FSV Mainz 05 – 1. FC Nürnberg 2:1

Mainzer Raumöffnung und –nutzung in der ersten halben Stunde sowie Nicolai Müller entscheiden ein enges und intensives Freitagsspiel.

Grundformationen 1. Halbzeit

Bei der unglücklichen Niederlage in Bremen hatte Mainz-Coach Thomas Tuchel auf eine Rautenformation gesetzt, wohingegen er diesmal auf ein 4-2-3-1 wechselte – jeweils um sich dem entsprechenden Gegner anzupassen. Es ging gegen die von Dieter Hecking trainierten Nürnberger, die am vergangenen Wochenende einen verdienten Erfolg im angedeuteten Keller-Duell mit Wolfsburg gefeiert hatten und zumindest personell unverändert aufliefen.

Mainz reißt die Nürnberger Räume auf

In der konkreten Ausrichtung allerdings traten die Nürnberger doch, etwas überraschend, anders an – in einer klarer definierten Formation sowie in einer defensiveren und abwartenderen Ausrichtung, die eher auf schnelle Gegenstöße denn auf Angriffe aus dem Spielaufbau heraus setzte.

Im Defensivspiel agierten die Nürnberger recht nah und direkt am Mann, ließen sich dabei aber zu sehr von den beweglichen Mainzer Mittelfeldspielern wegziehen. Dies galt vor allem für Baumgartlinger und Soto, die immer wieder geschickt diagonal nach hinten in die Halbräume abkippten, welche durch die tiefen Mainzer Innenverteidiger und auf der Seite Sotos durch die Orientierung Pekharts an Svensson geöffnet waren. Somit wurden aber Balitsch und Gebhart nach außen und vorne gezogen, was ungewohnte Räume und insbesondere große vertikale Abstände bei den normalerweise sehr disziplinierten Nürnbergern zur Folge hatte.

Müller als raumnutzender Schlüsselspieler

Ein Mittel, mit denen diese geöffneten Räume anschließend von den Mainzern genutzt werden konnte, waren die vereinzelten Vorstöße des von Pekhart tendenziell freigelassenen Noveski. Dieser konnte zweimal aus der Abwehr heraus durch das gesamte Mittelfeld bis an den gegnerischen Strafraum marschieren, aus diesem Vorteil durch Ineffektivität allerdings nicht viel machen – immerhin wurde er später von einem herausrückenden Mittelfeldspieler gestört, was die Flügel für Mainz etwas leichter zugänglich machte.

Exemplarische Darstellung der beiden Räume für Müller, weil die Mainzer Mittelfeldspieler ihre Gegner wegziehen. Rukavytsya und Szalai dienen hier als hohe Bindespieler gegen die Nürnberger Viererkette. Anmerkung: Im Laufe des Tages folgt noch eine bessere und genauere Grafik, wahrscheinlich auch zu den Toren!

Der deutlich wichtigere und entscheidendere Mann in der Raumnutzung war Nicolai Müller, der auf dem rechten Flügel spielte. Schon am vorigen Wochenende in Bremen war er als tief weichender Stürmer der Rautenformation geschickt in das offene Bremer Mittelfeld zurückgefallen, was er hier wieder tat. Zum einen konnte er sich von seinem Gegenspieler Plattenhardt lösen und in die Tiefe fallen lassen, einen Pass aus der Innenverteidigung zwischen die offenen Nürnberger Linien erhalten und anschließend das Dribbling im direkten Duell suchen – so fiel das 1:0, das er selbst erzielte. Zum anderen bewegte er sich häufig auch eingerückt in die Mitte, isolierte damit Plattenhardt und suchte etwa im Zehnerraum freie Bereiche im Schatten des seitlich ausweichenden Ivanschitz – so fiel das 2:0, bei dem Müller im Zentrum der freie Mann war, sich aus Rückwärtspressing-Versuchen herauswand und den Treffer jenes Mannes einleitete, der ihm vorher den Raum geöffnet hatte.

Nürnbergs Offensivprobleme vor der Pause

Anders als das zurückgezogene und nicht immer kollektive Pressing der Wolfsburger hatte Nürnberg gegen die Mainzer und ihr teilweise sehr aggressiv ausgeführtes 4-4-2 Probleme, aus der Abwehrkette ins Mittelfeld hinein zu kommen. So hatte beispielsweise der eigentliche Ballverteiler Timmy Simons nach 45 Minuten gerade einmal 8 Pässe auf dem Konto.

