Taktisch starkes Spitzenduell auf Augenhöhe in der Serie A
In einem taktisch starken und spektakulären Match überzeugen beide Teams mit ähnlichen Stärken in ähnlichen Bereichen. Es hätte auch mit einem Unentschieden enden können, doch Juve entschied die Partie spät über die etwas höhere Durchschlagskraft und Offensivpräsenz für sich.
Sowohl die Gastgeber mit ihrem 3-5-2 als auch die im 4-3-3 angeordneten Römer schickten ihre bekannten Grundausrichtungen auf den Rasen. Interessant waren einige personelle Aspekte wie die Rückkehr von Andrea Pirlo nach Verletzung auf Seiten des Meisters und die Auswechslungen von Rudi Garcia auf den Flügeln, wo er mit Holebas und Iturbe auf links neue Akteure im Vergleich zum jüngsten Auftritt in der Champions League einsetzte.
Zwei starke Teams gegen den Ball
Beide Mannschaften brachten in dieser Partie ihre taktisch sehr starken Spielweisen auf den Platz, was sich beispielsweise in eigentlich wirkungsvollen Defensivaufstellungen äußerte, mit denen die Kontrahenten meistens gut gegen den Ball verschoben und situativ einige lokale Kompaktheiten herstellen konnten. In den tieferen Ausrichtungen, die gegen das gegnerische Ballbesitzspiel meist jeweils gewählt wurden, agierte die Roma dabei mit etwas verengten Außenstürmern und ließ Pirlo durch situative, wechselnde Mannorientierungen zwischen Totti und dem aufrückenden Pjanic bewachen. Auf Seiten der Hausherren gab es aus der 5-3-2-haften Formation heraus einige Mannorientierungen auf den ballnahen Flügeln, bei denen sich der Außenspieler meistens um den gegnerischen Außenverteidiger kümmerte und der jeweilige Halbverteidiger antizipativ etwas im Dreieck aus der hintersten Reihe über dem Halbraum in Richtung eingerückter Stellung des gegnerischen Außenspielers vorschob.
Phasenweise rückten beide Teams aber auch in ähnlichem Rhythmus in höhere Pressingphasen über, die die zweite mögliche Defensivspielweise der gemeinsamen Tabellenführer darstellten. Mit diesen Aktionen gelang es durchaus, für einige lange Bälle zu sorgen, was dann die vielen auch durchaus hektischen Momente der umkämpften Partie unterstützte. Dabei versuchte die Roma in diesen Szenen mit ihrer Sturmreihe auf die drei zentralen Verteidiger der Hausherren zu pressen, was sich insgesamt wie eine weniger intensive, aggressive und weniger mannorientierte Variante des Vorgehens der Münchener Bayern im CL-Viertelfinale ihrer siegreichen Saison 2012/13 darstellte. Demgegenüber wollte Juventus diese höheren Pressing-Phasen meistens über die Herstellung eines flexiblen Dreiersturms auslösen, wofür sich Marchisio den beiden Angreifern in verschiedenen Anordnungen anschloss. Mal rückte er zentral in die vordere Linie, mal schob er allerdings auch diagonal auf halbrechts zur etwas asymmetrischen Anlage seiner Kollegen nach. Dieses Trio presste dann die beiden Innenverteidiger und den gerne zurückfallenden Keita, während auf dem Flügel – meistens war dies entsprechend auf der linken Seite der Roma der Fall – der dortige Akteur, also oftmals Lichtsteiner, weit herausrückte und den Außenverteidiger attackierte.
Zwei starke Teams in der Offensive
Dass Juventus das höhere Pressing fast nur auf diesem linken Gebiet bzw. beim Lenken des gegnerischen Aufbaus in diese Richtung betrieb, hatte einen Grund – es war die tendenziell schwächere Seite der Gäste. So hatten beide Mannschaften – eine weitere Gemeinsamkeit in diesem Duell auf hohem Niveau – einen jeweils fokussierten, starken Halbraum, den sie bevorzugt in der Offensive bespielen wollten. Während die Turiner die linke Seite mit dem antreibenden Pogba, Kwadwo Asamoah und natürlich Schlüsselspieler Tévez suchten, war es bei der Roma stattdessen der rechte Halbraum – und damit der ähnliche Spielfeldbereich. Hier ballten sich Iturbe, Maicon, einer der Achter und häufig auch Totti, während Gervinho zunächst meistens breit blieb. Die kleineren und situativen Engen sowie Überladungskombinationen, die beide Teams aus dem Aufbau heraus immer mal wieder kurz herstellen wollten, spielte die Roma dabei teilweise – wobei dies in gewisser Weise auch an der gegnerischen Defensive lag – noch extremer aus. Sie fokussierten sehr geringe Abstände und wählten einen etwas gleichförmigeren Rhythmus im Ausspielen, während Juventus diese Szenen mit etwas weniger Akteuren und dafür vor allem explosiver anvisierte.
