Türchen 15: Mario Gomez

Kaum ein Spieler ist dermaßen häufig Thema solch intensiver Debatten wie Mario Gomez. Meistens wird er dabei vor allem über seine Torjägerqualitäten und seine Gefährlichkeit im Strafraum definiert, womit sich dann in vielen Fällen eine Kritik an einer „limitierten Spielweise“ verbindet, die die Würdigung in den Hintergrund treten lässt. Diese Sicht auf Gomez – vor allem bedingt durch kleinere Schwächephasen und –momente, wie die vergebene Chance bei der EM 2008 oder eine durchwachsene Debütsaison beim FC Bayern – ist eine eindeutige Reduzierung, die als Fehleinschätzung einige seiner wichtigsten Qualitäten aus dem Blick verliert und ihn eindimensional macht. In Wirklichkeit ist Mario Gomez keineswegs der typische Strafraumstürmer – er ist es sogar gerade nicht. Seine spielerischen und zuarbeitenden Qualitäten für das Team sind nicht allein unterbewertet, sondern stellen mehr als eine zu gering geschätzte Säule neben dem Kern seiner Spielweise dar, die man als klassisches Lauern im Strafraum bezeichnet. Gerade das Unterschätzte ist das zentrale Element bei Gomez, der nicht primär den klassischen Stürmer darstellt, sondern fast schon ein Gegenbild zu dem,  was viele in ihm sehen.

Neben seiner staksigen und nicht wirklich eleganten Spielweise, die aus ästhetischen Gründen teilweise auf die Kritik an Gomez abzustrahlen scheint und in Form des „Stolperns“ als gravierende Schwäche gedeutet wird, lassen sich zwei große Vorwürfe aus der Masse der Diskussionen herausfiltern, mit denen Gomez im besonderen Maße immer wieder beschrieben und konfrontiert wird.

Der Vorwurf der fehlenden Bewegung und Teilnahme

Der erste Aspekt bezieht sich vor allem auf das Offensivspiel und moniert, dass Gomez an diesem zu wenig aktiv teilnehmen und im Sinne des Teams helfen würde. Stattdessen wird er häufig als klassischer oder gar als veralteter Strafraumstürmer deklariert. Vor allem die grundsätzliche Annahme, Gomez läge sich wund oder würde sich nicht ausreichend bewegen, hat kaum etwas mit der Realität zu tun. Vielmehr verfügt der ehemalige Bayern-Stürmer mit seiner Athletik über einen besonders hohen Aktionsradius, treibt sich – wenn vernünftig eingebunden – fast andauernd außerhalb des Strafraums in diversen Zonen herum und zeigt sich dabei sehr engagiert.

Immer wieder weicht Gomez auf die Flügel aus, um dort in offene Räume hineinzuziehen und Lücken mit seiner Physis zu attackieren, als Wandspieler für die Kollegen – bei Bayern gerne für den einrückenden Ribéry – zu dienen oder Gegner zu okkupieren. Als er 2010/2011 die Torjägerkanone holte, waren es diese konstant von ihm abgerufenen und teilweise in Perfektion dargebotenen Bewegungen, die fast noch wichtiger waren als die 28 erzielten Treffer. Ein herausragender Angreifer wie Mario Gomez kann diese beiden Aspekte auch auf hohem Niveau miteinander verbunden und aus seiner Zuarbeit für die Teamkollegen heraus wieder Vorteile für sein eigenes Spiel und das Toreschießen generieren.

Aus der erwähnten Saison gibt es ein von ihm erzieltes 1:0 im Heimspiel gegen 1899 Hoffenheim, das mehrere übersehene Punkte an Mario Gomez sehr gut illustriert. Zunächst wich er nach links aus, öffnete damit Raum für das Trio hinter ihm, band passiv Beck und isolierte diesen somit aus der Situation heraus. Gleichzeitig nutzte er diese Bewegung mit Weitsicht, um sich von den Innenverteidigern zu lösen und in eine günstige Abschlussposition zu kommen, falls er das Leder erhalten sollte – was dann auch geschah und zum Tor führte.

akalender 2013 gomez tor-ausweichen

Nach starken Verlagerungen der beiden Achter und Badstuber kann Gustavo Ribéry in die Mitte bringen. Gomez weicht nach außen, isoliert Beck und verwandelt nach Robbens Zuspiel (Ribéry auf Müller, der steckt auf Robben durch) aus kurzer Distanz.

