Borussia Dortmund – VfB Stuttgart 4:4

Kein Freitagsspiel heute? Dann liefern wir einen unterhaltsamen Ersatz und holen das der letzten Woche nach. Wie Stuttgart das Torspektakel nach Dortmund brachte.

Das spektakuläre 4:4 zwischen Dortmund und Stuttgart wurde von einer der ereignissreichsten Endphasen der Bundesliga-Geschichte geprägt. Aber bereits zuvor kündigte sich an, dass Labbadias Taktik zu einem Torreigen führen könnte.

Stuttgart riskant, Dortmund kollektiv

Dabei gab es im formationstaktischen wenig interessante Beobachtungen. Lediglich die Personalwahl in den beiden üblichen  4-2-3-1-Formationen sorgte für seichte Überraschung. Bei Dortmund setzte man erneut auf die spielerische Lösung im Zentrum und Ilkay Gündogan spielte statt Sven Bender. Bei Stuttgart waren beide Flügelpositionen mit gelernten Stürmern (Schieber, Harnik) besetzt und der offensive Boka bekleidete die linke Außenverteidigerposition. Gerade letzteres war der Fingerzeig für Stuttgarts Marschroute.

Dabei war die schematische Ordnung des Spiels sehr ausgewogen, ohne entscheidende Überzahlbereiche für eines der Teams. Dass Dortmund dabei lange die besseren Chancen herausspielte lag hauptsächlich am gruppentaktischen Verhalten der Borussen, welches gewohnt überragend war.

Um Dortmunds starken Defensivverbund in Schwierigkeiten zu bringen, entschied sich Labbadia dabei für eine sehr offensive Herangehensweise. Die Stuttgarter agierten vom Start weg sehr riskant in ihren Offensivbemühungen, wurden im Laufe des Spiels auch nach hinten immer risikoreicher. Die Außenverteidiger Boka und der starke Sakai agierten sehr breit und stießen spekulierend nach vorne, was insbesondere gegen den BVB schnell dazu führen kann, ausgekontert zu werden. Außerdem rückte auch Kuzmanovic oft ins offensive Mittelfeld auf und hinterließ Lücken in der Defensivordnung.

Diese Ausrichtung brachte dem VfB schon in der ersten Hälfte eine Anzahl guter Strafraumszenen, die für Gäste im Signal-Iduna-Park ungewohnt hoch lag. Dortmunds Defensive wackelte viel mehr als üblich. Dass es letztlich doch bloß 3 Schussversuche und kein Tor bis zum Halbzeitpfiff gab, zeigt aber, wie stark diese Defensive eben ist.

Dementsprechend eroberte Klopps Pressingmaschine dann auch Bälle im Mittelfeld und kam zu Kontern gegen die weit aufgerückten Stuttgarter, die meist sehr schnell und präzise ausgespielt wurden. Insbesondere Ilkay Gündogan muss lobend erwähnt werden, der mehrere punktgenaue Vertikalpässe über das halbe Feld schlug und damit mehrere große Chancen einleitete.

Aber wichtiger als die individuelle Klasse war wie so oft Dortmunds kollektives Verhalten, das insbesondere in den Umschaltmomenten dem der Stuttgarter überlegen war. Man erkannte nach Ballverlusten beider Teams, dass die Dortmunder viel schneller die Räume besetzten und in Formation kamen.

Stuttgarts Umschalten wirkte besonders nach hinten eher improvisiert. Die Schwaben versuchten vereinzelt Dortmunds Optionen zu verhindern und kamen in keine Kollektivordnung. Bei eigenen Ballgewinnen, die deshalb aber eher selten waren, rückte man auch zu langsam nach vorne und erkannte die freien Spieler nicht so zuverlässig und schnell wie die Dortmunder.

Ballverluste von Dortmund

Die Unterschiede zwischen den Teams werden am besten im Beispiel deutlich. In dieser Szene aus der 25. Minute holt sich Kagawa den Ball tief ab und dribbelte durch Stuttgarts Mittelfeld. Ibisevic hängt ihm an den Fersen. Großkreutz ist eingerückt, Schmelzer hinterläuft, Kuba macht das Spiel auf dem anderen Flügel breit.

Ibisevic verfolgt Kagawa. Er grätscht ihm in dieser Situation den Ball vom Fuß. Kuzmanovic bekommt ihn in den Fuß.

Kuzmanovic erkennt nicht den freien Raum auf dem rechten Flügel, da er sich in dessen Rücken befindet. Dabei ist aber auch interessant, dass Großkreutz sich bereits innerhalb des Sekundenbruchteils nach Ballverlust nach hinten orientiert hat und den flachen Passweg auf Harnik anläuft. Kuzmanovic spielt daher den naheliegenderen Pass auf den scheinbar freien Schieber. Der wird aber direkt von Kehl attackiert und legt auf Boka zurück.

