SC Freiburg – SV Werder Bremen 3:1

Die Schwächen ihrer Mannorientierungen werden Bremen bei der Niederlage in Freiburg zum Verhängnis. Gegen die überzeugenden Breisgauer fanden die Norddeutschen trotz einiger Ansätze auch offensiv erneut nicht genug Durchschlagskraft.

scf-svw-2014Nach dem 1:1 zu Hause gegen Stuttgart veränderte Freiburgs ehemaliger Coach Robin Dutt bei der Rückkehr an seine frühere Wirkungsstätte die Bremer Raute in ihrer personellen Besetzung. Für Petersen begann mit Makiadi ein weiterer Ex-Breisgauer als linker Halbspieler, wodurch Obraniak und Hunt weiter nach vorne rutschten. Ersterer agierte als nomineller Zehner, während der Kapitän für den zweiten Angriffsposten neben di Santo aufgeboten war. Durch die flexiblen Rollen der drei Offensivspieler ergab sich allerdings gegen wie mit dem Ball eine hohe situative Fluidität vor den zentralen Mittelfeldakteuren. Auf Seiten der Freiburger fiel besonders die Aufstellung von Darida im zentralen Mittelfeld neben Schuster auf, was eine durchaus offensive Reaktion von Christian Streich auf die Sperre Fernandes´ darstellte. So gestaltete sich die Rollenverteilung der Sechser in diesem Bereich etwas klarer. Weiter vorne sorgten Klaus und Schmid auf den Flügeln sowie das enorm umtriebige Sturmduo für die typische Bewegungslastigkeit des Freiburger Spielansatzes.

Offene Räume durch klare Mannorientierungen

Einer der wichtigsten Kernpunkte der Partie waren die unpassenden Bremer Mannorientierungen gegen die tiefen Freiburger Aufbaumuster, die wie gewohnt das konsequente Spiel von hinten heraus suchten. Dabei fächerten die Innenverteidiger in bekannter Manier extrem breit auf und schoben Mudjza wie Sorg nach vorne, während Schuster aus dem defensiven Mittelfeld entweder zentral oder halbrechts zurückfiel und auch Baumann durch diese tiefe Grundstellung einige Male eingebunden wurde. Bremen versuchte diese Strukturen mit sehr klaren Mannorientierungen zu verteidigen, indem die Stürmer sich passiv an den Innenverteidigern orientierten, während Schuster von Obraniak verfolgt wurde.

Entsprechend kümmerte sich Bargfrede in den meisten Fällen grundsätzlich um die Bewegungen von Darida, während die beiden Halbspieler davor etwas breiter schoben, um schon vor einem eventuellen Verschieben gewissen Zugriff auf die Freiburger Außenverteidiger zu haben. Zumindest wenn diese wie gelegentlich etwas einschoben, erwies sich dies auch als ansatzweise effektiv. Meistens kam es allerdings durch die recht auseinandergezogene Stellung der eigentlich auf Kompaktheit ausgerichteten Bremer Mittelfeldraute immer wieder zu defensiven Lücken in jenen Bereichen.

Wenn Freiburg – entweder unmittelbar durch die Innenverteidiger, über den zurückfallenden Schuster oder mit Diagonalpässen der Außenverteidiger – direkt nach vorne an die letzte Linie spielte und die beiden beweglichen Stürmer ablegten oder wenn nach langen Bällen die Abpraller ins zentrale Mittelfeld zurücksprangen, ergaben sich somit Freiräume für nachstoßende Freiburger Akteure. Von Daridas Bewegungen wurde Bargfrede einige Male weit auf die linke Seite gezogen, während Makiadi sich in die andere Richtung bei der Orientierung an Mujdza einige Male unpassend bei seinen Positionierungen zeigte. So war insbesondere Schuster, der mit seinen Läufen aus der Deckung von Obraniak ausbrechen konnte, ein Profiteur dieser aufgehenden Lücken. In diesem Sinne passte das Führungstor gut ins Bild, als er den zweiten Ball nach einem Gewühl zwischen Mehmedi, Guédé sowie der Bremer Abwehrlinie erhielt, den sich bietenden Platz im Rückraum nutzte und per Distanzschuss verwandelte – Obraniak kam nicht mehr rechtzeitig hinterher.

