Türchen 14: Kombinationstiming

Hinter dem 14. Türchen verbirgt sich ein schönes Kombinationstor. Mit Cazorla, Wilshere und Rosicky lässt es sich gut kicken.

Es ist gleich das zweite Türchen in Folge mit Beteiligung von Arsenal. Nichts gegen die wirklich gute und interessante aktuelle Mannschaft von Mikel Arteta, dass es wieder nicht schwerpunktmäßig um sie geht: Nachdem sich das gestrige Türchen stärker um einen ihrer Gegner der Gegenwart drehte, widmet sich die nächste Szene ihrer Vergangenheit.

Vor zehn Jahren hatte im Norden Londons noch Arsene Wenger die Fäden in der Hand. Aber Arteta taucht in der Szene als Spieler auf, wenn auch nicht als einer der Protagonisten. Dies waren vielmehr seine Offensivkollegen: In einer Partie gegen Sunderland aus der Saison 2013/14 erzielte Arsenal über Santi Cazorla, Jack Wilshere, Tomas Rosicky und schließlich Olivier Giroud ein sehr schönes Kombinationstor – bei weitem nicht das einzige dieser Kategorie zur damaligen Zeit (einer Zeit, die aber strukturell von keiner so konstanten Basis zehren konnte).

Bei Sunderland war der linke Außenspieler des 4-1-4-1 im Rückzug recht weit nach innen gezogen und die Seite neben dem dortigen Achter zunächst offen. Dort hatte sich Wilshere in den Freiraum abgesetzt und auch Rosicky befand sich von der nominellen rechten Flügelposition aus noch in einem recht flachen Bereich. Abgesehen vom Linksaußen und dem Mittelstürmer hatte Sunderland zumindest noch acht Spieler hinter dem Ball. Cazorla spielte fast genau vom Mittelpunkt auf Wilshere an und Arsenal konnte im Halbraum zunächst einmal auf den Block aus jenen zurückweichenden acht Spielern andribbeln.

Zwei Komponenten waren für die Fortsetzung der Szene wichtig und eine Voraussetzung für die späteren Kombinationen. Erstens startete Cazorla seinem diagonalen Passweg aus dem Zentrum nach halbrechts nach und schaltete sich im unmittelbaren Umkreis der Ballzone ein statt sich klar auf eine halblinke Grundposition zu orientieren.

Die zweite Komponente kam zum Tragen, nachdem Wilshere kurz angedribbelt und dann den Ball an den mitlaufenden Rosicky weitergegeben hatte: Dieser wählte nicht die naheliegende Weiterführung in den nächst breiteren Raum, quasi wie eine Fortsetzung vom Zentrum in den Halbraum und von da mit der gegnerischen Verschieberichtung weiter zum Flügel, sondern orientierte sich gegenläufig zur Bewegungsrichtung der Gegner nach innen.

Sagnas sehr aktives und gut getimtes Hinterlaufen nahm letztlich die Funktion ein, einen Gegner außen zu binden – konkret den aufwendig nacharbeitenden Flügelstürmer – und so Rosickys Weg nach innen zu erleichtern. In der Kette schob Sunderland wenig durch, so dass Linksverteidiger Cuellar eher isoliert verteidigen und Coleback als ballnaher Achter sehr flach zurückfallen musste, um Wilshere aufzunehmen – allgemein gesehen also die Notwendigkeit zu verstärktem 1gegen1-Verteidigen dadurch.

Allerdings hatte auch Cuellar selbst nicht das passendste Timing, ging im ersten Moment beim Anspiel zu Rosicky etwas zu früh nach vorne raus und fand dann auf dessen Kontakt nach innen keinen günstigen Zeitpunkt, um sein eigenes Körpergewicht gegen diese Bewegung zu verlagern (war aber auch keine so einfache Situation, muss man einschränken).

