Alles Roger?
Während sich die Bundesliga in der Vorbereitung auf die Rückrunde befindet, möchten wir einige Mannschaften ins Visier nehmen und Fragen zur taktischen Ausrichtung aufwerfen. Den Anfang macht Roger Schmidts Pressingmaschine, auch bekannt unter dem Namen Bayer 04 Leverkusen.
Strukturiertes Chaos
Ich hatte mich bereits zum Saisonstart darüber ausgelassen, dass die Rheinländer in der damals vorgegeben Ausrichtung diese Saison keinesfalls auf einem Top-Platz beenden werden. Ich erneuerte meine Kritik zum Ende der Hinrunde, muss aber Einschränkungen vornehmen. Der Unterschied zwischen Roger Schmidt und Diego Simeone war für mich vor kurzem noch eindeutig. Der Argentinier orchestriert sein Team, variiert Rhythmen und Intensität, passt an und verwaltet so einen recht kleinen Kader. Roger Schmidt lässt seinen ebenfalls dünnen Kader unablässig auf Hochtouren laufen.
Doch Schmidt, wer hätte etwas anderes erwartet, lernt aus Fehlern und ist dazu in der Lage, die größere strategische Ausrichtung seiner Mannschaft abzuändern, wenn es notwendig ist. Zu Beginn der Saison, mit einem Auswärtssieg bei Borussia Dortmund und einem Überstehen der Champions-League-Qualifikation im Gepäck, konnte Leverkusen vor Kraft kaum laufen. Die Ernüchterung folgte prompt. Neun Tore kassierte man in der Bundesliga nach dem Auftaktsieg. Leverkusen lässt vielleicht nur die zweitwenigsten Schüsse in der Liga zu, kassierte jedoch in fünf Partien zwei oder mehr Gegentreffer. Kommen sie einmal ins Schwimmen, konnten sie einmal die Kräfte nicht richtig einteilen, dann kann die Mannschaft auseinanderbrechen.
Wovon lebt der Roger-Schmidt-Fußball? Der erste Ansatz besteht in der Arbeit gegen den Ball, wie es bereits bei Red Bull Salzburg der Fall war. Der studierte Maschinenbauer setzt auf sehr gleichmäßige Kollektivbewegungen in Richtung des Balles. In der Regel verschieben bis auf die Innenverteidiger und den ballfernen Außenverteidiger alle Akteure in Richtung des Ballführenden. Die vordersten Spieler laufen direkt verdichtend an, dahinter wird der Staffelungsdruck forciert. Die weiträumigste Bewegung zeigt dabei meist der jeweilige ballnahe Außenverteidiger, der die Linie entlang läuft und sich zu den Angreifern gesellt. Man entblößt bewusst das Restfeld und spekuliert auf unpräzise lange Schläge. Die Gegner von Leverkusen möchten den Ball nicht im Aufbau verlieren, weil sie sich neben den allgemeinen Gefahren auch der Beschleunigungsfähigkeiten von Karim Bellarabi und Co. bewusst sind. Es ist eine riskante Spielweise, die sich bei größter Intensität auszahlen kann.
Ein kurzer Exkurs in eine andere Sportart (Wer die NFL intensiv verfolgt, mit dem könnte man noch ins Detail gehen. Alle Nichtinteressierten können diesen Exkurs ruhig überspringen.): Womöglich verfolgen manche im Moment die Playoffs der NFL. Gestern schied Cincinnati gegen die Colts aus Indianapolis aus. Cincinnatis Head Coach Marvin Lewis überraschte zuletzt unter anderem am vorletzten Spieltag der Regular Season selbst einen erfahrenen, im Moment etwas schwächelnden Quarterback wie Peyton Manning. In der Defence spielen sie im 3-4 oder 4-3 an der Line of Scrimmage, stehen aber, schon bevor der Ball vom Gegner gespielt wird, als großer Block an der Linie. Diese Blitz-Varianten werden immer wieder gespielt und man forcierte zuletzt das geringste Passer Rating der gegnerischen QBs. Dieser Ansatz ist jedoch gefährlich. Denn man lässt dahinter junge Spieler, teils Rookies zu viert nur Man-to-Man gegen die Receiver spielen und verzichtet auf wenigstens einen Safety, quasi einen Ausputzer. Ein Durchbruch wäre ein großer Raumgewinn, die Wahrscheinlichkeit eines Touchdowns ist hier noch größer als bei orthodoxeren Verteidigungsformationen. Jedoch vertraut man auf den Druck, den man zuvor auf den Passgeber ausübt, sodass dieser keine Zeit hat, das Feld zu lesen. Allerdings deutete Cincinnati mit den zentralen Linebackern, der zweiten Verteidigerreihe, des Öfteren solche Blitz-Formationen an und ließ sich dann doch nach hinten fallen und verwirrte so die Quarterbacks.
