Abstiegskampf-Special: Fortuna Düsseldorf

Lange Zeit galten sie als Überraschungsaufsteiger fernab von Abstiegssorgen. Noch am 22. Spieltag lagen die Fortunen dann 11 Zähler vor einem Relegationsplatz – diesen Vorsprung haben sie mittlerweile eingebüßt und sind mittendrin im Abstiegskampf.

Spielverlagerung beleuchtet in einem Special den Abstiegskampf der Bundesliga. Wir analysieren kurz die im Abstiegskampf steckenden Teams und prognostizieren ihre Chancen in den verbleibenden zwei Spielen. Die übrigen Teile erscheinen noch vor dem 33. Spieltag am kommenden Samstag.

Nach einer erneuten Niederlage, dem 1:3 in Frankfurt, stehen die Düsseldorfer weiterhin punktgleich mit den auf Rang 16 befindlichen Augsburgern. In den beiden letzten entscheidenden Spielen trifft die Mannschaft von Norbert Meier auf Nürnberg und Hannover, zwei Mannschaften aus dem Mittelfeld, die in dieser Saison nur noch wenige Ambitionen haben. Dies hört sich auf den ersten Blick sehr aussichtsreich für die Düsseldorfer an, da es für die beiden Gegner „um nichts mehr geht“, doch greift diese Argumentation zu kurz. Wie stehen aus taktischer Sicht die Chancen für einen Klassenerhalt der Fortuna?

Wenn man aus den Tabellensituationen der beiden gegnerischen Mannschaften überhaupt etwas ableiten kann, dann eher die Tatsache, dass diese nicht wirklich gezwungen sind, das Spiel zu machen. Im sicheren Mittelfeld liegend können sie eine Begegnung etwas abwartender und passiver angehen und stattdessen aus dieser Haltung heraus auf Konter spielen. Für Düsseldorf könnte dies ein Problem werden, denn sie werden wohl etwas mehr in die aktive Spielgestaltung investieren müssen – und der konstruktive Spielaufbau war bei ihnen über weite Teile der Saison eine große Schwierigkeit.

Fortuna mag keine Mannorientierungen

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Grundformationen Frankfurt – Düsseldorf 3:1

Gegen Frankfurt kamen die Düsseldorfer aus dem Aufbau heraus kaum einmal in gefährliche Bereiche. Ihre spielschwachen Innen- und Außenverteidiger sowie die verhältnismäßig wenig kreative Zentrale im defensiven Mittelfeld konnten die Bälle selten geordnet nach vorne tragen. Mit einer passenden Spielweise erschwerten die Frankfurter der Fortuna den Aufbau sogar noch zusätzlich.

Durch eine 4-4-2-Grundformation mit vielen Mannorientierungen wurden sowohl die Innenverteidiger unter direktem Druck gesetzt als auch zurückfallende Mittelfeldspieler verfolgt, wenn diese helfen wollten. Letztlich fanden die Gäste damit im Aufbauspiel kaum einmal jene Zeit am Ball, die sie benötigen.

So kommt es der Fortuna eher ungelegen, dass der nächste Gegner aus Nürnberg defensiv eine durchaus ähnliche Spielweise an den Tag legen kann, wie es die Frankfurter taten. Auch wenn die Mannschaft von Michael Wiesinger wohl nicht unbedingt mit einer 4-4-2-Defensivformation auflaufen wird, könnten allerdings die typischen Mannorientierungen des „Clubs“ den Düsseldorfern Probleme bereiten – wie schon beim Hinspiel.

Denn für ihre Innenverteidiger wird es wohl schwierig werden, konstant anspielbare Optionen im Mittelfeld  oder seitlich die Linie entlang zu finden – besonders, weil Nürnbergs Achter direkten Zugriff auf die Düsseldorfer Sechser herstellen können und auch die offensiven Außenspieler der Franken defensiv zu den am besten mitarbeitenden Akteure der Liga zählen.