Mit seiner engagierten Bewegung ohne Ball arbeitete er nicht nur entscheidend für seine Mitspieler und den Angriffsverlauf, sondern ermöglichte sich letztlich auch selbst die Chance nach dem Zuspiel von Robben. Das Ausweichen nach links erfüllte in diesem Sinne mehrere Funktionen und stellte auf mehreren Ebenen eine enorm intelligente Bewegung dar – wie Gomez dem Team hilft, wie er sich selbst hilft und wie er beides enorm miteinander verknüpft und ineinander übergehen lässt. Es gibt auf dieser Welt nur sehr wenige Fußballer, die sich so geschickt, vorausschauend, komplex und intelligent bewegen können wie Mario Gomez, der bei seinen verschiedenen Läufen in dieser Szene stets mehrere gedankliche Schritte voraus war und ein grandioses Bewusstsein für die taktischen Abläufe, Synergien und Mechanismen zeigte.

An dieser Stelle sei der Kollege RM zitiert, der die übersehenen Offensivqualitäten von Gomez bereits einmal in schöner Formulierung – sowohl recht kompakt als auch mit lobender Wertung versehen – zusammengefasst hat:

„Er mag zwar spielerisch nicht so stark sein wie der Dortmunder Robert Lewandowski  – oder gar wie ein Zlatan Ibrahimovic –, dennoch ist er kein reiner Strafraum- und Konterstürmer, zu dem er (zu) oft gemacht wird. Seine Ballannahme ist zwar inkonstant und gelegentlich unpräzise, seine Ballmitnahme in vollem Lauf ist aber auch technisch ein Highlight. Er bewegt sich außerdem hervorragend in offene Schnittstellen, ist enorm durchschlagskräftig und besitzt mit beiden Beinen einen tollen Abschluss.

Wie seine Tore bei der Europameisterschaft 2012 oder auch der eine oder andere Treffer in dieser [2012/13, Anm.] Bundesliga-Saison bewiesen, kann er auch spielerisch hochwertige Sachen abliefern – insbesondere Ballmitnahmen mit Körpertäuschung auf engem Raum und einer darauffolgenden direkt hochwertigen Abschlussposition oder abrupte Geschwindigkeitswechsel mit Ball am Fuß.

Auch im schnellen Kombinationsspiel ist er durchaus gut. Seine One-Touch-Weiterleitungen sind sehr oft sehr stark und gefährlich. So hat Gomez mit 78,3% erfolgreichen Pässen von allen Mittelstürmern in der Bundesliga die drittbeste Quote; knapp hinter Max Kruse und Claudio Pizarro, die sich oft ins Mittelfeld zurückfallen lassen und keine „klassischen“ Mittelstürmer darstellen. Auch international gibt es nur wenige Mittelstürmer, die eine bessere Quote haben. (…) Die meisten überlegenen Akteure sind falsche Neuner wie Messi (85,2%) oder hängende Stürmer (Ljajic 88,1%, Bojan 85,7%), nur in England finden sich einige konstant als Mittelstürmer spielende Akteure, die eine bessere Quote haben (Van Persie 80,2%, Agüero 82.4%, etc.).“

Gomez und die Dribblings

Keineswegs steht Gomez also nur im Sechzehner herum, arbeitet nicht genügend für das Team oder spielt nicht entscheidend mit. In dieser Hinsicht agiert er bei seinem Ausweichen nicht immer nur als passiver und lauernder Angreifer, der erst recht spät zum aktiven Teilnehmer wird wie beim Treffer gegen Hoffenheim. Genauso bindet er sich von Beginn an gerne in die Kombinationen ein, kann als kurzzeitige Ablagefläche und als Wandspieler fungieren, bewegt sich generell in diversen Situationen intelligent und mit gutem Timing. Sogar in engen Räumen zeigt er bei direktem und anspruchsvollem Kombinationsspiel eine feine Technik und lobenswerte Beteiligung – nur eben recht inkonstant und teilweise schwer zu berechnen, weshalb er nicht immer ganz unkompliziert einzubinden ist und diese Momente gerne übersehen werden.