Weil die Gäste wegen kleinerer Mannorientierungen oder einer manchmal etwas zu tiefen Position Keitas etwas mehr Lücken ließen und ohnehin gerne auch mal eher die Entschärfung gegnerischer Chancenqualität intendieren, konnte das Heimteam etwas häufiger mal in gefährliche Räume durch beschleunigen. Während die eigentlich hervorragenden Ansätze der Roma zunächst oft in ebenfalls starken Lokalkompaktheiten des Gegners hängen blieben, hatte Juventus somit einige Szenen mehr. Durch schnelles Durchspielen des Mittelfelds oder über andere Einleitungen wie lange Bälle Pirlos, Hereingaben von Lichtsteiner oder direkte, vertikale Flachpässe auf den ablegenden Llorente, gegen den die Hauptstädter manchmal etwas zu viel Raum ließen, verbuchten sie einige Abschlüsse. Überhaupt passten beim Halbzeitpfiff die Statistiken sehr gut zur Partie: Die Roma mit etwas mehr Ballbesitz, Juventus mit 10:4 Schussversuchen und das Ergebnis von 2:2 ging insgesamt so in Ordnung.
Die Tore
Vor allem die Entstehung der ersten beiden Treffer durch die schnell hintereinander folgenden Elfmetertore von Tévez und Totti passten genau zum Muster der Partie. Es waren enge, strittige Situationen, die über den jeweilig starken Halbraum der angreifenden Mannschaft mit etwas Glück beim Verlauf der Aktion herausgeholt wurden. Zwischen zwei sich gar nicht mal so unähnlichen Teams mit eigentlich recht starken und oft kompakten Defensivreihen wurden in diesen Szenen die modernen und eigentlich ebenfalls starken Offensivideen, die zuvor aber häufig doch verschluckt worden waren, belohnt. Anschließend schien die aufgeheizte und bis zur Pause von zahlreichen Unterbrechungen durchzechte Partie dann mit dem 1:1 in die Kabinen zu gehen.
Kurz vorher schlug allerdings zunächst die Roma zu, als sie mal einen ihrer Angriffe über links fuhren. Nach einer Verlagerung wurde der Raum um Marchisio überladen und der herausrückende Lichtsteiner überspielt, was Gervinho genau im anfälligen Zwischenlinienraum zum Dribbling und schließlich zur Vorlage freispielte. Die Nachspielzeit hielt jedoch noch einen weiteren Elfmeter bereit, den Juve zum 2:2 verwertete. Eingeleitet wurde die gesamte Szene von einem der häufiger werdenden Vorstöße Chiellinis auf der bevorzugten linken Seite. Nachdem eine Dynamik mit Pirlo verpasst und hinten herum neu angeschoben werden musste, schien die Zeit vor der Pause nicht mehr zu reichen, doch letztlich gelangten die Hausherren doch noch einmal in ihre Überladungen. Dort war es dann eine Kombination über Pogba, dessen gleichzeitig athletische wie elegante Ballmitnahmen-Improvisation durch die Enge diesmal die Effektivität brachte.
Zweite Halbzeit
Schon zu Beginn der zweiten Halbzeit ließ auf beiden Seiten die Konsequenz und Qualität gegen den Ball etwas nach. So hatte beispielsweise Juventus einige Szenen, in denen sich die Stürmer etwas isoliert bewegten, und bot bei den höheren Pressingphasen vermehrt Lücken dahinter an, weil das Mittelfeld nicht mehr ganz konsequent nachschob. Überhaupt nahm zwischen den einzelnen Defensivlinien in den Aktionsmechanismen und Positionierungen zunehmend die Intensität ab, so dass man der Roma zunächst einmal weitere Ballbesitzphasen gestatten musste. Diese boten auf der anderen Seite auch die eine oder andere Lücke mehr, wenn beispielsweise die aufrückenden Bewegungen von einem Achter zu Totti nicht mehr so abgestimmt und weniger mannschaftlich unterstützt waren. Auf beiden Seiten wurden die sich daraus resultierenden Potentiale aber auch nicht optimal genutzt, so dass es lange – auch wegen einiger Schwächen in der Chancenverwertung – keine weiteren Treffer mehr gab.
Dazu muss natürlich insgesamt einschränkend angemerkt werden, dass die Defensivleistungen keinesfalls rapide absackten und die kleineren Lücken insgesamt auch nicht allzu dramatisch waren – immer noch agierten beide zumindest gut und überzeugten weitgehend mit ihrer Endverteidigung. In dieser Hinsicht konnte Juve beispielsweise einige Male die Hereingaben nach Gervinhos Individualdribblings noch gerade so klären. In der Schlussphase sorgten die Gastgeber dann noch einmal für Druck und schnürten die etwas inkonsequenter werdende Roma hinten ein. Über ihre enorme Offensivpräsenz wussten sie nach Flanken oder aus dem Rückraum die eine oder andere Chance zu kreieren. Dass noch ein Treffer fallen könnte, war möglich, aber insgesamt eher eine 50-50-Angelegenheit – Bonuccis Volleytor nach der Ecke kurz vor Schluss kippte die von vielen Diskussionen und späteren Rudelbildungen begleitete Partie letztlich in Richtung Juve.