Ein Vergleich zu Leverkusen lässt sich hierbei finden. Es mangelt beim Bundesligadritten zuweilen an der Variabilität des Pressings, an Überraschungsmomenten. Selbst wenn man ständig Druck ausüben kann, so können spielstärkere Gegner doch hin und wieder einen befreienden Spielaufbau initiieren oder aber längere Bälle in den Raum vor oder neben die Innenverteidiger bringen. Gerade ein schneller Seitenwechsel in der ersten Linie bewegt Leverkusen oftmals dazu, mit dem Kollektiv komplett auf diese Seite zu verschieben. Bevor Zugriff generiert wird, ist aber ein erneuter, dieses Mal diagonaler Seitenwechsel möglich. Die individuelle Qualität von Ömer Toprak und Emir Spahić federt manches ab. Allerdings haben beide sowieso leichte Geschwindigkeitsnachteile, die das Verteidigen gegen durchgebrochene Angreifer nicht unbedingt erleichtern.
Chaotische Struktur
Leverkusens System lebt von der Intensität. Nicht nur ist dies ein Druckmittel beim ballorientierten Verschieben. Es ist zudem eine Entscheidungshilfe für Schmidts Spieler. Denn in dieser Form muss man sich als Einzelner nicht an Rhythmuswechsel anpassen, sondern geht gewissermaßen stets in vollem Tempo voran. Intensität ist quasi ein Strukturgeber. Eine summierte Laufstrecke von unter 2000 Kilometern an den ersten 17. Spieltagen ist keineswegs ein Spitzenwert in der Liga. Doch über 4000 Sprints sind es allemal. Leverkusen agiert weniger mit aggressiven Läufen aus der Tiefe. Man attackiert frühzeitig, dafür aber umso extremer.
Lässt diese Intensität aber nach, wird die Abstimmung inkohärent. Das unterschiedlich intensive Agieren der einzelnen Individuen zerstört den Rhythmus. Man reißt selbst Lücken, da die Leverkusener weiterhin ihre Positionen großräumig verlassen, aber leichter ausgespielt werden. 60% der zugelassenen Schüsse kamen in den zweiten Spielabschnitten auf das Tor von Bernd Leno.
Doch zur ganzen Wahrheit gehört, dass man in der Hinrunde zunehmend balancierter auftrat und beispielsweise im Angriff auf extreme Flügelüberladungen vermehrt verzichtete. Zudem wurde das Herausrücken eines Außenverteidigers nun besser abgefangen, indem sich der andere Außenverteidiger eher zurückhielt und eine situative Dreierkette entstand. Der ballnahe Innenverteidiger schob leicht nach außen und sicherte die aufrückenden Bewegungen ab.
Zumeist war eine asymmetrische Formation mit Rechtsfokus zu erkennen, wodurch folglich Tin Jedvaj aufrückte und mit Bellarabi in der Breite die Durchbrüche suchte, während Wendell als Linksverteidiger passiver war, was kombiniert mit dem tendenziell eher einrückenden Heung-Min Son eine schwächer bespielte linke Seite ergab. Durch die Absicherung per Dreierkette war man auf längere Bälle gerade in die eigentlichen Grundräume der Außenverteidiger besser gewappnet. Seit dem 3:3 gegen den VfB Stuttgart Mitte Oktober verbesserte sich das Gesamtkonstrukt merklich.
Überraschungseffekt und Formationswechsel
Vom grundsätzlichen Pressingsystem wird Roger Schmidt in keinem Fall abgehen. WhoScored gibt an, dass Leverkusen in der Bundesliga bisher vier Kontertore und 19 Treffer aus dem Spiel heraus erzielte. Von diesen 19 Toren fielen allerdings 10 nach Ballgewinnen und folglich im schnellen Umschalten. Im Vergleich zu den vorherigen beiden Spielzeiten schließt man nun durchschnittlich aus einer drei bis vier Meter größeren Distanz ab. Dies ist und bleibt ein integraler Bestandteil, der die Rheinländer immerhin auf den dritten Tabellenplatz und in der Champions League überwintern lässt.