Hannover als „Glücksgegner“?

Bessere Chancen im Offensivspiel könnten sich für Düsseldorf eher im letzten Saisonspiel ergeben, wenn man in einem möglicherweise entscheidenden Abstiegsspiel auf Hannover 96 trifft. Zwar agieren die Niedersachsen mit einer Doppelspitze und können daher theoretisch ebenso frühen Druck auf Fortunas Innenverteidigung machen, doch werden sie aufgrund ihrer etwas unorthodoxen Ausführung der eigenen Formation schnell mal unkompakt.

Mit teilweise vier nominellen, recht hochstehenden und aggressiv agierenden Stürmern in der Aufstellung sowie eher langsamen Innenverteidigern sind die Hannoveraner Linien oftmals verhältnismäßig gestreckt. Selbst eher spielschwache Teams können dagegen mit langen Bällen und am besten dazugehörigem Gegenpressing auf die Abpraller durchaus viele Chancen kreieren. Von daher kommt Hannover als letzter Gegner für die Fortuna durchaus gelegen, die eine gute Chance darauf hat, wie schon in der Hinrunde einen Dreier gegen die Niedersachsen einzufahren.

Wo Bereiche mit offensivem Steigerungspotential liegen

Darauf sollte sich die Fortuna allerdings nicht verlassen. Auch im Hinblick auf ein mögliches Relegationsspiel gegen den Zweitliga-Dritten müssten eigentlich einige Verbesserungen im Spielaufbau her – das kann man auch kurzfristig bewerkstelligen. Eine Möglichkeit dafür wäre es, beispielsweise mit Adam Bodzek einen der Sechser in der Innenverteidigung einzusetzen.

Grundformationen aus dem Frankfurt-Hinspiel mit Bodzek als Innenverteidiger

Natürlich ist Bodzek kein wirklicher Spielgestalter und alles andere als ein absoluter Quantensprung, aber verglichen mit einem Innenverteidiger ist er in der Spieleröffnung zumindest mehr als solide und kann in den passenden Situationen auch einige ambitionierte Vertikalpässe anbringen. Beim vielleicht besten Düsseldorfer Saisonspiel im offensiv-konstruktiven Sinne, dem 4:0 gegen Frankfurt aus der Hinserie, funktionierte diese – damals eher aus der Not geborene – Personalmaßnahme ziemlich effektiv.

In jener Begegnung fuhren die Düsseldorfer ausgehend von dem als halbrechten Innenverteidiger spielenden Bodzek dann den Großteil ihrer Angriffe über diese rechte Flanke, die sie immer wieder überluden. Möglicherweise wäre es für die letzten Saisonspiele eine Option, zu einer solchen Rechtslastigkeit des Angriffsspiels zurückzukehren, nachdem der zuletzt oftmals sehr ausgeglichene Flügelfokus (mit leichtem Übergewicht links) nur noch wenig eingebracht hatte. Wenn man sich auf eine Seite konzentriert, kann dies zwar eventuell etwas ausrechenbarer werden, doch sind die Strukturen dann klarer und festgelegter, was dem einen oder anderen Spieler entgegenkommen könnte. In einer solchen Saisonphase kann man ein wenig Flexibilität zugunsten von der so wichtigen Konsequenz opfern.

Düsseldorfs Defensivschwachstellen und ihre Relevanz I

Lange Zeit war sie das absolute Prunkstück der Düsseldorfer Mannschaft, sorgte in der Anfangsphase der Spielzeit gar für eine sensationelle Spanne gegentorloser Spiele, doch mittlerweile hat das Defensivbollwerk merkliche Risse bekommen. Selbstredend muss die Fortuna hieran im Allgemeinen arbeiten, doch die wesentlich interessante Frage lautet, wie wahrscheinlich die beiden letzten Gegner die wunden Punkte der Düsseldorfer Defensive finden und ausnutzen können. Frankfurt machte am vergangenen Wochenende vor, wie es geht, und attackierte die zwei zentrale Schwachstellen der Düsseldorfer Defensivstrategie.