Diese Kombinationsfähigkeiten dürfen allerdings nicht als vollendete und stets hochwertige Teilnahmen verstanden werden. Auch wenn sich Gomez gut einband und immer mal wieder engere Situationen mit starken One-Touch-Weiterleitungen zu meistern wusste, fehlte und fehlt es ihm doch an einer wirklichen Pressingresistenz als solcher. Bei komplexen oder zu engen Szenen hat er Schwächen mit der Technik, der Beweglichkeit und der Entscheidungsfindung, während zu einfache und offensichtliche Voraussetzungen manchmal inkonstant oder unsauber von Gomez bespielt werden, was die mannschaftlichen Bemühungen dann ebenso vor Probleme stellen kann. Am besten – und dann auch sehr stark – ist Gomez gerade für dominante Mannschaften im Zusammenspiel dann, wenn er meistens passiv und ansonsten kurzfristig in den richtigen Momenten eingebunden wird.

Bei seiner Arbeit für das Team sind nicht nur seine Ablagen, kleinen Kombinationsbeteiligungen und sein Spiel in Freiräume zu erwähnen, sondern vor allem seine herausragenden Dribblings, die Gomez immer wieder für verschiedene Zwecke nutzen und in den Dienst des Teams stellen kann. So ist es ihm möglich, den Angriffen eine neue Richtung, einen neuen Aufhänger oder eine neue Wendung zu geben bzw. sie gar in eine gänzlich andere Situation zu verlagern. Diese Dribblings, bei denen Gomez wohl zu den stärksten Stürmern Europas gehört, lassen sich noch einmal in zwei grobe Unterarten aufteilen – einmal in etwas raumgreifendere und kraftvollere, einmal in feinere und engere Aktionen.

Bei ersteren Dribblings geht der Nationalspieler meistens enorm athletisch in offene Räume hinein, ist dabei mit seiner Physis und seiner bulligen Spielweise kaum vom Ball zu trennen. Dies hat bereits zahlreiche Verteidiger frustriert – selbst die besten ihrer Zunft und sogar kampfstarke Kanten wie Subotic wurden von Gomez einige Male in direkten Duellen dominiert. Fast ebenso verrückt ist die andere Art der Dribblings, bei denen Gomez auch auf engen Räumen gegen einen oder gar mehrere Gegner hervorragende Abstoppbewegungen und Richtungswechsel hinzulegen weiß, mit denen er in seiner Karriere ebenfalls schon mehrere namhafte Defensivakteure auf engem Raum aus dem Gleichgewicht bringen und düpieren konnte. Wenn eine solche Szene gelingt, kommt ein spektakuläres Ergebnis heraus – bei Bayerns 6:0 gegen Hamburg 2011 traf er anschließend nur den Pfosten, in Stuttgarter Zeit sorgte er gegen Bremen für ein starkes Solotor.

Der Vorwurf der schwachen Arbeit gegen den Ball

Der zweite größere Vorwurf an Mario Gomez hat mit seiner angeblich zu geringen Beteiligung an bzw. Effektivität in der Defensivarbeit zu tun und ist ebenso wenig haltbar wie der erste Kritikpunkt.  Die bereits erwähnte engagierte Facette in der Spielweise des Nationalangreifers und sein bewegungsfreudiger Stil zeigen sich auch in diesen Phasen einer Partie. Ob seine methodische und systematische Vorgehensweise mit gewissenhaftem Umsetzten der Vorgaben im Pressing oder sein intuitives, kraftvolles und arbeitsames Nachgehen im Gegenpressing – jeweils kann Mario Gomez mit viel Aufwand, Einsatz und Effektivität in der Defensive überzeugen.

Ein ganz besonderes und in dieser Form vielleicht einmaliges Element beim Neu-Fiorentiner stellen seine herausragenden Qualitäten im Rückwärtspressing dar, die sich aus einer Kombinationen der genannten Aspekte ergeben. Gerade in der Zeit unter Louis van Gaal arbeitete Gomez in dieser Hinsicht vorzüglich mit und entwickelte sich zu einem wahren Monster im Rückwärtspressing, der nicht nur die bulligsten Innenverteidiger, sondern nun sogar die spielstärksten Mittelfeldstrategen mit seinem guten Timing das Fürchten lehrte. Besonders beeindruckend war die Tatsache, dass diese Qualitäten sowohl gezielt im Pressing als auch etwas spontaner in Umschaltphasen des Gegenpressings von Gomez umgesetzt wurden – und das auf einem gleichermaßen hohen Niveau. So mauserten sich seine Balleroberungen – wie auch immer konkret zustande gekommen – in jener Zeit fast zu einer Art eigenem Spektakel. Allerdings baute Gomez nach der Saison in dieser Hinsicht wieder ab, was dazu beitrug, dass dieser auffällige Punkt viel weniger Aufmerksamkeit nach sich zog, als verdient gewesen wäre.

akalender 2013 gomez rwpress

Inter versucht nach einem Missverständnis zwischen Pranjic und Ribéry zu kontern. Maicon will Pandev anspielen, doch Gomez rückwärtspresst diesen und gewinnt Bayern den Ball zurück, die in Breno den freien Mann finden und neu aufbauen können.

