Confed-Cup-Vorschau: Spanien

Von Sommerpause keine Spur: Ein Jahr vor der Weltmeisterschaft in Brasilien findet der obligatorische Confederations-Cup statt. Als Einstimmung auf die WM-Generalprobe stellen wir die grundlegenden Konzepte der Teams und taktische Varianten vor.

Als Welt- und Europameister sind die Spanier natürlich der absolute Topfavorit bei diesem Turnier und auf Nationalmannschaftsebene unverändert das Team, das es zu schlagen gilt. Trotz einer langen Saison reisen die Spanier mit ihrer Bestbesetzung an – schließlich fehlt der Sieg beim Confed-Cup noch im Trophäenschrank der RFEF, nachdem die Spanier vor vier Jahren in Südafrika überrascht im Halbfinale den USA unterlagen. Nun soll die Titelsammlung vervollständigt werden.

An der Mannschaft, die in der jüngeren Vergangenheit für die vielen Erfolge der Spanier verantwortlich zeichnete, hat sich auch für dieses Turnier kaum etwas verändert. Partiell ist es natürlich durch die U21-Europameisterschaft in Israel und die dortige Teilnahme einer schlagkräftigen spanischen Truppe bedingt, doch die wenigen Veränderungen im Kader der „Furia Roja“ sind ohne Frage bemerkenswert. Im Vergleich zum Aufgebot der Europameisterschaft des vergangenen Sommers gibt es kaum Unterschiede: Mit Azpilicueta und Monreal sind zwei neue Außenverteidiger anstelle von Juanfran und Llorente dabei, der wieder einsatzbereite David Villa kehrt für Negredo zurück. Hätte sich Xabi Alonso – für ihn wurde Soldado noch einberufen – nicht verletzt, wäre es bei diesen drei Veränderungen geblieben.

Eine Verletzung als Anschwung?

Spaniens Formation bei der letzjährigen EM am Beispiel des Viertelfinals gegen Frankreich

Dabei ist Alonsos Ausfall definitiv die interessanteste Personalie für die spanische Ausrichtung. Bei der EM 2012 und der WM in Südafrika litt das Offensivspiel der Iberer darunter, dass sie mit Busquets, Alonso, Xavi und Iniesta vier spielgestalterische zentrale Mittelfeldspieler in die erste Elf drängen „mussten“ und sich durch diese etwas ungünstige Aufstellung selbst schwächten. Diese vier Akteure beschnitten und beengten sich gegenseitig, machten das spanische Spiel redundant und blockierten den durchschlagenden Vorwärtsgang sowohl des Balles auch als des Personals – in hohen Zonen blieben schließlich zu wenige Spieler für die Torgefahr übrig, wie wir damals in unserer bewusst kritisch gehaltenen Analyse bemerkten.

Ohne Alonso fehlt einer dieser vier Spielmacher und eines von Spaniens Hauptproblemen bei großen Turnieren könnte sich dadurch praktisch von selbst lösen. Doch das kommt auch ganz auf den Umgang mit der Situation an und so stellt sich die entscheidende Frage: Wie wird Vicente del Bosque auf das Fehlen seines zentralen Stammspielers reagieren?

Javi Martínez als situativer Balancespieler oder das Barcelona-Dreieck

Eine naheliegende Antwort wäre zunächst einmal, Alonso direkt mit einem ähnlichen Spieler zu ersetzen – doch haben die Spanier einen solchen nicht. Im defensiven Mittelfeld gibt es zwar Alternativen für den Madrilenen, allerdings sind dies durchweg andere Spielertypen –wie zum Beispiel Javi Martínez. Bayerns Triplegewinner hat sich durch den Erfolg auf Vereinsebene große Reputationen erarbeitet und wäre deshalb eine naheliegende Option, um anstelle von Alonso ins Mittelfeld zu rücken. Dafür müsste man einerseits die Rollenverteilungen im Feldzentrum etwas umbauen, doch wegen Martínez´ vertikaler Ausrichtung könnte mit ihm trotz vier nomineller Mittelfeldspieler insgesamt eine bessere Balance entstehen als mit Alonso. Im Gegensatz zu Xavi, Alonso und Co. ist Martínez weniger dominant, anpassungsfähiger und würde mit einigen Vertikalsprints und Vorwärtsläufen die Strukturen im Zentrum auflockern. Teilweise monotonen Synergien durch zu viele ähnliche Spieler könnte er entgegenwirken.

