Licht und Schatten bei europäischen Spitzenteams
Sowohl bei Juventus als auch bei Manchester United verlief die Saison bisher sehr wechselhaft. Anhand der Inkonstanz der beiden lassen sich ganz allgemein einige anspruchsvolle Komplexitäten des Aufbau- und Übergangsspiels dieser Tage diskutieren.
Manchmal braucht es nur wenige Tage, um ein Wechselbad der Gefühle zu erleben. So geschehen in und nach der vergangenen Champions-League-Woche: Während Juventus nach einem holprigen Saisonstart das Topspiel gegen Barcelona verlor und viele gefährliche Szenen des Gegners zuließ, holte sich Manchester United – auf nationaler Bühne mit noch kargerer Ausbeute – durch das furiose 5:0 gegen RB Leipzig neuen Schwung auch für die Liga. Schon schien das Team von Ole Gunnar Solskjaer wieder auf einem sehr guten Weg, doch nur eine weitere Partie und eine ernüchternde 0:1-Heimniederlage gegen Arsenal später war die gesamte Aufbruchstimmung wieder dahin.
Man sah gegen den Ligakonkurrenten fast nichts von der Wucht aus der Königsklasse, als Manchester häufig die linke Seite im Angriffsspiel hatte überladen können. Gegen Arsenal kam das Team kaum dazu, solche Ansätze überhaupt erst einmal zu initiieren. Überladungen waren grundsätzlich auch bei Juventus gegen Barcelona ein Thema: Ihre besten Momente hatten die Mannen vom neuen Trainer Andrea Pirlo, wenn sie – durch Ausweichbewegungen von Dybala und/oder Morata – viel Personal auf die rechte Seite brachten.
Beziehungen zwischen Überladung und Übergangsspiel
Bei beiden Teams gilt wie immer: Um eine entsprechende Wirkung zu entfalten, müssen die Offensivansätze – selbst wenn sie noch so stark sein mögen – zunächst passend in Szene gesetzt werden. Unter anderem am Thema der Überladungen lässt sich die Konstellation exemplarisch festmachen. Grundsätzlich kann man theoretisch schon im Aufbauspiel versuchen, lokal zu überladen, das passiert aber vergleichsweise selten, da der Schwerpunkt meistens darauf liegt, eine nominelle numerische Überzahl in der ersten Linie zu bilden.
In der Mehrzahl der Fälle finden Überladungen weiter vorne statt, sind dann für den Offensivbereich konzipiert. Man kann sie auf unterschiedliche Weisen – ob strukturell gesehen oder vom Timing – herstellen und in unterschiedlichen Momenten einsetzen. Häufig kommt es vor, dass Mannschaften einen bestimmten Bereich überladen wollen und diese Festlegung also mit einem entsprechenden Fokus verbinden, statt wechselnd unterschiedliche Bereiche zu überladen.
In der Folge kann zumindest die Spieleröffnung – auch ohne wirkliches tieferes Überladen – frühzeitig und prononciert auf die jeweilige Zone hin zulaufen. An dieser Stelle kommt es bereits wieder zu der so banalen wie wichtigen Voraussetzung, dass man den Ball möglichst oft und möglichst sauber in diese Aktionen transportieren muss, damit sie überhaupt wirksam werden können.
Zu solch räumlich festgelegten Überladungen gibt es genauso das umgekehrte Szenario: Zwingt ein Gegner den Aufbau verstärkt in einen bestimmten Bereich hinein, reagiert das ballbesitzende Team womöglich darauf, indem es seine offensiven Muster und Bewegungen hauptsächlich in nahegelegenen Angriffszonen einbringt und praktiziert. In Teilen ging der Auftritt von Juventus gegen Barcelona in diese Richtung, angesichts der Rollen von Paulo Dybala und Dejan Kulusevski dürfte Pirlo aber grundsätzlich schon eingeplant haben, verstärkt über rechts bzw. halbrechts zu spielen.
Juve gegen Barca mit vielen Eröffnungen über rechts
Dass der italienische Serienmeister quantitativ häufig über rechts eröffnen würde, legte bereits die Besetzung der Außenverteidigerpositionen nahe: Juan Cuadrado forderte viele Ballaktionen, Danilo hielt sich als Rechtsfuß auf links zurück, positionierte sich enger und bildete so situativ asymmetrische Dreierkettenstaffelungen. Dementsprechend agierte bei Juve in Ballbesitz Federico Chiesa links klar als Breitengeber und im weiteren Verlauf würde Cuadrado weiter aufrücken.
In den ersten Phasen des Aufbaus war er zunächst in der Spieleröffnung gefordert, wozu schließlich auch Barcelonas Anlage beitrug: Gegen die tiefere und engere Position Danilos musste Dembélé aus dem katalanischen 4-4-2/4-2-4-0 einfach nur in dessen Nähe bleiben und ihn zustellen, um einen ersten Effekt zu erzielen. Darüber hinaus gelang es den Gästen von Ronald Koeman über die zwei zentralen Akteure der ersten Linie, Juves Aufbau erst recht auf deren rechte Seite zu leiten. Indem der halbrechte Offensivspieler sich ebenfalls höher hielt, stellten sie Bonucci zu und forderten den anderen nominellen Innenverteidiger Mirah Demiral zur Initiative.
Grundsätzlich vertrug sich diese Aufteilung passenderweise mit den räumlichen Vorlieben Messis für die rechtsseitige Ausgangsposition, aber sie blieb auch bestehen, wenn die beiden Offensivstars der Katalanen vertauscht standen. Demiral leitete die Bälle meistens schnell zu Cuadrado – oder alternativ einem kurz zurückfallenden Sechser – weiter, obwohl Barca nicht allzu aggressiv ausgerichtet war und sich zunächst noch Raum geboten hätte. Andererseits neigten sowohl der Rechtsverteidiger als auch der ballnahe Sechser dazu, in solchen Momenten auch mal zu früh bzw. weit entgegen zu kommen.
Erhielt Cuadrado den Ball, rückte schließlich klassischerweise Pedri ins Pressing – aus einer im Vergleich mit Dembélé tieferen Startposition, die dadurch in den ersten Momenten eine gute Absicherung und kurze Abstände bot. Bis dahin hatte Barca normalerweise recht viel Zeit, um herüberzuschieben und mit den aufmerksamen Sechsern die Anschlusswege ins Zentrum zuzulaufen. Pedris tiefe Position bedeutete fast ein zur gegnerischen Fokuszone hin verschobenes Dreiermittelfeld.
