Die Ruhe vor dem Heimsieg
Es schien sich zunächst ein 0:0 anzubahnen. Nürnberg setzt auch unter Ergebniszwang auf Stabilität und darauf, sich die Optionen lange offen zu halten.
Als fast schon letzte Chance für den Tabellenletzten aus dem Frankenland war diese Begegnung ausgerufen wurden, die sich zunächst einmal vor allem sehr ruhig gestaltete – und das nicht zuletzt trotz vieler langer Bälle auf beiden Seiten. Nürnberg schien darauf zu setzen, gut im Spiel zu sein, um bei einem etwaigen Unentschieden dann in der späten Phase die Offensive zusätzlich zu stärken. Zu dem ruhigen Charakter der Partie trugen nicht nur die verschiedenen Probleme der Mannschaften im vorderen Drittel bei. Hinzu kam auch, dass in den ersten Aufbauphasen jeweils für beide Teams günstige Gemengelagen herrschten.
Ballkontakte im Sechserraum, aber Probleme im Übergang
Bei Augsburg orientierten sich die Stürmer im Pressing teilweise sehr einseitig an den gegnerischen Innenverteidigern, so dass die Abstände nach hinten zu groß wurden. Befand sich der Ball auf dem Flügel, fokussierten sie sich mehrmals zu klar auf die Rückpasswege statt kompakter nach hinten anzuschließen. In die Zwischenbereiche konnte Nürnberg dann mit Querpässen auflösen. Zwar rückte Koo gegen Erras meist sehr weit heraus, so dass Augsburg oft in einer breiten Rautenanordnung verteidigte. Allerdings öffneten die Nürnberger einige Male über ausweichende Bewegungen geschickt Raum und ließen halbrechts zudem Löwen tiefer in den Halbraum fallen.
Über diesen konnten sie das Spiel auf den rechten Flügel tragen. Dort erhielt Bauer viele Bälle, befand sich oft etwas höher als Ji und wurde dann schräg von hinten von diesem angelaufen. Von den Außenverteidigerpositionen aus versuchten die Nürnberger es unter anderem mit scharfen Flügellinienpässen – vermutlich auch, da sie damit zu rechnen schienen, dass Augsburg mit dem ballnahen Außenverteidiger aggressiver durchpressen würde, als diese es letztlich taten. Die recht ambitionierten Zuspiele wurden mehrfach auch in unpassenden Situationen gewählt, wenn die Offensivakteure zuvor noch recht weit eingerückt waren, was insbesondere auf Kerk ohnehin konstanter zutraf.
Dass die für sich nicht so schlechten Positionierungen der vorderen „Clubberer“ in den Halbräumen kaum zur Geltung kamen, lag am eher geringen und auch wenig harmonischen Nachrückverhalten aus dem Mittelfeld. Behrens schob sich ohnehin recht früh schon nach vorne und wenn seine beiden Kollegen die Situationen einmal tief außerhalb der gegnerischen Formation begonnen hatten, dann wagten sie sich auch später etwas schematisch kaum weiter als über die zweite Linie vor. Rechts versuchte es Bauer einige Male mit kurzem Andribbeln und Diagonalpässen auf Kubo. Die rautenförmigen Staffelungen der Augsburger konnten sich dagegen aber in Überzahl zusammenziehen, da auch Koo recht gut zurückschob. Insgesamt hatte Nürnberg nur wenig Präsenz in den vorderen Bereichen.
Lange Bälle und Abprallerkonstellationen
Als Alternativmittel standen für das Aufbauspiel der Franken noch lange Bälle bereit. Nicht zum ersten Mal unter Interimstrainer Boris Schommers zeigte sich Nürnberg in diesen Momenten gut strukturiert: Zielspieler war halblinks normalerweise der aufrückende Behrens, um den herum Ishak als wuchtiger Typ pendelte. Auch die Flügel rückten etwas ein. Dagegen musste Augsburg Baier gegen den Ball insgesamt sehr tief halten. In offenen Abprallerszenen erforderte das einen etwas früheren Übergang zur Rückzugsbewegung gegen den größeren Abstand, der sich durch ein Herausrücken Koos ergeben hatte.
Bei den langen Bällen nach halblinks ließ Nürnberg oft Erras weiter aufrücken als Löwen, so dass sich eine schräge Mittelfeldreihung ergab. Das stärkte ballnah noch einmal die unmittelbare Stabilität und Physis. Im ballfernen Halbraum gaben die Gastgeber dafür ein wenig Präsenz ab. Wenn die Abpraller etwas weiter wegsprangen, konnte sich Augsburg aus diesen Bereichen lösen, die Ji mit Rückstößen gut auffüllte. So bot sich den Gästen die Gelegenheit, die Umschaltsituationen in den eigenen Ballbesitz überzuleiten und Aufrückmomente herzustellen.
