Was Real lange kann, kann Chelsea auch

1:1

Viele ausgedehnte Ballpassagen mit Breite und Absicherung prägten dieses Hinspiel des Halbfinals. Zu Anfang stellt Real zunächst noch höher zu, aber Chelsea kommt mit hoher Dynamik hinter die zwei tiefen gegnerischen Mittelfeldspieler.

Für den ersten Teil des Champions-League-Halbfinals zwischen Real und Chelsea würde die Formulierung von der „vertagten Entscheidung“ nicht nur zur resümierenden Beschreibung beitragen, sondern auch bereits zur Erklärung. Beide Teams hatten häufig lange, ausgedehnte Ballbesitzphasen und machten es dem Gegner jeweils schwer, Druck dagegen aufzubauen.

Im Idealfall kann dies auf Dauer dazu führen, dass sich der Gegner locken lässt und irgendwann womöglich zu einer unbedachten Aktion verleitet wird. Vor allem Chelsea gab sich in dieser Frage aber kaum eine Blöße. Letztlich versprühte die Partie dadurch oft die Wirkung eines gegenseitigen Belauerns.

Das Muster ausgiebiger Ballstafetten fand eine überdurchschnittlich starke Ausprägung und bestimmte die gesamte Begegnung. In der ersten Halbzeit wurde die Charakteristik nur noch nicht so auffällig, da Real noch höher zu pressen versuchte. Daraus ergaben sich anfangs vermehrt Dynamiken, weil die möglichen Ausgänge dann hauptsächlich – aus Chelseas Perspektive – Ballverlust, erfolgreicher Schnellangriff oder langer Ball hießen.

Reals Mannorientierungen mit Problemen gegen Bewegungen von Pulisic und Mount

Für dieses Zustellen rückte Modric in die erste Reihe vor, um der gegnerischen Dreierkette in Gleichzahl begegnen zu können. Diese gespiegelte Konstellation nutzte Real anschließend für ein mannorientiertes Attackieren. Das bedeutete auch, dass Kroos und Casemiro sehr weiträumig aufrücken mussten. Diese Umgebungen, in denen größere Ausweichräume um sie herum bestanden, waren für ihre nicht unbedingt herausragende Beweglichkeit und Athletik äußerst anspruchsvoll zu spielen.

Defensivformation Real, Offensivformation Chelsea

Im direkten Duell oder nach langen Bällen konnten beide aus den hohen Positionen nicht immer explosiv reagieren. Für den Raum in ihrem Rücken hatte Chelsea gerade gute Bewegungsmöglichkeiten. Mount pendelte ohnehin zwischen Mittelfeld und Angriff und Pulisic ließ sich oft plötzlich zwischen die Linien zurückfallen, um dort Bälle zu fordern. In der mannorientierten Anordnung musste Real die beiden weitgehend über Militao und Nacho aus der Abwehrreihe verteidigen und versuchte dies auch so.

Dafür hatten die Halbverteidiger allerdings sehr weite Wege. Einige Male zögerten sie vor diesem Hintergrund kurzzeitig und kamen gegen die wendigen Gegenspieler anschließend einen Schritt zu spät. Im Gesamten war das hohe Zustellen daher nicht so erfolgreich, weil es mehrmals durch direkte Pässe in den Zwischenlinienraum und explosive Ballmitnahmen von Pulisic oder Mount im 1gegen1 aufgelöst wurde.

Für Chelsea war das vor allem ein Timingspiel, um die beiden Akteure im richtigen Moment einzusetzen. Vor allem das strategische Geschick Thiago Silvas auf der ersten Aufbauposition machte sich dafür bezahlt. In manchen Phasen schlugen sich die Londoner darin weniger gut, in anderen sehr erfolgreich, wie etwa in der starken Anfangsphase. Aber es war eine Komponente, die die ganze Spielzeit jederzeit das Potential hatte, die Gemengelage der Partie umgehend zu dynamisieren.

Gute Schnellangriffe durch Gruppentaktik, aber suboptimale Nutzung des Raumgewinns

Statt direkt über Pulisic und Mount gelang es Chelsea zudem einige Male, sich über Dreiecksbildungen an der Seite durch die eigenen Mittelfeldspieler aus dem hohen Pressing zu befreien. Bei Zuspielen auf die Flügelverteidiger stellten die Londoner schnell eine kurze Anspielstation her. Das bedeutete zunächst einmal die Voraussetzung, um solche ballnahen Dreiecke zu schaffen. Damit man diese wiederum auch nutzen konnte, waren die Folgeaktionen der Mittelfeldakteure entscheidend, insbesondere im Falle Kantes aufgrund der Vorteile in direkten Laufduellen gegen Kroos.