Bei Juve gestaltete reagierten die vorderen Spieler in dieser Konstellation zunehmend so, dass sie ihrerseits viel Personal zu jener rechten Seite brachten. Chiesa agierte links ohnehin sehr breit und abwechselnd boten sich Dybala und Kulusevski aktiv an. Nachträglich zog der jeweils andere wieder vom Ball weg und/oder Morata lief zunächst horizontal nach halbrechts, um dann federführend oder ergänzend die Tiefe zu attackieren. Unabhängig davon, dass Juve ursprünglich nicht unbedingt so einseitig über jenen Flügel angreifen wollte, wirkten die gegenläufig und punktuell raumöffnenden Bewegungen dieser drei Akteure abgestimmt.
Ballzirkulation kommt nicht in Gang
Einerseits waren die Ansätze der Turiner in diesem Bereich gar nicht so schlecht, der vermeintliche Ausgleich im unmittelbaren Gegenzug zum 0:1 beispielsweise war bei Moratas Tiefensprint nur knappes Abseits. Das Problem sah stattdessen so aus, dass Cuadrado aufgrund der Vorbereitung der Situationen die entsprechenden Pässe, um aus den Läufen derartiges Kapitel zu schlagen, kaum kontrolliert spielen konnte. Über die gesamte Partie hinweg gesehen, gelang es Juve letztlich nicht gut genug, eine weiträumige Zirkulation zu etablieren, mit der sie die Einleitungen über ihren Rechtsverteidiger dynamischer hätten vorbereiten können.
Die Ballbesitzphasen in der ersten Reihe endeten auf dem Weg nach links aber zumeist mit einem frühzeitigen Abbruch bei Danilo, der gegen Dembélés Anlaufen vorsichtshalber abdrehte. Alternativ wäre eine tiefere Position Chiesas möglich gewesen, um die Zirkulation links weiter in die Breite auszuweiten, dies wurde von den Gastgebern zunächst nicht forciert. Gleichzeitig war es aus Sicht Juves aber nicht optimal, dass diese Ballpassagen übermäßig stark in der Horizontalen vonstattengingen.
Hatte der italienische Meister rechts bzw. halbrechts im Aufbau etwas Raum, versuchten sich die Sechser abwechselnd dort mit einzuschalten. Diese Wechsel waren allerdings hauptsächlich insofern flexibel, dass meistens der jeweils ballnahe Akteur die erste Bewegung machte. Ansonsten blieb ihre Einbindung in die Ballzirkulation jedoch sehr dezent: Sie pendelten wenig und hielten sich bei zentralen Ballbesitzmomenten ohnehin für Passkanäle zurück. Auch dies erleichterte den nicht übermäßig intensiv verteidigenden Katalanen das Verschieben, da sie sich vermehrt auf eben jene Horizontale konzentrieren konnten.
Einbindung der Sechser und Anschlussaktionen nach dem Vertikalspiel problematisch
Nun gestalteten sich für Rodrigo Bentancur und Adrien Rabiot im defensiven Mittelfeld die ersten Aufbaumomente allerdings dadurch schwierig, dass der jeweils tiefer positionierte Akteur von ihnen oft eng durch einen weiträumig herausrückenden Sechser des Gegners zugestellt wurde. Meistens übernahm Pjanic diese Aufgabe – mit dem Vorteil, dass der linksseitige de Jong von Anfang an in seinem Grundraum und dementsprechend konstant im Bereich von Juves rechter Seite präsent, die Absicherung hinter Pedri also garantiert war.
Lief das Spiel dann wie so häufig von den Innenverteidigern nach rechts, fiel Pjanic normalerweise rechtzeitig wieder im ballfernen Halbraum zurück. Das sicherte die Stabilität in der Mittelfeldlinie, die Stürmer reagierten gegen den jeweiligen Juve-Sechser aber passiv und manchmal auch etwas zu passiv. Wenn sich auch der nominell ballferne – und in der Situation etwa mittig positionierte – der beiden Turiner Zentrumsspieler zusätzlich mal mit einschaltete, ergab sich daher gelegentlich die Möglichkeit, vom Außenverteidiger nach innen und so in den Sechserraum zu kommen.
Diese Momente waren für Juventus sehr wertvoll, da sie von dort einen wesentlich besseren vertikalen Übergang nach vorne herstellten als aus der ersten in die zweite Linie. Dementsprechend wurde es aus Sicht der Gäste entscheidend, dass Pjanic ballfern so schnell zurückfiel, um den Passweg zwischen ihm und de Jong schließen zu können, wenn dieser weit mit nach außen schob. Über diesen Kanal versuchte Juve häufig den umtriebigen Morata in Szene zu setzen.
Die katalanischen Innenverteidiger mussten diesen einige Male weiträumig verfolgen. In jenen Momenten machte Morata ihnen Schwierigkeiten und so ergaben sich manch gute Ansätze der Gastgeber durch das Zentrum. Das Problem war nur, dass Juventus kaum Anschlussaktionen durch die Mitte auf die Beine stellte und Barca nach einigen Sekunden durch den Rückzug von Pjanic und de Jong letztlich oft wieder klare Überzahlen gegen den Angreifer schuf.
Die Aufgabe gestaltete sich nicht so leicht: Die Mannen von Pirlo mussten die Übergänge von den Sechsern im ersten Moment relativ schnell spielen, bevor der Gegner sich wieder zusammengezogen hatte, doch dadurch gab es auch für sie selbst nur wenig Zeit, um jene Unterstützung herzustellen. Meistens reichte sie nicht, damit Dybala und Kulusevski, die beiden nominell passendsten Akteure dafür, von halbrechts für Morata anspielbar werden konnten.
Bessere Vorbereitung durch tiefe Ballbesitzphasen gegen Spezia
Darauf, dass Juventus einen starken Rechtsfokus des eigenen Vorwärtsspiels eigentlich nicht in dem Maße anstrebt(e), deutet der Auftritt in der jüngsten Ligabegegnung nach der Niederlage in der Königsklasse hin: Einerseits kamen sie – gerade in der Anfangsphase – bei Außenseiter Spezia Calcio kaum in vergleichbare Eröffnungssituationen über rechts. Andererseits entwickelte sich aus dem defensiven Mittelfeld wesentlich höhere Aktivität, die es dadurch ermöglichte, die Aktionen durch das Zentrum, zu denen man in der Konstellation auch gefordert war, nun zu nutzen.
