FSV Mainz 05 – VfB Stuttgart 3:1

Zwei der laufstärksten Mannschaften in der Bundesliga trafen in einem intensiven Spiel am Ende der Hinrunde aufeinander.

Thomas Tuchels Abkehr von der Raute

In den letzten Wochen hatte die Raute bei den Mainzern außerordentlich funktioniert und war in den meisten Partien erste Wahl gewesen. Die Spielertypen schienen am besten in dieses System zu passen, welches auf enormes Gegenpressing, hohe Aggressivität und möglichst schnelles Umschalten ausgelegt ist. Gegen die Stuttgarter wich Thomas Tuchel aber zumindest von seiner Rautenformation ab.

Grundformationen

Grundformationen

Wie genau man diese Formation allerdings beschreiben soll, ist gar nicht so einfach. Im Pressing war es zumeist ein 4-4-2, in welchem Andreas Ivanschitz den höchsten Akteur, Wandspieler Adam Szalai, unterstützte. Zumeist blieb die Mittelfeldviererkette dahinter und spielte eng an der Abwehr. Gleichzeitig formierte sie sich eher eng und versuchte die Schnittstellen in ihrer Reihe möglichst klein zu halten.

Einige Male wich jedoch einer der Sechser, zumeist Soto, nach vorne und versuchte den Druck zu erhöhen und Kuzmanovic im Aufbauspiel etwas zu versperren. Dadurch hatte auch Sven Ulreich im Kasten der Stuttgarter einige Probleme im Aufbauspiel und konnte nicht den einfachen Pass in das zentrale Dreieck vor der Abwehr spielen. Im Umschaltspiel ließ sich aber Ivanschitz einige Male nach hinten fallen und es entstand eine Art 4-2-3-1 oder zumindest ein 4-4-1-1. Gleichwohl schoben die Außenspieler der Mainzer weit nach innen. Nicolai Müller ging dabei normalerweise diagonal nach vorne, während Caligiuri invers spielte und die beiden Sechser unterstützte.

Die beiden öffneten dadurch Räume für die Außenverteidiger. Außerdem konnten sie auch ohne diese effektiv agieren, weil sie durch die Enge sehr schnell kombinieren und dementsprechend auch gut umschalten konnte. Ein weiterer positiver Effekt war es verbesserte Gegenpressing, welches in einer breiteren Anordnung schwieriger zu praktizieren wäre. Mainz versuchte somit die Enge in Offensiv- wie Defensivspiel effektiv zu nutzen, was sich aber auch nachteilig ausdrücken konnte; beispielsweise bei einigen guten Angriffen, wo ihnen die Breite fehlte oder der Gegner sich intelligent ebenfalls eng positionierte und die Passwege versperrte.

Beispielhaft waren dafür zwei Szenen: in der ersten Spielhälfte konnte Caligiuri sich partout nicht entscheiden, ob er einen Pass in die Tiefe spielen oder wegen des Risikos durch die geringen Schnittstellen lieber noch warten sollte – am Ende verlor er den Ball. In der zweiten Hälfte war es Szalai, der sich plötzlich vor dem Tor wiederfand, weil die Stuttgarter schwach aus der engen Anordnung in eine breitere übergehen mussten.

Szalai, der Passprellbock

Eine Schlüsselrolle in diesem schnellen Umschaltspiel und den einrückenden Außen fiel – wie auch sonst – Adam Szalai zu. Dieser sollte sich vorne als Wandspieler bewegen und lange Bälle verarbeiten. Dadurch konnten die Mainzer enorm schnell weite Wege überbrücken und ohne Ball dynamischer umschalten. Dem Mittelfeld und natürlich Ivanschitz kam dabei eine Schlüsselrolle zu.

manchmal ist ein langer Ball einfach schneller

manchmal ist ein langer Ball einfach schneller

Ivanschitz sollte als zweiter Stürmer eine konstant freie Anspielstation für Szalai sein und dessen Fähigkeiten in der Ballbehauptung in Angriffe ummünzen. Zumeist spielte Ivanschitz dann schnelle Pässe oder hielt den Ball mit seiner Pressingresistenz, bis die restlichen Spieler nachschieben konnten.

Interessanterweise fiel dann auch das zweite Tor durch eine noch simplere Variante dieser Spielweise: ein langer Ball von Heinz Müller auf Adam Szalai kam auf diesen nicht an – doch mit seiner Athletik verhinderte er, dass Niedermeier den Ball erwischen konnte. Nicolai Müller lief durch, erwischte den Ball und erzielte den Führungstreffer.