Als der Ball nach 4 Sekunden bei Boka ankommt, stehen die 8 defensiveren Stuttgarter immernoch in ihrer Defensivordnung. Nur Harnik und Ibisevic laufen in ihre Offensivpositionen zurück, wobei Großkreutz und Schmelzer aber folgen. Dortmund hat viel schneller umgeschaltet und setzt direkt das Gegenpressing an: Kehl und Kagawa stellen aktiv Bokas Passwege nach vorne und ins Zentrum zu, wo sich Schieber, Hajnal und beide Sechser nicht aktiv freilaufen. Gleichzeitig setzt Kuba den ballführenden Boka unter Druck. Hummels beschleunigt kurz nach hinten um bei einem langen Ball auf Harnik oder Ibisevic einen Vorteil zu haben. Boka dreht sich vom Feld weg nach hinten...

...und erkennt nach einigen Momenten den einzig sicheren Pass. Maza konnte sich letztlich lösen, da Lewandowski auf einen Rückpass zum Keeper spekulierte. Stuttgart hat jedoch 5 Sekunden benötigt um sich vom linken Flügelspieler zum rechten Innenverteidiger zurück zu kombinieren. Dortmund hat die Zeit genutzt und steht im wesentlichen wieder in der gewünschten Defensivformation. Der Vorteil des Kontermoments ist vollständig erstickt.

Besonders interessant ist diese Szene auch deshalb, weil Dortmund hier im Aufbauspiel gleich mehrere Fehler gemacht hatte und Kontermöglichkeiten offen ließ, was ihnen selten passiert. Schmelzer stieß eigentlich zu aggressiv nach vorne, weshalb Harnik einen Diagonalball als erster erreicht hätte. Kagawas Ballverlust war zudem völlig unnötig, da er mit Kehl, Gündogan und Kuba drei recht simple Anspielstationen hatte. Im Resultat hat Stuttgart gleich fünf Spieler (Kuzmanovic, Boka, Sakai, mit Abstrichen Harnik und Schieber), die nicht nah am Mann sind. Dennoch verursachen sie keine Gefahr, da Dortmund zu schnell und sie selber zu lethargisch umschalten.

Ballverluste von Stuttgart

Im Vergleich dazu ein Ballverlust von Stuttgart aus der 58. Minute. Hier sieht man, wie riskant Stuttgart angriff und was Dortmund daraus macht. Beide Außenverteidiger sind weit aufgerückt, Harnik und Schieber sind in die Spitze gerückt. Hajnal ist in der Situation hinter Sakai gefallen. Dennoch steht Dortmund in der 4-4-1-1-Grundformation ihres Pressings (wie in Hamburg).

Kvist wird von Kagawa unter Druck gesetzt und versucht durch die Gasse auf Sakai zu spielen. Man erkennt Dortmunds Handhabung der vorstoßenden Außenverteidiger: Schmelzer übergibt seinen Gegenspieler an Hummels, übernimmt Sakai und Großkreutz hält die Position. Dadurch kann Großkreutz das Mittelfeld kompakt halten, was zu diesem sehr hochwertigen Ballgewinn führt, den er direkt auf Gündogan tropfen lässt.

Durch das Halten der kompakten Formation und Stuttgarts riskantem Aufrücken hat Dortmund nun massive Überzahl im Mittelfeld. Die alleingelassenen Kuzmanovic und Kvist reagieren darauf orienterungslos und weichen passiv zurück um Kagawa keinen Raum zu gewähren. Gündogan bekommt dadurch alle Zeit am Ball. Kuba kann seine eingerückte Position nun nutzen und überläuft Boka problemlos. Er bekommt den Ball von Gündogan punktgenau in den Lauf...

...und hat sofort eine 1-gegen-1-Situation gegen Niedermeier. Er lässt ihn aussteigen und schließt ab. Auffällig, dass Hajnal auf dem Flügel nicht Großkreutz gefolgt ist, wodurch Kuba gleich zwei weitere Optionen hätte. Sakai und Boka können nur hinterherrennen.

Neben den schematischen Grundlagen dieses Konters wird wieder deutlich, dass Stuttgart zu langsam umschaltet. Hajnal und Kvist bleiben fast stehen, Kuzmanovic startet zu spät. Nicht ansatzweise kommt Stuttgart in eine stabile Ordnung zurück.

Außerdem wird Dortmunds Problem angedeutet, dass man im Angriffsdrittel oft zu verschwenderisch mit Räumen umgeht. Den Konter hätte man sauberer abschließen können, als mit einem unpräzisen Distanzschuss per schwachem Fuß. Gerade vornliegend, wie in dieser Szene beim Stand von 2:0, wird man oft überhastet oder experimentell bei den entscheidenden Pässen und versäumt deswegen, den Sack zuzumachen, wie es den Bayern oft problemlos gelingt.