Auch einige Male danach gab es ähnliche Freiräume, in die mehrmals ebenso Schmid und Klaus von den Flügeln einrückten, was bei Letzterem zu einer guten Chance in der ersten Halbzeit führte und in der Vorbereitung des späteren 3:0 zum Erfolg führte. In dieser Szene attackierte er die offenen Räume mit einem Lauf aus der eigenen Hälfte heraus, bei dem Darida geschickt für ihn auf den Flügel auswich. Die Effektivität beim Bespielen dieser Lücken war insgesamt auch dadurch begründet, dass die vorderen Bremer Linien weit nach vorne geschoben standen, für den Rückwärtsgang gegen diese Freiraumläufe lange Wege hatten und geknackte Mannorientierungen nicht durch Kompaktheit in den hinteren Zonen aufgefangen werden konnte.

Weitere Freiburger Freiraumangriffe und Seitenüberladungen

Auch wenn auf diesem Wege das wichtige Führungstor für die Hausherren gefallen war, wussten sie über ihre Seiten- und Halbraumüberladungen im letzten Drittel aber fast noch mehr zu überzeugen. Hier konnten sie mit verschiedenen Dreiecksbildungen zwischen den beweglichen Offensivkräften ebenfalls gute Freiraumechanismen kreieren und die Bremer Mannorientierungen damit einige Male ausspielen. Dabei wurde der gut einrückende Klaus auf rechts häufig von den beiden tendenziell eher dorthin ausweichenden Stürmern, gelegentlich aber auch von Darida unterstützt. Dieser half auf beiden Seiten sehr engagiert und war auch links an einigen guten Momenten beteiligt, wo Sorg viel Initiative zeigte und Schmid eine etwas unauffälligere, zuarbeitendere Rolle erfüllte.

Insgesamt kamen die Freiburger durch dieses Mittel gerade rechts zu durchaus guten Überladungen, bei denen sie Bremen mit lokalen Kreiselbewegungen oder klar strukturierten Weiterleitungen zwischen den beteiligten Akteuren in Bedrängnis brachten. Allerdings entstanden im Endeffekt nicht ganz so viele Szenen, da es dennoch einige Probleme in diesen Aktionen gab. Manchmal schafften die Freiburger es nicht, die Dynamiken der Freiraumangriffe bis zum Ende durchzuspielen, manchmal konzentrierten sie sich etwas zu sehr auf die Dreiecksbildungen in den äußeren Halbräumen. Diese funktionierten wie erwähnt grundsätzlich, doch wurden innerhalb der Bewegungsabläufe gelegentlich die Staffelungen an der letzten Linie etwas zu flach.

Dadurch versandeten einige gute – teilweise fast die spielerisch-kollektiv besten – Ansätze und außerdem öffneten sich hinter den flachen Stellungen einige unbesetzte Räume. Vereinzelt konnten die für solche Szenen recht gut stehenden Bremer Offensivkräfte in diesem offenen Mittelfeld dann die Ansätze von Konterszenen finden. Über das Zusammenspiel des ausweichenden di Santo und des geschickt durch Räume driftenden Hunt gab es sporadische gute Momente, bei denen Obraniak situativ seine Anpassungsfähigkeiten einbrachte. Allerdings litten die grundsätzlich guten Strukturen dieser Momente darunter, dass Hunt oftmals zu bestimmend und individuell antreibend wirken musste, was seinem Naturell eher weniger liegt und entsprechend auch einige schlechte Entscheidungen in den späteren Phasen dieser Offensivaktionen zur Folge hatte.

Bremens Offensivprobleme

Generell blieben die Bremer trotz einiger guter Aufbauansätze im Offensivspiel weitgehend harmlos. Das Hauptproblem war, dass sie ihre einzeln gut eingebundenen Akteure und die funktionierenden Lokalstrukturen nicht auf die mannschaftliche Ebene übersetzt bekamen. Dabei waren die Verbindungen zwischen den Spielern und Spielergruppen keinesfalls ideal, aber gar nicht mal die bedeutendste Kernschwierigkeit, sondern es fehlte vor allem an der richtigen Synchronisierungen zwischen den leicht seitlichen Aufbauballungen der Sechser wie Achter und den sehr freien Bewegungen der vorderen Akteure.

