Statistische Zusammenfassung des 4. Spieltags
Neben unseren Trainerporträts, Spielanalysen und Coachingartikeln legen wir bei Spielverlagerung auch großen Wert auf allgemeine Dinge, die den Fußball betreffen – sei es psychologischer, philosophischer, politischer oder wie heute: statistischer Natur.
Deshalb haben wir den letzten Bundesligaspieltag mit ein paar interessanten Statistiken zusammengefasst.
Ballbesitz
Wie nicht anders zu erwarten hatten die Bayern den höchsten Ballbesitz des vierten Spieltags, nämlich 68,1% im Spiel gegen Kaiserslautern. Interessant ist hierbei jedoch mehr als nur diese relative Zahl, denn exklusiv können wir etwas mehr Detailtiefe anbieten. Anders angegeben waren sie 36 Minuten in effektivem Ballbesitz – also ohne ruhende Bälle und Spielunterbrechungen. 52 Minuten sind übrigens der durchschnittliche effektive Ballbesitz pro Spiel.
Insgesamt gelang man in diesem Spiel 124mal in Ballbesitz, 11mal konnte man ihn über 45 Sekunden halten – mehr als doppelt so viel wie der zweite in diesem Ranking.
Überraschend war generell, dass sehr viele nominell „kleine“ Teams mit viel Ballbesitz in diesem Ranking weit oben präsent waren. Hinter dem Zweiten aus Hamburg, welcher 60% Ballbesitz für sich verzeichnen konnte, landeten nämlich Borussia Mönchengladbach, die TSG Hoffenheim, der SC Freiburg und der 1. FC Nürnberg, die alle bei 54-57% lagen. Das lag aber natürlich auch an ihren jeweiligen Gegnern.
Augenfällig war jedoch besonders diese Statistik: Bayer Leverkusen hielt den Ball fünf Mal über 45 Sekunden in seinen Reihen und das bei nur 26 Minuten in effektivem Ballbesitz bzw. 48,1% vom gesamten Ballbesitz. Wie ist das möglich? Hauptsächlich dürfte diese Ursache am Gegner liegen, denn der BVB ist dafür bekannt, Schnittstellen extrem schnell und dann sehr sicher zu verschließen, was dafür sorgte, dass die Leverkusener keine Wege zum gegnerischen Tor fanden und dadurch warten mussten – dank ihrer hervorragenden Technik und spielerischer Qualität gelang ihnen das allerdings so lang und in dieser Statistik ist sowohl Kritik als auch Lob zu finden: man spielte zwar nicht dynamisch genug nach vorne, allerdings konnte man dank der eigenen Stärke dem Pressing der Dortmunder entgehen und wurde nicht zu Fehlpässen verleitet.
Angriffsspiel
Wie bereits oben angedeutet ist die Schnelligkeit und Dynamik der vortragenden Angriffe maßgeblich ausschlaggebend für ihre Effektivität und Gefährlichkeit. Je schneller der Ball nach vorne gespielt wird, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Gegner nicht vorbereitet auf den Angriff ist und Schnittstellen offen lässt.
Es verwundert deshalb wenig, dass die Mannschaft des vielleicht bekanntesten Anhängers von schnellem Vertikalfußball, Ralf Rangnick, ganz oben in dieser Statistik ist. Schalke 04 hatte die schnellsten Angriffe an diesem Spieltag, pro Minute in Ballbesitz gab es zwanzig Vertikalpässe. Die Taktik gegen Borussia Mönchengladbach hieß: den Gegner bei Beginn seiner Offensivbewegung stören und möglichst schnell den Gegenangriff vortragen.
Die Schwächsten in dieser Statistik waren übrigens sehr überraschend die Dortmunder, welche nur elf Vertikalpässe pro Minute in Ballbesitz spielten. Eine der Ursachen ist zwar sicherlich, dass die Leverkusener sehr aggressiv agierten (nach Wolfsburg mit die meisten Zweikämpfe) und des Weiteren gut verschoben und relativ tief standen, was für die auf schnellen Umschaltfußball getrimmten Dortmunder ein großes Problem war.
Diese Charakteristika von Konter- und Vertikalfußball zeigen sich noch viel mehr bei der Statistik über die Art und Weise der Angriffe: bei Schalke waren fast die Hälfte der Angriffe Konter, beim FC Bayern und dem SC Freiburg lag dieser Wert nur knapp unter einem Fünftel, die meisten Angriffe entstanden bei diesen Teams somit aus Positionsangriffen (Freiburg) bzw. langsam vorgetragenen Angriffen, basierend auf ballbesitzorientiertem Kurzpassspiel (Bayern).