Dennoch gab es auch in unmittelbarer Vergangenheit einige Spiele, in denen Gomez mit seinem Rückwärtspressing zu glänzen wusste – wie schon 2011 gegen Inter vor allem in solchen Partien, in denen die Bayern nicht so viel Ballbesitz verbuchten wie eigentlich gewohnt. Noch mehr als seine starke Leistung beim 4:0 gegen Barcelona in der vergangenen Saison der Champions League war es das Halbfinale ein Jahr zuvor – gegen den anderen großen Giganten aus Spanien, Real Madrid.In München fächerten die „Königlichen“ gerne auf und suchten Aufbausituationen, wofür Ramos immer mal wieder hochschob und Xabi Alonso als hauptverantwortlicher Akteur fungieren sollte. Allerdings kam dieser aus dem Rhythmus, weil Gomez ihn ständig beeindruckend von hinten attackierte – in diesen hohen Positionierungen hatten die Gäste somit nie wirklich Sicherheit in ihrem Spiel und Jupp Heynckes verbuchte einen Punktsieg in dieser Hinsicht.

Der Einfluss von allgemeinen Wahrnehmungsphänomenen

Ein weiterer möglicher Grund dafür, dass Gomez´ Defensivarbeit gerne einmal übersehen wird, liegt gar an der Intelligenz seines hervorragenden Timings. Besonders hinsichtlich potentiellen Situationen für den Einsatz seines Rückwärtspressing beobachtet er das Geschehen immer sehr genau und positioniert bzw. bewegt sich gegen den Ball nicht allein nach Kriterien der Stabilität und der vorgebebenen taktischen Abläufe, sondern stets angepasst und vorausschauend. Er wägt Möglichkeiten für das Attackieren des Gegners ab und wartet dabei auf den richtigen Moment. Mit hervorragender Balance entscheidet er sich dann kurzfristig, ob es sich lohnt, die von ihm aufgebaute Falle zuschnappen zu lassen oder nicht.

Wenn er zum Rückwärtspressing ansetzt und dabei erkennt, dass der Gegenspieler wohl eine Lösung finden wird, passt er sich schnell an und wägt ab, ob er seinen „Angriff“ noch modifizieren soll oder nicht. Manchmal ändert Gomez dann recht frühzeitig, unmerklich und minimal seine Laufrichtung, um sich zumindest noch so zu positionieren, dass keine unmittelbaren Stabilitätsprobleme auftreten und er zügig zurück in eine sinnvolle Stellung kommen könnte. Manchmal führt er den ursprünglich geplanten Bewegungsablauf aber auch ohne Chance auf den Ball einfach weiter und nimmt die fehlgeschlagene Pressingaktion in Kauf – je nach Situation kann dies die stabilere Option sein, da Gomez dann zumindest recht weit nach hinten gerückt ist.

akalender 2013 gomez

Sneijder will auf Cambiasso spielen und Gomez setzt zum Rückwärtspressing an. Als er erkennt, dass der Niederländer den Ball doch auf Lúcio „durchstecken“ will, setzt er einen Lauf fort, ändert aber die Richtung minimal und dreht sein Sichtfeld in Richtung Lúcio und Motta. Auch wenn das Rückwärtspressing als solches fehlgeschlagen ist und die Bayern den Ball nicht erobern konnten, hat sich Gomez geschickt verhalten. Er ist für mehr Kompaktheit immerhin in tiefere Position gerückt, ermöglicht Müller das Hochschieben, um den Pass zum anderen Flügel unwahrscheinlicher zu machen und gibt auch Ribéry zusätzliche Bewegungsoptionen. Viele Stürmer hätten die potentielle Pressingszene gar nicht erkannt, hätten sich höher positioniert, den „zockenden“ Lauf zu Cambiasso nicht versucht und stattdessen wohl Sneijder die Möglichkeit gegeben, den Argentinier anzuspielen, so dass Müller, Schweinsteiger oder Ribéry riskant hätten herausrücken müssen, wenn man ihm keine Zeit hätte gönnen wollen.