Ein Mittel, um einen Überraschungseffekt zu erzeugen, könnte darin bestehen, dass Leverkusen weggeht von einer 4-4-2-/4-4-1-1-Ausgangsformation, sich gegen den Ball mit einer mannorientierten Spiegelung an den Gegner anpasst und der anderen Mannschaft somit zunächst vorgaukelt, dass man nicht von den Positionen abweichen würde. In dieser Stellung gewinnt Leverkusen natürlich in den seltensten Fällen das Spielgerät. Deshalb wird sich auf einen bestimmten Aufbauspieler, bestenfalls einen Außenverteidiger oder seitlich herauskippenden Sechser konzentriert. Kommt dieser an die Kugel, wird sofort ballorientiert herausgerückt und der Raum vor dem Ballführenden verdichtet. Durch die zuvor noch mannorientierte Verteidigungsstellung und das anschließende Anlaufen ergeben sich automatisch Deckungsschatten. Dieser Ansatz hat jedoch Schwächen. Das gegnerische Team kann durch frühes Aufrücken der Mittelfeldakteure die Leverkusener nach vorn drücken, wodurch zu lange Wege beim Umschalten von mannorientiertem Abwarten auf ballorientiertes Jagen zurückzulegen wären.
Andere Optionen ergäben sich durch Unwuchten, die man gezielt einbauen würde. Dadurch könnte die Pressingformation auf den ersten Blick weniger gleichmäßig wirken und Leverkusen baute gezielt Pressingfallen auf, indem man das Anlaufen strenger gruppiert und eine zweite Welle gerade mit den Sechsern oder dem ballfernen Flügelstürmer in das vormals erzeugte Loch dynamisch eindringen würde.
Zuletzt sollte noch der unrealistische Fall einer grundsätzlichen Formationsänderung weg vom 4-4-1-1, 4-4-2, asymmetrischen 4-3-3 oder 4-2-3-1 kurz angerissen werden. Vielleicht obliegt Roger Schmidt doch dem Trend der Dreierkette und sieht positive Facetten für seinen strategischen Ansatz, lässt er doch schon jetzt häufiger mit einer situativen Dreierkette verteidigen. Der Vorteil eines 3-5-2 würde aber darin liegen, dass er zwei Flügelläufer aufböte, die sehr offensiv ausgerichtet wären. Sie könnten zusammen mit Stefan Kießling und Hakan Çalhanoğlu eine erste Reihe bilden, die bei entsprechenden Diagonalbewegungen des ballfernen Flügelspielers an horizontaler Kompaktheit gewänne. Für die potenziellen Lücken hätte man einen pendelnden Sechser, während der zweite jeweils in den gefährdeten Raum hinter den Flügelläufer herauskippen könnte oder optional die vorschiebenden, Zonen besetzenden Bewegungen des Halbverteidigers abfinge. Wäre das Angriffspressing intensiv und druckvoll? Ja. Wäre die mittlerweile stärker fokussierte Balance im Restfeld gegeben? Ja. Wird Roger Schmidt eine solche formative Änderung vornehmen? Wahrscheinlich nicht.
Das Schmidt’sche Leverkusen ist ein spannendes Projekt. Großartige Überraschungen brauchen wir allerdings in der Rückrunde nicht zu erwarten. In der Königsklasse steht das Duell mit Atlético an. Da können wir immerhin mit Passquoten von 20-30 Prozent rechnen…
24 Kommentare Alle anzeigen
markus schmitt 22. Januar 2015 um 11:23
leverkusen lässt vielleicht nur die zweitmeisten schüsse zu…
müsste es nicht die zweitwenigsten heißen
CE 23. Januar 2015 um 16:42
Ja.
sharpe 8. Januar 2015 um 14:38
aus meiner Sicht werden sich hier einige täuschen. Roger Schmidt wird an seiner Art des Fußballs festhalten, natürlich mit einigen kleinen Anpassungen und wird damit Erfolg haben. Die Spieler werden sich an diese Art des Spiels immer mehr gewöhnen, somit weniger Fehler machen, sich die Kräfte besser einteilen können und auch immer mehr offensive Automatismen entwickeln. Somit werden auch weniger Fouls nötig sein und die Dominanz im Spiel wird zunehmen.
Das das alles nicht von heute auf morgen gehen kann, war mir klar. Und Geduld ist eine Tugend, die in der Buli nur schwer unzusetzen ist, aber ich sehe Lev klar auf dem richtigen Weg und bin mir ziemlich sicher, dass sie in der Rückrunde stärker sein werden, als in der Vorrunde und kommende Saison wird noch mal eine Steigerung kommen. Und dann werden viele sagen: gut, dass Schmidt seine Linie durchgezogen hat.
Ist aber nur meine Meinung, evtl. kommt es auch ganz anders.