Zwei wichtige Bewegungsmuster lagen den Szenen zugrunde, in denen sich Chelsea seitlich über das gute Ausspielen von 3gegen3-Gleichzahlsituationen aus dem ersten Drittel ins Mittelfeld löste: Zum einen ging es um eine unspektakuläre Form des Spielen und Gehen. Kante bewegte sich im ersten Moment in einer flachen Staffelung zum Ball hin, um anschließend diagonal nach vorne zu starten. Zum anderen kam es häufiger vor, dass er zunächst kurz in die Breite zog und sich anschließend für den Flügelverteidiger dynamisch wieder nach innen anbot.

Bei erfolgreichem Raumgewinn konnten sofort die ausweichenden Offensivleute aus dem Bewegungsvorteil heraus eingesetzt werden. Diese tendierten allerdings dazu, sich etwas zu früh und zu weit abzusetzen. Gleichzeitig hätten die jeweils ballführenden Akteure das Leder oft noch länger und aggressiver auf die letzte Reihe Reals zu treiben können. Insgesamt ließ Chelsea aus den vielversprechenden Schnellangriffen noch Potential liegen.

Chelseas stabile Ballbesitzphasen in der gegnerischen Hälfte

Wenn sich die Gastgeber statt des höheren Zustellens tiefer formierten, boten sie dem Gegner weniger direkte Möglichkeiten. Allerdings gab es auch auf Mittelfeldhöhe manche Szenen, in denen die mannorientierte Systematik nicht griff. Beim Gegentor verteidigte vor allem die letzte Linie individualisiert. Gelegentlich wurden auch die Sechser weiter herausgezogen, aber im weiteren Verlauf schlossen sie schließlich tiefer und kompakter nach hinten an.

Zum eigenen Drittel hin bildete Real gute 5-3- und häufig auch 5-4-Defensivstaffelungen, mit tieferem Vinícius Júnior. Dagegen bestand bei Chelsea eine gewisse Zurückhaltung. Die Basis war weiterhin eine stabile, ausgiebige Ballzirkulation. Manchmal kippte Mount noch als zusätzliche Verlagerungsoption am Übergang zum vordersten Drittel seitlich neben die Formation heraus, um dort zu ergänzen.

So konnte Chelsea das Leder ungefährdet um den Strafraum herum laufen lassen zu können. Insgesamt brachten die Londoner eher wenig Personal und Bewegungen in die vordersten Angriffszonen und hielten viele Spieler hinter dem Ball. Die letzte Linie rückte in solchen Momenten aber sehr hoch auf, um die Abstände für Gegenpressing klein zu halten, und ließ sich für etwaige Rückwärtszirkulation erst dynamisch wieder nach zurückfallen.

Reals Umformungen und Abkippbewegungen

Insgesamt brachte das Team von Thomas Tuchel genau das auf den Platz, was zu den Paradequalitäten des Gegners zählt: eine sichere, risikoarme Zirkulation durch die hinteren Mittelfeldbereiche aufzuziehen, die für den Gegner unangenehm zuzustellen war. Auch für die Madrilenen nahm der Punkt in dieser Begegnung eine zentrale Rolle ein. Die Spielweise, die Real unter Zinedine Zidane so häufig und auch bei den Champions-League-Titeln auszeichnete, erhielt durch die 5-3-2-Formation zudem eine besondere Betonung. Rund um die Dreierkette gab es zahlreiche positionelle Umformungen und Abkippbewegungen.

Defensivformation Chelsea, Offensivformation Real

Kroos kippte häufig links zwischen Halb- und Flügelverteidiger heraus, hatte dadurch also nominell noch einen Mitspieler mehr hinter sich als mit einer Viererkette. Allerdings rückte Marcelo als Reaktion darauf nicht zwingend einfach den Flügel entlang nach vorne, sondern häufiger in den Halbraum nach innen. Daraufhin schob Nacho situativ doch hoch und besetzte vor Kroos die Seite. Als primärer Breitengeber diente auf jenem Flügel in einer hohen Position Vinícius Júnior, der dadurch wohl Chelseas letzte Linie auseinander ziehen sollte.

