Viele unvollendete Aktionen bei Österreicher Vorteilen

0:1

Beim Duell um den zweiten Gruppenplatz kommen beide Teams rasch ins Aufrücken und in die offensiven Bereiche. Österreich bringt noch mehr Leute noch effektiver nach vorne und ist die intensivere von zwei spielerisch gefälligen Mannschaften.

Im direkten Duell um den zweiten Platz der Gruppe C lieferten sich Ukraine und Österreich eine Begegnung mit vielen schnellen Aufrückmomenten. Auf beiden Seiten liefen die Pressing- und Defensivbemühungen häufiger ins Leere, so dass die Teams zahlreiche Ansätze entwickelten, ohne dass sie daraus aber nachhaltig effektiv wurden.

Der knappe Sieg für Franco Fodas Österreicher innerhalb dieser Konstellation ging in Ordnung, weil sie zu Beginn der Partie mehr investierten und in den Entscheidungen mit Ball und in den Tiefenbewegungen etwas fokussierter agierten, wie sich in dem deutlichen Übergewicht an Abschlüssen ausdrückte.

Grillitsch brilliert, Österreich besetzt die Räume gut

Dazu hatte die Alpenrepublik mit Florian Grillitsch den herausragenden unter vielen spielstarken Mittelfeldakteuren auf dem Platz, als tiefster Sechser einer neu formierten 4-4-1-1-Grundordnung. Direkt in der für Österreich wegweisend werdenden Anfangsphase nahm er das Heft in die Hand. Gegen die passiven 4-1-4-1- oder sogar 4-5-1-Phasen der Ukrainer holte er sich die Bälle neben dem isolierten Stürmer ab und konnte dann kleinräumig auf die Mittelfeldreihe zudribbeln.

Defensivformation Ukraine, Offensivformation Österreich

Seine individuellen Aktionen in der Ballführung waren ein Schlüsselelement für den österreichischen Übergang. Grillitsch wählte geschickt den Winkel seiner Bewegungen, verzögerte hier und dort und konnte so die Ausgangslage zu den eigenen Gunsten für den Moment beeinflussen, in welchem schließlich einer der ukrainischen Zentrumsakteure auf ihn würde herausrücken müssen. Weil er nicht irgendwie andribbelte, sondern clever andribbelte, hatte er bessere Möglichkeiten, Passwege zu erschließen oder den ersten Gegenspieler mit überraschenden Fußbewegungen zu überwinden. Um ihn herum passten sich die anderen Verteidiger in der ersten Aufbaureihe gut an ihn und staffelten sich situativ asymmetrisch.

Grillitsch konnte viele Bälle direkt hinter die gegnerische Mittelfeldreihe spielen – und das lag auch daran, dass seine Mitspieler die dortigen Räume sauber besetzten. Schlager rückte von der Sechs halbrechts frühzeitig auf und ergänzte Sabitzer, der sich meistens halblinks herumtrieb. Er wechselte sich in seinem Bereich mit dem situativ einrückenden Laimer ab. Überhaupt hatte Österreich gerade im rechten Halbraum viel Präsenz und dort zu Beginn einige Überladungsansätze, wenn sich auch Arnautovic dort hinüber bewegte.

Im Ausspielen solcher Angriffe kam das Team in der Anfangsphase durch die engagierten Bewegungen und die kurzen Abstände zu einigen guten, wenngleich auch etwas hektischen Momenten. Eine wichtige Komponente zur Vorbereitung jener Szenen war im Übergang die Position von Lainer: Der Rechtsverteidiger zog sich beim Aufbau über Grillitsch oft flacher zurück, konnte dadurch teilweise Malinovskyi locken und vergrößerte so die Schnittstelle zwischen den gegnerischen Flügelstürmer und Achter für öffnende diagonale Pässe in die Verbindungszone. Genau dort positionierte sich Laimer wie ein tieferer Außenspieler.

SZENENGRAFIK folgt

Wechselhafte Pressing- und wechselhafte Aufrückmomente

Die tiefen, passiven Defensivstaffelungen der Ukraine bildeten die vielversprechendste Konstellation für Österreich. So durfte sich das Team von Andriy Shevchenko nicht auf die zurückhaltende Verteidigung beschränken. Die Ukrainer hatten mehrere Variationen parat, wenn sie mit der ersten Linie weiter herausrückten: Manchmal versuchte Yarmolenko aus hoher Startposition Grillitsch zu attackieren und diesen diagonal nach innen zu drängen. Von der anderen Seite ging Malinovskyi situativ nach vorne und presste auch mal auf den Innenverteidiger vor.

