Ajax mit guten Ansätzen gegen durchwachsenes, aber siegreiches Barça
Nach zwei Liganiederlagen in Folge kann Barcelona in der Champions League wieder gewinnen. Gegen einen starken Auftritt von Ajax hatten sie jedoch viel Mühe und wussten nicht wirklich zu überzeugen.
Aktives Pressing bricht mäßigen Barca-Aufbau
Aus ihrer 4-3-3/4-1-4-1-Grundformation heraus presste die Mannschaft von Frank de Boer häufig in einem asymmetrischen 4-4-1-1, bei dem Klaassen leicht versetzt hinter den Mittelstürmer nachschob. Dadurch sollte der katalanische Aufbau etwas nach außen weggedrückt und von Busquets im Mittelfeld isoliert werden. Dahinter agierten die Niederländer mit einigen Mannorientierungen – vor allem Serero orientierte sich oft aktiv gegen Xavi – sowie guten anpassenden Bewegungen. Einige Male stopfte Andersen in etwas nachgerückter und aus der Mittelfeldreihe gelöster Position offene Löcher, während sich Schöne teilweise etwas tiefer bewegte, um Rakitic nicht ganz so effektiv ins Spiel kommen zu lassen. Wenn beispielsweise Serero mal etwas weiter herausrücken musste, positionierte er sich geschickt, leicht leitend und behielt Xavi diagonal im Deckungsschatten. Insgesamt war das Vorgehen der Niederländer durchaus ein wenig riskant und ließ mit ihren aggressiven, teilweise aber zu simplen Umformungen oder vorrückenden Bewegungen kleinere Lücken, die zudem durch die Mannorientierungen beeinflusst und verstärkt werden konnten. Das weite Herausrücken, mit dem die Innenverteidiger Räume abdecken oder Messi verfolgen sollten, sorgte einerseits mal für gutes lokales Zusammenziehen in der Vorwärtsverteidigung, barg andererseits aber auch mal die Gefahr von weiteren Löchern und Unordnung.
Über weite Teile der Begegnung hinweg – insbesondere in den ersten Phasen – wussten die Katalanen dies allerdings nur selten ausnutzen, während Ajax sich recht gut balancierte. Zudem hatten sie den Vorteil auf ihrer Seite, dass die Gäste gegen ihre aktive Verteidigungsweise aufgrund eigener Probleme nur selten kontrollierte Zirkulation aufbauen konnten, sondern eher auf schnelles Durchspielen der Lücken setzen mussten, was aber gewisse Rhythmusprobleme offenbarte. So verbuchte Barcelona erst nach einer halben Stunde den ersten Abschlussversuch. Die wenigen gefährlichen Szenen der Katalanen entsprangen Schnellangriffen, bei denen sie hinter Ajax´ Mittelfeld mal zwischen die Linien kommen und anschließend die Lücken gegen die herausrückenden Innenverteidiger bespielen konnten. In zentraler Position entstanden durch Messis individuelle Klasse auf diese Weise eine Großchance für Suárez und später Veltmans Platzverweis, doch etwas zuverlässiger war die Route über halblinks, wo sich Messi, Neymar und Xavi teilweise hinter den Mannorientierungen befreien konnten und dann Jordi Albas Tempo in die Tiefe schickten. Zu ruhigeren Aufbauangriffen kamen die Mannen von Luis Enrique lange Zeit aber kaum, da die Mittelfeldakteure nur wenige ambitionierte Unterstützungsbewegungen zwischen den Aufbaulinien zeigten. Entsprechend waren die dortigen Akteure kaum im Spiel und das Vorgehen der Hausherren war effektiv, die katalanischen Bemühungen bei deren Außenverteidigern festnageln zu können. In etwas anderer, noch deutlich aggressiver Art hatte Ajax gegen Barca letztes Jahr gespielt und sogar gewonnen.