Rosicky hätte wiederum als „riskantere“ (oder unsichere in Bezug darauf, ob sie vom Timing möglich gewesen wäre) Lösung gegen Cuellars weites Herausschieben wieder One-Touch auf Wilshere zurückspielen und sich anschließend außen hinter Cuéllar für den Doppelpass freilaufen können. Das tat er interessanterweise nicht, so stark wie Wengers Team eigentlich auf genau jenes Direktspiel gepolt war. Stattdessen nahm er – vielleicht, weil er sich den tiefen Weg nicht zutraute – einen kurzen, stoppenden ersten Kontakt zur Annahme und dann als zweiten Kontakt die Mitnahme nach innen.

Zwischen den 1gegen1-Konstellation kam schließlich Cazorla ballnah als kurze Anspielstation für den horizontal laufenden Rosicky hinzu. Für die 4-1-4-1-Struktur Sunderland war es enorm schwer, darauf zu reagieren. Der zentrale Sechser Bridcutt entschied sich, gegen Cazorla herausschieben, hatte aber einen sehr langen Weg und musste daher fast zwangsläufig zu spät kommen. Stattdessen ging für Arsenal der Raum direkt vor der Kette auf (Ki hätte als ballferner Achter zugegebenermaßen auch noch etwas weiter einschieben können, seufz).

Hinter Bridcutt war dieser Raum aber noch nicht automatisch bespielbar bzw. wäre es nicht gewesen ohne die brillanten Aktionen, die folgten: Cazorlas One-Touch-Weiterleitung auf Wilshere gelang in herausragender technischer Ausführung und Rosickys kurze Anschlussbewegung kleinräumig weiter diagonal durch den Halbraum genau zwischen Achter und Sechser des Gegners hindurch ließ sich für keinen der beiden und auch nicht mannorientiert durch Cuellar verteidigen. Sehr geschmeidig driftete Rosicky in den Raum direkt vor der Abwehrlinie, wo ihm Wilshere den Ball wiederum ablegte.

Es war jedoch noch die letzte Linie zu überwinden, in der nicht nur die beiden Innenverteidiger standen, sondern daneben auch der zurückgefallene Achter und der zurückgefallene Flügelstürmer. Durch einen Doppelpass mit Giroud sollte Rosicky schließlich dort hindurch kommen – eine Aktion, die sehr einfach aussah.

Wichtig war dafür zunächst, dass Rosicky dauerhaft im hohen Lauftempo blieb, das er aus der vorausgegangenen Aktion mitnahm, während die Verteidiger nach hinten agieren mussten. Das mussten sie auch deshalb, weil wiederum exzellentes Timing eine Rolle spielte, diesmal bei Rosicky, der genau im richtigen Moment den einen nötigen Kontakt per Außenrist zum Pass auf Giroud setzte.

Schließlich glänzte auch dessen Beitrag. Er fand sich in einer Paradesituation für ihn, in der er seine Klasse ausspielen konnte: Im direkten statischen Duell mit dem Körper gegen den Gegenspieler arbeiten und dann Technik-Aktionen einbauen. Für seine Weiterleitung per Hacke zum Doppelpass bewegte Giroud fast gar nicht den Fuß als solchen, sondern er streckte einfach sein Bein zum richtigen Zeitpunkt und an der richtigen Position kurz aus – sehr unangenehm zu antizipieren und zu verteidigen für die Gegenspieler.

Gerade für die Details lohnt es sich, das Tor einfach im Video anzuschauen und zu genießen: Arsenals offizieller YouTube-Kanal hat vor einiger Zeit eine Top Ten aus jener Saison hochgeladen, in der es jener Treffer auf Platz 9 geschafft hat. Wer die Zusammenstellung bis zum Ende laufen lässt, findet als besonderes Highlight das viel besprochene „THAT Wilshere goal“, ein weiteres Extrembeispiel für absurde Technik-Aktionen nicht nur von Giroud, sondern in dem Fall noch von Wilshere eben.

tobit 15. Dezember 2023 um 12:04

Danke dafür. Beschreibt irgendwie perfekt, warum Rosicky meine erste große Fussballliebe war.

Und die Compilation ist auch klasse. Zeigt, wie sehr sich der Fussball (vor allem in der Breite) in den letzten zehn Jahren nochmal weiterentwickelt hat. Viele von den Toren würden heute so nicht mehr fallen … und wenn doch, dann würden sie als brutale Abwehraussetzer statt als brilliante Angriffe kategorisiert werden.

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