August Bebel 8. Januar 2015 um 18:35
Dass Leverkusen mit Schmitt erfolgreich sein kann, möchte ich – ohne jetzt zu wissen, ob ich auch mit den einigen gemeint bin – gar nicht abstreiten; ich glaube auch, dass Bayer diese Saison seine Ziele erreichen wird. (Was darüber hinaus geht, wage ich nicht zu prognostizieren.) Ich finde diese Spielweise nur nicht attraktiv.
Und an Edrik: unheimliches Gehacke ist wahrscheinlich wirklich übertrieben, das war nur in extremen Spielen (gegen den HSV) der Fall. Aber ohne jetzt jedes Spiel von Bayer gesehen zu haben, glaube ich nicht, dass die gelben Karten nur aus taktischen Fouls resultieren. Als Gegenbeispiele fallen mir spontan Jedvajs rote Karte gegen Schalke und Bellarabis Foul gegen Bayern ein.
Peda 9. Januar 2015 um 08:29
„Ich finde diese Spielweise nur nicht attraktiv.“
Das ist meiner Meinung nach ein Produkt des noch nicht vollständig übernommenen Spielsystems (wie Edrik schrieb, seit drei Monaten nur Regenerationstraining) und den bereits vorgenommenen Anpassungen der Gegner darauf.
Gegen Barcelonas Ballbesitzspiel ist/war es sehr effektiv sich um den eigenen Strafraum herum einzumauern – die entstehende Handballoptik ist auch nicht attraktiv und war (wenn Barca auch nicht voll auf der Höhe war) zum Teil sehr einschläfernd.
Gegen Schmidts Angriffspressing ist/war es sehr effektiv den Ball rauszudreschen um den Pressingdruck verpuffen zu lassen – das ist nicht attraktiv und führt (wenn Schmidts Mannen nicht fähig oder Willens sind sich anzupassen) zu einer beklemmenden Hektik.
Man Vergleiche die Auftritte Salzburgs in ihrer Hochzeit unter Schmidt gegen Ajax (attraktiv) und Basel (unattraktiv).
actio et reactio
August Bebel 7. Januar 2015 um 11:14
Zwei Dinge möchte ich noch ansprechen: erstens einige Facetten des Leverkusener Offensivspiels, nämlich dass da nicht unbedingt anspruchsvolles Kombinationsspiel betrieben wird, sondern vor allem aus der zweiten Reihe drauf gehauen wird. Ich habe den Eindruck, Son, Calhanoglu und Bellarabi schießen eigentlich immer, sobald sich ihnen auch nur die geringste Möglichkeit bietet. Das scheint mir auch ein Grund dafür zu sein, dass Kießling (der spielstärkste der Offensivspieler) bislang wenig trifft. Bellarabi geht sonst einfach immer ins Dribbling, egal wie viele Gegner vor ihm stehen. Das sieht zwar spektakulär aus, aber ich denke oft, dass da durch das Ausspielen der Situation mehr möglich wäre. Darüber hinaus hatte ich den Eindruck, dass der Leverkusener Spielaufbau daraus besteht, dass Leno den Ball lang auf Kießling schlägt und sich danach alle ins Pressing stürzen. Dadurch kommen dann Spiele zustande, die ich persönlich nicht attraktiv finde, wie CE es im Schlusssatz andeutet: je nach gegnerischer Spielweise regelrechte Fehlpassfestivals.
Zweitens ist das, was hier als Intensität beschrieben wird, oft übertriebene Aggressivität und ein unheimliches Gehacke, das jeden Spielfluss verhindert. Nicht umsonst ist Leverkusen letzter in der Fairplay-Tabelle der BL nach Karten und war zumindest zwischenzeitlich (am 4. Spieltag) laut Sky-Kommentator mal die Mannschaft mit den meisten Fouls in der CL.
HK 7. Januar 2015 um 13:06
Genauso isses!
Wenn das Roger Schmidt-Fußball ist brauche ich das wirklich nicht.
Meine Prognose: Spätestens irgendwann in 2016 wird die berühmte Notbremse gezogen.
Edrik 7. Januar 2015 um 19:36
Na ja, unheimliches Gehacke finde ich schon übertrieben. Die Mannschaft spielt schon physisch, aber alles im Rahmen des branchenüblichen. Die vielen gelben Karten resultieren aus vielen taktischen Fouls. Aber ich sehe das in punkto Spielaufbau genauso und bin sehr gespannt, ob nach der Winterpause Fortschritte zu sehen sind. Schmidt hat ja Recht, wenn er sagt, dass er seit drei Monaten eigentlich nichts mehr im Training weiterentwickeln kann, weil nur Zeit für Regeneration bleibt. Das sieht man beim BVB noch krasser. Aber ich bin vorsichtig optimistisch: Er hat zwar immer behauptet, kein Stück von seinem System abzuweichen, aber es doch getan, als es notwendig wurde. Ich glaube, er ist viel weniger dogmatisch, als er so tut.
