Auf Sicherheit gegen die Krise

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Köln geht wenig Risiko und erarbeitet sich so den ersten Saisonpunkt. Für die diesmal nicht ganz so durchschlagskräftigen Hannoveraner war positiv, wie ungefährdet sie das Match im Griff hatten – solide in allen Spielphasen.

h96-köln-2017Nach dem Schlusspfiff in Hannover schien das Remis aus Kölner Sicht nach dem krisenhaften Saisonstart weitgehend als kleiner Erfolg verbucht werden zu müssen. Entsprechend waren die „Geißböcke“ sehr vorsichtig in die Partie gegangen und die Hausherren hatten viel vom Ball. Gegen eine 5-3-2-Formation der Kölner übernahm der Aufsteiger von André Breitenreiter das Kommando und behielt die Zügel auch über weite Strecken der Partie mit einer insgesamt kontrollierten Vorstellung in der Hand. Sie eröffneten stets aus einer Dreierreihe heraus, indem Schwegler sich entweder zentral zwischen die Innenverteidiger, oft aber auch daneben nach rechts in den Halbraum fallen ließ.

Hannovers Aufbau gelingt besser

Vor dem beweglichen bis weiträumigen Dreiermittelfeld der Gäste, aus dem häufig der zentrale Lehmann lose herausrückend den gegnerischen Verbindungsspieler Bakalorz zustellte, fokussierte sich deren Sturmduo fast zu stark auf die Mitte und schob kaum nach außen. So konnte Hannover die über Schweglers Herauskippen gebildeten Strukturen recht gut an- und ausspielen – zumindest besser, als es umgekehrt dem Kölner Dreierkettenaufbau aus dem 5-3-2 heraus gelang. Ein gewichtiger Unterschied lag hierbei in der Verteilung der Offensivpräsenz: In dieser Konstellation machte sich die doppelte Flügelbesetzung der Hannoveraner bezahlt, die die Kölner bei etwaigen herausrückenden Bewegungen im Verschieben viel mehr beschäftigte, so dass diese nicht so weit vorschieben konnten bzw. aus Vorsicht wollten.

Aus der starken Konzentration auf die Flügelzonen, der grundsätzlich eher geringen Intensität im Pressing der Domstädter und der für eher flache Vertikalstaffelungen sorgenden losen Orientierung Lehmanns an Bakalorz resultierte ein Gemenge an Faktoren, das eine leichte Instabilität in die zweite Kölner Linie brachte. Mit dem Herauskippen Schweglers ergab sich gleichzeitig für den Gastgeber eine gute Voraussetzung, um dies mit der nötigen Diagonalität zu bespielen. So gelang es dem defensiven Mittelfeldmann der Hannoveraner, einige eröffnende Bälle durch die Mittelfeldreihe zu bringen. Dort formierte sich bei den Niedersachsen eine vergleichsweise hohe Offensivabteilung, eng nahe der Angriffslinie geballt. Vor allem Karaman rückte oft ein und sorgte für Überladungen auf der rechten Seite, die aber gegen Kölns präsenten Block fast zu eng wurden.

Offensivmuster und Rückzugsbewegung als Faktoren des Übergewichts

Nach Direktbällen aus dem Mittelfeld an die letzte Linie wollten die Hausherren die Angriffe sehr vertikal durchspielen und hatten über Ablagen dafür manch vielversprechenden Ansatz. Zu solchen Szenen kamen sie aber etwas zu wenig, öffneten das Spiel zwar recht gut nach außen, die allerletzte Durchschlagskraft fand Hannover an diesem Tag gegen die Fünferkette jedoch nicht. Vielversprechend wurden also aus den aufgefächerten Aufbaustaffelungen vor allem tiefe Verlagerungen im Bereich des zweiten Drittels. Hierbei spielte Hannover ihre Grundstruktur dominant aus und ließ Kölns 5-3-2 laufen. Dafür hatten sie auch eine konsequent umgesetzte taktische Maßnahme parat: Häufiger als in einrückender Manier agierten ihre Außenspieler auf dem entgegengesetzten Wege. Zu Anfang der Szenen positionierten sie sich weit innen, zudem recht hoch, überluden also die Angriffslinie und zwangen Köln in eine kompakte Formation – insbesondere deren Verteidigungslinie.

Erst nach der Verlagerung rochierten sie dann regelmäßig diagonal nach außen, teilweise mit gut getimter und überraschender Verzögerung. Nach solchen Mustern boten sie sich erfolgreich für Linienpässe der Außenverteidiger an, wenn die Kölner Defensivflügel auf diese herausrücken mussten, und konnten in deren Rücken mehrmals im 1gegen1 mit Maroh oder Heintz in breiten Positionen zur Grundlinie dribbeln. Dieses wiederkehrende Muster wirkte konsequent geplant. Mochten daraus auch nur wenige klare Chancen entstehen, erarbeitete sich Hannover so viel Offensivpräsenz und ein Übergewicht. Gegen die numerisch starke Besetzung um die vordere Linie zog sich das Kölner Mittelfeld oft besonders engagiert zurück, teilweise fast bis zu nah an die eigene Abwehr, so dass sie für gegenseitige Unruhe sorgten und die Sicherung des Rückraums etwas vernachlässigten. Der eine oder andere so entstehende Abschluss für 96 blieb dann aber in einer fast aberwitzigen Endverteidigung hängen.