Letztlich machte das Team von Pirlo dies in der Qualität sogar sehr gut – auch gegen einen im Vergleich zur Champions League weniger starken Gegner, den man erst einmal so effektiv bespielen muss. Spezia selbst schien grundsätzlich verhindern zu wollen, dass Juventus über die rechte Seite aufbauen und diesen Bereich gegebenenfalls überladen könnte, denn aus ihrer 4-3-3-Formation heraus lief Linksaußen Diego Farias überwiegend von außen nach innen an.
Ballfern orientierte er sich bereits lauernd in Richtung Demiral, zumal mit einem etwas höheren rechten und einem breiteren linken Achter im Mittelfeld hinter ihm. So wurde der Favorit stärker ins Zentrum gezwungen, wo er sich jedoch besser verhielt als noch gegen Barca: Strukturell profitierten die Turiner sogar ein Stück weit von der gegnerischen 4-3-3-Formation, da ihre beiden Sechser die jeweiligen Schnittstellen zwischen den drei Angreifern als Orientierungspunkte nutzen und von dort immer wieder kurz nach vorne oder zurück pendeln konnten, um Passwinkel zu verändern oder näher anspielbar zu werden.
Dadurch wurde das Freilaufverhalten bereits automatisch aktiver und gleichzeitig ging es leichter von der Hand, darin eine erste Grundflexibilität aufzubauen. Daraus entwickelten Arthur und Bentancur deutlich mehr diagonale Bewegungen zwischen dem Zentrum und einem Halbraum. In der Folge konnte Juve den Ball besser zwischen Innenverteidigern und Sechsern laufen lassen und der Gegner war eher vor Entscheidungsschwierigkeiten gestellt, wie weit sich die erste Linie in einer bestimmten Situation zusammenziehen oder wie weiträumig einer der Achter gerade zum Ball schieben sollte.
Bei Rückpässen der Turiner schaltete Spezia zudem selten in kurze höhere Pressingphasen um. So wurde die Aufbauarbeit nochmals ein Stück weit erleichtert, indem solche Zirkulationsmomente nach hinten ebenfalls zu lockenden Effekten beitragen konnten. Diese Komponenten führten in Zusammenwirkung wiederum dazu, dass die Aufbauaktionen die ersten beiden Reihen Spezias beschäftigten und diese den Zwischenlinienraum nicht immer sauber abschirmen konnten.
Schlüssige Struktur und gute Besetzung zum Zwischenlinienraum hin
Genau diese Bereiche hatte Juventus auch schon gegen in der Champions-League-Partie nicht schlecht besetzt, nun besetzten sie sie noch etwas besser und hatten vor allem günstigere Situationen, um nach erfolgten Zuspielen auch Kapital daraus schlagen zu können. Beispielsweise agierte Morata erneut recht umtriebig und setzte sich vor allem in den jeweils ballfernen Halbraum ab. Dort war er einerseits noch schwieriger zu greifen als unmittelbar im Zentrum und profitierte andererseits von den günstigen Ausgangslagen, die dank des vorbereitenden Zusammenspiels zwischen Innenverteidigern und Sechsern möglich wurden.
Das galt auch für die Kollegen: Wenn Dybala sich weiter zurückfallen ließ, schob teilweise der höhere Sechser vor. In diesem Bereich hatte Juve – bei der grundsätzlichen Flexibilität – diesmal eine klarere Rollenverteilung im defensiven Mittelfeld als gegen Barca. Arthur agierte als erster Anspielpunkt und holte sich früher die Bälle ab, und gerade diese klare Verantwortung dürfte mit dazu beigetragen haben, dass das Freilaufverhalten – speziell bei Ballbesitz im Zentrum – ausreichend aktiv umgesetzt wurde. Bentancur konnte sich daran anpassen und entwickelte dabei automatisch höhere Diagonalität im Freilaufen.
Überhaupt wirkte die Grundstruktur beim Team von Pirlo schlüssig: Der linke Sechser schob eher hoch als der rechte, der Linksaußen gab wiederum den Breitengeber und dessen Pendant auf rechts – diesmal Weston McKennie statt Kulusevski – durfte wieder den Achterraum suchen. Dass Cuadrado in der ersten Linie durch die Bewegungen der gegnerischen Stürmer kaum in die Ballpassagen eingebunden wurde, nutzte er mit der Zeit verstärkt für frühere Übernahmen hoher Positionen und dementsprechend der Rolle des anderen Breitengebers. Quantitativ hatte er nicht weniger Momente als gegen Barca, aber nun wurde er vorwiegend über Verlagerungen aus dem Mittelfeld eingebunden, statt immer wieder durch den ersten Pass der Ballbesitzphase unter Zugzwang gegen das gegnerische Verschieben gebracht zu werden.
Von den vier möglichen Spielern im Zwischenlinienraum – also McKennie, Bentancur, Dybala und Morata – sorgten eigentlich stets zwei Leute für die dortige Besetzung und die Kollegen ergänzten flexibel. Mit der Steigerung im Aufbau als Basis kam das gut zum Tragen. Im Einzelnen waren bei den ersten drei Toren die genaue Entstehungsgeschichte, die jeweiligen Staffelungen und später auch das Personal unterschiedlich, das Prinzip aber eigentlich immer gleich: Juve eröffnete kleinräumig über den pendelnden Arthur, konnte gegen die Verschieberichtung in den Zwischenlinienraum gelangen und von dort weiterspielen, entweder direkt in dem zuvor geöffneten Raum oder mit einer gegenläufigen Bewegung in die Tiefe.
Manchesters unterschiedliche Gesichter gegen Leipzig und Arsenal
Mit einer ähnlichen Aufgabenstellung wie Juve in Italien sah sich derweil in der englischen Eliteklasse Manchester United konfrontiert. Im Old Trafford gastierte Mikel Artetes Arsenal – also ein Team, das im asymmetrischen 3-4-3 mit drei Offensivspielern in der ersten Linie anreiste und von außen nach innen lenken wollte. Die beiden äußeren Angriffskräfte, Willian und Pierre-Emerick Aubameyang, stellten die Innenverteidiger Uniteds zu und hielten sich jeweils minimal seitlich von diesen.
Bei einem Querpass näherten sie sich ihnen also aus der Verbindung zum Außenverteidiger heraus und erschwerten dementsprechend diesen Weg. Dazwischen ließ sich Alexandre Lacazette als nominell zentraler Stürmer leicht zurückfallen, eher auf die Höhe des tiefsten gegnerischen Sechsers bzw. genau zwischen die zwei dortigen Spieler, sofern Manchester sich im Aufbau mit Scott McTominay in flacher Position neben Fred formierte. In diesem Fall rückte Aubameyang ein wenig nach innen, um den Raum zu verdichten. Ohnehin pendelte bei Bedarf Lacazette bereits zwischen den zwei Gegnern.