Gleichermaßen lässt sich auch das Risiko von Dortmunds Strategie bereits erahnen. Wenn Kvist in der Szene erfolgreich auf Sakai spielt oder auf Boka verlagert, gerät Dortmunds Viererkette in eine Gleich- oder gar Unterzahlsituation, die brandgefährlich ist. Hier spekuliert Klopp darauf, dass das Mittelfeld stark genug verteidigt um diese Bälle zu verhindern, oder dass sie zumindest so antizipiert werden, dass der Außenverteidiger gleich bei der Ballannahme gestört werden kann, was dem Mittelfeld Zeit zum Nachrücken gibt.

Dortmund baut ab…

Weshalb Dortmund den sichergeglaubten Sieg weggab, war eine eigenartige Reihe von situativen Faktoren. Die zwei großen Punkte hießen aber Ungeduld und Subotic.

Stuttgart kam bereits ab der 60. Minute zunehmend besser ins Spiel, da Dortmund taktisch etwas nachließ. Womöglich war es der Führung geschuldet, vielleicht war es auch nur eine normale Schwächephase. Jedenfalls spielte man offensiv nicht mehr so sauber wie zuvor. Mehrfach gab man den Ball unnötig weg, weil man zu früh den Ball in die Spitze gab, anstatt geduldig Überzahlräume auszuspielen und nachzurücken. So kam Stuttgart ganz einfach öfter kontrolliert in Ballbesitz als zuvor.

Defensiv spielte man weiterhin gut, machte aber vereinzelt kleine Fehler. Somit gingen Dortmunds „spekulative“, positionstreue Defensivausrichtung gegen Stuttgarts Außenverteidiger seltener auf als zuvor. Hier demonstrierten die Stuttgarter dann, wie wenig ihnen fehlte, um die Dortmunder in Bedrängnis zu bringen.

Die bereits angesprochenen Mängel an Präzision und Konzentration beim Ausspielen der Konter waren in dieser Phase ebenfalls mitentscheidend. Bei den weiterhin vorhandenen Kontergelegenheiten, hätte man das Spiel mit dem dritten Tor klarmachen können. Angesichts der rechts abgebildeten Szene aus der 68. Minute hätte man es müssen. Ein 5-gegen-2-Konter muss (nicht nur) im Profifußball eigentlich ein sicheres Tor bedeuten. Stattdessen spielte Hummels den Pass unsauber auf Piszczek, der ihn gegen Molinaro verdaddelte.

… und Subotic haut ab

Und so bekam Subotic zwei Minuten dannach Ibisevics Arm ins Gesicht und musste kurz behandelt werden. Sein Fehlen nutzte Ibisevic zum Anschlusstreffer. Dass trotz des fehlenden Verteidigers eine herrliche Direktablage von Niedermeier nötig war, deutet an, dass die Borussen dabei nicht viel falsch machten.

Für den Ausgleich gilt nicht das gleiche. Schiebers tolles Solo hätte an drei Punkten verhindert werden können. Der erste war wieder Subotic. Er ging fälschlicherweise mit Hummels hoch zum Kopfball, den Ibisevic erreichte und verlängerte. Andernfalls hätte er den verlängerten Ball aufsammeln können. Wieso Piszczek nicht kurz verzögerte, bevor er Schieber angriff, und was Hummels sich dachte, als er den Ball ergrätschte, aber dabei nicht wegschlug, grenzt ans Mysteriöse.

Subotics kleiner Fehler scheint aber System zu haben, wenn man sich Schiebers Führungstor nur ein paar Sekunden später ansieht. Zwar verpassen Hummels und Kehl zuerst, den Ball aus der kritischen Zone zu bringen, weshalb er überhaupt erst gefährlich wird, aber bei genauem Hinsehen hätte Subotic das Tor eigentlich verhindern müssen. Aber nicht nur, dass er es verpasste, Kehls vorhersehbaren Ballverlust zu antizipieren, er brauchte geschlagene zwei Sekunden um zu reagieren, nachdem Kuzmanovic den Ball in den Fuß bekam. Bei ein bis zwei Schritten, die ihm fehlten um Schieber am Schuss zu hindern, waren diese Sekunden entscheidend.

Es ist spekulativ, aber zwei Fehler in drei Minuten, direkt nachdem er wegen eines Schlages an den Kopf behandelt werden musste, scheinen kein Zufall zu sein. Unabhängig davon hätte Dortmund insbesondere das zweite Tor natürlich verteidigen müssen und es war eine starke Leistung, wie Stuttgart die kleinen Wackler sofort nutzte. Hier zahlte sich Labbadias riskante Herangehensweise aus. Ein defensiver ausgerichtetes Team, hätte wohl kaum sofort so effizient zuschlagen können.