Doch unabhängig von der genauen Entscheidung gehen derartige Szenen, in denen Gomez den Ball gewinnt oder auch nicht, enorm schnell vorbei. So sind sowohl seine Ursprungsidee und die damit verbundene Intention als auch seine Umdisponierung kaum zu bemerken, allerdings hervorragende Defensivleistungen. In vielen Partien kommen reihenweise solcher Ansätze von Rückwärtspressing vor, die nicht ganz klappen – in seinem Engagement versucht es Gomez bei sinnvoller Gegebenheit und unter der Prämisse, nicht die Stabilität zu riskieren, sehr häufig, nimmt Fehlschläge hin und verbucht irgendwann zwangsläufig seine Erfolge. In diesem Tempo – was auch auf die Aktionen der jeweiligen Gegner zutrifft – liegt zum Teil begründet, weshalb Gomez´ Defensivarbeit generell zu wenig Wert geschätzt wird – sie ist selbst recht kurzfristiger Natur und attackiert meistens auch Offensiv- bzw. Aufbauaktionen, die sich ebenso in einem kleinen Zeitfenster abspielen.

Beim Rückwärtspressing kommt Gomez häufig plötzlich und unerwartet ins Geschehen hinein, gewinnt den Ball (oder „scheitert“) und schon hat sich eine neue Situation ergeben. Dagegen ist das ebenso lobenswerte Rückwärtspressing von Nationalmannschaftskollege Miroslav Klose ein wenig dauerhafter angelegt und wird meistens in etwas statischeren Gesamtsituationen durchgeführt – der Lazio-Stürmer verfolgt dabei Gegner gerne etwas konstanter und über längere Strecken, nervt sie gegebenenfalls und gewinnt den Ball nach einem hartnäckigen Arbeitsprozess, so dass der Betrachter mehr Zeit hat, diese Szenen zu würdigen (natürlich gibt es auch bei beiden die jeweils anderen Fälle, aber so funktionieren die zwei Grundmuster). Trotz Kloses energetischerer Art steht ihm Gomez dabei nicht nur im Ergebnis (sofern der Ball denn jeweils wirklich gewonnen wird), sondern auch in der letztlichen Intensität der Aktionen – unter anderem aufgrund seiner höheren Athletik – kaum nach.

Wie Mario Gomez falsch eingeschätzt wird

Übrigens wird Mario Gomez nicht nur hinsichtlich des Mitspielen, Bewegens, der Defensivarbeit und dem Unterstützen seiner Kollegen massiv unterschätzt und in seiner Methodik falsch gesehen, sondern in einigen Aspekten auch zu gut bewertet. So herrscht beispielsweise durchaus die Meinung vor, dass der „klassische“ Gomez ein typischer und gefährlicher Kopfballstürmer sei. Doch im Gegensatz zu dem, was der Nationalspieler am Boden kann, fällt diese Fähigkeit bei ihm doch deutlich ab. Oftmals trifft er schlechte Entscheidungen in der Vorbereitung, positioniert sich nicht immer gut, zeigt keine idealen Bewegungsabläufe, kann sich zu selten in Luftduellen behaupten und – falls er dazu kommen sollte, was meistens nur in eher freien Situationen passiert – setzt den Kopfball selbst auch nicht in höchster Qualität – das können in Europa eine Reihe von Angreifern deutlich besser.

Als weiteren Aspekt kann man ohne Umschweife der zumindest in Teilaspekten überbewertete Abschluss von Gomez genannt werden, was interessanterweise gar in der fehlerhaften Einschätzung enthalten ist. Einerseits wird Gomez darauf reduziert, dass er einfach viel trifft, andererseits kritisiert man ihn immer mal wieder für vergebene Großchancen wie 2008 gegen Österreich. Man sieht recht schnell, dass Gomez potentiell zwar ein hervorragender Abschlussspieler ist, allerdings nicht zuverlässig und konstant – was in der öffentlichen Betrachtung meist angedeutet wird, aber viel zu unkonkret behandelt und kaum wirklich gesagt. In seinen guten Phasen ist Gomez dann fast aus allen Lagen torgefährlich, kann auch dank seiner Dribblings und Verzögerungen problemlos von außerhalb des Strafraums treffen. Einen potentiell solch hervorragenden Abschluss mit der Mischung aus Kraft und Präzision, in den man seine Athletik fast schon hineingelegt spürt, haben nur wenige – leider zeigt ihn Gomez auch nur recht selten. Ebenso wie seine Athletik bei Freiraumkontern war dies besonders ein wichtiger Aspekt seiner Stuttgarter Zeit.