Nachos gelegentliche Vorstöße hingen vom Aufrückverhalten auf dem anderen Flügel ab. Dort besetzte Carvajal im Extremfall ähnlich wie Vinícius Júnior die letzte Linie. Blieb er tiefer, zog sich dafür phasenweise Modric rechts weit auf den Flügel als zusätzliche Anspielstation für Verlagerungen. Die Präsenz des Kroaten war aber im Zusammenhang mit Kroos‘ Herauskippen auch im Zentrum gefragt.

Überhaupt gab es innerhalb des altbewährten Mittelfeldtrios der Madrilenen viele Wechsel und Rochaden. Da sich Kroos und Modric oft zum Ball zurückfallen ließen und es in der hintersten Linie die Dreierkette als Absicherung gab, unternahm Casemiro noch mehr Aufrückbewegungen als er es situativ im 4-3-3 tut, und bewegte sich über längere Phasen in hohen Zonen.

Raumgewinn unterbinden gegen ballsichernde Madrilenen

Insgesamt gestaltete sich die Spielanlage Reals dadurch sehr weiträumig. Chelsea musste viel verschieben und weite Wege machen. Mit meistens nur zwei Akteuren in der ersten Pressingreihe war es gegen die Struktur der Madrilenen schwierig, deren Zirkulation entscheidend einzugrenzen. Chelsea schien sich zu scheuen, Mount systematisch ins 5-2-3 zu bewegen (und dann Pulisic dort zu halten). So mussten sich die Londoner auf die Verhinderung größeren Raumgewinns und damit also eine Pattsituation konzentrieren.

Dafür wurde vor allem das Herausrücken des Flügelläufers genutzt und stets aggressiv umgesetzt. Dies sorgte dafür, dass sich Reals Spieler häufiger für die zwischenzeitliche Rückverlagerung entscheiden würden. Bei eingerückten Positionen Marcelos verfolgte Azpilicueta ihn mitunter mannorientiert, um dann mit dem Pass auf Kroos wiederum von innen auf diesen herauszuschieben.

Auf der anderen Seite wurde das Herausrücken durch Chilwell häufiger unterbunden, durch besonders hohe Startpositionen Carvajals. So mussten auch Chelseas Mittelfeldspieler viel in die Flügelverteidigung investieren. Teilweise orientierten sich die jeweils ballfernen Akteure frühzeitig in die Breite, um besser verschieben zu können. Im Zuge der Abdeckung solcher größeren horizontalen Abstände ergaben sich zwischen Kante, Jorginho und Mount viele flache Anordnungen mit wenig Tiefenstaffelung.

Dies ließ sich kaum mehr vermeiden, da der ursprünglich ballnächste Spieler nach weiten Verlagerungen normalerweise nicht so schnell zurückkommen konnte. Grundsätzlich blieb der Effekt nicht aus: Tuchels Mannen bewegten sich recht ausgewogen und hielten Reals Zirkulation so über weite Strecken im Mittelfeldbereich. Als kleiner Nachteil ergab sich nur, dass der Anschluss zur Kette manchmal etwas instabil wurde.

Real kaum mit Möglichkeiten, Räume zwischen den Linien zu nutzen

Dies lag auch am Verhalten der Verteidiger selbst, die sich nicht zu weit nach vorne zu orientieren wollen schienen. Grundsätzlich war das gegen Reals sogar passend. Beispielsweise hatte Liverpool an derselben Stelle im Hinspiel des Viertelfinals mit einer vergleichsweise hohen Abwehrlinie Probleme gehabt. Immer wenn es ins Mittelfeldpressing gegangen war, standen Klopps Mannen vor einer kniffligen Abwägung zwischen Pressingvorbereitung und der Gefahr, Quer- oder Rückwärtsstationen offen zu lassen gegen die vielen ballnahen Madrilenen.

Letztlich hatte Liverpool keine gute Mischung in dieser Dynamik gefunden gegen die Aktionen von Kroos und Co., sich nach hinten vom gegnerischen Mittelfeld abzusetzen. Dadurch erhielten die Madrilenen in jener Partie zumindest so viel Zeit am Ball, dass sie einige präzise Flugbälle hinter die Viererkette schlagen konnten und so zwei Tore einleiten konnten.

Einerseits hatte Real diesmal mit nur zwei nominellen Angreifern ohnehin weniger solcher Tiefenbewegungen. Zumal startete Vinícius Júnior in seiner stärker breitegebenden Rolle seltener aus Bereichen im Halbraum. Andererseits gab es bei Chelsea gleich drei zentrale Verteidiger und diese ließen sich etwas tiefer zurückfallen, um einem solchen Gefahrenszenario zu entgehen. Dafür nahmen sie potentiell einen größeren Zwischenlinienraum in Kauf.