Allerdings schien es auch gar nicht danach, als wollten die Nürnberger jenes Spiel aufziehen, das ihnen noch gegen die Wölfe den Sieg gebracht hatte – insofern also gar nicht so schlimm, dass sie aufgrund der Mainzer Arbeitsrate nicht dazu kamen. Viel eher versuchten die Franken, über schnelle Gegenstöße oder lange Bälle in die offensiven Zonen zu kommen.

Nürnberg will mit Pekhart (blau) Kopfballduelle gewinnen, während Esswein mit Schnelligkeit attackieren soll. Doch Mainz ist bei den zweiten Bällen überlegen und hat auf den roten Bereich mehr Zugriff.

In Bezug auf letzteren Aspekt hatte sich Dieter Hecking eine interessante Idee zur Verbesserung der Effektivität überlegt – über manche Phasen wechselte Gebhart auf die Außenbahn und Esswein spielte dann im Zentrum. Allerdings war dies kein simpler Tausch, sondern umfasste ebenso eine Änderung der Anordnung im Nürnberger Spiel. Denn wenn Esswein sich im Zentrum aufhielt, agierte er keinesfalls als der offensivste von drei Mittelfeldspielern, sondern als vorderste Spitze, während Pekhart als hängender Angreifer dahinter fungierte. So wurde er nicht ins Duell mit den kopfballstarken Mainzer Innenverteidigern geschickt, sondern sollte die etwas kürzer gespielten hohen Bälle gegen das defensive Mittelfeld der 05er gewinnen, während Esswein auf Verlängerungen oder Zuspiele hinter die Abwehr nach dem Gewinn eines zweiten Balles lauerte.

Allerdings kam es meistens gar nicht zu solchen Ballgewinnen gegen die Mainzer, welche balancierter angeordnet waren und mit ihrer engen Defensivformation die zweiten Bälle besser aufsammeln konnten als die teilweise zu seitlich verschobenen Balitsch und Simons. Wenn die Nürnberger dann doch einmal in solche seltenen Schnellangriffe hinein kamen, fehlte ihnen auch noch die Durchschlagskraft. Aufgrund des schnellen Vortragens der Angriffe mangelte es an Unterstützung für die angreifenden Spieler – insbesondere die Außenverteidiger  Chandler und Plattenhardt fanden kaum nach vorne. Gegen die eng stehende und einrückende Mainzer Defensive bzw. manchmal auch nur Viererkette fehlte Nürnberg dann die Kombinationsmöglichkeit und die Breite, um diese zu knacken. Die gefährlichsten Aktionen der Franken waren somit Standards (Paradebeispiel Anschlusstreffer) oder Einzelaktionen von Kiyotake, der einige Male im Rücken von Soto diagonal dribbeln konnte.

Nürnbergs Umstellungen zur zweiten Halbzeit

Nach dem Seitenwechsel gaben die Gäste dann ihre Strategie des direkten und formationstreuen Gegenstoßspieles auf und stellten auch aufgrund des Rückstandes auf die deutlich fluidere und dominantere Spielidee vom erfolgreichen vergangenen Wochenende um. Wichtig war dabei auch, dass die beiden Außenverteidiger nun deutlich stärker offensiv unterstützten, was die Nürnberger Optionen steigen ließ sowie für Breite und gelegentliche Flanken sorgte.

Normalerweise versuchten die Franken allerdings, durch überladendes Kombinationsspiel von Kiyotake, Gebhart und Co. zum Erfolg zu kommen. Dafür gab es nun deutlich bessere Voraussetzungen, weil insbesondere Gebhart, Esswein und auch Kiyotake auf der linken Seite näher zusammen standen. Durch den im Verlauf des Spiels durchgeführten Seitentausch des offensiveren Balitsch mit dem absichernden Simons wurde dieser Versuch, die linke Seite zu überlanden, zementiert. Doch wie schon gegen die Wolfsburger fehlte den Nürnbergern häufig aus ähnlichen Gründen, allerdings auch wegen der intelligenten Verteidigung der Mainzer, die gut antizipierten und die Zwischenräume eng machten, die Durchschlagskraft, so dass kaum klare Chancen entstanden.