Wahrscheinlicher – darauf deuten die letzten Spiele hin – als der zusätzliche Einbau von Bayerns Mittelfeldmann in die Mannschaft ist allerdings, dass die Grundformation 4-3-3-ähnlicher ausgerichtet und „nur“ noch mit drei wirklichen zentralen Spielmachern agiert wird. Bereits im Laufe dieser Saison, also schon vor der Alonso-Verletzung, ging der Trend in eine solche Richtung – bei einem WM-Quali-Spiel gegen Frankreich wurde dafür sogar einmal Busquets in die Innenverteidigung geschoben, um das 4-3-3 herzustellen. Das eingespielte Barcelona-Trio aus Busquets, Xavi und Iniesta hinter einer beweglichen Dreieroffensive ist natürlich eine naheliegende und die aktuell wahrscheinlichste Variante, doch die genaue Teambesetzung dennoch nur schwer abzusehen. Schließlich bieten sich mit Spielern wie Fábregas, Santi Cazorla, David Silva und einer Reihe an verschiedenen Stürmern bieten sich hier unzählige Möglichkeiten, eine Offensivabteilung aufzustellen.

Mit katalanischer Offensivkraft nach Rio

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Spaniens „zweite Garde“ und ihre offensive Ausrichtung am Beispiel des Tests gegen Haiti

Tendenzen sind natürlich dennoch erkennbar – beim Testspiel gegen Haiti schien die „zweite Besetzung“ zu spielen, während die Elf gegen Irland in der letzten Partie vor Turnierbeginn wohl die „Stamm-Mannschaft“ für Brasilien gewesen sein dürfte. Demnach hat sich del Bosque auf das Barcelona-Trio im Mittelfeldzentrum festgelegt, während neben Javi Martínez mit Fábregas und Mata zwei sehr offensive Kandidaten als Alternativen für die Achterpositionen bereitstehen. Wie gegen Haiti gezeigt, wäre hier eine sehr angriffslustige und durchschlagskräftige Doppel-Zehn mit etwas weniger Spielkontrolle vorhanden – eine nützliche Option in bestimmten Situationen stellt diese Ausrichtung ohne Zweifel dar.

Als Erstbesetzung vor dem katalanischen Mittelfeld liefen beim 2:0 gegen die Iren mit Pedro und Villa auch noch zwei Angreifer des spanischen Meisters auf, zu denen sich David Silva hinzugesellte. Dabei machte del Bosque nicht den Fehler, auch in der Offensive trotz des fast identischen Personals die formative Ausrichtung Barcelonas einfach zu kopieren und Silva ohne Rücksicht auf die Wechselwirkungen „als Messi“ spielen zu lassen. Stattdessen ähnelte die Ausrichtung eher jenen Spielen Barcas, in denen Villa als Blocker für Messi agiert hatte.

Während Pedro auf dem linken Flügel spielte und neben seinen typischen diagonalen Läufen zum Tor auch sehr häufig im Zwischenlinienraum auftauchte, agierte meistens Villa im Sturmzentrum, um dem eingerückten Rechtsaußen Silva die zentralen Räume freizublocken. Gelegentlich wich Villa zudem auf die bei den Spaniern dominante linke Seite aus, doch übernahm dann meistens Pedro situativ das Sturmzentrum. Als zurückfallende zentrale Spitze war David Silva also kaum zu identifizieren, vielmehr agierte er in einer tieferen Rolle und brachte als freier Kombinationsspieler immer wieder unterstützende Bewegungen zu den ballführenden Spielern.