Anders als Chelsea hatte Real kaum Spieler, die in diese Bereiche hineingehen konnten – und strahlte daher aus den langen kontrollierten Ballbesitzphasen nur wenig Gefahr aus. Marcelo rückte zwar aus seiner engen Position einige Male im Laufe von Angriffen nach vorne durch. Der entsprechende Passweg war hinter Kante jedoch schwierig bzw. meist nur kurzzeitig zugänglich und einige Male wurde der Flügelverteidiger – gerade während solche Momente – von den Kollegen auch übersehen.

Auf halbrechts hatte Real etwas weniger Präsenz. Die höheren bzw. dauerhaft höheren Positionen Casemiros ergaben sich durch die reduzierte Besetzung im Angriff und führten dazu, dass der brachiale Sechser fast überbetont wurde. Sobald er nicht nur punktuell zum Raumblocken dienen konnte, sondern vermehrt in Verbindungsräumen zum Einsatz kam und dort viel improvisieren musste, war das nicht optimal.

Wenn vereinzelt Angriffe überraschend abbrachen, zeigte sich Real – zumal durch die erhöhte Anzahl an positionellen Verschiebungen – leicht konteranfällig. Der einzige Spieler, der ansonsten den Zwischenlinienraum besetzen konnte, war Reals vorderster und klarster Stürmer Benzema. Er nutzte diese Bereiche für einige längere horizontale Bewegungen und Dribblings. Bei Szenen im Übergang zum letzten Drittel sorgte er auf diese Weise mit solchen Einzelaktionen für die – neben Standards – größte Gefahr seines Teams.

Fortgesetzte Pattsituationen nach der Pause

Nach dem Seitenwechsel zogen die Madrilenen ihr Spielchen fortan in einem Viereraufbau auf. Militao und Varane bewegten sich wie zwei Innenverteidiger, Nacho besetzte die Linksverteidigerposition. Dies ging mit einer nochmals erhöhten Präsenz von Kroos und vermehrt auch Modric in den ersten Aufbaulinien einher. So wurde die Ballsicherheit der Gastgeber weiter gestärkt. Vom Grundsatz veränderte die neue Struktur an der wesentlichen Gesamtkonstellation aber gar nicht so viel.

Zwischenzeitlich schien Chelsea wieder etwas früher attackieren zu wollen, konnte dies gegen die aufgefächerte Anlage der Madrilenen aber kaum durchhalten. Selten rückte aus der 5-1-2-2-Ausgangsformation mehr als ein Spieler aggressiver zum Ball nach, während das Team gerade zu einer der beiden Außenverteidigerpositionen verschob. Die weiteren Kollegen im Umkreis schienen endgültig großen Respekt davor zu haben, beim Vorrücken in den Pressingübergang durch eine aggressive Verlagerung oder einen schnellen, hohen Steilpass – auf Benzema oder einen der Breitengeber – überspielt zu werden.

Daher mussten die ballnächsten Londoner letztlich meistens die Rückwege für die Madrilenen passierbar lassen. Zumindest Zuspiele quer zwischen den Verteidigern blieben stets möglich. Über die eigene rechte Seite musste Chelsea zudem einige Male höheres Zustellen früh abbrechen und aufgeben, weil das Herausrücken des Flügelverteidigers neben dem Block nachließ. Durch die doppelte Breitenbesetzung vor Nacho – entweder mit Vinícius Júnior oder auch Marcelo – gelang es Real in diesem Bereich besser als vor der Pause, Azpilicueta hinten zu binden. In der Folge spielte allerdings viel den linken Flügel herunter und fuhr sich dort auch fest, woraufhin es dann abdrehen musste.

Ein ähnliches Mittel hatten auch die Gäste ihrerseits erfolgreich für die eigenen Ballbesitzmomente genutzt. In ihrem Fall ging es vor allem um Situationen innerhalb des zweiten Drittels: Mount bewegte sich einige Male aus hohen Positionen geschickt in die Breite, um Carvajal zu beschäftigen. Dadurch konnte Chilwell im Laufe längerer Ballpassagen befreit werden und stets als sichere Anspielstation dienen, um das Leder zwischen Flügel und defensivem Mittelfeld hin und her zu verlagern. Vereinzelt war Modric gezwungen, sich weiter zurückzuziehen und verstärkt die Seite vor Carvajal zu füllen. Vor der Entstehung des 0:1 fehlte deshalb der Zugriff auf Rüdiger, weil der Kroate Mount übergeben musste und nicht so schnell wieder in der vordersten Linie sein konnte.