Insgesamt fand Arsenal dadurch eine geschickte Anlage, um die ersten Wege durch das Zentrum zuzustellen, wogegen United anfangs große Mühe hatte. Das internationale Ausrufezeichen gegen Leipzig war eine beeindruckende Vorstellung des in der Liga daheim schon länger sieglosen Tabellenfünfzehnte gewesen. Grundsätzlich berechtigte er deshalb zu neuem Optimismus, weil die von Solskjaer neu geschneiderte Rollenverteilung konsequent und schlüssig angelegt war. Bereits eine Raute als Grundformation überraschte, deren asymmetrische Ausführung funktionierte dann sehr gut und sorgte für viel Durchschlagskraft.
Gerade in der zweiten Halbzeit, als bei den Gästen die Sauberkeit in der Absicherung nachließ, konnte United nochmals das Tempo erhöhen, reichlich Wucht entfalten und einen verdienten Sieg eindrucksvoll in die Höhe schrauben. Die Raute als solche war nach links verschoben: Paul Pogba als linker Halbspieler agierte höher und breiter als Fred halbrechts, der sich situativ zusätzlich neben dem zentralen Sechser formierte – nach dem selben Muster, wie dann anschließend auch in der Partie gegen Arsenal.
Weiter vorne besetzte Anthony Martial zwar häufiger das Sturmzentrum als der rechtsseitige Mason Greenwood, verhielt sich in diesem Sinne also mehr als Neuner von den beiden. Aber in den Momenten, in denen er eher über außen agierte, suchte er meistens sehr breite Positionen am Flügel oder wartete dort auf Dribblingmöglichkeiten. Demgegenüber pendelte Greenwood horizontal zwar auch viel, aber hatte in seinem Bewegungsradius nicht diese enorme positionelle Bandbreite.
Wenn United – ob aus dem Aufbau oder nach den vielen zweiten Bällen, die es in den umkämpften Mittelfeldsituationen gab und von denen sie einige eroberten – von der linken Seite den Weg in die Spitze suchte, war der rechte Angreifer der entscheidende Mann für die Durchschlagskraft. Greenwood lief zunächst horizontal ein und suchte dann die Schnittstellen innerhalb der Leipziger Dreierkette, um diagonal zu starten.
Nur weil Martial gleichzeitig breit zog gegen den Halbverteidiger, konnte United jene theoretisch verwundbaren Lücken auch praktisch vergleichsweise gut attackieren. Das Paradebeispiel für diese Bewegungsmuster zwischen den beiden Stürmern war Greenwoods Führungstreffer zum 1:0. Insgesamt folgten die Tore zumindest allesamt dem Ablauf, dass sie halblinks eingeleitet und dann im mittleren oder sogar halbrechten Strafraumbereich abgeschlossen wurden. Speziell durch Pogbas Position begannen eben mehr Offensivaktionen über links als über rechts.
United nimmt keine Dynamik auf
Mit ähnlichen Offensivaktionen hätte Manchester auch gegen Arsenal gefährlich werden können, wie sie zumindest punktuell andeuteten. Formativ setzte Solskjaer erneut auf die Raute, auf eine ähnliche Personalverteilung wie in der Champions League und auf die unterschiedlichen Einbindungen der beiden Halbspieler aus dem Mittelfeld heraus. Der rechte der beiden orierntierte sich dichter zum Sechser hin. Letztlich kam sein Team aber kaum in irgendwelche Offensivbereiche hinein geschweige denn in mögliche Überladungen, da es den Ball aus dem Aufbau überhaupt nicht dorthin zu bringen vermochte.
In dem Fall war das Potential im Angriff, das so viel bewirken konnte gegen einen starken Gegner wie Nagelsmanns Leipziger, schnell wertlos. Dass Manchester gegen Arsenal im Aufbau- bzw. vor allem eigentlich im Übergangsspiel nicht auf Touren kam, war gewissermaßen eine Frage der Ausgewogenheit. In den ersten beiden Linien fanden die Gastgeber keine so schlechten Positionen, aber sie hatten kaum Auftakt- und Anschlussdynamik in ihrem Spiel.
Beispielsweise hätten die Innenverteidiger nach einem Zuspiel auch mal etwas breiter ziehen können, um die Staffelung zu verändern, oder noch mehr durch kurzes Andribbeln die Höhe variieren. Was Lindelöf gegen Leipzig teilweise enorm stark gemacht hatte, erfolgte nun zögerlich und in den Ausnahmefällen unsauberer. Wenn die Innenverteidiger es mal wagten, die Sechser einzubeziehen, erfolgten diese Passstafetten kaum dynamisch. Dafür hätte es anderseits mehr kleine Pendelbewegungen der Mittelfeldakteure selbst geben können, um beispielsweise Lacezette zu Reaktionen in dessen Zwischenposition zu zwingen.
Fraglos benötigte United zwar eine klare und geordnete Grundstruktur, wie sie die Mannen von Solskjaer auch gut einnahmen. Aber gerade wenn man die Außenverteidiger nicht konstant einbinden und daher nicht so sehr über Verlagerungen in der ersten Linie Bewegung aufnehmen kann, braucht es eigentlich in der Vertikalen jene Dynamik zum und vom Sechserraum. Wenn es darum ging, diese vor allem über kleinräumige Aktionen herzustellen, war das für Fred und McTominay nicht so einfach.
Alternativpläne: Extrem(er) überladen oder verlagern
Diese Punkte, so muss man allerdings einschränken, deuteten sich in ähnlicher Weise auch schon gegen Leipzig an. Das 5:0 war nicht von Anfang das rauschende Torspektakel der Schlussphase. Fraglos hatte United bereits in der ersten Halbzeit eine gewisse Überlegenheit, speziell durch den guten und stabilen Grundzugriff im Zentrum über die Raute, aber das Aufbauspiel etwa verlief nun nicht unbedingt reibungslos. Selbst wenn es schwierige Situationen gab und die Verteidiger mal nach mehreren Anläufen nicht weiterkamen, blieb gegen Leipzig aber stets die Möglichkeit übrig, das Vorwärtsspiel einfach durch massive Präsenz auf links – notfalls ergänzt mit Gegenpressing und Wühlen – zu erzwingen.