Zum einen sind da die Nachteile der vielen Mannorientierungen zu nennen, die die Fortuna besonders in der eigenen Viererkette anwendet. Besonders auf der linken Defensivseite wurde dies deutlich, wo der gelernte Innenverteidiger Juanan unsicher wirkte und sich von Aigner immer wieder in die Zentrale oder ins Mittelfeld ziehen ließ, was dann große Räume für den nachstoßenden Sebastian Jung öffnete, den selbst Bellinghausen nur mühevoll kontrollieren konnte.

Mit Balitsch bzw. Sakai haben die beiden folgenden Düsseldorfer Gegner nicht ganz so offensivstarke Außenverteidiger. Gut für die Fortuna ist dabei aber vor allem, dass diese beiden Akteure einen anderen Stil pflegen als der deutsche Junioren-Nationalspieler, der gerne mit Tempo aus der Tiefe freigeschobene Räume nach einer Verlagerung attackiert. Dagegen spielen Nürnberg und Hannover die Flügelüberladungen anders, brechen meistens auf derselben Seite durch, über die der Angriff bis dahin auch aufgebaut wurde.

Von daher dürfte diese Schwachstelle auf der linken Abwehrseite in den letzten beiden Spielen nicht ganz so deutlich entblößt werden, wozu auch eine Rückkehr des zuletzt verletzten Johannes van der Bergh beitragen könnte, wenngleich der zukünftige Herthaner auch nicht immer so souverän agierte.

Doch die Mannorientierungen beschränken sich nicht nur auf diesen Feldbereich – die Nachteile tauchen auch allgemein immer mal wieder auf. In Frankfurt waren sie auch entscheidend für ein Gegentor – darauf sollte die Fortuna aufpassen und die Ausführungen der Mannorientierungen im letzten Drittel vielleicht ein wenig einschränken. Sonst kommt es wieder zu solchen Szenen:

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Das 1:0 für Frankfurt. Kurzfristig hatten hier Meier und Inui ihre Positionen getauscht, der Japaner also als beweglicher Zehner und Meier als nach innen ziehender linker Flügel. Düsseldorf mit einigen Mannorientierungen (Bellinghausen auf Jung, Malezas gegen die „2. Spitze“ Inui). Auch Juanan war zunächst enorm weit gegen Aigner herausgerückt, übergab diesen allerdings an Fink und begab sich auf den Rückweg nach hinten. Fink wird dadurch auf die Seite gezogen und niemand kann den Pass von Jung auf Russ verhindern. Dieser ist überraschend mit vorgestoßen, wird nicht aufgenommen und kann so die riesigen Räume bespielen, die Fortunas mannorientiert herausgerückten Abwehrspieler hinterließen. Russ leitet dann auf Lakic durch, der noch an Giefer scheitert, ehe Meier den Abpraller verwertet.

Düsseldorfs Defensivschwachstellen und ihre Relevanz II

Zum anderen konnte die Eintracht auch einige Male geschickt das zentrale Mittelfeld der Düsseldorfer und dessen etwas seltsame Mischung aus einem passiven und einem wilden Spielstil ausmanövrieren. Aktuell lassen die Fortunen zu viel Raum zwischen den Linien und erhalten hier nicht schnell genug Zugriff, wenn dort ein Gegner angespielt wird. Das situative Herausrücken eines Sechsers gegen bestimmte Schlüsselspieler des Gegners oder in spontane 4-1-4-1-Anordnungen ist ziemlich riskant.

So kann Düsseldorf Pässe in den Zehnerraum nicht vollaktiv unterbinden, weshalb gegnerische Offensivspieler sich in diesem durchaus großen Bereich zu einfach positionieren und ausbreiten können. Über die immer wieder riskant herausrückenden Innenverteidiger soll den Gegner dann zwar zu überhektischem Spiel in diesem Freiraum verleitet werden. Agiert dieser allerdings bedacht und versiert in den Zwischenräumen, wird es oftmals sehr gefährlich für das Tor von Giefer.