Phasenweise sorgte die beiderseitige Nutzung langer Bälle für recht viel Tiefe im Spiel. Zudem gab es mit Behrens´ Einbindung für diese Zuspiele und den hohen Positionen Koos im Pressing, die dieser teilweise auch aus eigenen Aufbauszenen heraus einnahm, viele Konstellationen, in denen Folgeaktionen nach aufgerückten Läufen wieder ins Gesamtkonstrukt eingegliedert werden mussten. Dass sich keine der Mannschaft im Mittelfeld wirkliche Vorteile gegenüber der anderen erarbeiten konnte, äußerte sich also nicht unbedingt in gleichförmigen, zugeschobenen, intensiven Kampfduellen mit viel Gruppentaktik. Es gab eher Szenen, die auf eine andere Weise komplex zu koordinieren waren:
Bei – nicht selten effetvoll und hoch – durch das Mittelfeld springenden Abprallern fand sich häufig zunächst eine geringe Anzahl an Spielern im unmittelbaren Umkreis, die mit weniger Absicherung die Gesamtdynamik und das Sprungverhalten des Leders abschätzen mussten, ehe aus sehr unterschiedlichen Richtungen verschiedene Akteure hinzukamen und sich recht geschickt einschalteten. Formell hatte Nürnberg zwar Überzahl, Löwens Rolle sah aber auch manch breitere Bewegung vor und gegen die hohe Ballsicherheit von Baier und Koo gelang es den Gastgebern letztlich zumindest nicht, für entscheidende Überlegenheit zu sorgen.
Augsburg gut in der ersten Linie, aber bricht danach ab
Diese beiden Akteure waren für Augsburg auch sehr wichtig, wenn sie bei Ballbesitz früh unter Druck gesetzt wurden. Insgesamt hatte Nürnberg zwar gute Momente beim Aufrücken in ihre 4-3-3-Angriffspressingphasen, die sie sauber gestalteten und deren Systematik sie auch primär beim Zustellen von Abstößen nutzten. Aber über das Freilaufverhalten ihrer defensiven Mittelfeldmannen fanden die Gäste doch einige Gelegenheiten, sich durch die Schnittstellen der ersten Linie hindurch zu lösen. Dazu hatte Max einige gute Dribblings, über dessen Seite viel häufiger aufgebaut wurde als über rechts mit dem eher aus der Zirkulation ausgesparten Danso. Wechselte Nürnberg für ein höheres Mittelfeldpressing situativ durch Aufrücken Kubos oder eines Achters mal ins 4-4-2, bewegte sich Baier auch gut zwischen den Stürmern.
Im normalen Mittelfeldpressing wiederum hielt sich die Mittelfeldreihe der Gastgeber im 4-1-4-1 oder teilweise 4-5-1 zurück, verzichtete fast durchgehend selbst auf punktuelles Herausrücken zur Höhe des Angreifers.
Die Mannen von Manuel Baum fokussierten sich vor allem auf den linken Bereich, hatten über tiefere Positionen Dansos und Hahns einige Asymmetrien, Baier driftete agil über das Feld. In der eigenen Hälfte zeigte sich Augsburg also gut am Ball und spielte kontrolliert. Auch darüber hinaus kombinierten sie noch prinzipiell sehenswert von Baier in die nächste Linie zu Koo oder auch mal zu Ji, der sich im Halbraum situativ zurückfallen ließ. Abwechselnd sorgten diese beiden mit Gregoritsch für eine prinzipiell gute Besetzung des Zwischenlinienraums, grundsätzlich eher halbrechts hinter dem höher und breiter agierenden Hahn.
Diese spielerischen Ansätze führte Augsburg aber oft nicht weiter. Irgendwann rückte Koo dann häufig auf und besetzte schließlich sehr hohe Bereiche. Weder die gute Vorarbeit aus dem ersten Felddrittel hinaus noch die Ansätze der initialen Offensivaufteilung nutzte der Gast für die Weiterführung des Spiels. Nach dem Aufrücken ins zweite Drittel wurde die entstehende Raumkontrolle in der Breite der ersten Linie oftmals zur Vorbereitung für lange Bälle eingesetzt, bei denen Khedira präsenter sein konnte. Mit Gregoritsch auf der Position als nomineller Halbstürmer gab es dafür einen Abnehmer, der durch Koos aufrückende Bewegungen in hohe Zonen unterstützt werden konnte. Dahinter war in den unmittelbaren Anschlusszonen dann aber nicht so viel Personal als Ergänzung.