Insgesamt waren diese verschiedenen Ansätze nicht schlecht, es gab bei den Ukrainern aber in letzter Instanz einige Probleme mit dem Timing. Ambitionierte Herausrückbewegungen wie die von Malinovskyi wurden deswegen mitunter sehr einfach überspielt. Je nach Situation mussten die Kollegen im Anschluss sich dahinter zurückhalten und einzelnen Österreichern, in diesem Beispiel dann also Lainer, weite Aufrückräume zugestehen. Mit Dribblingräumen am Flügel gingen diese wiederum nicht so gut um: Sie verpassten während oder nach dem Vorstoß einige Male die Verzögerung oder die Rückzirkulation. Zudem liefen die umliegenden Kollegen ohne Ball teilweise zu extrem vom Ball weg.

Nach der Einwechslung von Schöpf positionierte sich der rechte Flügel zunehmend tiefer und Lainer bildete teils einen echten Dreieraufbau. Diese Struktur war für die Ukraine aus einer 4-3-3-Startposition aber einfacher mannorientiert zu verteidigen. In den entstehenden gruppentaktischen Gleichzahlsituationen am Flügel blieb die Erfolgsquote für Österreich, ohne die große Eingespieltheit dort, eher zufällig. Im Laufe des ersten Durchgangs nahmen die unvollendeten Momente mehr und mehr zu.

Österreich ohne klaren Auslöser im hohen Zustellen

Ein ähnliches Bild gab es auch auf Seiten der Ukrainer. Sie hatten sich mit einem intensiven, aber nicht ganz stabilen Pressing der Österreicher auseinanderzusetzen. Dessen Stärke war vor allem die Präsenz, mit der ballferne Spieler in Zugriffssituationen unmittelbar am Ball ergänzten. Solche Momente erkannten die Spieler auch recht gut und jagten dann kurzzeitig aggressiv. Deutlich wechselhafter gestaltete sich die Lage aber, wenn es darum ging, die entsprechenden Situationen vom Beginn der Pressingphase weg zunächst einmal vorzubereiten.

Als die Österreicher in den ersten Minuten noch höher verteidigten, bekamen sie die gegnerischen Außenverteidiger nicht zuverlässig geschlossen. Sie rückten im vordersten Drittel häufiger mit mehreren Spielern vor, aber liefen letztlich selten durch, sondern schlugen kurzfristig doch wieder den Rückzug ein. Die erste Linie bewegte sich flexibel und passte sich situativ geschickt an, hatte aber keine klaren Auftaktmomente. So kam das gute horizontale Nachschieben der ballfernen Akteure nicht richtig zum Zuge, sondern drohte punktuell sogar den Flügel zu öffnen. Potentielle Lokalkompaktheiten wirkten mal mehr und mal weniger.

Gelegentlich reichte das aggressive Durchschieben vieler Spieler in Ballungen hinein schon allein für Balleroberungen von ordentlicher Qualität. Intensität half den Österreichern ansonsten auch im eigenen Gegenpressing, das in letzter Zeit nicht unbedingt zu den Stärken des Teams gezählt hatte. In dieser Begegnung waren sie in der Disziplin etwas stärker als die Ukraine und auch darin bestand ein weiterer Vorteil, der in Summe zum knappen Erfolg beitrug. Der Gegner geriet auf der anderen Seite daher einige Male in Kontergefahr gegen einfache lange Bälle, die bei den hochbleibenden Sabitzer oder Arnautovic landeten.

Defensivformation Österreichs im Mittelfeldpressing, Offensivformation Ukraine

Dichter tieferer Defensivblock mit Abstrichen

Wenn es – wie seit dem zweiten Teil der ersten Hälfte zunehmend häufiger – für die Österreicher ins (tiefe) Mittelfeldpressing ging, gab es wiederum ein ähnliches Bild: Guten Ansätzen und einigen starken Überzahlbildungen gegen Zwischenräume standen Unsauberkeiten in der Flügelverteidigung gegenüber. Zunächst einmal war es ein Erfolg, dass das Team den Gegner oft aus dem Zentrum heraushalten oder ihn zumindest dort schnell wieder bedrängen konnte.