Dortmunds Rückschlag und das 4:4

Dass auch die Borussen den Rückstand nun drehten, war aus taktischer Sicht weniger überraschend als Stuttgarts drei Tore. Dortmund war das ganze Spiel über gefährlich, auch im Aufbau von hinten. Und somit war absehbar, dass Stuttgart nicht plötzlich zu einer unknackbaren Defensivarbeit wechseln konnte. Überraschender waren das 3:3 und 4:3 wohl aus psychologischer Sicht, allerdings ist es für einen Tabellenführer sicher Standard, auch einen schockierenden Rückstand noch drehen zu wollen.

Die Art und Weise, wie die Tore erzwungen wurden, imponierte aber. Beide Tore waren schwierige Abschlüsse, die aus Standards resultierten. Angesichts der vielen vergebenen Chancen, war es verblüffend wie zielsicher die Borussen plötzlich ihre Chancen verwerteten. Auch hier könnte es wieder Zufall gewesen sein, aber es wäre ein Zufall, der sich häuft: Auch in Köln und nach dem Ausgleich der Mainzer, schlugen die Dortmunder extrem effizient zurück. Die Schwarzgelben wirken deutlich konzentrierter, „wenn es drauf ankommt“.

Das finale Tor Stuttgarts krönte das Spiel in spektakulärer Weise, die eine taktische Analyse fragwürdig macht. Die Schwaben eroberten einen zweiten Ball , leiteten ihn mit einem direkten Lupfer Gentners auf Sakai weiter, der hielt den Ball stark gegen Kuba und Schmelzer; nur deshalb rutschte Dortmund überhaupt in den eigenen Strafraum hinein. Es folgte eine schnelle Kombination von drei Direktpässen in extremster Enge zwischen Kuzmanovic und Bah, anschließend hielt Bah den Ball gegen drei Gegner, um ihn dann auf den nachrückenden Innenverteidiger zu verlagern. Es klappte plötzlich alles bei Stuttgart.

Nun folgten Fehler von Dortmund, die in einer normalen Spielsituation wohl nicht passieren. Bender rückte übermotiviert 30 Meter aus dem Abwehrverbund um Niedermeier zu stellen, den Barrios eigentlich übernehmen musste. Dieser war auf dem Weg und in viel besserer Position, stoppte wegen Bender dann unsinnigerweise ab, Niedermeier überflankte Bender, der Rest ist bekannt.

Ein interessantes Detail bei Gentners entscheidendem Schuss war aber Benders Fehlen. Seine Anwesenheit hätte wohl dafür gesorgt, dass Subotic den Schuss hätte blocken können. Der lief Gentner richtigerweise in Richtung der Mitte an, anstatt frontal die Schussbahn zuzustellen. Grund dafür waren zwei freie Stuttgarter – die in Benders Raum standen. Diese hätte Gentner sonst anspielen könne, was eine deutlich gefährlichere Schussposition bedeutet hätte.

Fazit

Taktisch sind die Schlüsse aus diesem Spiel wohl, dass Dortmunds Defensive zu knacken ist. In der Rückrunde gab es vorher noch nie mehr als ein Gegentor für die Borussia; gleich drei Stück in 10 Minuten kamen überraschend.

Allerdings lässt sich aus diesen Treffern für künftige Gegner nicht besonders viel ableiten. Stuttgarts Offensivkraft resultierte in etlichen Konterchancen für Dortmund, die an jedem normalen Tag für einen Sieg ausreichen. Die Umstände der schwäbischen Treffer dürfte die Konkurrenz außerdem wenig ermutigen.

Aufschlussreicher war wohl die psychologische Komponente des Spiels. Dass die zuverlässigen Dortmunder Defensivkräfte unter den speziellen Umständen Fehler machten, wie genau sich der psychologische Druck auf die taktischen Entscheidungen auswirkte, wie präzise beide Teams nach vorne agierten, als sie „angestachelt“ waren vom Spielverlauf; das waren interessante Punkte, die zeigten, wie sehr auch der taktisch durchstrukturierteste Fußball letztlich von Psychologie, Momentum und Charakter abhängt.

Angesichts dieser Erkenntnisse wird es sicherlich interessant sein, wie Dortmund mit dieser Gefühlsachterbahn eines Fußballspiels umgehen wird. Jürgen Klopp zeigte sich zuversichtlich, mit seiner Mannschaft die richtigen Dinge aus dem Spiel mitzunehmen. Diese wären wohl, dass Dortmund Tore erzwingen kann, und, dass sie in „Hochdruck-Phasen“ des Gegners so normal wie möglich weiterspielen sollte. Der negative Fall wäre, dass man in ähnlichen Situationen zukünftig erst recht nervös wird und sich die Fehler deshalb wiederholen. Dortmunder Fans dürften in der aktuellen Saisonphase jedenfalls froh sein, dass Jürgen Klopp mit einer Psychologin verheiratet ist.