HW 6. Januar 2015 um 07:47
„Ich erneuerte meine Kritik zum Ende der Hinrunde, muss aber Einschränkungen vornehmen.“
Da bereitet wohl jemand das Zurückrudern vor 😉
Wenn ich den Exkurs zum American Football überspringen kann, dann würde ich das gerne vor dem Exkurs lesen. Aufgrund der vielen Sportart spezifischen Fachbegriffe und Abläufe habe ich eh nicht verstanden worum es ging.
Ich habe nicht viel von Leverkusen gesehen, aber das was ich gesehen habe war mehr Schatten als Licht (gegen Monaco). Schmidt setzt zunächst voll auf sein System, das ist auch richtig. Aber irgendwann muss sich das Team von dieser Umschalt-Strategie lösen können und selber kreativ werden.
triangolum 6. Januar 2015 um 02:38
Die Umstellung nach dem Spiel gegen Stuttgart war wohl eher Erzwungen statt gewollt. Wer seine Außenverteidiger zu Außenstürmern machen will und diese in gleicher Rolle hinten zu Alleskönnern in der Defensive zwingt und bringt hat keine stabile Abwehr und damit zu viele Gegentore. Erst nachdem Schmidt den AVs die Rolle des Verteidigers als Aufgabe 1 vorgab und durch den Kompromiss nur noch einen statt beide nach vorne laufen zu lassen wurde die Abwehr stabil. In dieser Phase spielte Wendell und auch Donati schon fast Fehlerfrei. Das Leverkusen dazu mit Spahic und auch Toprak zwei Innenverteidiger hat die im gewollten 1:1 alles Ausbügeln kommt noch hinzu. Trotzdem macht er weiterhin kaum etwas besser als zu Zeiten in Salzburg. Aus Fehlern lernen kann er weiterhin nur schwer. Die Spiele gegen den AS Monaco zeigen dies doch klar auf. Auch das Spiel gegen die Bayern zeigt das er wenig an seinem sturen Zerstören durch Pressing abrücken kann.
Statt den Offensivspielern mehr Pausen zu gönnen wechselt auf den AV Positionen auch dann wenn die Spieler dort zuvor klasse Leistungen zeigten. Nicht anders ist die Demission von Donati gegen Hilbert zu erklären. Und diese AV Positionen sind in seinem System fast die wichtigste Position. Statt also vorne für frische zu Sorgen sorgt er für Unsicherheit bei den AV Spielern. Was sich auch in deren Leistungen widerspiegelt. Damit ist besonders deren Undiszipliniertes Verhalten gemeint.
Das Leverkusen auf 3 steht ist eher den anderen Teams zu verdanken. Mit 28 Punkten steht er gerade einmal einen Punkt besser da als Dutt und ganze 9 Punkte hinter der letzten Saison am selben Spieltag. Dazu kommt die sehr schlechte Leistung in der Offensive. Durch das zurück nehmen der AVs wurde das Spiel nach vorne viel zu sehr auf die Mitte konzentriert. Kaum mehr einer geht über die Außen und zieht dann nach innen oder bringt den Ball in den Rücken der Abwehr wie beim letzten Tor wo Brandt dies machte. Auch solche Spieler welche noch letzte Rückrunde Leistungsträger waren verkümmern unter Schmidt. Das setzten auf Lieblinge und nicht auf Leistung und Frische sowie neuen belebenden Elementen ist eine starke Schwäche dieses Trainers.
Du hast mit dem Vorschlag einer Dreierkette eine mögliche Lösung für beides erbracht. Hinten sicher stehen geht durchaus mit einer Dreier kette und würde die nötige Stabilität bringen und nach vorne hin würde einer Überlagerung und damit ein besseres Pressing und Umschaltspiel funktionieren. Zumal so auch wieder mehr über die Außen kommen würde. Und auch hier weißt du auch schon das er das nie machen wird.
Damit wird Leverkusen weiter hinten relativ sicher stehen aber nach vorne hin merklich Abbauen was zur Folge haben wird das eine ähnliche Krise entstehen kann wie letzte Saison unter den Finnen. Bei der Anfälligkeit ist die Chance immer höher das der Gegner mit 1:0 gewinnt wenn er nur einen Standard ordentlich spielt.