In der ersten Linie der 4-4-1-1/4-4-2-Formation bewegte sich Sabitzer geschickt und vielseitig, um den Sechserraum zu versperren. Zusätzlich zu den Achtern brachte die Ukraine viel Präsenz mit ihren Stürmern in die Halbräume, insbesondere durch das Einrücken des etatmäßigen Mittelfeldmanns Malinovskyi von links. Dafür hielt sich in diesen Bereich Shapanenko typischerweise tiefer als sein Pendant Zinchenko und holte sich einige Bälle außerhalb der Formation.

Das Einrücken von Malinovskyi zwang Laimer in der ukrainischen Zirkulation immer wieder, die Innenbahn zuzumachen, um einfache Schnittstellenpässe auf diesen zu verhindern. Also musste der Österreicher sich enger bewegen und häufiger Verlagerungen zulassen. Die Frage war, ob bzw. wann Lainer dagegen weiträumig herausrücken sollte – zunächst passierte das nur selten, später dann etwas häufiger.

Wenn der ukrainische Linksverteidiger in den Anschlussmomenten also in seiner Zwischenposition Zeit am Ball hatte, orientierten sich die Zentrumsspieler daraufhin aber unsauber und sicherten zu fahrig zum Sechserraum hin ab. Überhaupt wurden die kompakte Grundorganisation und das ordentliche Verschieben, das die Österreicher aufwiesen, durch Mannorientierungstendenzen in den Sechserrollen geschwächt und teilweise entwertet. Diese Akteure kamen, mit ihren eher simplen Aufgaben, immer mal bei der einen oder anderen Herausrückbewegung zu spät.

Die Frage der Anschlussoptionen

Letztlich entstanden so doch einige Lücken im Zentrum. Einerseits konnten die Österreicher viele davon schnell und intensiv wieder zulaufen, da sie sich aus verschiedenen Richtungen gut um Zwischenräume zusammenzogen. Andererseits wurden solche Möglichkeiten von den Ukrainern trotz gefälliger Ansätze nicht optimal genutzt. Lange Zeit fehlten beispielsweise nach erfolgreichen Pässen auf Malinovskyi in den linken Halbraum die Anschlussoptionen, um aus dieser vielversprechenden Position weiterspielen zu können – insbesondere die Optionen nach vorne.

Aus tiefen Positionen gab es meistens eher Zurückhaltung nach gelungenen Übergängen in offensive Zwischenräume. Beispielsweise hielt Shapanenko häufig seine herausgekippte Position während des Vorwärtsspiels auf Malinovskyi zu lange aufrecht – bis auf wenige Ausnahmen wie einer gefährlichen Szene für Yaremchuk unmittelbar vor dem Halbzeitpfiff.

Bei Einbindungen Yarmolenkos am Flügel gab es demgegenüber deutlich mehr und vielfältigere Unterstützung durch hinzukommende Kollegen. Die daraus entstehenden Dreiecksstrukturen spielte die Ukraine technisch fein aus und kam zu einzelnen ansehnlichen Stafetten, ein Beleg für die gruppentaktische Qualität des Teams von Shevchenko. Im Halbraum gelang die Einbindung Yarmolenkos dagegen seltener, obwohl dieser sich auch dort oft anzubieten versuchte, aber die genaue positionelle Abstimmung mit Zinchenko passte nicht so sauber. Letztlich ging es bei den Ukrainern auch um viele kleine Details.

Ergänzendes Aufrücken bei den Ukrainern wenig ausgeprägt

Zur zweiten Halbzeit traten Shevchenkos Mannen mit einer zusätzlichen Alternative für die Spieleröffnung an: Beide Außenverteidiger hielten sich flacher, so dass durch die tiefe Präsenz die erste österreichische Pressingreihe erst recht eng gebunden wurde. Als Breitengeber dienten die Flügelstürmer, die sich zurückzogen – typischerweise auf eine halbe Höhe zwischen den beiden gegnerischen Spielern auf den Außen.

Das machte vor allem der eingewechselte Tsyhankov auf links. Wenn er in seiner Zwischenposition in der Breite den Ball erhielt, versuchte er sofort, mit aggressiven Dribblings oder mit Querpässen von außen in den gegnerischen Block einzudringen. Dort boten sich die Achter höher im Mittelfeld an oder Yaremchuk setzte sich alternativ ab. Die Schwierigkeit war aber, dass es in den ersten Momenten kaum tiefe Optionen für die nächste zügige Folgeaktion gab, da die einleitenden Flügelstürmer selbst erst wieder nach vorne starten mussten.