Die nicht mit den herausstechenden Zwischenraumspielern gesegneten Nürnberger und Hannoveraner sind nicht unbedingt prädestiniert, das auszunutzen, doch sind sie auch keine dankbaren Mannschaften, die mit hoher Wahrscheinlichkeit an Fortunas Verteidigung scheitern werden. Schnelle und dribbelstarke Akteure wie Kiyotake oder Esswein, aber auch die über ihre Offensivpräsenz kommende Stürmergilde von Hannover kann solche Situationen ebenfalls schonungslos ausspielen.

Die vergessenen Defensivrückstöße

In diesem Kontext der zugelassenen Defensivfreiräume sollte möglicherweise ein weiteres Detail erwähnt werden, dass den Düsseldorfern im Verlaufe der Saison bzw. der Rückrunde ein wenig ihrer Stabilität beraubt hat: Die Abnahme von Rückstößen in der Phase des Defensivpiels. Sowohl die Innenverteidiger als auch die Sechser arbeiten in bestimmten Phasen und Situationen mit herausrückenden Vorstößen, um Räume abzudecken oder Gegner zu attackieren. In vielen Spielen der Hinrunde wurde dies in verschiedenen Ausführungen mit zurückfallenden Bewegungen kombiniert, die meistens vom hängenden Stürmer geliefert wurden und gewisse Freiräume noch absichern konnten.

Aktuell fehlt es entweder generell an solchen Bewegungen oder an deren durchschlagender Effektivität. In Frankfurt agierte der junge Japaner Omae als hängende Spitze neben Robbie Kruse und zeigte einige Male etwas unorthodoxe, aber von der Idee doch ansprechende Ansätze von Rückwärtspressing. Damit unterstützte er den auf Rode herausrückenden Oliver Fink, konnte somit einige Male Überzahlen gegen den Frankfurter Mittelfeldmotor herstellen und in der Folge die Angriffe zumindest verzögern.

Wegen seiner recht hohen Grundstellung im defensiven 4-4-2 der Fortuna und seiner konstant rechtsseitigen Position war es für ihn aber nicht möglich, darüber hinaus auch situativ mal in von Fink gelassene Lücken zurückzufallen, diesen auch abzusichern statt nur zu unterstützen und damit den weiteren Angriffsverlauf zu blockieren statt nur zu verlangsamen. Die Wege waren schlicht sehr weit und von halbrechts auch praktisch durch Fink selbst blockiert. Wäre seine Grundposition etwas tiefer oder in der Horizontale flexibler angelegt gewesen, dann hätte er sein Engagement noch effektiver einbringen können.

Wenn Düsseldorf generell das Mittel der Defensivrückstöße, das in einigen Spielen der Hinrunde erfolgreiche Dienste leistete, wieder intensivieren könnte, wäre das schon einmal ein wichtiger Schritt, der die Chancen im Abstiegskampf erheblich verbessern könnte. Darüber hinaus sind Nürnberg und Hannover durchaus machbare Gegner – für die Ausnutzung von Düsseldorfs Schwächen nicht unbedingt prädestiniert, umgekehrt für die Fortuna aber durchaus zu knacken.

Prognose

Die Fortuna gewinnt eines ihrer beiden letzten Spiele und vermeidet auf diese Weise zumindest den direkten Abstieg. Alles andere hängt auch stark von der Qualität der Konkurrenz (Bremen, Augsburg) ab.

datschge 9. Mai 2013 um 18:41

Sehr schöne Serie!

Antworten

[email protected] 9. Mai 2013 um 19:00

Definitiv.
Irgendwie auch so überzeugend, dass ich einfach eurer Meinung bin.

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