Rüdiger 9. April 2012 um 12:19

Zu ein paar Aspekten des Artikels und der Kommentare möchte ich ein paar Gedanken nachfolgend aufschreiben:
a.) Zum 2:1 im Stuttgart-Spiel.
Jeder wusste, dass Neven behandelt wird. Warum ist Bender nicht auf seine Position gerückt? Bender taucht ganz oft als dritter IV auf – v.a. dann wenn die AVs offensiv tätig werden. Oder einfach nur verstärkend, das ist mir in Fürth sehr oft aufgefallen. Jedenfalls stand Ibisevic beim 2:1 exakt an der Position von Neven wo Bender aus meiner Sicht hätte stehen müssen. Tue ich ihm Unrecht?
b.) Zu Hummels
Der Kommentar mit der Lobby hat mich etwas geärgert, da ich ihn für den besten IV der Liga halte und er aus meiner Sicht insbesondere von Joachim Löw in der Vergangenheit eher zu negativ gesehen wurde. Durch meine gute Sitzposition kurz vor Weihnachten in Düsseldorf konnte ich klar erkennen, dass er der eigentliche Kapitän des BVB ist. Anweisungen von Klopp gehen fast nur an ihn und er gibt es gut an die Mannschaft weiter. Zudem kann man seinen Mut beim 3:3 gar nicht hoch genug bewerten. Er ist aus meiner Sicht der mit Abstand wichtigste Dortmunder Spieler.
c.) Zu Neven
In Wolfsburg war ich vor Ort und stand auch direkt hinter dem Tor als der Anschlusstreffer dem VFL gelang. Abseits der Abstimmungsprobleme zwischen Schmelzer und Perisic war ich spontan der Meinung, Neven hätte im Strafraum präsenter sein müssen. Ich kann das letztlich nicht korrekt beurteilen, da ich kein Fachmann bin und selber auch nie richtig gekickt habe, dennoch war ich erstaunt, als ich heute ein Interview mit Neven bei sport1 las, in dem Neven sagte, er könne an dem 2:1 nichts machen, die Flanke sei zu gut gewesen. Wird dies in diesem wunderbaren Forum bei den Autoren- und Kommentatoren-Protagonisten genaus so gesehen?

Zu guter Letzt noch eine Frage an MR: Auch wieder in Wolfsburg fiel mir auf, dass Kagawa andauernd am eigenen Strafraum arbeitet. Gefühlt steht er für mich dort zu tief, da er so das ganze Spielfeld vom eigenen bis zum fremden Strafraum bearbeiten muss was viel Kraft kosten müsste. Ist dies eine Anweisung von Klopp und wnn ja, was verspricht sich dieser davon?

Antworten

Rudelbildung 9. April 2012 um 13:01

Rüdiger: „Der Kommentar mit der Lobby hat mich etwas geärgert, da ich ihn für den besten IV der Liga halte und er aus meiner Sicht insbesondere von Joachim Löw in der Vergangenheit eher zu negativ gesehen wurde. Durch meine gute Sitzposition kurz vor Weihnachten in Düsseldorf konnte ich klar erkennen, dass er der eigentliche Kapitän des BVB ist. Anweisungen von Klopp gehen fast nur an ihn und er gibt es gut an die Mannschaft weiter. Zudem kann man seinen Mut beim 3:3 gar nicht hoch genug bewerten. Er ist aus meiner Sicht der mit Abstand wichtigste Dortmunder Spieler.“

Das unterschreibe ich sofort. Hummels ist meiner Meinung nach lange übersehen worden und ich stimmt dir vollkommen zu, dass er der beste IV der Liga ist. Löw hält ja an altgedienten Spielern fest, ich muss aber sagen, das ich mir wünsche, dass wir die beste Innenverteidigung zur EM sehen und da führt für mich kein Weg an Hummels-Badstuber vorbei.

Badstuber wird meiner Meinung nach allerdings auch oft unterschätzt und leidet sehr unter dem Ruf, den er bekam, als er gegen Manchester United in der CL als linker Verteidiger aufgestellt wurde und dort abgekocht wurde.

Inwiefern Hummels der wichtigste Spieler beim BVB ist finde ich schwer zu beurteilen, aber wie hier auf der Seite ja auch oft angemerkt wird ist Hummels der „heimliche“ Spielmacher der Dortmunder. Dies könnte sich ein wenig Ändern, falls Gündogan sich festspielt, wonach es nach seinen überragenden Leistungen in den letzten Wochen etwas aussieht.