Wirklich problematisch war dieses Verhalten der zweiten Reihe eher in einer anderen Hinsicht: Die Abstände zu den Stürmen wurden in der Rückzugsbewegung recht groß. So wurden Konter und Entlastung erschwert, zumal die Angreifer bei den Rheinländern sich gerade für diesen Zweck besonders unorthodox bewegen. Schon in der letzten Saison wichen sie für den Umschaltmoment sehr aufwändig und weiträumig aus, lauerten etwa in ballfernen Positionen, was neben Modeste durchaus auch Osako zugute kam. Unter diesen Umständen nahmen nun die Distanzen aber zu sehr zu. Daher hatte Köln Schwierigkeiten, sich nach Ballgewinnen sauber zu lösen und Befreiungsschläge festzumachen. Großen Anteil daran besaß zudem das Rückzugsverhalten der Gastgeber, das maßgeblich durch die aufmerksame Doppel-Sechs (speziell Bakalorz mit einzelnen herausragenden Szenen) getragen und von der ebenfalls geschickten, athletischen Restverteidigung durch Sané und Anton gestützt wurde.

Kölner Aufbaufragen

Ähnliche Probleme, sich gegen diesen defensiven Mittelblock durchzusetzen, stellten sich den Kölnern aus der Aufbauarbeit heraus. Die hinterste Linie fächerte nicht ganz so sauber auf und in der Folge ließen sich die Halbverteidiger von der gegnerischen Doppelspitze recht leicht nach außen abdrängen. Gelegentlich formierte sich der hängende Angreifer bei Hannover auch etwas tiefer in der Nähe von Lehmann, auf diesen rückte bisweilen aber schon Schwegler weiträumig mannorientiert heraus, ehe er sich zügig wieder zurückzog. Am Flügel konnten die Hausherren mit dem 4-4-2-Gerüst dann recht gut Druck machen und viele hektische Pässe erzwingen, so dass Köln die gewissen Unsauberkeiten und Risiken des Pressings der Gastgeber nur sporadisch anzudeuten vermochte.

Dies hatte auch in den allerersten Saisonpartien zu den Schwierigkeiten gehört, als die Mannschaft von Stöger strategisch noch anders ausgerichtet war und den nächsten Schritt in Richtung einer stärker ballbesitzfokussierten Spielweise zu vollziehen versuchte. Aus der Zirkulation heraus hatten sie in jenen Partien stets gute Diagonalpässe vom Flügel ins Zentrum samt dortigen Kombinationen über eine klare Rollenverteilung zwischen eng einrückenden, weiterleitenden Flügeln und ablegenden Stürmern. Nur hatten sie beim Aufbau jener Zirkulation selbst Potentiale liegen gelassen: In der zweiten Halbzeit gegen den HSV etwa standen sich teilweise Verteidiger und Mittelfeld auf den Füßen oder blockierten sich gegenseitig, was etwa Hector zu improvisierten weiträumigen Aufrückbewegungen innerhalb einer ansonsten suboptimalen und etwas zu unambitionierten Raumbesetzung aus den hinteren Linie zwang.

Der verhagelte Saisonstart bot also schon gar nicht so wenige Lichtblicke, die allerdings von den dagegen stärker wirkenden Problempunkten eingrebremst wurden und nun zwischenzeitlich einer mehr stabilitätsorientierten Ausrichtung geopfert werden mussten. So versuchten die „Geißböcke“ in dieser Begegnung später über den breiter gehenden Bittencourt als Fokusspieler die linke Seite zu überladen und dies für die vielen langen Bälle einbringen, die einen wichtigen Pfeiler ihres Aufbaus bildeten. Mit Córdoba in vorderster Front gab es für diese Zuspiele einen passenden Zielakteur, die Frage war aber immer die nach dem ausreichenden Aufrücken: Insgesamt blieb Köln auf eine vorsichtige, abgesicherte Herangehensweise bedacht, um die Bälle nur in risikofreien Zonen zu verlieren. Speziell die Wing-Backs hielten sich öfters zurück. Nur bei klaren Ballungen am Flügel schob man etwas kollektiver mit in die Offensive, kam dafür aber – auch als sie etwas mutiger wurden – im Zentrum gegen die Innenverteidiger und Sechser der Hausherren selten zum Zug.

Fazit

Am Ende dürfte es für die Gäste das Ziel gewesen sein, den Niederlagenlauf zu stoppen: Hinten stabil stehen, vorne nicht allzu viel Risiko gehen. Das gelang auch mit einer soliden, sicher keineswegs glänzenden Leistung gegen den Ball. Um dann demnächst auch wieder Erfolge einzufahren, dürfte einer der Schlüssel im Aufbauspiel liegen, mit dem sich die Rheinländer abermals schwertaten. Hannover überzeugte in dieser Hinsicht mit einer ordentlichen Grundstruktur zwischen der Schwegler-Rolle und der hoch wie eng formierten Offensive, ergänzt durch die klaren Bewegungsvorgaben der Flügelstürmer. In der Umsetzung war das Ganze dann sehr flügellastig und vielleicht etwas zu stürmisch vertikal angelegt, aber auf absolut solidem Niveau. In Verbindung vor allem mit der starken Rückzugsbewegung gelang es den Niedersachsen somit, dem Spiel ziemlich kontrolliert den eigenen Stempel aufzudrücken.

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