Der Vorteil von letzterer Spielphilosophie liegt auf der Hand. Je mehr man den Ball sicher durch die Reihen zirkulieren lässt, desto einfacher und weiter kann man den Gegner nach hinten drängen und dies zeigt sich dann am Gegner. Kaiserslautern hatte die wenigsten Angriffe überhaupt an diesem Spieltag und konnte sich aus diesen nur einen einzigen Schuss auf das Tor von Manuel Neuer erspielen.
Doch nicht nur im Defensivspiel gibt es Vorteile, auch bei den Abschlüssen der Angriffe kann man die Vorteile gut erkennen – wie Louis Van Gaal bereits sagte, wird durch solche systematisch und strategisch vorgetragenen Angriffe der Anteil der qualitativen Torchancen weitaus höher, die Bayern hatten deshalb die wenigsten Weitschüssen und die meisten Schüssen auf das Tor dieses Wochenende. Die meisten Teams hatten mehr Weitschüsse als Schüsse auf das Tor, Stuttgart mit zwölf und die TSG Hoffenheim mit zehn sogar doppelt so viel.
Qualitative Torchancen hin oder her, am effektivsten waren dennoch die Kölner, welche aus fünf Schüssen aufs Tor vier Tore machten und knapp gegen den Hamburger Sportverein gewannen. Noch knapper wird der Sieg, wenn man bedenkt, dass der HSV dreimal Latte oder Pfosten traf.
Passspiel
Als abschließender Punkt zu den kollektiven Leistungen dieses Spieltags dient das Passspiel.
Kaum eine andere Statistik ist so schwer zu interpretieren wie diese, doch zugleich kann sie bei richtiger Darstellungsweise einiges erklären. Beispielsweise die hohe Ballbesitzzahl der Bayern, welche nicht nur dank der hohen Erfolgsquote von 87% entsteht, sondern ebenso durch die Dynamik der Pässe. Der Rekordmeister spielt pro Minute in Ballbesitz siebzehn erfolgreiche Pässe, hier kann nur das Gladbacher Team von Lucien Favre mithalten, welche auch bei der Erfolgsquote ihrer Pässe mit 83% nur knapp hinter den Bayern und Stuttgart liegen. Neben diesen drei Teams hatte nur Hamburg eine Quote von über 80%, Mainz lagen sogar unter 70% – was mit ihrem, zumindest an diesem Spieltag, reaktiven und damit risikoreichen Stil zusammenhängt.
Die wenigsten Pässe pro Minute in Ballbesitz hatte Kaiserslautern, da sie kaum sichere Pässe aufgrund des hohen Pressings der Bayern spielen konnten. Dies sorgte dafür, dass die Lauterer in der Statistik der meisten Ballverluste in der eigenen Hälfte bei fast 30% auf Platz eins lagen, es ist beängstigend, dass über jeder vierte Ballverlust in der eigenen Hälfte entsteht und man dem Gegner dadurch einfache Angriffe ermöglicht. Paradox ist jedoch der Zweitplatzierte in der Statistik, die Borussia aus Gladbach. Sie schoben sich den Ball zwar schnell in der Abwehrreihe herum, doch Schalke stand hoch und presste gut, man zwang den Gegner zu vielen Ballverlusten in der eigenen Hälfte (28%).
Ein anderes (oberflächlich betrachtetes) Paradoxon zeigt sich bei Hannover 96, sie hatten mit 140 Ballverlusten die höchste Zahl in dieser Rubrik, aber relativ gesehen die wenigsten in der eigenen Hälfte, nämlich 19%. Dies liegt am reaktiven Fußball: viele Balleroberungen beim gegnerischen Spielaufbau stehen in Kontrast zu vielen eigenen Ballverlusten bei Unterzahlaktionen oder riskanten Pässen, um möglichst schnell vor das gegnerische Tor zu kommen. Zweiter in dieser Statistik der wenigsten Ballverluste in der eigenen Hälfte war übrigens – wie nicht anders zu erwarten – der Rekordmeister aus München, welcher mit Schalke auch die beste Prozentzahl bei Balleroberungen in der gegnerischen Hälfte für sich verbuchen konnte, fast jeder dritte Ball konnte in der fremden Spielhälfte gewonnen werden. Auch die Dortmunder lagen mit 25% vor vielen anderen Teams, der Durchschnitt befindet sich bei 20%.
Zu guter Letzt kann man die Kontermannschaften noch an einem Merkmal erkennen: die Pässe in den Strafraum. Hannover 96 und Schalke 04 spielten über 20 angekommene Pässe in diesen Bereich, während der Ligadurchschnitt bei 14 lag. Selbst Ballbesitzkrösus Bayern musste sich mit 16 erfolgreichen Pässen geschlagen geben.