Variable Formation, …

Stuttgart zeigte immer wieder eine fast ebenbürtige Leistung und hatte sich seinerseits ebenfalls den ein oder anderen interessanten Aspekt aus einer taktischen Perspektive einfallen lassen. Auffallend war bspw. wieder die Mischung aus 4-1-4-1 und 4-2-3-1, die bereits in der letzten Partie beobachtet werden konnte.

Christian Gentner spielte von der Rollenverteilung über längere Zeit als Verbindungsspieler zwischen Zdravko Kuzmanovic und Raphael Holzhauser. Gentner schwankte dadurch zwischen einer Rolle als offensiv agierendem Achter oder situativem Sechser. Mit fortschreitendem Spielverlauf ging er zwar öfter nach vorne mit, doch einige Male konnte auch gesehen werden, wie Holzhauser wieder etwas zockte und höher agieren durfte.

Womöglich will Bruno Labbadia mit diesem Wechselspielchen die Ausrechenbarkeit seiner Mannschaft verhindern und die Balance erhöhen. Dies geschieht durch eine konstante Absicherung der Offensivbewegungen auf der Sechs, die von einem der beiden Achtern immer wieder unterstützt werden kann. Dafür ist letztlich Gentner auch der geeignetere, was diese gelegentlich vorkommende Asymmetrie auf einfache Art und Weise erklären könnte. Nach der Auswechslung Gentners und dem Rückstand der Mainzer war dies dann aber wiederum weniger klar zu beobachten.

… variables Pressing, …

Noch interessanter als dieses formative Spielchen war allerdings das Pressing der Stuttgarter, welches sich besonders im Mittelfeld flexibel zeigte. Vereinzelt rückten Ibrahima Traore und Martin Harnik nach vorne, wodurch ein verkapptes 4-3-3 entstand. Manchmal unterstützte einer der zwei offensiven Mittelfeldspieler Ibisevic, was zu einem 4-4-2 führte und selten gab es eben das 4-1-4-1, welches tiefer und passiver gespielt wurde.

vereinzelt pressten die Stuttgarter so

vereinzelt pressten die Stuttgarter so

Auch in der Positionsbesetzung war man vereinzelt relativ flexibel. In einer kurzen Spielphase fand sich Vedad Ibisevic plötzlich auf dem linken Flügel wieder, während Martin Harnik sich als Mittelstürmer positionierte. Ohnehin bewegte sich Ibisevic verstärkt auf die Seiten, um Bälle zu erhalten, konnte aber nie gefährlich werden.

… doch wenig Nutzen

Das größte Problem in der Partie war die Harmlosigkeit der Außen. Diese waren bei den Stuttgartern über lange Zeit abgemeldet. Das 4-4-2 der Mainzer mit der engen Ausrichtung sollte die Stuttgarter Flügel isolieren und vor Überladungen (bspw. durch den offensiven Artur Boka) schützen. Besonders Harnik, dem eine konstante Unterstützung in der Offensive fehlte, weil sich Rüdiger weniger durchschlagskräfitg miteinschaltete, konnte sich kaum in Szene setzen.

Neben den seltenen Positionswechseln gab es dann einen anderen taktischen Zug Labbadias, der seine Flügelstürmer anwies, sich enger aneinander zu positionieren. Sie klebten dann nicht mehr auf der Seite, sondern wollten sich vermehrt in den Halbpositionen bewegen. Gentner diente dann auf der Seite als Verbindungsspieler, wodurch natürlich speziell Harnik profitierte.

Fazit

Daraus entwickelte sich ein spannendes, intensives und hochwertiges Spiel, in welchem die Mainzer den Rückstand drehen konnten. Mit einem 3:1 setzten sie sich relativ klar durch und zogen am VfB in der Tabelle vorbei. Stuttgart konnte das Tempo des Gastgebers nur phasenweise mitgehen, sah dann auch dementsprechend besser aus, aber war nie überlegen. Immer wieder konnten sie sich vereinzelte Chancen erobern und hatten gelegentlich mehr vom Ball und Raum, aber das Mainzer Defensivspiel funktionierte und im Umschalten sind sie letztlich immer für ein oder eben drei Tore gut. Ob von den Torchancen, dem Einsatz oder der taktischen Einstellung: Mainz war an diesem Nachmittag die bessere Mannschaft und verdiente sich diesen Sieg.

