Türchen 5: Weston McKennie

Derbyzeit im Dezember 2018: Stark angeschlagene Schalker empfingen den designierten Herbstmeister aus Dortmund – und einige Zuschauer dürften beim Blick auf den Aufstellungsbogen Domenico Tedesco für verrückt erklärt haben: Weston McKennie im Sturm.

Als sich eine krisenhafte Phase im Dezember 2018 hinzog und zuspitzte, setzte Domenico Tedesco auf Schalke zwischenzeitlich voll auf die ambitionierte Schiene: In den beiden Heimpartien ausgerechnet gegen den großen Rivalen aus Dortmund und dann nochmals gegen Leverkusen überraschte er mit einer unorthodoxen Aufstellung, in der sich unter anderem Mittelfeldallrounder Weston McKennie als nomineller Mittelstürmer wieder fand – in der ersten Partie in einer Raute, danach als hängender Angreifer eines 4-4-2/4-4-1-1.

Schalke – Dortmund 1:2 (07.12.2018)

Es erscheint gut möglich, dass diese Aufstellung ursprünglich als eine Defensivmaßnahme gegen den BVB gedacht war: Gegen den Ball presste McKennie nach dem erfolgten Zuspiel auf einen Dortmunder Außenverteidiger häufig aus der Raute weiter nach hinten in tiefere Zonen – quasi sein eigentliches Betätigungsfeld – nach, um so den ballnahen Flügel und damit die dortigen Überladungsbildungen des Teams von Lucien Favre zusätzlich zu verdichten. In anderer Konstellation wurde dieses Experiment des stürmenden Mittelfeldmannes später dann nochmal aufgegriffen.

Gruppentaktik und Auftaktaktionen

Grundsätzlich galt McKennie bereits als flexibel einsetzbarer Spieler. Eine der wichtigsten und prägenden Eigenschaften des arbeitsamen Allrounders sind seine gruppentaktischen Fähigkeiten, ist sein Gefühl in entsprechenden Situationen. So verhält sich McKennie recht kombinativ, sorgt im Zusammenspiel für insgesamt gute Bewegungen und bringt vor allem fast immer aktiv Anschlussaktionen ein. Wenn er mal als defensivstarker Flügelspieler agierte oder von der Achterposition situativ nach außen rochiert, wirkt er in den seitlichen Zonen häufig recht effektiv in Dribblings und überrascht in einigen Szenen damit, wie er sich unorthodox aus Unterzahlen herauszuwinden vermag.

Dies erklärt sich aus seinen herausragenden Auftaktaktionen, ob in der Dynamik aus der unmittelbaren Ballmitnahme heraus oder aus einer ruhigeren Startsituation ins Dribblings hinein – eine der größten Stärken des US-Amerikaners. Intuitiv hat McKennie ein exzellentes Gespür dafür, in welchen Momenten und mit welchem Zug er die Dribblings aufnehmen muss, wie er sich dafür orientieren und wie sehr er das eigene Tempo oder das des Balles mit annehmen sollte. Das ermöglicht ihm gerade wirksame Übergänge in solche Situationen hinein und bedeutet also speziell für die ersten Momente einen Vorteil, von dem er beispielsweise bei längeren Läufen jedoch etwa hinsichtlich der Entscheidungsfindung nicht immer zehren kann. Normale Tiefenbewegungen brachte McKennie als Achter dafür insgesamt recht zahlreich ein: In der Rolle des Angreifers bedeutete das erst einmal eine gute Voraussetzung.

Forsch als Mittelstürmer

Als Mittelstürmer schlug er sich vor diesem Hintergrund gar nicht schlecht: Nicht nur erfolgten die einzelnen Einbindungen jeweils in Form vergleichsweise kurzer Situationen. Darüber hinaus entwickelte McKennie über jene guten Dribblingauftaktaktionen eine ordentliche Ballsicherheit in vorderster Linie. Zwar gestaltete sich sein Bewegungsspiel eher wie das eines Mittelfeldallrounders und damit insgesamt zu ausschweifend, trotz situativ immer mal gefährlicher Tiefenläufe. Doch zumindest schuf er sich damit oft Szenen, in denen er so jeweils aus dem Tempo in die Aktionen startete. Nach diesen Vorbewegungen konnte er dann einige Male das Leder selbst in suboptimalen Ausgangssituationen, in denen er über seine ambitionierten Bewegungen gelandet war, noch für sein Team im Spiel sichern.