Fazit

Die Ausgangslage lässt für das Rückspiel viele Möglichkeiten offen. Beide Teams agierten in Ballbesitz über viele Phasen in dieser Begegnung noch zurückhaltend. Tendenziell deutete Chelsea aber an, die etwas schärferen Waffen zu haben, um mit Schnellangriffen gegen Mannorientierungen oder einzelnen Tiefensprints aus tiefen Ballbesitzphasen durchschlagskräftig zu werden. Das könnte sich allerdings bei einer Rückkehr zur 4-3-3-Grundordnung Reals schnell nochmals anders darstellen. Strategisch könnte der Vorteil bei Chelsea liegen: Zum einen scheinen Tuchels Mannen kaum Gefahr zu laufen, in einer abwartenden Ausrichtung selbst ungeduldig werden zu können. Zum anderen ist es für die Londoner grundsätzlich eine reizvolle Konstellation, wenn Real hoch zustellt – was in London nach aktueller Ausgangslage wieder nötig sein könnte.

tobit 29. August 2021 um 08:17

Wird es eine Analyse zum „Must-watch Spiel“ Liverpool : Chelsea geben?

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Koom 30. Mai 2021 um 12:06

Wenn jemand im Grunde alle „besten Trainer“ in einer Saison besiegt, nie verliert und dabei nur 2 Gegentore bekommt, dann kann man wohl von einem der verdientesten CL-Sieger sprechen. Freut mich sehr für Tuchel, dass er endlich auch sein „offizielles Placet“ bekommen hat.

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studdi 31. Mai 2021 um 12:21

Ich habe auch selten jemanden den Triumph so sehr gegönnt wie Tuchel. Ich mochte ihn schon immer sehr als Trainer seit seiner ersten Station in Mainz.
Hoffe sehr das sich die Sicht auf Ihn in Deutschland wieder etwas ändert die für mich als Ausenstehender doch zu sehr geschädigt wurde durch einige Aussagen von Watzke.

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Koom 31. Mai 2021 um 12:42

Das mit Watzke wird ihm ewig nachhängen. Ich will da auch gar keine Diskussion neu entfachen, das war ein klassisches Shit-Sandwich mit vielen Zutaten.

Tuchel liebt den Fußball. So, wie Modelleisenbahnliebhaber stundenlang über eine Gleisgröße oder so sprechen können. Ein echter Fußballnerd (und auch ziemlich sonstiger Nerd). Sicherlich mag er immer ne Spur zu eckig und knochig in seiner Art sein, aber man kriegt auch mit Tuchel so viele spannende Interviews zu sehen, wo man merkt, dass das Liebe ist.

Passend dazu das heute veröffentlichte Manifest/Abrechnung von Zidane mit Real und auch mit den Journalisten. Alles noch sehr respektvoll gehalten, aber man versteht, was er sagen will. Presserunden mit Fußballtrainern sind größtenteils nur deswegen so uninteressant, weil fast nur Boulevard- und/oder 0815-Fragen kommen.

Aber zurück zu Tuchel: Schön zu sehen, dass er nach wie vor Dinge weiterentwickelt, aber einmal erprobte Dinge auch gerne wiederverwendet. Diese 5er-Kette da ähnelt in seiner Idee mit der Fünferkette, mit der er die Bayern einst düpiert hat und was seitdem von zig anderen Trainern viel weniger erfolgreich nachgeahmt wird. Tuchel ist immer noch genial darin, aus den ganzen Einzelteilen ein stimmiges Bild zu bauen. Er kommt eigentlich nie mit einer Formationsschablone „seines“ perfekten Systems an, sondern nimmt die Puzzleteile und ordnet sie so an, dass sie grandios werden. Das finde ich so bemerkenswert und auch und gerade deswegen mag ich es nicht, wenn man Tuchel zum „Schüler“ Guardiolas degradiert. Tuchel ist Tuchel. War es immer, wird er immer sein.