Edrik 6. Januar 2015 um 11:30
Mit Verlaub: An den Spielen gegen Monaco war wirklich nur das Ergebnis schlecht. Da habe ich schon ganz andere Leverkusenspiele in der CL gesehen. Die beiden Spiele als Aufhänger für Systemkritik zu nehmen überzeugt mich nicht. Da gab es andere: Das Spiel gegen Paderborn, das Spiel gegen Hamburg beispielsweise. Bei beiden hat sich eine gewisse Offensivschwäche gezeigt, die man in der Tat durch höhere Außenverteidiger oder aber durch mehr Bewegung im Strafraum kompensieren müsste. Bei den Außenverteidigern scheint das schwer zu sein, weil weder Donati noch Hilbert rechts dafür die richtige Spielanlage mitbringen und Wendell scheinbar noch nicht vollends überzeugt hat. Der einzige, der permanent für Bewegung im Strafraum sorgt, ist Kießling, der deswegen unverzichtbar ist. Man hätte vielleicht mal Çalhanoglu gegen Drmic tauschen können, aber auch so muss man sagen, dass Leverkusen in fast allen Spielen das bessere Team war und – hätte man gegen Stuttgart und Bremen etwas konzentrierter gespielt – durchaus vier Punkte mehr hätte haben können. Und dass dieses Jahr alle anderen Teams so schwach wären, halte ich für einen Mythos. Vielmehr sind außergewöhnlich viele Teams ziemlich stark (anders als letzte Saison, in der man Bayer 04 ja ähnliches vorgehalten hat).
triangolum 6. Januar 2015 um 16:04
Wer stur auf ein System setzt und 8 Wochen Zeit hatte zu wissen das der Gegner exakt genauso so spielen wird wie im Hinspiel und darauf hofft das es diesmal irgendwie vorne klappt macht was falsch. Monaco ist genau richtig um zu zeigen das er nur auf Pressing setzt und wenn die Schwäche vorne durch das System dazu führt keinen zu machen so ist das Spiel bis zum 16er zwar schön aber Brotlos. Die Hinrunde ist anders wie die Hinrunde eine Saison zuvor. Diesmal spielt Leverkusen Dominant und ist teils fast immer das bessere Team. Aber nur bis zum 16er. Letzte Saison reichte meist ein Moment aus dem Defensiv Block um 1:0 zu gewinnen und schon war die Hinrunde fast das Maximum was Leverkusen an Punkten holen konnte. Beides hat aber den selben Fehler. Kein mehr an Varianten wenn das System mal scheitert. Keine Antwort im Spiel aus dem Team wenn es mal nicht läuft da die Spieler überhaupt nicht wissen was sie machen sollen.
Der Feuerwehrmann Lewandowski hatte das schon nach der Hinrunde erkannt und gesagt das Flexibilität und Variabilität gepaart mit einer Handvoll Trainingswerkzeugen welche diese im Spiel selbstständig Ausüben um auf den Gegner zu reagieren. Leverkusen heute reagiert nicht auf den Gegner. Siehe diverse Halbzeiten 2. Wenn das intensive Pressing vorne scheitert kommt der Gegner in den Spielaufbau und es reicht meist eine oder zwei Möglichkeiten oder mal eine von 15 1:1 Chancen wo Spahic oder Toprak patzen und das Spiel geht verloren. Diverse Male passiert.
Das Team wirkt dann oft Hilflos und weiß nicht so recht wie es reagieren soll. Auch eine Parallele zur letzten Saison. Dazu kommt das Durchspielen lassen von wichtigen Offensiven Leistungsträgern was diese zunehmend Mental die frische zum 0 Punkt bringt. Und das zeigt sich in den wenigen Toren für Leverkusen ab Anfang November.
Das Leverkusener System basiert auf das Zerstören des gegnerischen Aufbauspiels. Hinten und im Mittelfeld durch hohes Aufschieben keine Anspielstation lassen durch passive Raumdeckung und vorne das schnelle Anlaufen der Abwehrreihe des Gegners so das diese unter Druck Fehler macht oder unpräzise Anspiele. Der Schlüssel zum Sieg wird jedoch mit zunehmender Dauer des Spiels immer weniger konsequent umgesetzt. Statt weiterhin die schwächsten Spieler am Ball, die Abwehrspieler immer und immer wieder anzugreifen wird sich zunehmend fallen gelassen oder der Sprint bleibt aus. So kommt der Gegner immer wieder in den Spielaufbau was wie bei Monaco und anderen zum Gegentor reicht. Auch wird der Torwart nie konsequent angelaufen. Warum er dies nicht machen lässt obwohl das meist der schwächste am Ball bleibt wird nur darin zu finden sein das dieser den Spielaufbau einleiten soll. Sehen wir jedoch die Szenen wo Kießling immer wieder diesen konsequent anläuft so landen 50% der Bälle dann im Aus und zwar weit in der Hälfte des Gegners.