Das Pressing der Gäste scheitert
Zur Pause verzeichneten die Hausherren nur ein minimales Ballbesitzminus gegen die Katalanen und hatten im Verlauf des ersten Durchgangs diese Statistik sogar dominant angeführt. Neben dem eigenen Pressing war dafür auch die Konsequenz des ambitionierten Aufbauspiels der Niederländer entscheidend, auf das Barcelona etwas zu lasch reagierte. Grundsätzlich hatten die Gäste zwei verschiedene Defensivvarianten, von denen die eine mit einem etwas breiteren Dreiersturm als zuletzt arbeitete, der sich aber balanciert in Zwischenstellen positionierte. Hinzu kamen einige Mannorientierungen und ein situativ weiteres Aufrücken von Busquets, was den Aufbau um die breit fächernden Innenverteidiger Ajax´ mit einer nicht so leichten Prüfung konfrontierte. Allerdings hatten diese durchaus ein Gegenmittel und versuchten es oft mit Rochaden der Achter – der eine fiel zurück und öffnete Raum, der andere pendelte horizontal in die entstehende Lücke. Dorthin versuchten beispielsweise die Innenverteidiger dann gechippte Bälle, die Klaassen oder Andersen diagonal nach außen mitnehmen konnten.
Die zweite Pressingvariante von Luis Enrique erschien etwas seltsam. Sie ging von einem passiven, asymmetrischen Dreiersturm aus, dessen Aufgabenverteilung grundsätzlich interessant war. Messi tauschte gerne mit Suárez, interpretierte eine Rechtsaußenposition aber hoch und zentral, weshalb er teilweise dennoch die Speerspitze der Formation bildete und Ajax vom Verbindungspunkt Moisander weglenkte. In etwas tieferer Position konzentrierte sich dann Suárez als hier nomineller Mittelstürmer – manchmal tauschten die beiden eben auch – vor allem darauf, Serero zuzustellen, verfolgte diesen leicht mannorientiert oder deckte vor ihm Pässe ab. In größerer Distanz zu seinen beiden Sturmpartnern nahm Neymar auf links eine leicht eingerückte Position ein, sollte diagonal den Weg zu van Rhijn verstellen, war aber nicht unbedingt für Druckaufbau vorgesehen. Nun entfalteten diese Anordnungen aber eine negative Wechselwirkung, die das leitende Element betraf, das nicht passte. Durch die Ausrichtung war der aufbaustarke und kreative Veltman häufig frei und konnte mit Ball zwischen der ersten Linie hindurch aufrücken. Anschließend schob Xavi hervor und sollte vielleicht eine ansatzweise Pressingfalle auslösen, doch waren die umliegenden Folgebewegungen zu inkonsequent und die Ausgangslage dafür auch ohnehin nicht optimal, so dass sich der spielstarke Innenverteidiger lösen konnte.
Ajax´ Offensive: Ansätze, Stärken und Probleme
Wie auch in der anderen Spielweise fand Ajax damit oftmals seitliche Aufbaulücken im zweiten Drittel neben dem Mittelfeld, über die sie das Spiel beruhigen oder in hektischeren Situationen zumindest schnelles Aufrücken herstellen konnten. Generell gab es einige unkompakte Pressingaktionen Barcas mit gewissen Löchern, die Ajax manchmal aber nicht konsequent genug bespielte – mit überhasteten langen Bällen machten sie einige Ansätze zunichte. Auch die gut begonnenen Schnellangriffe, bei denen sie über mehrere Stationen schnell in Räume überluden, scheiterten dann meistens an der letzten katalanischen Linie, weil die Bewegungen von Achtern und Flügelstürmern in diesen Momenten nicht immer abgestimmt genug waren. Kleinere Kombinationen von Klaassen und El Ghazi oder die Aktionen mit Weiterleitungen von Andersen auf den freilaufenden Serero – dieser bediente anschließend den zurückfallenden Sigthórsson, der wiederum auf nachlaufende Kollegen ablegte – wussten durchaus zu gefallen. Meistens kamen sie allerdings nicht ganz so durchschlagend zum Tor, da diese temporeichen, durchaus in eng vorrückenden Gebilden praktizierten Angriffe dann an den hinteren Kompaktheiten der sich geschickt zusammenziehenden Endverteidigung abprallte.