Schließlich sei noch ein letzter Punkt erwähnt, bei dem allerdings nicht ganz eindeutig ist, ob hier tatsächlich eine Fehleinschätzung vorliegt, da nur selten überhaupt über eine Kategorisierung und Bewertung des Ballhaltens bei Gomez diskutiert wird. Es steht zu vermuten, dass er hier ein wenig zu stark gesehen wird, denn an die Qualitäten eines Mandzukic oder Lewandowski reicht der Nationalspieler in dieser Disziplin nicht heran. Zu dieser Thematik schrieb Kollege RM: „Dies erfordert keine starke Balltechnik im herkömmlichen Sinne. Gomez muss in dieser Situation gar nicht den Ball stoppen bzw. tut es nicht, er benötigt dafür keine saubere Technik, keine Dribblings oder eine konstant starke Ballbehauptung und -beherrschung. Kießling ist hier ein anderer Spielertyp, der etwas macht, was Gomez nicht kann und gar nicht wirklich versucht: Im Stehen mit dem Gegner im Rücken den Ball behaupten, ihn halten und kontrollieren.“

Tatsächlich sind es vor allem die statischen Situationen, die Gomez am wenigsten liegen (ist das ein Wortspiel?) und die er auch nicht wirklich zu erzeugen in der Liga ist. Im Grunde genommen verhält sich die Statik als eine Art Gegenpol zur Spielweise und dem Charakter von Mario Gomez, der ihr in vielerlei Hinsicht entgegenläuft. Mario Gomez kann von seiner Natur aus gar nicht in irgendeiner Weise statisch sein oder sich „wund liegen“ – es ist anatomisch nicht möglich.

JS 15. April 2015 um 14:15

Hi TR,

ich weiß ja nicht, ob noch jemand hier liest, aber was mich interessieren würde: Was hältst du von der jetzigen Entwicklung von Mario Gomez? Was man in den Medien liest, ist ja irgendwie lustig, da wird Mario erst als nicht mehr zu gebrauchen dargestellt, und dann schießt er Florenz im nächsten spiel wieder in irgendein Finale…
Also, was ich wissen will ist: Glaubt hier irgendjemand an ein richtiges DFB Comeback? Er scheint ja (wenn er denn mal spielt) ganz ordentlich zu treffen…
Wäre schön, wenn hier jemand sich die Mühe macht, hier zu antworten. Einen Vollständigen neuen Artikel über Mario will ich jetzt nicht fordern… wäre aber durchaus Attraktiv.

Ps: Ricardo Kaká oder Mario Götze oder Ronaldinho oder Terodde etc. wären auch sehr interessant. SpielERanalysen finde ich persönlich noch immer am spannendsten.

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RM 15. April 2015 um 15:50

Ich hätte ja Gomez nur zu gerne mal unter Pep gewesen. Wahrscheinlich total wirr. Glaube irgendwie nicht, dass er es zurück in die DFB-Elf schafft, leider.

Kakà und Ronaldinho gibt’s sicher irgendwann, aber wieso denn bitte Terodde?

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JS 15. April 2015 um 17:26

😀 Terodde fiel mir als Bochumfan nur eben mal beim Schreiben ein… man sieht ja an eurer Seite, dass doch mindestens ein Schreiber Bochum-Symphasiast sein muss…

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RM 15. April 2015 um 19:22

Ich dachte, jeder Bochum-Sympathisant ist automatisch Terodde-Antipathisant?

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JS 15. April 2015 um 22:58

warum? hab ich bis jetzt noch nicht gemerkt… vielleicht hab ich was verpasst…

Antworten

RM 15. April 2015 um 22:59

Ich habe gehört, dass er unglaublich schlecht sein soll.

JS 15. April 2015 um 23:09

Ich kann nicht mehr antworten, der Button fehlt. Also soll das hier die Antwort an RM sein.