André 16. Dezember 2012 um 07:56

Sehr guter Artikel und zweifelsohne ist Tuchel einer der taktisch inovativsten Trainer der Liga. Was ich aber nicht nachvollziehen kann sind die Lobeshymnen auf Szalai. Habe ihn letzte Wiche live gesehen und hatte eher den Eindruck, dass da eine Prellwand steht der einfach Probleme hat die Bälle zu verarbeiten (also keine gewollte Kombinationsstation). Außerdem nimmt er fast jeden Ball in die falsche Richtung mit, mancher würde sagen, er öffnet sich einfach prinzipiell immer falsch bei den Ballan- bzw Mitnahmen. Weiterhin viel mir auf, dass die Mainzer wirklich hervorragend organisiert und der Spielaufbau durch geschicktes Überzahl schaffen sehr gepflegt ist. Aber wenn es dann Richtung gegnerisches Tor geht, sieht man oft mangelnde Qualität der Einzelakteure, allen voran eben Szalai und auch die AV’s sind offensiv extrem limitiert. Alles in allem betrachtet, hat Mainz einfach einen fantastischen Trainer welchem es immer wieder gelingt nur durchschnittliches Potenzial erfolgsversprechend zu nutzen.

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geco87 17. Dezember 2012 um 10:19

Du magst Recht damit haben, dass Szalai technisch begrenzt ist, aber die Torebilanz spricht doch klar für ihn. Er hat eben seine Stärken im Vollstrecken. Dass die AVs offensiv limitiert sind, kann ich nicht bestätigen. Gerade Pospech macht viel Dampf nach vorne und bringt immer wieder gute Flanken und Vorlagen wie beim 1:1. Auf Zabavnik trifft dein hartes Urteil schon eher zu, was aber auch daran liegt, dass er als Rechtsfuß links spielt. Sein Kontrahent Junior Diaz, seit einigen Spielen nun seltsamerweise schon draußen, ist offensiv deutlich stärker und agiler. Also ich denke, der Kader von Mainz ist gut und vor allem ausgeglichen besetzt.

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Pad 17. Dezember 2012 um 15:48

Sehe szalai nicht ganz so kritisch, klar wirkt seine Technik etwas hölzern, als zielspieler ist er aber trotzdem enorm wichtig, da er den offensivspielern, die ich alle als raumstürmer bezeichnen würde(Müller , parker, z.T. Ivanschitz , Risse) ermöglicht ihre stärken auszuspielen, in dem er sie entweder direkt mit Pässen einsetzt oder versucht in gute Positionen für zweite Bälle zu bringen.

Dass Díaz zuletzt nicht gespielt hat sah ich nicht ganz so dramatisch, da gerade gegen den HSV ,frankfurt oder eben Stuttgart zweikampfstarke Leute auf den außen gefragt waren, um dort nicht so einfach überladen zu werden, gegengladbach hätte ich in der Nachbetrachtung aber doch lieber Díaz gesehen, hier hatte man aber möglicherweise zuviel Respekt vor den kontern oder so…

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Rasengrün 16. Dezember 2012 um 00:37

Rosa ist eh etwas unglücklich, wenn es der Gegner ist, der im Schema rot dargestellt wird. Da man Deckungsschatten ja nun auch nicht für beide Seiten gleichzeitig darstellen muss, wäre ein neutrales Grau wohl die beste Wahl. Finde ich aber ansonsten sehr schön, dass ihr die in letzter Zeit häufiger explizit darstellt.

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Rasengrün 15. Dezember 2012 um 20:51

Schmiert mein Monitor oder sind das rosafarbene Deckungsschatten hinter Ibisevic und Holzhauer in der letzten Grafik? Mehr Kontrast wäre besser.

Zum Spiel habe ich wenig hinzuzufügen, Tuchels Felxibilität fasziniert allerdings immer wieder.

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RM 15. Dezember 2012 um 20:54

Jap! Die Farbe werde ich fortan wohl anpassen, wenn das so ist.

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Rasengrün 16. Dezember 2012 um 00:38

Oops.. verklickt. Antwort siehe unten.

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MR 16. Dezember 2012 um 01:17

Eigentlich ist das durchsichtiges Rot. Aber ich weiß immer noch nicht, wieso ich die nicht von Anfang an schwarz (also grau) in unsere Vorlage gelegt hab.

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datschge 16. Dezember 2012 um 10:53

Grau ist langweilig, rot ist gefährlich! /Klinsmann

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