Nur in einer kurzen Phase um die 30. Minute herum fand das Team effektiver zu Abschlüssen. In diesem Abschnitt agierten die Katalanen tiefer und passiver, was Ajax´ Ballbesitzspiel etwas ruhiger ablaufen ließ. Die teilweise flache Mittelfeldreihe der Gäste schaffte es nicht durchgehend, die Halbräume zu kontrollieren – bedingt durch eine Mischung aus schwankender kollektiver Orientierung, nur teilweiser Rückarbeit der vorderen Stürmer und einigen zu sehr ausgekoppelten Bewegungsmuster wie beispielsweise von Rakitic. Entsprechend konnte beispielsweise Schöne in einer Rochade mit Andersen in den Halbraum einrücken und dort bedient werden, was seltener auch Boilesen in etwas tieferen Positionen versuchte. Zudem brachte sich Klaassen in dieser besten Phase auch halblinks vermehrt ein, zeigte gutes Timing im Bewegungsspiel und initiierte mit seinen beiden dänischen Kollegen einige Male gutes Dreiecksspiel. Überhaupt baute Ajax mit aggressiv, nachrückenden Bewegungen – häufig von Serero, teilweise auch den Innenverteidigern – aus der Tiefe hier Druck auf, konnte bestimmte offene Kanäle anlaufen und effektiv gegenpressen.
Veränderte Kräfteverhältnisse und Entscheidung nach der Pause
Insgesamt war bei all diesen Aspekten ein ganz entscheidender und auch im eigenen Pressing durchaus einflussreicher Punkt die Tatsache, dass sich die Spieler in vielen Situationen auch individuell einfach sehr stark und geschickt verhielten. Eine Ausnahme war dabei die Verteidigung des 0:1, das im Anschluss an einen Konter während einer Verletzung El Ghazis fiel und durch einen kleinen Cillessen-Patzer mit bedingt wurde. Nach der Pause gelang es den Ajacieden – gegen die etwas kontrollierter werdenden Gäste – dann allerdings nicht mehr so gut, klare Chancen zu erarbeiten. Die Katalanen verbesserten die Kohärenz ihrer Defensivarbeit durch etwas tieferes Pressing und mehr Konzentration auf kleinere Kompaktheiten im eigenen Drittel, was die teilweise etwas zu flügellastigen Hausherren nicht mehr so gut bespielen konnten. So blieb ein Milik-Kopfball ihr einziger Abschluss nach der Pause, wenngleich sie durch Veltmans Platzverweis geschwächt waren.
Dadurch konnte Barcelona einfacher Ballbesitz anhäufen, den Rhythmus kontrollieren und Zeit gewinnen. Im letzten Drittel hatten sie – ansatzweise auch schon zuvor – den einen oder anderen Moment und deuteten dabei gute Mechanismen an, die beispielsweise gegen PSG zu sehen gewesen waren, im Clásico aber fast völlig gefehlt hatten. Zeitweise versuchte sich Ajax durch einrückende Aufbauaktionen Boilesens wieder effektiver ins Spiel zu bringen, kassierte nach einem Ballverlust des nicht gut genug unterstützten Dänen den entscheidenden Konter zum 0:2. In Unterzahl wechselte de Boer mit Jairo Riedewald – vielseitiger, unterschwellig enorm spielstarker, trotz seiner eigentlichen Konstanz etwas wechselhaft auftretender Defensivallrounder – und dem talentierten, aber in seiner Entwicklung teilweise zu unfokussierten Stefano Denswil zwei interessante junge Akteure in einer etwas asymmetrischen Anordnung ein. Am Ende war die Partie zwar entschieden, doch aus dieser Sicht gab es noch einmal eine interessante Besetzung. Insgesamt verkaufte sich Ajax gut und bestätigte einen kleinen Aufwärtstrend, während auf Luis Enrique weiterhin noch viel Arbeit zukommt.
1 Kommentar Alle anzeigen
Gh 7. November 2014 um 20:06
Ihr bewertet ja Xabi Alonsos Bewegungen im Spielaufbau teilweise als unpassend. Mich erinnern sie v.a. beim Zulaufen auf den ballführenden Mitspieler ein bisschen an die Bewegungen seines fast-Namensvetters Xavi, und auch die machen mir mittlerweile einen unpassenden Eindruck (vor 3/4 Jahren waren sie mM noch perfekt). Ich finde dies eins der wesentlichen Probleme bei Barca, kann aber nicht genau sagen, woran es genau liegt.