Terodde ist doch bester Torschütze… Was ist an ihm schlecht? Ich sehe wenig Spiele…

JS 15. April 2015 um 17:28

andere Frage: Kaka mit ´ oder `? man findet ja beides, bei Wikipedia wird meine Schreibweise (Kaká) benutzt…

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HansPeter 15. April 2015 um 19:10

mit ´ steht so auf seinem trikot und website

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tatuki 21. Dezember 2013 um 11:42

Gomez unter Guardiola wird wohl leider ewig ein Gedankenspiel bleiben. Hätte ich gerne gesehen, was sich Guardiola hätte einfallen lassen. Übrigens: Hätte jemand vor der Saison gedacht, dass die Bayern unter Mister Kurz-und-Flach-Pass mit so vielen langen und hohen Bällen operieren und so viele Kopfballtore erzielen und Mandzukic sich so etabliert?
Guardiola scheint tatsächlich, wie er es zu Amtsantritt sagte, von den Spielern auf das System zu schließen, nicht umgekehrt. Er hätte also mit Gomez im Kader wohl auch auf dessen Spielweise reagiert. Oder?
Womit wir eigentlich bei einem falsch eingeschätzen Trainer wären: Pep Guardiola. Kommt vielleicht noch ein Artikel dazu?! 🙂

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kloeman 18. Dezember 2013 um 13:11

da hab ich auch drüber nachgedacht: Löw spricht (interessanterweise seit Gomez nicht mehr gespielt hat) nach jedem Länderspiel davon, dass ihm das Spiel im letzten Drittel nicht gefallen habe. Die Mannschaft spielt größtenteils absolut dominant bis ins letzte Drittel hinein, findet dann aber nicht den letzten konsequenten Pass, kreiert (gemessen an ihrer Überlegenheit) zu wenig Torchancen aus dem Spiel heraus.
In diesem Artikel hier werden die herausragend intelligenten Bewegungen von Gomez genannt, wie er Raum erkennt, schafft und zu nutzen weiß. Ist es gerade diese Komponente, die der N11 fehlt?
Auch bei Bayern München habe ich häufig das Gefühl, dass „da vorne“ eine gewisse Konsequenz fehlt. Provokant gesagt: was nützen mir 85% Ballbesitz, wenn ich a) kaum in den gegnerischen Strafraum eindringe und b) der Gegner eben aus seinen 2 Ballgewinnen im Spiel und den anschließenden 2 Kontern auch konsequent 2 Tore macht.
Bitte nicht als Häme gegen die Bayern oder als Abwertung der bayrischen Stürmer gegenüber Gomez sehen, das Fass will ich hier gar nicht aufmachen! Ich habe nur des öfteren in letzter Zeit bei N11 und FCB das Gefühl, dass man am gegnerischen Strafraum mehr auf der Suche ist, als tatsächlich Lösungen zu haben. In den Kommentaren weiter unten wurde dies auch bereits gefragt, inwieweit Gomez den momentanen FCB (und die N11) positiv verstärken würde?
Zur Frage der Offensivbesetzung der N11 mit einem Gomez: hatte immer das Gefühl, dass Özil, Müller und Kroos ganz gut zur Spielweise von Gomez passen. Reus, Schürrle und Podolski eher weniger, da sie Gomez weniger suchen, stattdessen häufiger versuchen selbst das letzte Glied in der Kette zu sein. Götze und Draxler spielten meines Wissens noch nicht so häufig mit Gomez zusammen

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blub 18. Dezember 2013 um 13:40

Das is zwar die letzten Monate nicht so häufig vorgekommen, aber ich fand das zusammenspiel von Özil und Gomez ncith besonders prickelnd. Irgendwie hat Gomez es immer wieder geschafft sich so zu positionieren das Özl ihn ums verrecken nicht anspielen kann und das ist shcon echt schwer. Bei wem von beiden da jetzt konkret die schuld liegt vermag ich nicht zu sagen, es hat mir als beobachter aber garnicht gefallen.

Was Gomez zu einlochen bei hohen Ballbeitzraten angeht finde ich nur teilweise das er gut passen würde, denn das Problem ist doch meist das die Szenen etwas undynamsich werden und man den Gegner in/an den Strafraum drückt und da finde ich Gomez realtive positionierung nicht mehr so geil, man vergleiche mit der Hohen linie aus dem Hoffeheimbeispiel.

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a_me 16. Dezember 2013 um 09:45

Vielen Dank für den interessanten Artikel.
Für mich stellt sich nun vor allem die Frage, ob auch die allgemeine Bewertung bzgl. Integration in die Nationalelf fehlerhaft ist, in der es ja darum geht, dass Klose aber auch Kruse besser „mitspielen“. Teilweise geht ja der Anfang des Artikels darauf ein, aber ich würde mir über eine konkrete Bewertung freuen. Mich würde auch freuen, mit welcher offensiven Dreiereihe Gomez in der Nationalelf aus eurer Sicht optimal klar käme.

