismäßig stark zurückrückte, sich zusammenzog und die Bereiche wieder bereinigend zuschob – und hatten beispielsweise nach einem herausragenden Vertikal-Ablagenangriff in der 76. Minute durch Antonia die Riesenchance zum Ausgleich – die sie aber liegen ließen. Zwar kam Ajax immer wieder zu Entlastungsangriffen und hatte auch seine besseren Phasen im Verlauf dieses zweiten Durchgangs, doch hätte die Begegnung durchaus noch eine andere Wendung nehmen können. Insgesamt verpassten es die Hausherren also, den Eindruck aus den ersten 45 Minuten nachhaltig zu festigen und stabilisieren, indem sie sich unnötig aus der dominanten Rolle herausnahmen und dabei auch noch in den nun gefragten Pressingphasen schwächer wurden.

Fazit

Dennoch ist dieser vielversprechende Auftritt aus der ersten Halbzeit nicht verschwunden und dient als Basis für die Hoffnung auf eine konstant stärkere und souveräne Ajax-Rückrunde mit der einen oder anderen Entwicklung. Insgesamt war es ein starkes und überraschend starkes sowie ansehnliches Auftaktspiel im neuen Jahr, bei dem Groningen ebenso seine Qualitäten mehr als andeuten konnte, beide Teams starke Ansätze wie interessante Ideen auf den Platz brachten und der Zuschauer über weite Strecken einfach eine gute Partie zu sehen bekam.

Simon 18. Januar 2015 um 12:52

Wo kann man die Eredivise anschauen?

Antworten

TR 18. Januar 2015 um 13:34

Zum Beispiel auf sportdigital, die die Liga im deutschen TV zeigen. Ansonsten wären Streams noch eine Möglichkeit, die aber aufgrund der nicht unproblematischen Rechtslage natürlich mit Vorsicht zu genießen und daher nicht unbedingt zu empfehlen sind.

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Simon 18. Januar 2015 um 23:47

Danke
Der Artikel hört sich interessant an. Werde wohl mal bei sportdigital vorbeischauen.

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