Türchen 5: Ajax‘ Positionsanpassungen
Die vergangene Saison war eine zum Vergessen für den niederländischen Rekordmeister aus Amsterdam. Mit dem etwas überraschend aus Nizza verpflichteten Trainer Francesco Farioli gab es im Sommer den Neustart. Bisher erntet das Projekt Wiederaufbau der eigenen nationalen Führungsposition überwiegend Zuspruch, auch wenn Titelverteidiger PSV in der Liga wieder voran marschiert.
Farioli hat im Ballbesitzspiel zunächst auf eine solide Basis gesetzt. Mit den kleinen Positionsanpassungen innerhalb der Grundstruktur kann sein Team schon manchen Akzent darüber hinaus setzen, wie vor einigen Wochen beim 3:2-Sieg gegen die PSV, den einzigen Punktverlusten des Tabellenführers.
Die Innenverteidiger der Amsterdamer bilden mit dem Torwart und dem Sechser des nominellen 4-3-3 eine Aufbauraute. Vorne sollen der Mittel- und die beiden breiten Flügelstürmer den Gegner in der letzten Linie tief binden. Auch die Achter orientieren sich zumeist in hohe Positionen. Situativ gehen sie, vor allem der umtriebige Fitz-Jim, mit auf den Flügel. Im weiteren Angriffsverlauf bringen sie viele Tiefenläufe bis in den Strafraum ein, bei denen gerade Rückkehrer Klaassen über ein besonderes Timing verfügt. Als Ergänzung zu den breiten Positionen der Flügelstürmer agieren die Außenverteidiger konsequent aus den Halbräumen heraus.
So weit, so unspektakulär systematisch stellt sich dies zunächst dar: Die Raumaufteilung mit den Außenverteidigern entspricht im Wesentlichen der 2-3-5-Systematik, die Pep Guardiola in seiner Zeit beim FC Bayern nutzte. Auch deren dynamisches Einrücken noch weiter nach innen, um den direkten Gegenspieler enger in die Defensivformation zu drängen und den Passweg für den Innenverteidiger zum eigenen Flügelstürmer zu öffnen, kam bereits vor mehr als zehn Jahren als Komponente im Positionsspiel auf. Das Besondere bei Ajax ist gerade auf den beiden Außenverteidigerpositionen die Umsetzung und die schnelle Veränderung der genauen Raumbesetzung – und das in Person zweier Youngster, mit dem 21-jährigen Rensch auf rechts und dem 18-jährigen Hato auf der linken Seite.
Im Spiel gegen PEC Zwolle beispielsweise waren sie zuletzt besonders gefordert, weil die offensiven Außenspieler des Gegners versuchten, die diagonalen Passwege der Innenverteidiger auf Ajax’ breite Flügelstürmer zuzustellen. Darauf konnten die Außenverteidiger der Amsterdamer auf zweierlei Wegen reagieren: Zum einen kamen sie manchmal dynamisch noch flacher und näher an den ballführenden Innenverteidiger, liefen diese beinahe zu. Einige Male konnte es passieren, dass sich Zwolles Gegenspieler locken ließen, wenn die zentralen Kollegen das Auslösen des Anlaufens vorbereiten wollten, und den Passweg doch öffneten.
Zum anderen schob der jeweils ballnahe Außenverteidiger von Ajax dynamisch aus dem Halbraum noch weiter nach innen, quasi auf eine zweite Sechserposition, in die Lücke zwischen Zehner und Außenspieler. Dadurch stand er praktisch direkt vor seinem Abwehrkollegen, in einer mehr oder weniger direkten Linie mit diesem, über die er einen kurzen Vertikalpass erhalten konnte, um diesen anschließend diagonal nach vorne und innen ins Dribbling mitzunehmen.
Wenn Ajax die engeren Außenverteidiger mit einer frühzeitig breiteren Position des Achters auf halber Höhe kombiniert, bewegt sich in diesen Situationen häufig der Flügelstürmer von der letzten Linie zusätzlich flacher entgegen, um kleinräumig zu unterstützen. In den entstehenden Gleichzahlsituationen geht es dann darum, ein solches 2gegen2 auszuspielen und den darum herum geöffneten Anschlussraum attackieren zu können.
Für das Thema Ausspielen kommt zudem die Einbindung des Mittelstürmers als ergänzende Schlüsselkomponente hinzu: Brian Brobbey agiert als Zielspieler für längere Flachpässe, die er durch seinen außergewöhnlich starken Körpereinsatz mit dem Rücken zum Tor sehr gut festmachen kann. Der Angreifer lehnt sich mit seiner kräftigen Statur aggressiv in den Gegenspieler hinein, für den es sehr schwierig ist, um dessen Kreuz herum vor ihn zu gelangen. Überdurchschnittlich häufig kann Ajax Brobbey auf Verdacht anspielen und mit den Achtern nachgehen.
Einige ergänzende positionelle Anpassungen erfolgen schließlich im vordersten Drittel: Kapitän Jordan Henderson mit seiner bekannt umtriebigen Natur läuft sich mitunter sehr extrem nach außen auf seitliche Rückpasskanäle frei und wird in dieser Rolle auch gezielt so eingebunden. Der Ballzirkulation tut diese Aktivität gut, da Ajax aus festgefahrenen Situationen selten den Anschluss nach hinten verpasst. Für die Restverteidigung sind Hendersons weiträumige Freilaufbewegungen potentiell eine Herausforderung und werden neben den Außenverteidigerrollen auch häufiger durch ballfernes Hochschieben eines Innenverteidigers kompensiert.
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