VfL Wolfsburg – 1. FC Nürnberg 4:1
Mit Freiraumspiel und gezielten Rochaden gegen die Mannorientierungen sowie starkem Offensivpressing dominiert der VfL Wolfsburg die unbalancierten Nürnberger.
Dieter Hecking ließ seine Mannschaft unverändert in der zuletzt bewährten Aufstellung mit der Doppel-Sechs aus Luiz Gustavo und Junior Malanda beginnen. In der Offensive agierte Kevin de Bruyne grundsätzlich rechts, zeigte aber viele Rochaden mit Maxi Arnold. Bei den Nürnbergern musste allein die Innenverteidigung nach der seltsamen Partie gegen Mönchengladbach verändert werden – Stark ersetzte Dabanli und Pogatetz kehrte für Pinola zurück, der in seiner Heimat der Geburt seines dritten Kindes beiwohnte.
Direktes Freiraumspiel gegen die Mannorientierungen
Diese Begegnung war – nicht wirklich überraschend – ein Spiel der Mannorientierungen, die auf beiden Seiten intensiv genutzt wurden und insgesamt eine flotte Atmosphäre mit einigen offenen Räumen ergaben. Dabei hatten die Wolfsburger im Aufbau anfangs noch das Problem, dieses Mittel der Gäste zu selten mit klaren Vorstößen der Innenverteidiger zu umgehen – Knoche agierte hier phasenweise überraschend zögerlich, wenn Drmic sich linksseitig etwas zu Naldo orientierte. Ein Kernmerkmal der Wolfsburger Ausrichtung zum Bespielen der Nürnberger Manndeckungen fand sich dafür aber im Verhalten der beiden Sechser, die immer wieder innerhalb von Aufbausituationen untereinander die Seiten tauschten. Mit diesen Rochaden sollten Balitsch sowie Kiyotake weggezogen, deren Stabilität vermindert und die Halbräume verstärkt geöffnet werden. Einige Male konnten die Sechser dadurch offene Bereiche nach direkten Zuspielen aus der Abwehr erreichen.
Von ihrer linken Aufbauseite um Knoche kamen die Hausherren dann einige Male über gezielte Verlagerungen auf die rechte Seite zu guten Offensivaktionen. Dabei gelang es ihnen gelegentlich sehr wirkungsvoll, Hlousek etwas in die Mitte zu ziehen – unterstützt durch die Rochaden der Sechser, gegen die der Tscheche vereinzelt, aber etwas unbalanciert Räume zu stopfen versuchte – und dann Freiheiten für Träsch zu ermöglichen. Insbesondere im Anschluss an solche Ausgangsszenen, aber auch generell setzten die Hausherren dann sehr konsequent und wirkungsvoll auf direkte Vertikalpässe hinter die gegnerischen Außenverteidiger – entweder auf Perisic, vor allem aber auf den verbesserten und sehr aktiven de Bruyne, der auf diese Weise auch das 1:1 vorbereitete.
Überhaupt waren die Mannorientierungen der Gäste zu unbalanciert und ohne wirklichen Zugriff, weshalb die Niedersachsen mit ihrem Fokus auf das Freiraumspiel auch die eigene individuelle Klasse gezielt entfalten konnten. Entsprechend entstanden auch teilweise enorm große Lücken im Rückraum, womit Nürnberg generell Probleme hat. Diese nutzte vor allem Arnold mit seinen gefährlichen Abschluss, hätten von Wolfsburg aber gar noch etwas klarer ausgespielt werden können. Im Verlauf des ersten Durchgangs wurden die Mannorientierungen im Pressing auf Seiten der Gäste etwas zurückgefahren, um nicht dermaßen anfällig für verschiedenste Freiraumpässe zu sein – gegen einen Gegner, der diese potentiellen Schwachstellen sehr bewusst anvisierte. So orientierte sich gerade Kiyotake weniger direkt an Luiz Gustavo, sondern agierte eher in einer kompakteren 4-4-2-Formation halblinks im Dunstkreis von Knoche. Dies zeigte durchaus Wirkung, denn die Wolfsburger Offensivgefahr nahm in der Viertelstunde vor der Pause spürbar ab und kam nicht mehr so einfach durch Freiräume zu Abschlusssituationen.