Generell finde ich, dass man Hummels nicht genug mit Lob kreditieren kann, ein wahrlich „moderner“ Innenverteidiger. Badstuber sollte man hier allerdings auch nicht vergessen, der auch über ein super Aufbauspiel verfügt und nicht umsonst oft zugestellt wird vom Gegner. Badstubers Nachteil ist jedoch, dass man im DM der Bayern mit Kroos, beizeiten, und Schweinsteiger über mehr dominante, spielerische 6er, verfügt als Dortmund.

Vielleicht kommt hier ja etwas dazu in einem eventuellen Preview?

Antworten

MR 9. April 2012 um 16:39

Zu a) Kehl hat da kurz Subotics Position übernommen, er rückt da wenn ich mich recht entsinne kurz raus, weil er die Situation per Passweg verteidigen will, was Stuttgart durch die tolle Direktablage auflöst. Sehr schwer zu beurteilen die Szene, da sie ja auch noch aus ner Standardsituation resultierte. Daher war alles relativ chaotisch, was in Unterzahl dann einfach auch nicht hundertprozentig zu verteidigen ist (wenn Kehl nicht rausrückt wirds vielleicht ein ungestörter Distanzschuss). Aber Bender hatte damit zumindest nichts zu tun. Kehl war die entscheidende Figur (und eben Niedermeier).

c) Das war wirklich so eine Flanke, die kaum zu verteidigen ist. Es ist eine 1-gegen-1 was schonmal schlecht ist, dann kommt die Flanke wahnsinnig gut, mit extrem viel Spin genau auf Mandzukics Kopf – da konnte Subotic definitiv nicht rankommen. Das einzige was er machen kann ist, dass er näher am Gegner ist. Das ist aber sehr schwer, weil der Stürmer da den Vorteil des ersten Schrittes hat. Wenn man da als Verteidiger nicht auf den kurzen Pfosten spekuliert, was Subotic ja macht, dann setzt er sich womöglich dorthin ab (wie Gomez das zB oft macht) und der Flankengeber kann die leichtere Flanke schlagen. Ich weiß nicht, ob es Verteidiger gibt, die das gegen einen antrittsschnellen und sprungstarken Stürmer wie Mandzukic zu hundert Prozent verteidigen können, ist jedenfalls ganz schwer. Der wesentliche Fehler war da sicher das Missverständnis zwischen Perisic und Schmelzer, das Dejagah erst die völlig freie Flanke ermöglicht.

Zu Kagawa: Das ist sicherlich extrem kraftraubend, was er da spielt. Und genau das ist eine ganz wichtige Stärke von ihm, in meinen Augen. Er hat eben die Lunge um das zu machen und da ist es nur richtig, das zu nutzen. Auch wenn er hoch spielt, bewegt er sich ja brutal viel, geht manchmal sogar Wege für Lewandowski mit. Ich weiß aber nicht genau, ob du das Offensiv- oder Defensivspiel meinst.

Im Defensivspiel ist der Zweck davon einfach, die Defensive und Konterstärke zu unterstützen, indem man mehr Spieler in Ballnähe bringt. Da fällt er aber auch selten besonders tief, sondern bewegt sich antizipativ vor dem Mittelfeld. Kagawa ist ja meistens die erste oder zweite Station bei einem Konter, oder überläuft dann aus der Tiefe, wenn Lewandowski angespielt wird. Diese vertikale Staffelung ist da sehr wichtig für Dortmunds Konter aus der Tiefe. Und eben situativ auch für die Kompaktheit, zum Beispiel auch um beispielsweise nach langen Pässen oder Flanken des Gegners die zweiten Bälle zu sichern.

Wenn er offensiv tief fällt, sind das einfach Positionsrochaden. Sieht man beispielsweise bei Messi ja auch, dass er manchmal der tiefste Spieler von Barca ist. In den Momenten gehen dann andere Spieler in die Offensivräume. Diese Rochaden sind schwer zu verteidigen und verschaffen den Spielern Freiheiten. Das ist auch nicht besonders kraftraubend, da das ja nicht in hoher Intensität passiert. Da muss der Gegner normalerweise mehr investieren, als die aufbauende Mannschaft.

Antworten

Rüdiger 9. April 2012 um 16:57

@Rudelbildung und MR: Vielen Dank für die guten und schnellen Antworten. Alles klar!