Es wird sich zeigen das eine Verarmung und das verlernen von taktischen Spielzügen und das Einseitige Trainieren bestimmter Abläufe den selben Effekt haben wird wie in der Hinrunde eine Saison zuvor. Auch da war das Team (laut Leno) Tot und es hatte alles verlernt was es in der Saison 2012/2013 sich erarbeitet hatte. Genau das aber war für die fast beste Leverkusener Hinrunde die Saison danach jedoch verantwortlich. Was auch sich zeigte als dies unter dem Finnen kaum noch trainiert wurde wo dann die Leistungen zunehmend schlechter wurden. Auch an Dortmund zeigt sich das eine Stare und einseitige Spielweise nicht funktioniert wenn zu viele Elemente verkümmert sind und das Team nicht optimal dies Ausführt. Langweilige Positionen für Spieler führen auf Dauer zu Mentaler Erschöpfung und stagnierender Entwicklung. Siehe Brandt. Und es führt zur Abnutzung was mit Spielern aufgefangen werden muss welche zuvor eher nur Beiwerk statt dabei waren. Teamchemie ist auch ein Faktor. Und dieser kann in Leverkusen nicht besser werden wenn er auf den AV Positionen ständig rotiert aber woanders immer die selben spielen lässt.
Völler sagte so schön…. wenn du jeden Montag lesen musst das dein Torwart Note 1 bekommt dann stimmt etwas nicht auch wenn du immer 1:0 gewinnst. Ich müntze das mal ein wenig um. Wenn ein fast 34 Jahre alter Spieler der durchaus Weltklasse hat immer der beste Spieler ist in deinem Team weil er in jedem Spiel 7 oder 9 Szenen hat im 1:1 die er Weltklasse löst kann etwas nicht stimmen. Das selbe mit dem Blick auf die Gelben, Gelb-Roten oder Roten Karten. Erschreckend wie es in dieser Statistik aussieht.
Roger Schmidt hat ein System und lässt die Spieler danach radikal Spielen. Er lässt nicht nach den Stärken der Spieler und des Teams spielen sondern die müssen sich dem System und dessen Anforderungen genügen. Erfolgreicher ist es aber wie Sascha Lewandowski die Stärken der Spieler zu nehmen daraus ein Team zu formen und ihnen Werkzeuge, Mittel und Taktiken wie auch mehrere Systeme damit an die Hand zu geben damit sie ihre Stärken im Spiel voll Ausspielen können. Darum wird Roger Schmidt auch Scheitern. Weil es nicht den Mittelweg zwischen dem einen oder seinem finden wird.
PS: Ich hatte nicht geschrieben das die anderen Teams so Schwach sind. Aber mit 28 Punkten und Platz 3 ist es in der Vergangenheit eher Platz 6 gewesen. Und wenn der Hakan nicht mal den einen oder anderen wichtigen Treffer gemacht hätte wären auch Spiele nicht gedreht oder gewonnen worden. Daher keine Milchmädchen Rechnungen bitte hier.
Peda 6. Januar 2015 um 19:17
Auch wenn ich – wie unten bereits geschrieben – Bayer eigentlich kaum live gesehen habe, möchte ich kurz auf zwei deiner Punkte eingehen:
„der Torwart [wird] nie konsequent angelaufen.“
Der Torwart steht in vielen Fällen deutlich weiter weg von seinen nächsten Mitspielern, als seine Mitspieler untereinander. Dadurch ist der Ball bei einem Rückpass länger unterwegs, was den Druck schon einmal für einen Moment verringert. Zudem hat der den Torwart anlaufende Spieler auch einen längeren Weg und der Torhüter kann im Falle des Falles einfach ausputzen. Geht der Ball ins Seitenaus, ist das kein erstrebenswerter Ballgewinn, da der Gegner Zeit zur Organisation bekommt. Bleibt der Ball im Spiel, steht der Stürmer meterweit im Abseits und noch weiter weg vom eventuell gewonnen Ball. Die weiten Wege auf den Torwart zahlen sich also in Summe einfach nicht aus.
„Roger Schmidt [..] lässt nicht nach den Stärken der Spieler und des Teams spielen sondern die müssen sich dem System und dessen Anforderungen genügen.“
Das kann man aber maximal dem Sportchef anlasten.