Wolfsburgs presst früh und wirkungsvoll
Ebenso wie in der Offensive zeigte sich die Mannschaft von Dieter Hecking auch im Pressing überlegen, so dass sie das normalerweise starke Aufbauspiel des Gegners frühzeitig ersticken und deren normalerweise sehr konstruktiven Ansätze ersticken konnten. Dabei rückten sie immer wieder in mannorientierter Grundhaltung in sehr hohe Stellungen auf und attackierten sehr früh. Einige Male gab es dabei auch Rochaden zwischen Arnold und de Bruyne, mit denen kleine Pressingfallen im linken Halbraum der Gäste aufgezogen wurden, wo man dann zuschnappend attackierte. Die Balleroberung vor dem 2:1 durch Perisic, als Frantz in einem Kreis von Grün-Weißen isoliert war und der von Kiyotake nachrückende Gustavo das Leder gewann, bedeutete ein Paradebeispiel für die idealen Konsequenzen dieser Ausrichtung.
Mit ihrem frühen Pressing provozierten die Wolfsburger also entweder solch hochwertige Ballgewinne, zwangen die Nürnberger zu frühen langen Schlägen – beispielsweise musste Schäfer vor der Pause alle seine Pässe lang spielen und erreichte dabei eine Passquote von 30 % – oder diesen gelang es, die hinterlassenen Lücken trotz des niedersächsischen Drucks zu bespielen. Dabei unterstützten die beiden letzten Varianten jeweils den offenen, temporeichen Spielcharakter der Partie – der dritte Punkt war allerdings nur selten. Gelegentlich kamen die Franken hier zwar zu ihren Szenen, doch traten dann beim Ausspielen ähnliche Probleme auf wie bei ihren Konterangriffen. In diesen Umschaltmomenten waren durch die jeweiligen Mannorientierungen zwar oft klare Gegenspieler für den Pressingzugriff in der Nähe, die Nürnberger konnten sich gegen die etwas chaotischen Rochaden der Wolfsburger Sechser einige Male allerdings wirkungsvoll in offene Räume hinein bewegen.
Offensiv zu voreilig
In beiden Fällen blieb es meistens aber deswegen bei bloßen Ansätzen, weil die möglichen Unterstützungsspieler der Nürnberger beim Verfolgen ihrer Gegenspieler oft in ungünstigen Stellungen landeten – der jeweils Ballführende war also als Ausnahme in gute Position gekommen. Außerdem suchten die Gäste – auch aufgrund dieser Tatsache – zu voreilig und zu wenig raumnutzend den Weg direkten Pass in die Tiefe, wo sie aber an Naldo und Knoche scheiterten. Gelegentlich wurden diese auch von den Außenverteidigern unterstützt, die Wolfsburg mit ihren direkten Freiraumangriffen über einige Phasen zur Konterabsicherung etwas stärker hinten halten durfte.
Ihre gefährlichsten Szenen – auch wenn dies bei den fünf Abschlüssen nicht so viele waren – hatten die Nürnberger über das erneut auffällige Einrücken von Markus Feulner, der von Rodriguez nicht immer verfolgt wurde und einige Male hinter der dagegen enorm mannorientierten Doppel-Sechs freikam. Entsprechend erzielte der Mittelfeldmann die zwischenzeitliche Führung durch eine individuell starke Aktion an der letzten Linie. Dass der Treffer dabei über eine Hereingabe des aufgerückten Angha vorbereitet – auch Kiyotake mit einer leicht ausweichenden Bewegung sei hervorzuheben – wurde, passte zu den Ausweichangriffen über diesen Flügel, die bei den Nürnbergern zuletzt durchaus effektiv waren, während die Wolfsburger damit einige Probleme hatten. Im weiteren Verlauf wurde das Einrücken von Feulner nicht konstant genug angespielt und unterstützt, so dass es keine entscheidende Wirkung mehr entfaltete.
Nach der Pause: Von Linksüberladungen und Rechtsmechanismen
Zur zweiten Halbzeit veränderte sich zunächst die Pressingausrichtung der Wolfsburger, die ihr hohes Attackieren einstellten und sich wesentlich tiefer aufreihten. So kamen die Nürnberger vermehrt zu Aufbauszenen und konnten insgesamt ruhiger wie bedachter aufrücken. Einige Male wussten sie dabei ihre gute Offensivpräsenz an der letzten Linie zu nutzen und dadurch Gefahr auszustrahlen, weil die Heimmannschaft in diesem Abschnitt auch fast etwas zu passiv agierte. Trotz dieser besten Nürnberger Phase verhinderten kleinere Staffelungs- und Rhythmusprobleme, dass sie dort auch letztlich einen Treffer hätten erzielen können.