Deren Läufe, die Positionierungen des Mittelfelds und die Passentscheidungen der Innenverteidiger passten in vielen Situationen nicht gut genug zueinander, weshalb auch das situativ weite Zurückfallen von Hunt oder Obraniak nur recht unstrukturiert eingebunden wurde. So brachten die strategisch nicht wirklich überzeugenden Prödl und vor allem Lukimya ihre langen Bälle auf die in Freiräume ausweichenden Offensivleute – insbesondere natürlich auf Stürmer di Santo – oft in den falschen Momenten. Gegen die mannorientierte Freiburger Innenverteidiger war dies prinzipiell kein schlechter Gedanke, doch wurden diese Aktionen nicht konsequent genug an die mannschaftlichen Überlegungen angeschlossen.

Alles in allem wussten die Gastgeber die von ihren Problemen geplagten Bremer mit diszipliniertem und intensivem Verschieben weitgehend zu neutralisieren, wobei Mehmedi und Guédé sich in ihren Positionierungen immer mal wieder gut an die Umpositionierungen des Mittelfelds der Norddeutschen anpassten und klug auf bestimmte Passmuster oder –bahnen reagierten. Dahinter fügten sich die typischen Mannorientierungen in der Innenverteidigung gut in das Konstrukt ein, da Bremen bei ihren Versuchen, seitlich Überzahlengen herzustellen, ohne vollends stabile, überzeugte Strukturen eher noch die gegnerischen Innenverteidiger zusätzlich in Freiburger Kompaktheiten hineinzog. So entfaltete deren Defensivmittel in den entscheidenden Momenten seine Wirkung, während die möglichen Nachteile nur selten offenkundig wurden.

Bremen hängt zu oft am Flügel

Auffällig war, dass die Bremer in ihrer Ballzirkulation kaum die beiden Außenverteidiger einbanden, die bei ihren Positionierungen und Aufrückbewegungen recht wechselhaft agierten. So fielen diese als Optionen beim phasenweisen Durchspielen der Formation und auch als Ausweichmöglichkeit in den Aufbaubemühungen weg, sondern wurden eher weiter vorne in ungünstigen Szenen einbezogen. Entweder mussten sie also über das Mittelfeld eröffnen, das sich zwar gut, aber meistens etwas zu seitlich postierte, und auch nicht immer genügend Zeit während der Zirkulation bekam, konstant geplante Stellungen einzunehmen. Die Alternative waren die langen Bälle in die bewegliche Offensivabteilung, die dann früher oder später gebracht werden mussten. Dieses Mittel konnte zwar für das Aufrücken genutzt werden, fand aber häufig ebenfalls in breiten Zonen statt.

Weil die Freiburger defensiv gut arbeiteten und gegen solche Situationen meistens auch intelligent verschoben, fand sich Bremen im Endeffekt fast immer in engen, strategisch unguten Flügelpositionen wieder, die zu häufig zu einfachen Ballverlusten führten. Zu den zentralen Offensivräumen fanden sie gegen die balancierten Sechser der Hausherren und deren mannorientierten Innenverteidiger dann kaum Zugang. Somit entstanden ihre wenigen Abschlüssen allenfalls durch Flanken der hochstehenden Außenverteidiger, die einige Male ordentliche Winkel und Positionierungen für diese Hereingaben fanden.

Tore, Wechsel und Umstellungen

Erst nach Dutts Wechseln und Umstellungen ab der 65. Minute konnten sich die Werderaner insgesamt steigern, doch hatte Freiburg mit ihren Freiraumangriffen, die auch im Umschalten vermehrt umgesetzt wurden, zu diesem Zeitpunkt bereits auf 3:0 erhöht. Bei beiden Treffern zeigte sich in diesen konterhaften Situationen das Ausweichen der Stürmer hinter die hohen Bremer Außenverteidiger effektiv und trug entscheidend zu den Toren bei. Danach sahen Dutts Veränderungen mit den Einwechslungen von Petersen und Gebre Selassie eine 4-4-1-1-Formation vor, die mit dem tschechischen Rechtsverteidiger und Junuzovic auf den offensiven Flügeln zunächst einmal für mehr Stabilität sorgen sollte.