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Spaniens wahrscheinliche Grundformation für den Confed-Cup, wie man sie auch gegen Irland zu sehen bekam

Interessant war, dass (teilweise dadurch bedingt, dass Spaniens Formation 4-2-3-1-ähnlicher ist als bei Barcelona) Xavi und Iniesta als Achter einige Male über einen längeren Zeitraum ihre Halbpositionen getauscht hatten, wodurch Xavi tendenziell auf der aufbaustarken linken Seite agierte, während Iniesta seltene Ausweichbewegungen zum weniger besetzten rechten Flügel zeigte – möglicherweise war dies aber ein kleines Randdetail, was für den Confed-Cup dann keine Bedeutung haben wird.

Als Außenverteidiger agierten in jener Partie die bewährten Arbeloa und Alba, die sich situativ mit Vorstößen nach vorne einschalteten – auch wegen der verstärkten Aufbauarbeit über links musste Ersterer nicht mehr so viel aktiv am Ball machen, sondern konnte gelegentlich nachstoßen, ohne kreativ oder aufbauend-aggressiv werden zu müssen. Auffällig war bei Arbeloa wie Alba ein gutes Timing dieser Bewegungen – wenn sie im letzten Drittel nicht gebraucht wurden, postierten sie sich – passenderweise als in manch früheren Spielen – in einer eingerückten Position im Halbraum und sicherten ab, was ein verbessertes Gegenpressing zur Folge hatte.

Fazit und Ausblick

Bei so viel individueller Qualität und einer über Jahre eingespielten Grundphilosophie wird bei diesem Turnier entscheidend sein, dass die letztlich gewählte Aufstellung und Systemvariante gut durchdacht ist. Die konkreten Strukturen müssen gute Verbindungen aufweisen, die Spielertypen aufeinander abgestimmt sein und das Konstrukt auf dem Grundsystem aufbauen – gegen Irland sah dies weitgehend so aus, wenngleich die Spanier lange auf einen Treffer warten mussten. Mit mehr nominellen Offensivspielern sollte eine torgefährlichere und angriffslustigere spanische Mannschaft möglich sein. Interessant ist dabei, wie sich dies auf die traditionelle Defensivstärke auswirken wird: Weniger zahlenmäßige Absicherung, etwas veränderte Mechanismen im Vergleich zu den letzten Jahren und natürlich weniger indirekte Abwehrarbeit – dies war der Vorteil des redundanten Ballbesitzes mit den vier Spielmachern im Zentrum.

JAS 15. Juni 2013 um 08:11

Es ist mir noch immer voellig unverstaendlich, warum ihr das auf internationaler Ebene erfolgreichste Spielsystem aller Zeiten so kritisiert. Alonsos Aufstellung in den letzten Jahren sogar als redundant bezeichnet. Spanien ist nicht Barcelona und wird die Eingespieltheit im Pressing und Gegenpressing nie in der Form verwirklichen koennen. Ergo die etwas vorsichtigere Aufstellung, mit einem zusaetzlichen Sechser mit Alonso neben Busquets. Fuer mich als ehemaliger Verteidiger und auch defensiv denkenden Fussballtaktiker absolut nachvollziehbar. Vor allem wenn es wie bei einem grossen Turnier ueblich fast nur KO Spiele gibt. Klar hat es da manchmal Probleme im Spielaufbau und in der Offensive gegeben, aber die defensiv Stabilitaet, die Spanien in diesn Turnieren ausgezeichnet hat, waere ohne Alonso in der Startelf nicht moeglich gewesen. Da bin ich mir sicher…

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Rasengrün 15. Juni 2013 um 08:54

Und trotzdem wirkte die zweifelsohne vorhandene Dominanz phasenweise fast schon steril. Dein Argument bzgl des Turniercharakters trifft zwar zu, aber das Resultat erfüllt die Spektakel-Erwartungen der mehr oder zunehmend weniger geneigten Weltöffentlichkeit an eine so dominante Mannschaft nicht. Eine Todsünde? Sicher nicht. Aber der Mangel an direkten Spielertypen als Folge der Spielmacherschwemme wirft zwangsläufig auch Fragen nach der Balance auf. Wie fragil die Sache sein kann hat das CL-Halbfinale ja nun deutlich gezeigt.

