Ein kurzer Blick auf den FC Ingolstadt

Die taktische Grundausrichtung und die vielen guten Spielertypen machen Ralph Hasenhüttls Ingolstädter zu einem der interessantesten Teams in der 2. Bundesliga. Eine kleine Analyse zu Stärken, Schwächen und großem Potential, das noch stärker ausgeschöpft werden könnte, als es schon wird.

Mit einem 2:0 gegen Greuther Fürth verbuchte der FC Ingolstadt unter Ralph Hasenhüttl am Wochenende nach zwei Remis den ersten Saisonsieg in der 2. Bundesliga. Dabei unterstrich das Team die schon im vergangenen Jahr interessanten und auffallenden guten Ansätze, das eigene Entwicklungspotential und verdienten sich ein Lob für ihre Grundspielweise.

Bereits in den ersten Momenten des Aufbaus zeigte sich dies – hier fächern die Schanzer breit auf, binden Torwart Özcan mit ein und versuchten sehr geduldig sowie bedacht zu agieren. Zudem gibt es einige Asymmetrien wie den breiter stehenden linken Innenverteidiger Hübner, verschiedene Unterstützungsbewegungen von Sechser Morales oder das situative Einrücken des spielstarken Außenverteidigers Danilo. Schon hier erkennt man die interessante Ausrichtung und positive Intention des Teams sowie einige lobend zu erwähnende Vorzüge.

Asymmetrie mit Groß und Lex, Kombinationsstärke mit Danilo und Morales

ein blick auf ingolstadtEin weiteres Merkmal der Mannschaft besteht in ihrer etwas asymmetrischen Anordnung, die vor allem aufgrund der Rollen von Pascal Groß – als Mischung aus Zehner und rechtem Mittelfeldmann – und Stefan Lex 4-2-2-2-haft angelegt ist. Letztgenannter pendelt engagiert zwischen Flügel, Halbräumen und Zentrum und hat sich in dieser Saison – ein halbes Jahr nach seinem Transfer aus Fürth – ins Rampenlicht gespielt. Vor allem seine zuarbeitenden Weiterleitungen und schnellen, mannschaftsdienlichen Aktionen bei unübersichtlichen Szenen mit kurzer Handlungsdauer überzeugen dabei und machen ihn zu einem wichtigen Bestandteil in Hasenhüttls Konzept. Bei offeneren Szenen, in denen er länger den Ball am Fuß hat oder bei denen er dominanter gestaltende oder ankurbelnde Funktionen übernehmen muss, liegen ihm dagegen noch nicht so sehr. Hier agiert er zu überdreht oder entscheidungsschwach und verzettelt sich dann beim gedanklichen Durchgehen der Optionen sowie mit kleinen technischen Schwächen.

Ergänzt werden Groß und Lex vom umtriebigen Mittelstürmer Lukas Hinterseer, der ständig herumdriftet und diversen Szenen als mögliche, aber nur vereinzelt aktiv eingebundene Hilfe beiwohnt. Links sucht der dribbelstarke und druckvolle Neuzugang Matthew Leckie – WM-Teilnehmer mit Australien – entweder individuelle Aktionen oder das Zusammenspiel mit einem der Sechser, geht häufig aber auch sehr weit mit nach rechts hinüber und schaltet sich auf der folglich dominanteren Ingolstädter Seite in die Überladungen mit ein, was gegen Fürth zu einem der Tore führte. Ähnlich verhält es sich mit den beiden links aufgebotenen Alfredo Morales – aus der Hertha-Jugend stammend und bereits mit einem Länderspiel für die USA – und Danilo Soares. Diese beiden spielstarken Akteure ziehen von ihrer Grundposition eingestreute Diagonalaktionen in die Spitze durch. Der brasilianische Außenverteidiger tut dies vor allem über seine zielstrebigen Dribblings und einzelne kombinative Aktionen, während der im Aufbauspiel sehr präsente, dort aber nicht immer balanciert genug agierende Morales in den höheren Zonen mit teilweise herausragenden Weiterleitungen oder Hackenablagen zuarbeitet.

Probleme verhindern vollständige Potentialnutzung

Allerdings gibt es neben diesen guten Ansätzen auch noch einige Probleme, die einen durchschlagenden Dauererfolg und das vollständige Ausschöpfen des Potentials bisher noch verhindern. Letzte Saison zeigte sich dies an nur 34 erzielten Ligatoren und auch am eigentlich überzeugenden Sieg gegen die Fürther vom Wochenende war es zu erkennen – die beiden Treffer waren am dritten Spieltag ihre ersten Tore aus dem Spiel heraus und am Ende erreichte das Team nur eine Passquote von 62 %. Ein zentrales Defizit liegt bei den Schanzern darin, dass sie ihre Möglichkeiten nicht gut genug ausspielen – gute, vorhandene Stellungen werden einfach nicht bedient, sondern es gibt zu viele vorschnelle und unstrategische Direktpässe in die Tiefe, die in der Situation keinen Sinn machen, unsicher sind und stattdessen die eigenen Angriffe zerstören.