Ein wichtiger Bestandteil ihrer Angriffsbemühungen waren die gewohnten Linksüberladungen, bei denen der jeweilige Sechser bereits in der ersten Halbzeit herausschiebend zu unterstützen versucht hatte. Nach dem Seitenwechsel schob Feulner teilweise noch weiter auf jene Seite, Kiyotake wechselte gelegentlich in verstärkt ausweichende Rollen und im weiteren Verlauf brachte Verbeek mit Mak anstatt Hlousek einen aktiveren Typen, um diesen Ansätzen mehr Druck zu verleihen. Allerdings bissen sich die Franken auf ihrer Schokoladenseite die Zähne gegen den VfL aus, der frühzeitig verschob und lokal recht kompakt agierte – genauso erfolgreich, wie es bereits bei den versuchten Linksüberladungen der Bremer gewesen war. Allein einige zur Grundlinie durchgespielte Angriffe verursachten die Chancen für den Klub, wie bei Plattenhardts Hereingabe, die Feulner nur knapp verpasste.
Gelegentlich konnten die Wolfsburger sich mit dieser lokalen Defensivarbeit als Basis sogar die eine oder andere Nachlässigkeit ihrer Flügelspieler leisten, wobei diese dadurch auch einige Male ihre Gegenspieler banden. Während die Nürnberger nach ihrer starken Phase zu Anfang der zweiten Halbzeit nicht mehr entscheidend gefährlich wurden, kamen die Gastgeber zunehmend zu Umschaltmöglichkeiten und konterten die Franken wie beim 3:1 aus. Schon zuvor waren sie durch die Überladungen mit de Bruyne, der in horizontalen Raumlücken einige Male freikam und nicht verfolgt wurde, sowie dessen Tandem mit Arnold auf halbrechts immer wieder gefährlich gewesen und zu schnellen Angriffen. Das endgültig entscheidende 4:1 war dann wiederum ein nach links gezogener Konter, den auch wieder de Bruyne mit eingeleitet hatte.
Fazit
Letztlich gewannen die Wolfsburger nach einer weitgehend starken Leistung verdient gegen Nürnberg und bestätigen damit die Hinweise auf den Aufwärtstrend. Gerade mit der Doppel-Sechs aus Luiz Gustavo und Junior Malanda scheint Dieter Hecking nun eine stabile wie vielseitige Grundausrichtung gefunden zu haben. Nun kehrt auch der lange verletzte Vierinha – in dieser Partie für die Schlussminuten eingewechselt und fast noch mit dem 5:1 – ins Team zurück und erhöht damit die offensiven Optionen nochmals. Der Portugiese ist sowohl ein Typ für die direkten Aktionen in die Tiefe als auch das Kombinationsspiel und fügt sich damit gut in diese Mischausrichtung der letzten Wochen ein.
Auch wenn die Nürnberger in ihren letzten sieben Begegnungen sechs Niederlagen erlitten und phasenweise instabil gewirkt haben, sollte man die Mannschaft von Gertjan Verbeek nicht abschreiben. Mit ihrem Ballbesitzspiel, gelegentlich asymmetrischen Aufbauausrichtungen, den spielstarken Linksüberladungen um das offensiv ausgerichtete Mittelfeld und aktuell die individuell gefährlichen Rollen Feulners und Drmics haben sie viele gute Ansätze, um die vier ausstehenden Begegnungen erfolgreich zu bestreiten. Darüber hinaus punktete Verbeek bisher oft mit geschickten Detail-Anpassungen, die womöglich eine entscheidende Stärke im Abstiegskampf sein könnten. Diesmal waren sie deutlich unterlegen, doch zuvor verloren sie oftmals unglücklich oder durch fehlende letzte Konsequenz – nun müssen die Nürnberger ihre taktischen Stärken in Ergebnisse umwandeln.
4 Kommentare Alle anzeigen
Diana 14. April 2014 um 09:41
Vielen Dank für den schönen Artikel. Kleiner Fehler jedoch im letzten Absatz. Dort sollte es wohl „unterlegen“ heißen.
TR 14. April 2014 um 11:04
Stimmt, danke. 😀 🙂
Frank 14. April 2014 um 11:31
Was ich bei Verbeek nicht verstehe: Wieso versucht er nicht mal, einen Vorsprung klug zu verwalten? Wenn man in Wolfsburg so früh 0:1 führt, dann kann man sich auch mal hinten reinstellen und auf Konter lauern. Stattdessen wird weitergespielt wie vorher. Ich finde das mangelnde taktische Flexibilität
blub 15. April 2014 um 12:55
Wenn man ien funktionierendes Konzept hat dann stellt man nicht in der 10. min auf ergbnis verwalten und warten um. Das ist nicht flexibel sondern dumm. Wenn man in der 80. auf wackligen beinen 1:0 führt kann ich sowas anchvollziehen, aber hier wäre sowas völlig unangebracht.