Fazit
Weitgehend war es eine taktisch starke, interessante und unterhaltsame Spitzenbegegnung, die die beiden Mannschaften im Großen und Ganzen ziemlich klar auf Augenhöhe bestritten. Somit war der späte Siegtreffer für die Mannen Allegris (diesmal besser gegen die Roma als in der Vorsaison) etwas glücklich, kann aber wegen des Abschlussplus doch nicht als ganz unverdient gelten. Insgesamt hätte die Partie gut und gerne mit einem Remis enden können, doch die Hausherren unterstrichen zum Schluss noch einmal, dass sie in Sachen Durchschlagskraft eben ein wenig überlegen waren – in dieser Partie reichte dies dann zum äußerst knappen Heimsieg. Wichtiger als die möglichen Diskussionen, wie verdient und unverdient das Ergebnis zu bewerten ist bzw. welche Mannschaft vielleicht minimal besser war, bleibt die Feststellung, dass sich eben einfach zwei – man kann wohl schon sagen: gewohnt – sehr starke Teams ein wirklich ansehnliches, spektakuläres Duell lieferten.
6 Kommentare Alle anzeigen
TonyS 6. Oktober 2014 um 22:41
Sehr interessantes Spiel und treffende Analyse. Wie schätzt ihr Pogba so ein? Glaubt ihr er kann mittelfristig eine noch dominantere Rolle einnehmen, wenn Pirlo dann irgendwann mal aufhört? Er ist ja schon sehr stark mit seinen Dribblings, seiner Physis und seiner Torgefahr, aber irgendwie könnte ich mir vorstellen, dass er mal noch dominanter agiert anstatt eher etwas unterstützend, ein bisschen so ähnlich wie Toure in der Premier League. Vielleicht seh ich das auch komplett falsch, aber würde mich mal interessieren.
TR 7. Oktober 2014 um 12:45
Also eine dominantere Rolle könnte er in der Zukunft auf jeden Fall noch spielen, zumal er ja ein sehr wirkungsvoller Typ von Spieler ist und auch jetzt schon keineswegs ein richtiger Zuarbeiter. Bezüglich der wichtigsten Rolle als Ballverteiler müsste er vielleicht noch etwas an Konstanz beispielsweise zulegen. Zu Touré sehe ich dann einige Unterschiede, die bringen ihre Physis irgendwie auf eine etwas seltsame Art sehr unterschiedlich ein, gerade vom Rhythmus. Zudem finde ich Pogba eigentlich auch noch etwas kleinräumiger in vielen Aspekten seiner Spielweise. Ist er athletisch-lässig, Yaya dagegen vor allem robust und etwas schwermütiger. Aber grundsätzlich ist er natürlich vom Potential und seinen Anlagen ein – wenn auch nur unterschwellig – bestimmender Typ.
TonyS 7. Oktober 2014 um 21:18
Danke, genau so eine Einschätzung hab ich mir erhofft. 😉
juventino 7. Oktober 2014 um 13:04
Ich denke von seinen Fähigkeiten her könnte Pogba problemlos jede Rolle im Mittelfeld einnehmen. Falls der Verein ihn langfristig binden kann, kann ich mir auch eine wichtigere Rolle Pogbas vorstellen. Allerdings ist er ja auch jetzt schon neben Pirlo und Vidal Schlüsselspieler. Seine Rolle könnte sich aber insofern verändern, dass er in tieferen Regionen dominanter wird und sich eher in Richtung tiefliegender Spielmacher entwickelt. Ob das nicht einen Verlust seiner anderen Fähigkeiten (angesprochene Torgefahr z.B.) mit sich bringt, ist ein anderes Thema.
Eine generellere Frage, wie bewertet ihr die Entwicklung unter Allegri bisher? Ich bin wirklich positiv überrascht. Ich hielt von Allegri eher wenig, kannte ihn aber auch nur aus seiner Zeit bei Milan, welche ich auch nicht sehr genau verfolgte. Würde mich sehr über eine Einschätzung eurerseits freuen.
kurt c. hose 6. Oktober 2014 um 00:09
Sehr schön!
Aber eine „durchzechte Partie“? Hick! 😉
Axt 5. Oktober 2014 um 23:05
Hätte auch ein Spiel der WM 2014 sein können, 11 wild gewordene Krieger, die die Halbräume absprinten..