Zwei Unterschiede gab es hinsichtlich der Alternativoption für United zwischen den beiden Partien: Erstens waren die Mannen von Solskjer bei der Herstellung genau solch massiver Präsenz auf links gegen Leipzig konsequenter und gingen teilweise „aufs Ganze“, wenn sie schon eine solch asymmetrische Formation spielten. Hatte Maguire keine andere Wahl, waren mehrmals Shaw plus Pogba plus Martial plus eventuell van de Beek in breiten Positionen vor ihm, er konnte die Linie entlang spielen und die Kollegen versuchten sich irgendwie herauszulösen – mitunter sogar erfolgreich, speziell dank der absurden Technik Pogbas.
Zweitens bedeuteten Eröffnungen über Rechtsverteidiger Wan-Bissaka gegen Leipzig eine Alternative. Das lag zunächst einmal daran, dass Arsenals Struktur in der ersten Linie über die Zwischenpositionen von Willian und Aubameyang diese Pässe erschwerte – wie eben überhaupt die Zirkulation. Von daher lag United der Gegner mit zwei Spitzen wie im Leipziger 3-5-2 demgegenüber eher. Nach Nagelsmanns Umstellung auf 4-2-3-1/4-4-2 wurde es bereits etwas schwieriger für das Team.
Zumindest konnte United gegen diese Struktur aber noch die Verlagerungen auf den Rechtsverteidiger in einer gewissen Quantität sicherstellen. Die verschobene Mittelfeldanordnung mit dem tieferen rechten Halbspieler half dabei, den Zehner innen zu binden und die Wege zu verlängern, bis dieser letztlich gegen Wan-Bissaka nachschieben würde. Selbst wenn dieser von seinem Gegenspieler gut im 1gegen1 gepresst werden sollte, hatte er gerade noch so viel Raum und Zeit, um sich durch ein Abdrehen horizontal nach innen Luft zu verschaffen und dann zurück auf die Sechs lösen zu können.
Welche Rolle sollte die rechte Seite spielen?
Über die Einbindung der rechten Seite gelang es United gegen Leipzig also, den Gegner zwischenzeitlich länger laufen zu lassen, was an dessen Kräften zehrte. Im Grunde genommen machte die Asymmetrie diese Option sogar doppelt wichtig: Wenn die Halbspieler zu Beginn des Aufbaus verschoben standen und United dann über Lindelöf und die rechte Seite eröffnen wollte, musste Fred aus der zentralen Position jedes Mal erst weit zu seinem eigentlichen Halbraum pendeln, um dort eine weitere Anspielstation zu geben.
Dadurch bestand die Gefahr, dass er zu spät sein oder ein schlechtes Sichtfeld nach außen haben würde. Anfangs gegen das 3-5-2 bedeutete das in diesem Fall – sofern für Fred also der Weg aus dem Deckungsschatten des Stürmers heraus zu lang war, ehe dieser Lindelöf unter Druck setzen konnte – sogar noch die weitergehende Gefahr, dass ein derartiges Szenario in einer klaren Leipziger Überzahlbildung mit ballnahem Stürmer, Flügelverteidiger und Achter geendet hätte.
In dieser Phase der Partie deuteten sich also mögliche Kehrseiten von Überladungen an, die man mit einer sensibilisierten Entscheidungsfindung umgehen kann und muss. Wie oft und in welchen Konstellationen wollte United über den rechten Flügel angreifen? Welche Rolle spielten dort dann Überladungen? So unvorbereitet und plötzlich wie dies manchmal versucht wurde, schienen die strategischen Überlegungen darüber nicht vollumfänglich bedacht abzulaufen.
Das Verhalten war uneinheitlich: Teilweise hatten die Gastgeber drei Offensivspieler breit auf rechts, aber Fred war noch gar nicht im Halbraum angekommen, um für Verbindungen zu helfen. Teilweise besetzten zwei Leute die dortige Außenbahn und ein dritter Mitspieler hielt sich noch ganz woanders auf. Die Rolle der rechten Seite als Alternativroute für die Offensive wirkte daher auch gegen Leipzig nicht eindeutig geklärt. Nur die Einbindung dieses Flügels in die Ballzirkulation entwickelte demgegenüber viel mehr Wirkung und gerade die Spielfortsetzung im Dreieck zwischen Lindelöf, Wan-Bissaka und Fred zurück nach innen funktionierte, hier und da mit etwas Glück, effektiv.
Gegen Arsenals Dreiersturm ließen sich diese Abläufe so nicht umsetzen, wie man sie gegen Leipzig gesucht hatte. Das galt auf der rechten Seite ähnlich wie für das gelegentliche Herauskippen des zentralen Sechsers, also im Champions-League-Match Matic, nach halblinks, das die Staffelungen zusätzlich etwas auflockerte (siehe auch Szenengrafik 17. Minute oben). Bei Arsenal blockierte aber Willian genau jene Zone. Während die Einzelspieler bei United gegen die Struktur der Leipziger, wie beispielsweise mit dem Herauskippen, recht gute Bewegungen gefunden hatten, gelang es ihnen individuell wie auch mannschaftlich gegen die veränderte Aufgabe, die sich ihnen mit Arsenal gegenüberstellte, deutlich weniger, zu passenden Antworten zu finden.
Eine Quasi-Manndeckung bedeutet potentielle Lücken
Für das Freilaufen im zentralen Mittelfeldbereich hätten großräumige Aktionsmuster eine Ergänzung sein können. Als Reaktion auf die Schwierigkeiten im Aufbau ließ sich teilweise Pogba aus seiner linksseitigen Ausgangsposition mit zurückfallen. Da Arsenal hinter der ersten Reihe mit den eigenen Zentrumskräften aber eng am Mann verteidigte, zogen diese Bewegungen eher Thomas Partey noch zusätzlich in den Sechserraum hinein. Dies drohte den Bereich weiter zu verengen, solange United nicht – also im stärker großräumigen Stil – auch mit gegensätzlichen Läufen von dort weg reagierte.
Noch stärker als gegen Pogba verteidigte Arsenal gegen Manchesters Zehner Bruno Fernandes mannorientiert bzw. genauer gesagt schon manndeckend. Bereits Thomas Partey stand manchmal ballfern etwas breiter im Halbraum statt den Anschluss ins Zentrum zu suchen, aber Elneny verfolgte den offensiven Mittelfeldspieler Uniteds ungemein weit und fand sich dadurch mitunter in absurden Räumen wieder – einmal sogar komplett an der Außenlinie, als der Ball ganz woanders war.