Anmerken muss man jedoch, dass der Ligadurchschnitt an solchen versuchten Pässen bei 37 lag, Hannover, Schalke und auch Mainz, deren Problem mit Ballverlusten bereits erläutert wurde, kamen auf über 50. Die ballbesitzorientierten Teams wie Bayern und Mönchengladbach hatten deshalb wenig überraschend in 50% Erfolg bei solchen Pässen, die anderen nur ein Drittel oder weniger.
Werder und Hoffenheim bspw. versuchten mit langen Flachpässen in den Lauf der Stürmer vors Tor zu kommen, davon gab es jeweils 17 – kein anderes Team hatte mehr als 10 solcher Versuche, weite hohe Bälle oder dynamisches Kurzpassspiel ist – im Gegensatz zu den von Bremen und Hoffenheim gezeigten Ansätzen – aktuell Bundesligamode.
Trivia
Statistisch gesehen war der Spieler der Runde Daniel Van Buyten. Der oftmals stark kritisierte Belgier spielte kaum Fehlpässe und gewann sehr viele Zweikämpfe in der Luft und am Boden, egal, ob in absoluten oder relativen Zahlen (10/12 bzw. 21/23) ausgedrückt, überall war er Ligaspitze. Lediglich in der Rubrik Tacklings konnte Bargfrede mit sieben erfolgreichen Tacklings einen mehr verbuchen, doch er langte gleichzeitig sechs Mal daneben, der Belgier kein einziges Mal. Beeindruckend ebenso die Zahl der abgefangenen Pässe mit 22 (erst bei sieben folgte ein anderer FCB-Spieler), Ligaspitze.
Als kleine interessante Nebeninformationen zum Schluss: Renato Augusto und Ryan Babel waren die besten Dribbler des Spieltags mit sechs erfolgreichen Dribblings bei sieben Versuchen, die Dortmunder Innenverteidigung, Subotic und Hummels, klaubte die meisten Bälle auf, nämlich jeweils über zwanzig, und lagen somit weit über allen anderen Verteidigern.
Dank
Die Statistiken stammen von instatfootball, bei denen wir uns auf diesem Weg für diese außerordentliche Zahl an interessanten Statistiken bedanken wollen, die wir von ihnen erhalten haben.
6 Kommentare Alle anzeigen
SAMsg 5. September 2011 um 11:18
@Daniel:
Ganz deiner Meinung. Gerade wenn man gewisse Zahlen genau anschaut – und in „richtigen und wichtigen“ Verhältnissen betrachtet steigt die Aussagekraft massiv (Hannover: Viele Ballverluste vs. viele Balleroberungen in der gegnerischen Hälfte) . Ich finde den Betrag (erneut) sehr gut geschrieben!
Daniel 5. September 2011 um 07:59
@ob
deshalb wird ja auch meist der absolute Wert mit angegeben, wenn relevant, wie auch hier schön zu erkennen (Beispiel: Lediglich in der Rubrik Tacklings konnte Bargfrede mit sieben erfolgreichen Tacklings einen mehr verbuchen, doch er langte gleichzeitig sechs Mal daneben, der Belgier kein einziges Mal.).
Statistik wird in diesem Beitrag sicherlich nicht überbewertet, eine Bewertung macht immer sehr viel Sinn. Aber ich kenne das aus dem Berufsleben, sobald man ein wenig tiefer in Zahlen einsteigt, rollen viele nur mit den Augen, können nicht folgen und kommen mit solchen Sprüchen (nicht überbewerten, alles nur theorie, traue keiner Statistik.. blabla).
Dabei finde ich diesen Bericht gerade für Statistik-Muffel sehr gut analysiert und bewertet, Kompliment!
ob 3. September 2011 um 15:01
Statistiken sollte man nicht überbewerten. Einen nicht angenommenen Zweikampf kann man auch nicht verlieren…
Die Aufschlüsselung der Pässe und Ballverluste im Artikel geht da schon in die richtige Richtung. U.a. die Dribblings muss man aber auch ähnlich bewerten, Herthas Raffael beispielsweise fummelte in der letzten Saison auf der Doppel“sechs“ schon gerne an der eigenen Strafraumgrenze los und zerstörte damit so einige Kontermöglichkeiten.
Alildo 3. September 2011 um 14:48
Wieder einmal ein sehr informativer und fast vor Inhaltsfülle platzender Artikel, der trotzdem leserfreundlich ist. Vor allem, weil man solche Statistiken sonst NIRGENDS zu sehen bekommt – die ollen Laufwege mal ausgeschlossen, aber die bringen doch relativ wenig Aufschluss (soll heißen: keinen) über das Spiel einer Mannschaft.
Fazit: Mehr davon! Unbedingt! *klecker*sabber*
Olaf Mitender 3. September 2011 um 11:16
sehr interessante statistiken, sehr gut ausgewertet. mehr davon, bitte 😉
Robbery 3. September 2011 um 10:54
Sehr schön und auch verständlich.! 🙂