Zudem lassen sich die Ingolstädter bei ihrem geduldigen Aufbau und dem breiten Auffächern manchmal zu leicht und gleichmütig vom gegnerischen Pressing lenken sowie anschließend auf der Seite abschnüren. Wegen langen Ballkontaktzeiten hat der Gegner dabei viel Zeit für die Vorbereitung solcher Defensivbewegungen und wird nicht von einer druckvollen Ballzirkulation umher geschoben. Stattdessen halten einzelne Ingolstädter – die Innenverteidiger oder auch Özcan – das Leder lange, lassen den Gegner an die Szene heran verschieben und spielen dann sofort eine Aufbauroute an, die sie etwas zu unflexibel durchbringen wollen.

Dieses Vorgehen in den hinteren Reihen ist deshalb auch nicht optimal mit der vorderen Fluidität synchronisiert, die in der anderen Richtung ein paar Probleme mit der Balance hat – hier liegt der dritte Problempunkt der Mannschaft Hasenhüttls. Teilweise werden sie bei ihren ständigen Rochaden und den diversen, manchmal fast ins Willkürliche driftenden Läufen – beispielsweise taucht Hinterseer gelegentlich einfach irgendwo auf – zu unstrukturiert. Dann verliert die eigentlich gute Fluidität ihre Zielstrebigkeit, verläuft ungerichtet und verpufft wegen übertriebener, zu wirrer Ausführung.Auch kleinere Staffelungsprobleme halbrechts oder bei den aufrückenden Läufen zum Sechzehner sind teilweise auszumachen, aber nur ein untergeordneter Aspekt, zumal der Rückraum bei solchen Szenen noch gut genutzt wird.

Zwiespältige Bewertung der grundsätzlich guten Defensive

Auch gegen den Ball gibt es teilweise die verschobenen 4-2-2-2-Stellungen zu sehen, bei der der Gegner etwas zum Flügel geleitet und dann zugeschoben werden soll, was sehr gut klappen kann, aber etwas unkoordiniert abläuft. Überhaupt finden sich auch in der Defensive die offensiv vorhandenen Schwankungen – es gibt gute Ansätze, es gibt aber auch noch mehrere Problempunkte. So versucht Ingolstadt beispielsweise gerne mit der weit aufrückenden Offensivabteilung früh und durchaus riskant zu pressen, was aber nicht ganz kollektiv abläuft und wegen des inkonsequenten Nachschiebens der hinteren Spieler einige Lücken öffnet. Meist ist dies nicht ganz so schlimm, da der frühe Druck und die meist guten Bewegungen beim Anlaufen selbst viele Gegner zu überhasteten langen Schlägen zwingen – wenn deren Torwart nicht gerade Wolfgang Hesl ist, der am Sonntag die Schwächen des FCI das eine oder andere Mal aufdeckte.

Insgesamt nutzt Ingolstadt immer mal wieder verschiedene Defensivstellungen, gewisse Asymmetrien sowie ansatzweise Rhythmusvariationen und versucht flexibel zu agieren, lässt gelegentlich aber einige Unkompaktheiten zu, wobei diese noch kontrollierbar und für viele Teams nicht ganz leicht zu bestrafen sind. Die positiven Punkte überwiegen hier und sorgten dafür, dass die Mannschaft vergangenes Jahr mit nur 33 Gegentreffern die zweitbeste Bilanz hinter Aufsteiger Köln aufwies. In dieser Spielzeit gab es zu Beginn drei kassierte Tore in zwei Begegnungen, doch gegen Fürth musste man nur sechs Abschlüsse hinnehmen – ein weiterer Beleg für die gewisse Zwiespältigkeit im Defensivbereich der Schanzer.

Ähnlich verhält es sich mit den situativ genutzten Mannorientierungen, die manchmal sehr effektiv so ausgeführt werden, dass sie die Kompaktheit nicht gefährden, manchmal aber auch nicht gut genug kontextualisiert sind. Einzelne Spieler verfolgen ihre Gegner dann sehr weit, was nicht passend mit den umliegenden Kollegen abgestimmt und somit etwas unabgesichert ist. Wegen ihrer guten defensiven Grundorientierung stellen die Ingolstädter mitunter starke Lokalkompaktheiten her, suchen dann aber nicht konsequent genug den Zugriff zur Balleroberung, so dass diese Szenen nicht ihre volle Wirkung entfalten.