Innerhalb des Mittelfelds gab Arsenal also eigentlich riesige Räume preis und ging dementsprechend mit diesen Orientierungen ein großes Wagnis ein. Inwieweit dies gut gehen würde, hing entscheidend davon ab, ob United die sich öffnenden Lücken passend besetzen konnte. Greenwood, der gegen Leipzig noch stärker auf Tiefensprints ausgerichtet gewesen war, und Rashford pendelten zunächst vor allem horizontal in den vordersten Linien, zogen mit der Zeit aber zunehmend häufiger in jene Mittelfeldbereiche hinein.
Dass sie dies zum einen oft unabhängig voneinander taten und sich zum anderen fast immer klar für das mögliche Anspiel des gerade ballbesitzenden Kollegen anboten, deutete an, dass sie sich mit der veränderten Konstellation erst akklimatisieren mussten. So kamen sie meistens in Situationen, in denen sie mit dem Rücken zum Tor dem Ball entgegen liefen. Derartige Zurückfallbewegungen waren für Arsenal mit weitem Herausrücken aus der Abwehr grundsätzlich zumindest sehr klar aufzunehmen und zu verteidigen.
In gewisser Weise blieb Holding, Gabriel und teilweise Tierney in Anbetracht der extremen Rollen ihrer beiden Vordermänner gar nicht viel anderes übrig, als die Angreifer Manchesters so ambitioniert zu verfolgen und dafür auch die Kette weit zu verlassen. Solange die Rückstöße ihrer Gegner einzeln und mit klarem Timing erfolgten, kamen sie damit noch zurecht. Wenn sich Greenwood oder Rashford aber mal frühzeitiger zurück orientierten und/oder dort länger umherstreiften, wurde die Herausforderung bereits größer.
Die Stürmer Uniteds hätten sich etwas eher in Position bringen können, in denen sie für denjenigen Kollegen anspielbar gewesen wäre, der vermutlich als nächstes den Ball erhalten würde, sie warteten aber mehrmals bzw. blieben zunächst passiv. Die erste große Torchance der Partie, die United im Zusammenspiel der beiden Angreifer nach über zwanzig Minuten fast aus dem Nichts generierte, entstand aus einer Szene, in der Rashford einen Freistoß kurz ausführte und daher für die Folgeaktion aus einem tieferen Raum kam, als er wieder eingebunden wurde.
Rückstöße und ergänzende Anschlussbewegungen ohne Synergien
Manchmal war es sogar nur ein zufälliger Abpraller, der dort zu einem Offensivspieler sprang – aber selbst dann wurden die Gastgeber zwischen den Linien sofort enorm gefährlich, nachdem Elneny von Bruno Fernandes weit aus der Mitte gezogen worden und auch Thomas Partey nicht nachgeschoben war. Letztlich gelang es United nicht gezielt und konstant genug, jene Lücke anzuvisieren. Dafür bildete die Einbindung der Stürmer nur eine Komponente unter vielen.
Mindestens ebenso wichtig waren die Bewegungen im Mittelfeld selbst, wo es von der Sechs noch mehr Rochaden nach vorne hätte geben können, um durch solche Muster Anschlussaktionen herzustellen – zumal wenn man die erste Reihe gerade mal überspielt hatte. Trotz der Schwierigkeiten kam das letztlich einige Male vor und United steigerte sich im Aufbau, machte nur im Übergang dann zu wenig daraus.
So geschickt sich die drei vorderen Akteure von Arsenal in der ersten Linie verhielten, sobald sie einmal überspielt wurden, blieb die folgende Rückzugsbewegung in vielen Szenen beinahe inexistent. Gelang United eine Eröffnung auf einen Außenverteidiger, mochte es grundsätzlich noch sinnvoll sein, dass der ballnahe Angreifer der Gäste höher blieb, um so zumindest den ersten Rückpassweg zum Innenverteidiger zuzustellen.
Aber wenn United den Ball forscher zwischen dem Sechser und den Verteidigern hin und her gespielt und so schließlich mittig eine Lücke nach vorne gefunden hatte, entwickelte Arsenal mit den vorderen Akteuren kaum mehr Intensität. Dass dies den Gastgebern also manche Möglichkeit zum Vorwärtsspiel brachte, ließ die Problematik im Übergang erst recht schmerzhaft werden: Denn derartige Zuspiele auf Rashford, Greenwood oder eventuell den in der Verbindungszone postierten Pogba blieben ohne ergänzende Bewegungen weiterer, gewissermaßen „dritter“, Kollegen.
Keine leichte Balancefrage für United
Insgesamt gab es also in diesem Bereich große Schwierigkeiten, allerdings hieß das nicht automatisch auch, dass diese vergleichsweise einfach und vor allem schnell zu beheben gewesen wären. In gewisser Weise muss man das krisengebeutelte Manchester und insbesondere auch Solskjaer an dieser Stelle in Schutz nehmen: Dass Arsenal eine solch überraschende Mischung aus kompakter erster Pressinglinie im Trichter und aus teilweise massiven Manndeckungen dahinter praktizieren würde, musste man nicht unbedingt erwarten – und die extreme Note machte eine Reaktion knifflig.
Sie machte die Herausforderung, vor der United ohnehin stand, noch einmal besonders ausgeprägt: In dieser Konstellation die richtige Mischung und eine Balance zu finden zwischen sauberer Positionsbesetzung in der ersten Aufbauzone, in der man die Ordnung nicht zu sehr aufbrechen wollte, und vielen Rochaden und gegenläufigen Bewegungen ab dem Übergangsbereich, war nicht leicht. Vor allem musste ab einem bestimmten Bereich die Grenze dazwischen fließend werden.
Für die Zentrumskräfte der Raute bestand die Herausforderung darin, diese Grenze zu finden – also ab welchem Punkt sie hätten anfangen können und müssen, aggressivere Bewegungen zu forcieren. Auch bei den Stürmern ging es um eine ähnliche Ausgewogenheit – darum, viele Läufe zu machen, dabei einerseits nicht zu weit in isolierte Räume weg zu ziehen und andererseits nicht zu eng zum Ball hinzukommen, dann aber auch nicht zu spät sich doch wieder anspielbar zu machen.