Antworten

Alex 9. April 2012 um 16:52

Erstmal zu a)…Siehst du schon ganz richtig, dass man da grundsätzlich situativ hätte umstellen müssen (Bender in die IV, einer aus der offensiven Dreierreihe kurzfristig ins DM etc.), jedoch hat der VfB intelligenterweise den Ball sehr schnell wieder ins Spiel gebracht – sah man unter anderem daran, dass Niedermeier ja sogar noch in vorderster Spitze war. Deswegen ist das Ganze sehr unglücklich gelaufen. Aber richtig beobachtet, dass genau dort das Tor fiel, wo Subotic normal gestanden hätte.

zu c)… Das ist mir jetzt auch vermehrt aufgefallen, dass Subotic bei einigen Flanken (insb. Köln, Wolfsburg) kein gutes Stellungsspiel an den Tag legt. Es ist klar, dass bei den Toren von Novakovic und Mandzukic klare Abstimmungsschwierigkeiten auf den Außen stattfanden, jedoch darf es nicht sein, dass er beide Male im Rücken den Gegenspieler frei zum Kopfball kommen lässt. Natürlich waren das gute Flanken, jedoch erwarte ich mir da von einem Nationalspieler schon ein besseres Stellungsspiel – denn Zweikampf, Kopfballspiel und auch die Positionierung zählen eigentlich zu seinen großen Stärken.

Antworten

MR 9. April 2012 um 17:18

Ich möchte kurz dafür appellieren, die Wortgruppe „von einem Nationalspieler“ aus allen Diskussionen zu allen Themen in aller Welt vollständig zu entfernen. 😉 Inwiefern kann man denn wegen der Anzahl an besseren Landsleuten die Leistung eines Spielers anders bewerten?

Antworten

Alex 9. April 2012 um 18:04

Ich wollte damit lediglich seine internationale Erfahrung ansprechen, die ein Nicht-Nationalspieler nicht so ausgeprägt hat. Ich hätte auch die Auftritte in Europa League und Champions League erwähnen können, hielt es jedoch für sinnvoller, die Länderspiele und damit seinen Nationalspieler-Status zu nennen, da er dort fast doppelt so viele Spiele absolviert hat wie auf internationaler Clubebene.

Antworten

merkur836 8. April 2012 um 09:13

Hallo zusammen!

Wiedermal wunderbare Analyse, Danke!!

Mir blieb aus dem Spiel aber eine Sache vollkommen unbeantwortet:

Aus den Spielstatistiken geht hervor:
67. min: Gündogan raus, Bender rein
70. min: Hajnal raus, Genter rein
…in direkter Folge 3 Tore für Stuttgart…

Aus dem Spiel heraus konnte ich nicht erkennen wie diese Wechsel die Verhältnisse gekippt haben, aber das kann doch nicht einfach Zufall gewesen sein?!
Hat Klopp sich verschätzt und hätte Göndogan nicht rausnehmen sollen der so stark war das er den VfB „nach hinten gedrückt“ hat? Oder hatte Bender einen schwachen Tag? Oder hat Labbadia einfach alles richtig gemacht, als Reaktion auf den Wechsel beim BVB? Hatte Hajnal so einen schlechten Tag zuvor? Oder war Genter in Folge seiner Einwechslung so überragend?
Es ist nicht das erste mal, aus subjektive Sicht, das Dortmund so ab der 60-70min irgendwie in ein Loch fällt, liegt das generell an dem Bankpersonal in Dortmund? Denn wenn der Gegner noch Wille zeigt und der Tore-Abstand noch nicht allzu groß ist, fängt Dortmund nach ein bis zwei Wechseln öfter an zu schwimmen…

Und wenns noch geht würd ich mal um ne Analyse bitten über Wolfsburg und den VfB, die ja beide in den letzten mind. 6 Spielen richtig stark gespielt haben. Was hat sich da geändert?

Vielen Dank schonmal im Voraus, und auch nochmal für eure Seite! 😉

Antworten

MR 8. April 2012 um 10:35

Die Wechsel hatten damit mMn fast nichts zu tun. Dortmund hat schon vor dem Anschlusstreffer die Dominanz verloren. Direkt vor Gündogans Auswechslung gab’s z.B. ’ne dicke Chance für Stuttgart, wo er den entscheidenden Zweikampf im Mittelfeld verliert.

Gentner leitete das 1:2 ein, aber natürlich war das Zufall – der Zufall bestand darin, dass Subotic direkt vor Gentners Einwechslung ausgeknockt wurde. Ohne jeden Zweifel war das der viel wichtigere Faktor, der eben zufällig genau in den gleichen Zeitraum fiel.

Evtl war Gündogans Fehlen in der Folge von Nachteil, weil die ordnende Hand fehlte. Eine der tollsten Qualitäten von ihm ist, dass er fast in beliebigen Situationen angespielt werden kann, ohne dass er gepresst werden kann. Mit seiner Ballsicherheit befreit er sich fast immer mit wenigen Berührungen und beruhigt damit das Spiel. Aber Dortmund war ja wie beschrieben schon vorher zu unruhig. (Gestern hat man auch gesehen, dass Gündogan alleine in so einer Phase nicht all zu viel machen kann.)