Kleines Fazit

Insgesamt ist Ingolstadt also eine positiv zu bewertende Mannschaft mit starken Ansätzen, die aber noch viel besser sein könnte. Defensiv gibt es sehr gute Überlegungen, klare Stärken und einige Probleme, die noch Potential und Luft nach oben bergen. Offensiv überzeugen sie mit ihrer Spielanlage, den Rollenverteilungen und der Fluidität, sind beim Ausspielen dieser Voraussetzungen aber viel zu verschwenderisch und unbewusst. Letzterer psychologischer Aspekt ist scheinbar ganz entscheidend beim gesamten Team: Es wäre ein wichtiger Fortschritt, wenn die Spieler stärker verinnerlichen würden, wie gut sie sein könnten. Ingolstadt muss sich der eigenen „Coolheit“ klarer bewusst werden.

sharpe 19. Dezember 2014 um 14:53

ich denke, der FCI hätte es nach dieser unglaublich starken Vorrunde verdient, einen zweiten, etwas intensiveren Blick auf sie zu weren. Wie Hasenhüttl dieses Team innerhalb eines Jahres entwickelt hat, ist schon sehr aussergewöhnlich. Ich würd mich über eine Analyse freuen. Zudem gibt es natürlich auch eine ganze Reihe interessanter Einzelspieler, die man etwas genauer beleuchten könnte.

Antworten

TW 19. Dezember 2014 um 14:58

Jojo, Ingolstadt ist schon ganz cool. Vor allem das Mittelfeld mit Morales, Roger und Groß macht echt Spaß. Vielleicht komme ich ja dazu, mir noch einmal ein paar Spiele anzusehen und zu analysieren.

Antworten

NanLei 14. Oktober 2014 um 09:38

FCI hat die beste Jugendarbeit im Region um Audi. Bester Trainer im Jugendbereich sind Alexander Reifschneider Vfl Osnabrück und türkischer ex Bayern ex Istanbul Jugendtrainer. von U 13 bis U 19 ist Ingolstadt am fleißigsten was Nachwuchsarbeit angeht. Von nichts kommt nichts.

Antworten

sharpe 29. August 2014 um 09:46

Eigentlich spielt Ingolstadt ein relativ klares 4,3,3 mit Roger als 6er und Groß und Morales als 8er, wobei Groß mehr der Spielmacher ist und Morales der Box to Box-Spieler. Mit Leckie haben sie einen sehr interessanten Spieler dazu bekommen, der dafür sorgen könnte, dass sie in der Offensive auf ein besseres Niveau kommen. Wie richtig geschrieben, ist Lex einer der Aufsteiger, der noch ziemliches Potential hat und mit seinen Läufen in die Spitze für viel Gefahr sorgen kann. Bisher war jedoch nur Groß in der Lage, ihn zu bedienen. Mit Leckie könnte das besser werden, wenn die Abstimmung klappt. Jetzt haben sie ja noch Peckhart als reinen Mittelstürmer dazu bekommen. Das könnte ihr Spiel natürlich ziemlich verändern. Und da in den nächsten Tagen evtl noch ein weiterer Aussenspieler verpflichtet wird, muss man die Offensive wohl noch mal ganz neu beurteilen. Richtig ist, dass insgesamt ordentlich Potential vorhanden ist und die Mannschaft in der sehr ausgeglichenen 2. Liga evtl. ein Überraschungsteam werden kann. Gegen den Ball agieren sie sehr laufstark und versuchen, den Gegnern keinen ruhigen Spielaufbau zu gestatten, was zu vielen langen Bällen führt, die Roger, Matip und Hübner sehr clever verteidigen. Die falschen Entscheidungen, die du angesprochen hast, gehen oft von den AV aus, die zwar sehr talentiert sind, besonders Danilo, aber noch zu viele falsche Entscheidungen treffen und zu wenig aus ihren Möglichkeiten machen. Mit Hasenhüttl haben sie einen Coach, der mich in seinem Auftreten an Kloppo erinnert und es geschafft hat, eine positivere Stimmung in den Verein und in das Umfeld zu bringen. Die Stimmung im Stadion ist auf alle Fälle viel positiver als vor einem Jahr, das kann ich aus eigener Erfahrung sagen, denn da ich aus der Gegend bin, sehe ich viele Spiele.

Antworten

compuglobalhypermeganet 28. August 2014 um 17:07

Für mich liest sich die Mannschaftsspielanalyse wie der letztjährige zehnte Tabellenplatz (S 11, U 11, N 12). Die Mannschaft ist eine Wundertüte. Es lässt sich von Spiel zu Spiel schwer sagen ob sie ihre eigenen Stärken ausnutzen können.

Antworten

Schreibe einen Kommentar zu compuglobalhypermeganet Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*