Verbindungen der Gäste problematisch
Die langen Bälle selbst konnte Nürnberg recht gut über tiefe Positionen von Erras beantworten, der sich im Falle einer nötigen Überzahlbildung gegen Gregoritsch quasi in die letzte Linie einreihte. Je nach genauer Anordnung der Gäste übernahm der Sechser situativ auch den hoch nachgerückten Koo von Behrens oder einen knapp hinter der vordersten Reihe eng eingeschobenen Außenstürmer. In den Flügelzonen konnte Augsburg über ausweichende Bewegungen von Gregoritsch einige lange Bälle festmachen. Das kam links beispielsweise gerade dann vor, wenn bei vorigen Rückpässen und entsprechendem Herausschieben des Nürnberger Kollektivs Kubo weiter ins Zentrum durchgepresst hatte und Löwen die Seite absichern musste. Gelegentlich schob sich in diesen Szenen noch Finnbogason zusätzlich zum Ball, während Hahn auf Tiefenläufe lauerte.
Doch trotz solcher Ansätze: Mit der Zeit wurde immer deutlicher, was in dieser Begegnung ein entscheidendes Problem der Gäste darstellte: Die Anbindungen vom Flügel zu den Abschlusszonen im letzten Drittel. Diese verwaisten immer öfter, wenn Augsburg mit zu vielen Spielern in die Spitze schob. Vor allem nach der Pause häuften sich die Szenen, in denen außen eine Pärchenbildung versucht wurde und teilweise fast alle Angriffsakteure in größerem Abstand dazu im Strafraum, dementsprechend untereinander noch in flachen Staffelungen standen. Eine Verbesserung der Staffelungen wäre nicht zwingend die Zauberformel für die gesamte Augsburger Offensive gewesen, aber eine Grundlage, auf der sie sich leichter getan hätte.
So standen schon die Voraussetzungen nicht gut. Planlos indes waren die Bemühungen der Gäste nun keinesfalls: Speziell in der Schlussphase schienen sie nicht nur klar über Flügelspiel und Flanken operieren, sondern dafür den ballfernen Teil des Strafraums gezielt überladen zu wollen – und setzten das entsprechend um. Dagegen sah sich Leibold in einer Szene unmittelbar vor dem Konter zum 2:0 genötigt, zu einem deutlichen Trikotzupfer gegen Gregoritsch zu greifen, der überraschenderweise nicht die Meldung des Video-Assistenten auslöste. Stattdessen kam es zum Konter für den vorentscheidenden Treffer der Gastgeber, die in der Nachspielzeit schließlich noch ein weiteres Tor folgen lassen konnten.
Fazit
Aus Augsburger Sicht ist das Spiel nun auch ungünstig und unglücklich gelaufen, fällt das Ergebnis deutlich zu klar gegen die Mannschaft von Manuel Baum aus. Einerseits könnte man manche Punkte berechtigterweise kritisieren, etwa das Pressingverhalten der ersten Reihe oder die Verbindungen im Offensivdrittel. Andererseits wäre die Partie in den meisten Fällen wohl mit einem Unentschieden geendet, das mit Blick auf die Gäste dann gemeinhin als ordentliche Ausbeute eingeordnet worden wäre.
Nürnberg kommt mit diesem Sieg noch einmal näher heran im Rennen gegen den Abstieg und meldet sich gewissermaßen zurück. Der Blick auf den Spielplan macht schnell bekannt, dass die „Clubberer“ am nächsten Wochenende ausgerechnet in Stuttgart antreten und im nächsten Kellerduell den Abstand plötzlich nochmals entscheidend verkürzen könnten. Das ist natürlich eine gute Situation für den Aufsteiger. Nicht so gut für Nürnberg aber: Der VfB hat zuletzt mit dem neuen 5-3-2 zumindest zu einem Weg von großer Stabilität gefunden.
Um zu punkten, ist der FCN in der aktuellen Konstellation stark darauf angewiesen, dass die Partien so verlaufen, wie es diesmal in der Begegnung gegen die Augsburger der Fall war. Gegen Stuttgart dürfte die Wiederholung dieses Szenarios ungleich schwerer werden, denn die Schwaben vermögen aktuell vor allem auf die Art und Weise zu spielen, wie es Nürnberg diesmal gut machte. Der VfB müsste im Aufeinandertreffen mit dem „Club“ ordentliche Aussichten haben, eine ausgeglichene Partie auszusitzen, lange stabil zu bleiben und auf einzelne, über ihre speziellen Offensivrollen laufenden Momente zu warten. Man darf gespannt sein, wie sich Nürnberg darauf einstellen wird.
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