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WVQ 31. Mai 2021 um 15:03

Ich kann mich nur anschließen. Tuchel mag in anderen Kontexten auch schwierig sein, aber ihn über Fußball sprechen zu hören, ist eigentlich immer eine wahre Freude. Immer sachlich, respektvoll, voll Enthusiasmus, komplett ohne Phrasen und Bullshit. Gibt ja ohnehin nicht viele Trainer, die gegenüber der Presse (und erst recht unmittelbar vor oder nach Spielen) überhaupt Einblicke in ihre tatsächliche (fachliche) Gedankenwelt geben, aber bei Tuchel merkt man jedesmal, daß es ihn förmlich unter den Nägeln brennt, seinen Enthusiasmus über den Sport zu teilen.

Davon ganz abgesehen war es aber auch eine bemerkenswerte sportliche Leistung von ihm und der Mannschaft, im entscheidenden Spiel der Saison derart fokussiert zu sein, perfekt vorbereitet und die ohnehin schon rasante Entwicklung über eine halbe (!) Corona(!)-Saison hinweg nochmal zu toppen. Chelsea war fantastisch auf City eingestellt und auch wenn man sich keine Illusionen machen braucht, daß es in der ersten Halbzeit mit etwas mehr Fortune auf Seiten Citys auch andersherum ausgehen kann, war der Sieg letztendlich gerade deswegen verdient, weil man nicht bloß zufällig zum entscheidenden Tor kam, sondern über das ganze Spiel hinweg Citys Pressing variabel und intelligent ausgehebelt hat (der Spielzug zum 1:0 war das beste Beispiel dafür), immer wieder selbst entlastende Ballbesitzphasen und Druck generieren konnte und Citys Angriffe auf höchstem Niveau verteidigt hat.

Ich hoffe, es gibt hier noch einen Artikel zum Spiel, das sicherlich eines der spannendsten und interessantesten CL-Finals seit langem war, für mich persönlich sogar seit dem Finale 2013.

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Taktik-Ignorant 1. Juni 2021 um 18:48

Wäre er Bundestrainer, würde er wahrscheinlich viel kritischere (im Sinne von negativere) Kommentare auf sich ziehen. Dabei sähe ich ihn gerne mal in dem Amt. Ich konnte dieses halbe Jahr einige Spiele von Chelsea sehen und fand es phantastisch, was er in so kurzer Zeit aus dem Team herausgeholt hat. Und bis zur WM wird er dann auch Werner zu einem kompletten Angreifer (einschließlich Torgefahr) weiterentwickelt haben ;-))

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savona 2. Juni 2021 um 16:41

„Wäre er Bundestrainer, würde er wahrscheinlich viel kritischere (im Sinne von negativere) Kommentare auf sich ziehen. Dabei sähe ich ihn gerne mal in dem Amt.“

Vor sieben Jahren – als er sich mit dem Saisonende in Mainz die Auszeit per vorzeitiger Vertragsauflösung nahm, dachte ich: „Löw wird nach der WM so oder so – ob erfolgreich, wie dann geschehen, oder nicht – aufhören; und Tuchel hat bereits mindestens erste Signale vom DFB bekommen, sich bereit zu halten, da man interessiert sei.“ Da habe ich damals wohl einigen etwas zu viel zugetraut. 😉

savona 2. Juni 2021 um 16:16

„Ich hoffe, es gibt hier noch einen Artikel zum Spiel, das sicherlich eines der spannendsten und interessantesten CL-Finals seit langem war, für mich persönlich sogar seit dem Finale 2013.“

Einschätzung und Wunsch: d’accord. Wobei das vom Vorjahr auch nicht schlecht war – und ebenfalls andersrum hätte ausgehen können (insofern auch ausgleichende Gerechtigkeit für Tuchel). Die beim Geisterspiel fehlende Atmosphäre muss man gedanklich subtrahieren. Selbst im TV war der Unterschied eklatant.

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CHR4 19. Juni 2021 um 02:28

Die Aussagen von Watzke können bei konsequent logischer Betrachtung nur meine Sicht auf Watzke ändern. Von Tuchel mache ich mir dann doch gerne ein eigenes Bild und lasse mir nicht von Watzke einreden, was ich von ihm halten soll.
Er gilt schon seit Jahren auch in anderen Sportarten als Musterbeispiel für kreative Trainingsformen und Out-of-the-Box-Denken. Und er hat genauso wie Thomas Müller in Interviews auch mal den Finger in die Wunde gelegt. Das waren dann die Interviews, bei denen man das seltene Gefühl der Authentizität hatte und nicht das mittlerweile übliche weichgespülte PR-Blabla zu hören bekam.

Im übrigen gehe ich davon aus, dass eine Tuchel-Verpflichtung den Bayern einen Großteil der fußballerisch durchwachsenen Jahre erspart hätte.

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