Gelang das nicht, konnte er schnell wieder nachsetzen – die emsige, laufstarke Charakteristik des Allrounders kam nicht zuletzt für das Gegenpressing gelegen. Überhaupt schien Tedescos Schalkes dies phasenweise zu forcieren: Ohne gelernten oder körperlich hervorstechenden Zielspieler operierten sie insgesamt mit einigen langen Bällen. Diese wurden meistens etwas länger in den Rücken der Abwehr oder etwas kürzer in den Zwischenlinienraum geschlagen. Entweder – im zweiten Szenario – versuchten die „Knappen“ den zweiten Ball zu erobern, oder – im ersten Fall – sie nutzten das Zurückfallen des gegnerischen Blocks gegen den Flugball für ein geschlossenes Nachrücken, um eigene Präsenz weiter vorschieben zu können: In dieser Konstellation nahm McKennie die Rolle des ersten Jägers ein und schuf über eine aggressive Umsetzung dort bereits viel Dynamik.

Andere Einbindungen

Den angesprochenen guten Auftakt im Dribbling kann der Schalker Allrounder auch noch in verschiedenen anderen Rollen sehr gut einbringen: Im ersten Spiel nach Tedesco, bei der Rückkehr von Huub Stevens gegen RB Leipzig, war das im März diesen Jahres beispielsweise der Fall. Als rechter Flügelverteidiger eines 5-3-2 wurde McKennie aus einer gänzlich anderen Einbindung heraus in jener Begegnung gleich wieder zu einem Schlüsselakteur: Nach Eröffnungen auf den Flügeln startete er gegen das Pressing der Bullen forsch in aggressiv gewählte, weiträumige Anschlussdribblings. Zusammen mit Bastian Oczipka auf der anderen Seite zeichnete er auf diese Weise entscheidend für die Offensivübergänge seines Teams verantwortlich, die maßgeblich von den beiden getragen wurden.

Beim Stichwort Leipzig lässt sich schließlich noch ein Beispiel aus der aktuellen Saison unter David Wagner anfügen, eine Auswärtspartie der Schalker vom September, als sie überraschend beim damaligen Tabellenführer mit 1:3 gewannen. Sie traten in einer Rautenformation an, in der McKennie als rechter – und bei Ballbesitz offensiverer – Halbspieler agierte, und funktionierten stark über die konsequenten Bewegungen ihrer Stürmer Burgstaller und Matondo. Dagegen ließ sich die Leipziger Viererkette viel zu leicht in die Tiefe drängen, zulasten der vertikalen Abstände. Die Angreifer wiederum behaupteten sich individuell mit guten Anschlussaktionen und schöpften dafür die vergrößerten Ausweichräume aus.

Als Julian Nagelsmann im Verlauf der ersten Halbzeit dagegen auf eine klare Dreierkette umgestellt hatte, gingen die Schalker Stürmer schnell zu wesentlich horizontaleren Bewegungsmustern über und versuchten mit Rochaden auf die Außen hinter die Flügelverteidiger Druck auf die Abwehr auszuüben. Auf den rechten Flügel des unermüdlichen Guido Burgstaller konzentrierten sich die Schalker besonders, mit Überladungsansätzen unter anderem durch das Aufrücken McKennies teilweise an die letzte Linie. Um aus solch mitunter wilden und improvisierten Ballungen wirklich Gefahr zu erzeugen, war der rechte Halbspieler ein wichtiger Akteur: Über die bloße Unterstützung nach den direkten Zuspielen auf die Stürmer hinaus konnten gerade seine guten Auftaktaktionen einige abgebremste Situationen über Dribblings wieder scharf machen. Vor dem Elfmeter zum wegweisenden 0:2 war er zudem mit einem Tiefenlauf beteiligt, in dessen Schatten Amine Harit von der Zehnerposition nach halbrechts rochieren und sich dort ans Strafraumeck absetzen konnte.

studdi 5. Dezember 2019 um 15:38

McKennie wollte ich auch zuerst tippen. War mir dann nur nicht sicher ob man Ihn einer festen Position zuordnen kann 😀

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