Ich bin allgemein der Meinung, dass 1-zu-1-Wechsel ohne taktische Umstellung fast nie einen großen Einfluss haben.

Zu Dortmunds Neigung sehr unentspannte Siege einzufahren, werd ich irgendwie mal noch was schreiben. Zu Wolfsburg kann ich einfach die Analysen, die wir haben empfehlen. (Auch die Analysen zu den jeweiligen Gegnern, siehe „Hamburgs Probleme in Wolfsburg“ oder auch die Situationsstudien in meinem „Gomez auf den Flügel“-Artikel zu Bayern.)

Antworten

Doerk 6. April 2012 um 23:52

Eine sehr gelungene und interessante Vorgehensweise, exemplarisch einzelne Spielsituationen heranzuziehen und zu analysieren!

Bitte nicht vergessen, dass die schwierigen Spiele für den BVB jetzt erst kommen. Man hat ja in der Rückrunde bisher nur solche Gegner wie Hannover (auswärtsscchwach), Bremen (bessere Jugendmannschaft), Leverkusen (indisponiert) in Heimspielen überwinden müssen. das waren nicht unbedingt die stärksten Prüfungen.

Mich wundert nur wieder, wie gut Hummels hier wegkommt. Er hat überall eine Super-Lobby obwohl er durch schlechte Reaktion das 2:2 und das 4:4 mitverschuldet hat.

Antworten

MR 6. April 2012 um 23:58

Das 4:4 sah ich nicht als seinen Fehler, beim 2:2 hab ich seinen Fehler ja klar angesprochen. Wo kommt er dir denn „hier“ zu gut weg?

Antworten

Doerk 7. April 2012 um 00:24

Beim 2:2 war nicht nur die misslungene Grätsche Hummels Fehler, sondern auch, dass er als eigentlich defensiver postierter IV gemeinsam mit Subotic zum Ball geht, anstatt den Raum dahinter abzudecken, in den dann Schieber stösst und sich gegen Piczek durchsetzt.

Beim4:4 wäre der Ball, wenn Hummels und Schmelzer nicht so unglücklich agiert hätten, wahrscheinlich hinter dem Tor gelandet. Hummels lenkt den Ball auf Schmelzer, der keine Reaktionsmöglichkeit mehr hat, so dass der Ball Gentner vor die Füsse fällt.

Mich ärgert einfach generell, und das geht gar nicht gegen Dich, dass bei anderen Verteidigern wie Badstuber, Boateng oder früher Mertesacker Fehler minutiös seziert werden, während bei Hummels jeder – häufig ziemlich blind und erfolglos nach vorne gebolzte – Ball aus Ausweis seiner monumentalen Spieleröffnungsfähigkeiten ausgewiesen werden.

Im Unterschied zu Deiner Analyse sehe ich bei Subotic nämlich bei keinem Gegentor – im Unterschied zu Hummels – ein Verschulden.

Wie auch immer, gar nicht persönlich gemeint.

Antworten

MR 7. April 2012 um 00:52

Mag sein, dass Hummels da besser wegkommt. Womöglich weil er mehr spektakulär gute Sachen macht als andere. (Im Passspiel, in Vorstößen, wie in Zweikämpfen und in der Antizipation.) Im Gesamtpaket gehen die Fehler dann wohl schneller mal unter.

Beim 2:2 würd ich wegen Schiebers und Harniks Position sagen, dass Hummels hinmuss und nicht Subotic, der ja näher an Schieber war. Vielleicht hat das auch das Missverständnis verursacht. Um es sicher zu beurteilen müsste man wohl die Absprachen kennen.

Beim 4:4 lenkt er den Ball nicht auf Schmelzer, er berührt ihn ja nicht – Schmelzer muss einfach wegbleiben. Da kann man Hummels m.E. keinen Vorwurf machen.

Ich fand abgesehen davon seinen schlechten Pass beim angesprochenen Konter dramatischer als die defensiven Ausrutscher.

Antworten

Marvin 7. April 2012 um 02:07

Das 4:4 sehe ich klar als Schmelzers Fehler an.
Ein klares Signal an Hummels hätte gereicht, um diesen Gegentreffer zu vermeiden. Dann kann Schmelzer den Ball entweder kontrollieren und klären, oder ihn einfach ins Toraus gehen lassen.

Antworten

C 8. April 2012 um 19:50

Ganz allgemein finde ich es sehr merkwürdig, dass man sich in den Medien oft auf die offensiv Fähigkeiten von defensiv Spielern konzentriert, die wenigsten Menschen wissen dass beispielsweise ein Badstuber auch ein sehr schneller Spieler ist.

Antworten

Henrik 7. April 2012 um 17:34

Das mit Hummels hab ich mir auch gleich gedacht. Ich stimme dir 100% zu.

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