Auch wenn das Offensivspiel als solches nicht wirklich entscheidet verbessert werden konnte – die zuvor etwas stabileren Rechtsballungen wurden aufgelöst, Petersen und Makiadi versuchten links zu unterstützten, während Hunt durch gegenläufiges Ausweichen zu einzelnen Szenen kam – und weiterhin kaum Szenen heraussprangen, fanden die Grün-Weißen doch zumindest etwas mehr defensive Stabilität. Das im Pressing ebenfalls recht hoch und mannorientiert praktizierte neue 4-4-1-1 war für diese Spielweise die sicherere Variante. Während Bargfrede und Makiadi als Sechser ihre Freiburger Pendants bearbeiten, zeigten sich die Zuordnungen zwischen Flügelspielern und gegnerischen Außenverteidigern weniger umständlich. Mit dieser Grundanordnung konnte Bremen sich dann im Pressing situativ in enge Situationen zusammenziehen, anstatt situativ mannorientiert auszuschieben. Dass dies viel wirkungsvoller war, wurde in einigen Situationen angedeutet und dann durch Petersens Anschlusstreffer unterstrichen, als Hunt von Ginters schlechtem Chip-Pass auf den fast isolierten Darida profitierte.

Fazit

So ließ sich im Vergleich mit dieser Zwischenphase noch klarer feststellen, dass die Umsetzung der mannorientierten Rautenformation der wohl entscheidende Punkt für die Bremer Niederlage war. Durch die hohen Positionierungen konnten sie in den vordersten Zonen zwar gelegentlich Freiburgs Aufbau stören und – wie prinzipiell beim Anschlusstor gezeigt – auch etwas Gefahr ausstrahlen, doch in den Bereichen dahinter war diese Pressingausrichtung zu ambitioniert und riskant. Freiburgs Führungstor durch Schuster illustrierte in seiner Entstehung die Probleme der Gäste anschaulich.

So war es für Freiburg ein verdienter Sieg, bei dem sie nicht nur von den Problemen ihres Gegners profitierten, sondern auch selbst offensiv überzeugen konnten. In einer durchwachsenen Spielzeit war dies wohl eine der besten Saisonleistungen im letzten Drittel, die das Team von Christian Streich – nun auch mit mehr personellen Möglichkeiten – ablieferte. Die Freiraumangriffe und Seiten- sowie Halbraumüberladungen und die Effektivität ihrer vielen Bewegungen gestalteten sich trotz kleinerer Probleme im Detail viel effektiver, als so manche seltsam ungefährliche Vorstellung, die in den letzten Monaten von ihnen zu sehen gewesen war. Zwar kamen wie schon in Frankfurt auch über die bisher oft vermisste Effizienz im Abschluss, doch war dies auch dadurch bedingt, dass ihre quantitativ nicht ganz so häufigen Szenen eben entweder sehr klar ausgespielt wurden oder zumindest aus offenen, unbedrängten Abschlusssituationen entstanden.

Gegenüber diesem deutlichen Fortschritt bei den Schwarzwäldern bleibt Bremen im Offensivspiel weiter bei recht ungefährlichen Ansätzen hängen, auch wenn Ideen eigentlich da sind. Das Ballbesitzspiel sieht durchaus vielversprechend aus, die Abläufe in der Tiefe deuten Potential an und auch die grundlegenden Gesamtstrukturen funktionieren teilweise. Es fehlt nur daran, dies alles bis ins letzte Drittel richtig auszuspielen und dort über eine klare Offensivanlage durchschlagende Szenen heraufbeschwören zu können. Hier hat es Dutt allerdings auch vom Kader her nicht so einfach – kreative Zwischenraumspieler, solche, die für konstant durchstoßende Läufe sorgen, und insbesondere  Antreiber fehlen, wohingegen einige tiefe Passakteure und vor allem viele balancierende oder anpassende Typen für die hinteren Bereiche zur Verfügung stehen. Mit Hunt muss einer der potentiellen Schlüsselspieler zu viel Eigeninitiative leisten und kann deshalb zu selten unterstützend agieren. An diesem Beispiel werden die Probleme exemplarisch: Bremen hat eine Balancespielerarmee, aber niemanden, der sie kommandiert.

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