Man wusste, wie Schmidt spielen lässt und hat ihn genau dafür verpflichtet sein bekanntes System zu installieren. Völler meinte dazu Ende April des Vorjahres:„Seine Art, Fußball spielen zu lassen, passt ideal zu uns.“
Edrik 7. Januar 2015 um 10:15
Ich würde hinzufügen, dass diese Art Spiel den Herren Bender, Bellarabi und Son auch maximal entgegen kommt. Auch Toprak und Spahic sind deutlich besser als letzte Saison. Lediglich Drmic und Reinartz sind vielleicht nicht ideal im derzeitigen System aufgehoben. Außerdem: Nach 6 Monaten von Scheitern zu sprechen finde ich schon recht anspruchsvoll.
Gooner90 7. Januar 2015 um 22:54
Kann Edrik hier nur zu stimmen das man Roger auch etwas zeit einräumen sollte …. schließlich ist sein System zum vorigen schon ein radikaler Umbruch, weswegen ich mir vorstellen kann das man erst das Grundgerüst den Spielern einprägt bevor man dieses dann anpasst an die Gegner … just my two cent
Peda 5. Januar 2015 um 19:53
Das liest sich zu Beginn und ganz am Ende, aber auch zwischendurch, als ob CE nicht gut auf Roger Schmidt zu sprechen wäre. Warum, das?
Man liegt trotz ziemlich krasser Änderung der Spielanlage in allen Bewerben auf Kurs, ärgerlich ist höchstens der leichtfertig vergebene Gruppensieg in der Champions League.
CE 5. Januar 2015 um 20:02
Er schöpft seine Möglichkeiten noch bei weitem nicht aus. Deshalb bin ich aufgrund seines Potenzial etwas überkritisch mit ihm.
Da ist viel mehr möglich. Zudem könnte man in manchen Phasen die Kräfte des Teams etwas zielgerichteter einsetzen. Aber ich deute ja extra an, dass es eine gute Entwicklung innerhalb der Hinrunde gab. Gerade deshalb liegt man nun auch auf Platz 3 und hat sich seit dem neunten Spieltag merklich verbessert.
Peda 5. Januar 2015 um 21:39
OK, das ist verständlich.
Ich sehe zwar kaum ‚Kusen-Spiele, aber das kommt mir aus seiner Salzburg-Zeit sehr bekannt vor.
Da wurden (selten, aber doch) Spiele ziemlich unnötig hergeschenkt, weil man a) das Pressing-Dogma über notwendige und offensichtliche Anpassungen an Gegner und Spielverlauf stellte, b) den Stammspielern zu wenig Spielpausen vergönnte oder c) im Gegensatz dazu eine komplette B-Garnitur aufbot.
Ich hoffe der Herr Ingenieur lernt aus seinen Fehlern und kann sein Potential noch ausschöpfen!
Credo 5. Januar 2015 um 19:50
LOL zum American Football Vergleich: Peyton Mannning ist seit Jahren nicht mehr der Quarterback von den Colts, er ging 2012 zu den Denver Broncos. Andrew Luck ist der momentane Quarterback von Indianapolis.
Ansonsten großartiger Artikel.
blub 5. Januar 2015 um 19:57
Du hast völlig recht, CE aber auch.
Die Colts haben grade in den Playoffs gewonnen(gegen Cincinnati), aber am 16. Spieltag haben die Broncos (mit Manning) gegen die Bengals verloren.
CE 5. Januar 2015 um 19:59
Sorry, wenn es unverständlich war in diesem Zusammenhang. Ich meinte das 4-Int-Game von Peyton. Als riesiger Peyton-Fan weiß ich schon, wo er spielt. 😉
Credo 5. Januar 2015 um 21:01
Ein Missverständnis.
Edrik 5. Januar 2015 um 19:15
Ich habe die meisten Leverkusenspiele gesehen, und bin höflich anderer Meinung: Das Problem ist nicht die Defensive. 14 der 20 Tore, die der Bayer bisher kassiert hat, fielen vor dem Stuttgart-Spiel, also vor der Systemanpassung. Danach liefen noch Spiele gegen Schalke, Bayern, Gladbach, Hoffenheim und Frankfurt – die können alle Tore schießen. Aber es hat sich gerade gegen spielstarke Gegner gezeigt, wie gut der Defensivblock läuft und schnelle Seitenwechsel konsequent nach außen abdrängt. Wenn da noch irgendwo der Schuh drückt, dann beim Verteidigen von Standards. Ansonsten meine ich, dass die Werkself nicht besser defensiv spielen kann (und auch unter Hyypiä nicht tat).
Dr. Acula 5. Januar 2015 um 17:43
super Einstieg in eine super „Serie“! Besonders der Titel ist wie gewohnt eloquent, me gusta!