Zudem dauerte es nicht lange, bis die Spieler der Österreicher auf diese Variante gut reagierten: Bei den tiefen Einbindungen der ukrainischen Außen verteidigten sie Yaremchuk und die Achter einfach klarer und direkter am Mann. Da die Ukraine so stark auf die Fortsetzung über diese Positionen angewiesen war, funktionierte das gut und bremste viele Aktionen aus.

Insgesamt verlor Shevchenkos Mannschaft nach kurzer Zeit den Schwung und schien dadurch in erhebliche psychologische Probleme zu rutschen. Ab Mitte der zweiten Halbzeit gab es weiterhin gute individuelle Bewegungsanpassungen in Zwischenräume hinein, von denen sehr viele aber haarscharf scheiterten, weil der letzte halbe Schritt überhastet oder unkonzentriert war oder weil die Abstimmung des Timings zwischen Passgeber und -empfänger immer seltener passte.

Fazit

Schlussendlich steht ein verdienter Sieg für das österreichische Team. Die Ukraine spielte in vielen Belangen gut mit dem bis dahin punktgleichen Gegner mit, entwickelte aber nicht ganz so viel Intensität und generierte in den Anfangsminuten, als es noch Unentschieden stand, zu wenig Ballbesitzquantität für die eigenen spielerischen Qualitäten.

Die Formation, die Franco Foda bei den Österreichern wählte, verspricht für das anstehende Achtelfinalduell gegen Italien eine gute Option zu sein. Mit einem variablen Viereraufbau plus Grillitsch als Fokuspunkt davor könnte die Alpenrepublik das nicht immer ganz kompakte Pressing des Gegners fordern und wäre in einer guten Ausgangsposition, um sich selbst, als nomineller Außenseiter, zwischendurch wichtige Ballbesitzphasen zu sichern.

Auf den asymmetrischen italienischen Dreieraufbau wird Österreich aber noch eine Gegenmaßnahme finden müssen, die sich bisher nicht unbedingt abgezeichnet hat. Es muss dem Team besser gelingen, seine Pressingansätze koordinierter auszulösen und die passenden Momente zu finden – die anschließenden Abläufe selbst haben Potential, das sich gegen die Ukraine in einigen lokal kompakten Zugriffssituationen mit ballfern weit eingeschobenen Flügeln und/oder Achtern ausdrückte.

studdi 24. Juni 2021 um 11:39

Der Modus ist doch echt bescheuert jetzt spielt Östereich gegen Italien und Ukraine hat gegen Schweden sogar theoretischnoch die besseren Chancen auf das Viertelfinale als Östereich.

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Taktik-Ignorant 24. Juni 2021 um 13:17

Ja das Verfahren ist wegen der Ungewissheit mit den Gruppendritten Glückssache. Auch jetzt ist ab dem Achtelfinale das Teilnehmerfeld sehr unausgeglichen besetzt. Es hängt halt auch maßgeblich von den Ergebnissen der Vorrundengruppen ab, und da gab es manche Überraschungen.

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studdi 24. Juni 2021 um 13:47

Ja das Schweden 1. wird damit hat man sicherlich nicht gerechnet. Aber man könnte ja schon einbauen das z.B. der beste 1. Plazierte wie Italien auf einen 3. Plazierten treffen. Oder eben generell nach der Gruppenphase auslosen.

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CT 22. Juni 2021 um 16:01

Ich finde Franco Foda hat seine Spielidee nach der Partie in einem Interview treffend formuliert: „Wir haben Schwächen über die Flügel erkannt, weil zwar Yaremchuk, Yarmolenko und Malinovsky sind gut im Spiel nach vorne aber in der Defensive weniger. Wir haben gewusst, dass wir über die Flügel zum Erfolg kommen können und wollten dort Überzahl herstellen.“

Über die Dreiecke am Flügel bestehend aus AV, Achter/Zehner und Flügel konnten sie die Seiten mit Anbindungen zu Arnautovic bespielen.

Seit langem gab es viel Dynamik und Österreich schaffte es mehr Torchancen rauszuspielen.

Seht ihr noch weitere Gründe für die verbesserte Chancenkreierung?

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