Defensiv waren die Nürnberger schon zum Ende des ersten Durchgangs sicherer geworden, als sie mit der Umstellung auf ein früheres und aggressiveres 4-4-2-Pressing – sehr häufig vor Wetklo nicht Halt machend – verhinderten, dass die Mainzer ungestört das Bespielen von freigezogenen Mittelfeld-Räumen vorbereiten und einfädeln konnten. Dass diese ohnehin weniger auftauchten, wurde durch eine etwas raumorientierte und eher 4-2-3-1-artige Anordnung in Phasen mit weniger ausgeübtem Druck beeinflusst. Auch hielt sich Pekhart nicht mehr so stark einseitig beim Zustellen eines bestimmten Innenverteidigers auf, sondern arbeitete stärker an der Situation ausgerichtet und verhinderte damit ebenso den einfachen Zugriff und die Nutzung der Halbräume zum Knacken der Mittelfeldreihe.

Taktische Veränderungen im Verlauf der zweiten Halbzeit

Nach einer Stunde Spielzeit reagierte Tuchel auf den zunehmenden Druck der Nürnberger, die mit ihren Kombinationen ein ums andere Mal nicht mehr weit vom Durchbruch entfernt waren. Mit Polanski kam für Rukavytsya (Ivanschitz ging nach links) ein zusätzlicher Sechser, der die zentralen Räume gegen das flexible und überladende Nürnberger Spiel nun besser schließen sollte – eine durchaus effektive Maßnahme zur Stabilisierung.

Die Grundformationen in der Schlussphase

Weil die Gefährlichkeit seiner Mannschaft im Folgenden wieder abnahm, wollte Dieter Hecking mit einer weiteren tiefgreifenden Veränderung die Mainzer Anpassungen ins Leere laufen lassen. Dafür nahm er eine Viertelstunde vor Schluss gleich einen Dreierwechsel vor und plante von nun an gegen die gestärkte Mainzer Mittelfeldzentrale ein radikales Flügelspiel. Die dribbelstarken Außenspieler Mak und Frantz sollten von den Außenverteidigern sowie dem ebenfalls auf die Seiten rochierenden Kiyotake unterstützt werden und die beiden Endstürmer Pekhart und Polter bedienen. Dieses eigentlich sehr radikale Gewaltmittel scheiterte letztlich aber ausgerechnet an fehlender Konsequenz, da die Nürnberger die neue Idee nicht entschieden genug ausspielten.

Stattdessen konnten die Mainzer in den letzten Minuten mit geschickten Aktionen und einer weiteren Auswechslung den Druck abbauen und immer wieder für rhythmusbrechende Ruhephasen sorgen. Gegen die vielen Nürnberger Ballverluste und deren mittlerweile immer geteilter werdende 4-1-3-2-Formation hielten die Mainzer einige Bälle geschickt zwischen diesen beiden Teilen und nahmen somit die Luft aus der Partie. Gerade das Trio Müller-Pospech-Polanski sicherte das Leder auf rechts einige Male in den eigenen Reihen und schlug damit Zeit tot. Auch die Einwechslung von Zabavnik für Ivanschitz trug zur Mainzer Stabilisierung bei, da sie die linke Defensivseite mit der Installierung eines „doppelten Linksverteidigers“ stärkte – erneut ein logischer, sinnvoller Wechsel Tuchels.

Fazit

Ein knapper, aber verdienter Mainzer Sieg, der letztlich aus einer starken ersten halben Stunde resultierte. Während in den weiteren Teilen der Begegnung die beiden Trainer immer wieder gut aufeinander reagierten, hatten hier klar die Mainzer die Oberhand, indem sie die Nürnberger Mittelfeldspieler immer wieder aus dem Zentrum herauszogen und dadurch große Lücken besonders für Schlüsselspieler Müller schufen.

Überhaupt war es eine sehr ansehnliche und unterhaltsame Freitagsbegegnung: Hohe Intensität, viele interessante Umstellungen, schön anzuschauendes Freilauf- und Freiraumspiel der Mainzer sowie nach dem Seitenwechsel auch gute Überladungs- und Kombinationsansätze der Clubberer. Das macht beiderseits Mut für die kommenden Aufgaben, auch wenn die Nürnberger sich nun gegen die Bayern noch erheblich steigern müssen.

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