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UI 15. Dezember 2013 um 20:19

Ich hoffe, dass Mario Gomez eine verletzungsfreie Rückrunde spielen kann. Dann bin ich mal gespannt, was für Spiele er abliefert. Sollte es ihm gelingen, sich gut in Florenz einzufügen, traue ich ihm noch einmal viel zu. Gerade mit Rossi hat er einen tollen Sturmpartner, der ja aktuell auch mit 13 Treffern die italienische Torjägerliste anführt.

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Mananski 15. Dezember 2013 um 15:37

War nicht Kevin Kuranyi auch ein Gott im Rückwärtspressing? Ich erinnere mich an viele Szenen, wo er aus dem nichts kam und dem Aufbauspieler den Ball geklaut hat…

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Jossur 15. Dezember 2013 um 15:07

Was die Annahme geht Gomez wäre kopfballstark: Er ist halt groß und in vielen Köpfen wird Größe und Kopfballstärke gleichgesetzt, besonders bei Stürmern.

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SP 15. Dezember 2013 um 14:48

Ein weiteres Beispiel für seine Atletik und Dribblestärke: http://www.youtube.com/watch?v=HH5qKsHkqL8

Zwei Fragen:
Wie schätzt ihr Gomez Chancen in der Nationalmannschaft ein, Klose abzulösen/zu verdrängen?
Hättet ihr Gomez zugetraut, sich unter Guardiola bei Bayern durchzusetzen, wenn er geblieben wäre?

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QZ 15. Dezember 2013 um 16:56

Frage 1: seit September sind beide verletzt, also sollte man hier einfach mal sehen, wie die Rückrunde beider ausschaut. Vielleicht schlägt Gomez voll ein und erzielt durchschnittlich 2 Treffer pro Spiel oder er findet einfach keine Einbindung in Florenz. Vielleicht verletzt sich Klose jetzt gleich nochmal und beendet vorzeitig seine Karriere oder er wird nochmal vom zweiten Frühling geküsst. Langfristig zur N11: Klose spielt maximal bis Sommer 2014. Gomez ist dann 29 und nicht der absolute Wunschspieler für Löws Fußball. Wahrscheinlich ist, dass dann in den 2 Jahren bis zur EM 2016 ein jüngerer Spieler zum Stürmer Nummer 1 aufrückt. Möglichkeiten hierfür gibt es reichlich.
Frage 2: die Frage stellt sich eigentlich nicht, siehe Mandzukic. Dieser sitzt öfter mal draußen, da Guardiola sehr variabel aufstellt. Da wäre es nicht ums Durchsetzen unter den Stürmern gegangen, sondern darum, wie häufig Guardiola sich eine Taktik ausgedacht hätte, in der er auf Gomez Fähigkeiten zurückgegriffen hätte. Müsste man also alle bisherigen Spiele mal durchgehen und überlegen, wo man mit Gomez einen entscheidenden Mehrwert gehabt hätte. Wäre durchaus interessant das mal zu durchdenken. Aus dem Bauch heraus würde ich sagen, dass Guardiola sicher etwas spannendes eingefallen wäre … 😉

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TR 15. Dezember 2013 um 18:28

Zum 1. Punkt lässt sich generell kaum sagen, was da wohl passieren wird. Gibt allghemein ja diverse Möglichkeiten und Optionen für die Offensive und die weitere Entwicklung. Abgesehen davon, dass ich Klose zumindest bei Löw einen gewissen Vorsprung und leichte Präferenzen zuschreiben würde, wird die Besetzung des Mittelstürmerpostens wohl vor allem davon abhängen, wie Löw die vielen Varianten im Mittelfeld zusammenbastelt.

Zum 2. Punkt: Ich hätte es ihm definitiv zugetraut – die Möglichkeit wäre auf jeden Fall da gewesen, aber das ist natürlich immer noch keine Garantie. Aber mit einigen seiner Fähigkeiten hätte er durchaus passend oder gar wertvoll für Pep sein können. Für seine Angreifer gelingt es ihm bisher generell ganz gut, auch immer mal wieder recht offene Situationen herzustellen, was Gomez gelegen hätte – vor allem, da Bayern jetzt noch deutliche Unterschiede in Ausführung und vor allem „Intensität“ (in abstrakter Hinsicht, wie weit man das enge Ballbesitzspiel im letzten Drittel treibt) zu Peps Barcelona bestehen.

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