Der „unangenehme(re)“ Charakter der Manndeckungselemente
Im Grunde genommen handelte es sich für das zweite und das letzte Drittel erst einmal „nur“ um die klassische Balancefrage im Spiel gegen Mannorientierungen: Man muss sich erst gegenseitig Raum öffnen, aber bei jedem Pass in den Fuß dann doch wieder – zumindest mit einzelnen Spielern – unterstützten, um die nächste Anspielstation zu garantieren und dem Gegner nicht genau die 1gegen1-Konstellationen zu schenken, auf denen dessen Ansatz eben beruht. Für United kam nun aber als Vor-Aufgabe hinzu, dass es im ersten Drittel zunächst einmal schauen musste, wie dort Dynamik in den Aufbau zu bringen war.
Eben weil die Spieler gegen Arsenals Pressingformation kaum Balltempo – theoretisch am naheliegendsten über die vorwiegend horizontale Zirkulation – fanden, wuchsen die Schwierigkeiten exponentiell an, die anspruchsvollen Offensivaktionen vorzubereiten. Je mehr Wirkung sie aus dem ersten Drittel hätten generieren können, desto größer wäre der Vorteil gewesen, mit dem sie dann quasi in die zweite Runde – also das Ausspielen der engen Deckungen von Elneny und Co. – gestartet wären.
Vor dem Hintergrund dieser gegnerischen Pressingausrichtung sah sich United mit dem sehr mannorientierten Mittelfeld sogar in gewisser Weise der unangenehmeren Konstellation gegenüber, als sie Juventus mit der nicht ganz so mannorientierten Spielweise Spezias hatte. Eigentlich kann man defensive Verhaltensmuster wie jenes „Nachlaufen“ von Elneny relativ „simpel“ aufbrechen. Daher hätten diese Manndeckungszüge für Arsenal sehr gefährlich – und bei einem Scheitern auch leichter mal katastrophal – enden können, und letztlich war dieser Schachzug allein unter den Voraussetzungen so praktikabel, wie sie die erste Pressinglinie schuf.
Wie United sah sich am Wochenende auch Juventus grundsätzlich einem Widersacher gegenüber, der mit drei Spielern in vorderster Front oft nach innen anlief und dieses Gebilde somit recht kompakt hielt. Der italienische Meister bewältigte seine Aufgabe – wenn auch nicht im Duell mit einem anderen nominellen Topteam – insgesamt souveräner: Zum einen lag das am Bewegungsspiel im defensiven Mittelfeld. Zum anderen war der dort im Zentrum weniger mannorientierte Gegner – zumindest in diesem konkreten Fall – für sie die dankbarere Situation.
Sobald sie sich in der zweiten Linie, zumeist über Arthur, Freiheiten verschafft und Spezia in die passive Rolle gedrängt hatten, ließ sich diese momentane Überlegenheit leicht nutzen, indem man die Zwischenräume konzentriert besetzt hielt. Hatte man die ersten Gegner überspielt, musste man – im Vergleich zu United – „nur“ noch in der Position stehen (und dann natürlich irgendwann ins Angriffsdrittel weiterspielen) und nicht erst durch aufwendige Rochaden eine freie Anspielstation suchen.
Resümee
Zuvor ging es aber in sämtlichen der unterschiedlichen Konstellationen stets darum, erst einmal in diese Lage zu kommen, den Gegner kurz laufen zu lassen und solchen Raumgewinn entsprechend vorzubereiten. Genau so wenig wie für United war das auch für Juventus gegen Spezia kein Selbstläufer. Die Mannen von Andrea Pirlo machten es vielmehr in dieser Partie sehr gut, und damit bereits wesentlich besser als gegen Barca. Auf dieser Grundlage kam das Offensivpotential dann direkt deutlich entfesselter – wie die berühmten, aber prinzipiell jeweils treffenden Motive vom Ketchup oder vom Knotenlöser es suggerieren – zur Geltung. So entstehen in die eine wie auch in die andere Richtung relativ schnell und nachvollziehbar jene teilweise größeren Wechselhaftigkeiten, mit denen beide Teams – und auch einige andere – derzeit zu tun haben. Ausgewogene Umsetzung ist eine nicht zu unterschätzende Herausforderung.
7 Kommentare Alle anzeigen
studdi 4. November 2020 um 11:01
Ich war sehr gespannt auf das Trainer debüt von Pirlo und habe mir deshalb schon ein paar Spiele vo Juve diese Saison angeguckt. Schön das hier eine Analyse geschrieben wurde.
Ich muss sagen mir gefällt es das Pirlo versucht seine Spieler Offensive in Ihre besten Räume/Aktionen zu bringen mit seiner Aufteilung. Dybala, Chiesa, Kulusevski oder Guardado haben hier schon sehr passende Rollen. Auch Ronaldo kann so denke ich gut Eingebunden werden. Hoffe das er die nötige Feinabstimmung findet und mit gezielten Verstärkungen könnte da eine sehr starke Mannschaft entstehen. Denke da zum Beispiel an Alaba dem die Danilo Rolle ja quasi Masgeschneidert ist.
Manu verfolge ich jetzt nicht so sehr. Aber da ich gerne Arsenal gucke hatte ich das Spiel auch gesehen. Habe mich nur etwas Gewundert wieso man nicht versucht Van de Beck einzubinden. Glaube er hätte dem Spiel auf der McTominay Position ganz gut getan, da er gerade diuese nachstoßen doch sehr gut macht.
tobit 4. November 2020 um 14:40
Juve könnte wirklich sehr interessant für Alaba sein. Nicht nur die Danilo-Rolle passt gut zu ihm, auch als IV könnte er gut passen, da Chiellini wohl im Sommer zusammen mit Buffon aufhört. Alaba und de Ligt wäre eine tolle Paarung, die man jederzeit wieder mit Bonucci, Demiral oder Danilo (den würde ich gerne mal als rechten „Halbverteidiger“ sehen) zur 3er-Reihe ergänzen kann. Außerdem scheint Juve von der Corona-Pandemie bisher in ihrer Liquidität deutlich weniger beeinflusst als andere Topklubs und sollte daher auch ein finanziell konkurrenzfähiges Angebot machen können – und grundsätzlich geht ja jeder ablösefreie Top-Profi zu denen.
Wie findest du Rabiot aktuell? Hat ja nach seinem unrühmlichen Ende in Paris auch bei Juve erstmal Zeit gebraucht. Und wo siehst du Morata am ehesten nach Cristianos Rückkehr?