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TW 15. Juni 2013 um 15:21

Das CL-Halbfinale als Referenz für die Fragilität der Spanier anzuführen ist ja schon fast Ironie. Barca hat dort ja genau das System gespielt, was sich viele bei Spanien wünschen. Bayern konnte das Spiel dominieren, da sie Busquets als erste Anspielstation kaltstellten und die physische Überlegenheit bei Kopf- und zweiten Bällen besaßen. Mit Alonso als zusätzlichem (abkippenden) Spielmacher (z. B. statt Sanchez), mit hoher physischer Präsenz und der Möglichkeit durch seine genialen langen Bälle tote Räume anzusteuern, wäre das sicher nicht so leicht gewesen.

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Rasengrün 15. Juni 2013 um 21:21

Ich habe schon mit voller Absicht keine Paarung angegeben. In unterschiedlicher Weise traf das eben auf beide zu. Ob die Lösung dauerhaft wirklich in der Synthese besteht werden wir sehen. Vielleicht schon in diesem Confed-Cup.

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TW 16. Juni 2013 um 14:54

Welche der Erkenntnisse aus Dortmunds Sieg gegen Real lassen sich denn auf die spanische Nationalmannschaft übertragen?

Real spielt ja sehr direkten vertikalen Fußball und vernachlässigt die Defensive gern auch mal.

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Rasengrün 16. Juni 2013 um 21:00

Wenn man die Spielmacherschwemme verteidigen will, dann wohl am ehesten über die große Kontrolle und Pressingresistenz. Wir haben in den Semis aber gesehen, dass beide „Zutaten“ durchaus gepresst werden können und dann auch mal völlig unter die Räder geraten. Insofern zieht dein Argument für Alonso also zumindest nicht automatisch, das Überspielen des Pressings hat da jedenfalls kaum geklappt, obwohl herausragendes Personal auch auf der aufnehmenden Seite dieser Bälle da war. Natürlich sind da Synergien, die Frage ist eben ob sie nicht zu teuer erkauft werden und der Zweifel ist bei mir seitdem nicht kleiner geworden.
Mehr Direktheit muss ja nicht zwangsläufig in vorderster Linie angesiedelt sein, ein DM mit Martinez bspw würde die ja auch liefern. Wäre Fabregas nicht so weit von seiner besten Form der Arsenal-Zeit entfernt, dann würde ich die Ketzerei noch weiter treiben und auch Xavi in Frage stellen. Man kann das natürlich auch gleich wieder umdrehen, diese Dinge überhaupt ansprechen zu können spricht halt auch für die unglaubliche Kadertiefe. Letztlich vielleicht auch mehr ein Gefühl bei mir als etwas worauf ich in aller Klarheit den Finger legen könnte. Sicher bin ich mir nur bei einem: Es gibt keinen Stillstand im Fußball, der ist immer Rückschritt.

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GH 19. Juni 2013 um 10:23

Da kann ich dir nicht zustimmen. Die Pressingqualität kann bei Spanien mindestens annähernd erreicht werden. Auf jeden Fall seit dieser Saison, seit Vilanova. Hinzu kommt, dass bei Spanien fast nur Spieler von Barcelona sind. Und auch die anderen Spieler sind aus den U-Mannschaften auf das Gegenpressing geschult. Wenn man die U21 von Spanien ansieht, haben die auch mit Gegenpressing jedes Spiel klar dominiert. Das einzige Spiel unter 60% Ballbesitz war glaub ich das Finale. Und das war auch das einzige Spiel, in dem man ein Tor kassiert hat.

Und auch Spaniens Leistung gegen Urugay war sehr ansprechend. Deswegen kann man Alonso schon kritisieren. (nicht den Spieler, sondern die Aufstellung)

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