Das Spiel gegen Arsenal hatte denke ich neben der passenden Ausrichtung Artetas auch viel mit der Besetzung der beiden tiefen Mittelfeldpositionen bei United zutun. Matic und Fred passen finde ich gut zusammen, McTominay ist da insgesamt (aber besonders in Ballbesitz) klar schwächer. Und Fred ist als tiefer Sechser für mich auch nicht optimal, die Rolle als Pendler zwischen Sechs und Acht ist eigentlich perfekt für ihn.
Van de Beek sehe ich in der aktuellen Formation eher nicht rechts. Er ist zwar grundsätzlich genial im großräumigen Bewegungsspiel aber eher nicht so in diesen Zonen. Er braucht mehr Mitspieler und vor allem Spielmacher in seiner Nähe, denen er dann Räume aufblocken kann. Meine Sorge wäre, dass er sich zu stark nach vorne oder nach links orientiert und damit sowohl den Sechser als auch AWB alleine lässt.
Ich fände es ja interessant, Mal Fernandes als nominellen Stürmer zusätzlich zur Raute zu bringen. Mit solchen Besetzungen (Ziyech als RA bzw. Tadic als falsche 9) hat van de Beek bei Ajax finde ich sehr gut harmoniert. Dann müssten aber die AV wohl eine ganze Ecke offensiver stehen.
tobit 4. November 2020 um 14:56
http://lineupbuilder.com/?sk=vy2g9
http://lineupbuilder.com/?sk=vy2gy8
sowas könnte ich mir da vorstellen.
Grundsätzlich finde ich die aktuelle Raute aber sehr passend sowohl zu den Mittelfeldspielern als auch den ganzen beweglichen Stürmern (und Rauten sind halt einfach geil).
studdi 4. November 2020 um 16:15
Hm also zu Rabiot weis ich nicht so recht… Ich persönlich mochte ihn noch nie sonderlich, kann aber auch nicht wirklich sagen wieso. Bin da wohl nicht in der Lage eine Objektive Meinung zu äußern.. 😀 Ich seh da auf Sicht McKennie, Bentancur, Arthur oder Ramsey auf der 6er/8er Position besser kann aber wie gesagt auch eine sehr subjektive Meinung von mir sein.
Morata wird tatsächlich interesannt. Also Höchstwahrscheinlich wird Ronaldo ja dann auf der Linken Stürmer Position Spielen welche Morata in diesen Spielen begleitet hatte. Dann könnte Morata nach Rechts rutchen würde aber Wohl Bedeuten das Dybala dann nicht spielen könnte… Eventuell könnte man aber auch Danilo als RV / Halbrechtsverteidiger Spielen lassen und Cuardado links. Wurde auch in 1-2 spielen schon so gemacht. Dann könnte Dybala Links spielen und einrücken könnte dann prinzipiel auch ganz interessant sein im zusammenspiel mit Ronaldo ich glaube aber Dybala ist im Rechten Halbraum einfach besser ähnlich wie Messi.
Was Eventuell auch Vorstellbar wäre Vielleicht sogar Ronaldo im ertsen Aufbau Moment Links Breit spielen zu lassen und Alex Sandro auf der Danilo Position. Im weiteren Verlauf wenn man Aufrückt könnte sich dann Ronaldo eher richtung Tor Orientieren und Alex Sandro nachrücken und die breite Geben. Dann könnte wieterhin Morata Dybala un Kulusevski Spielen. Defensiv könnte es dann eher ein 4-3-3 sein statt des Momentanen 4-4-2.
Glaube aber eher das auch aufgrund des engen Spielplans eher Morata Ronaldo und Dybala im Wechsel vorne eingesetzt werden.
tobit 5. November 2020 um 13:25
Ich fand Rabiot so als Spieler eigentlich immer interessant, weil er theoretisch jede Position und Rolle im Zentrum spielen kann. Die Ruhe eines Deep Lying Playmakers, der Körper (und oft auch die Laufwege) eines Box-to-Box-Achters und die Technik eines Zehners. So ein bisschen Pogba-lite mit mehr Sechser im Mix.
Die Besetzung der rechten Seite scheint ja gefühlt jedes Spiel zwischen Kulusevski und einem Achter-Typen zu wechseln. Da würde ich Morata glaube ich eher weniger sehen, ist aber finde ich eine sehr passende Position für Ramsey (oder vllt. auch mal Dybala), der mir in einer Doppelsechs nie gefallen hat. Gestern scheint Morata ja dann den zweiten Stürmer / Zehner gegeben zu haben.
Ronaldo erst breit zu lassen halte ich einerseits für interessant, weil der Gegner ihn bewachen WIRD (anders als die meisten anderen, die man da hinstellen könnte) aber andererseits für unpassend, weil er vom Kopf her nicht dafür gemacht ist eine Position zu halten, sondern immer wieder umherzudriften. Sandro (oder Alaba, um den Gedanken nochmal aufzunehmen) dürfte links generell ein Upgrade zu Danilo sein, wenn er mal wieder fit ist. Davon dürfte der LA ganz allgemein profitieren, egal wer das gerade ist.
Bei United ist die Raute leider schon wieder Geschichte, und OGS vielleicht bald auch. Da sind jetzt Spieler und Trainer oft genug ausgetauscht, dass man die als Kern des Problems ausschließen kann (nicht, dass man das nicht schon vor ein paar Jahren gekonnt hätte, aber jetzt erst recht).
studdi 5. November 2020 um 14:22
Vielleicht ginge bei einer Entlassung von OGS ja Rangnick zu United. Somit wäre die Raute vielleicht doch wieder Aktuell. Glaube das Rangnick auf diesen Job Spekuliert nach seinen Absagen in Italien…
tobit 5. November 2020 um 15:23
So wirklich viel hat Rangnick nie mit Raute gespielt. Und sein geliebtes 4-4-2/4-2-2-2 könnte man mit dem United-Kader ja eigentlich auch ganz schön spielen. Fernandes, Pogba, van de Beek und die ganzen Halbstürmer passen alle wunderbar auf die Doppelzehn.
Die Frage ist für mich am ehesten: gibt Rangnick sich mit dem Trainer-Job zufrieden oder überreizt er sein Blatt wie bei Milan? Einerseits könnte es ein mit Blanko-Vollmacht ausgestatteter Rangnick kaum schlechter machen als die aktuelle Klubführung, aber so wirklich toll oder langfristig hat er das in der Vergangenheit auch nicht geschafft. Und sobald man mit einem Teil seiner Arbeit unzufrieden ist oder er aufhört, müsste man die gesamte Spitze wieder neu besetzen, weil Posten abgeben kann er mit seinem Ego nur schwer vereinbaren.