Schalker Glückssieg gegen Gladbacher im Anpassungsfest

2:1

Nach der Partie gegen die Hertha in der vergangenen Woche empfängt Schalke dieses Mal wieder einen großen Konkurrenten im Kampf um die internationalen Plätze. Abermals ist man unterlegen, aber dieses Mal kann man das Spiel für sich entscheiden. Beide Teams zeigten taktisch interessante Ansätze, wobei sie bei den Schalkern weitestgehend in ihren Umstellungen und auf dem Papier vorhanden waren.

Gladbachs flexibles 3-4-1-2

Grundformationen

Grundformationen

Ohne Ball formierten sich die Gladbacher einmal mehr mit einer Dreierkette in der ersten Linie. Dabei gibt es bei einer Dreierkette natürlich unterschiedlichste Möglichkeiten diese zu spielen. Wird die Dreierkette von anderen Spielern aufgefüllt? Von wem? In welchen Situationen?

Viele vermeintliche Dreierketten sind häufig Fünfer- oder pendelnde Viererketten, wo die äußeren Spieler eigentlich zu den drei zentralen Verteidigern gehören, aber (normalerweise in Ballnähe) herausrücken und pressen. Andere Mannschaften – wie der FC Bayern unter Guardiola – nutzte gelegentlich einen oder zwei zentrale Spieler, welche sich zurückfallen ließen, um der eigentlichen Dreierkette mehr Breitenstaffelung und Präsenz zu geben.

Bei den Fohlen waren es primär die äußeren Spieler, welche die Kette zusätzlich auffüllen konnten. Zwar gab es auch ein paar Situationen, wo Xhaka dies tat, doch dies war meistens in Strafraumnähe und ist ein relativ übliches Schema.

Beachtlich war hierbei, dass es Situationen gab, wo die Abwehr wie eine Dreierkette aussah – so presste Hinteregger ein paar Mal an der Seitenauslinie und die Flügelverteidiger spielten auf einer Höhe mit den Sechsern gegen den Ball – und in anderen Momenten Anstalten einer klaren Fünferkette hatte. Dies lag wohl vorrangig an den Mannorientierungen der Gladbacher und der Höhe der Schalker Flügelverteidiger.

Das Interessante daran: Hinteregger auf der linken Seite übernahm ein paar Mal den Flügelverteidiger Schalkes (Goretzka), wodurch Johnson nach vorne schieben und situativ auf Riether pressen konnte. Die Schalker spielten ihr 3-4-2-1 nämlich leicht asymmetrisch; Goretzka spielte etwas höher als Kolasinac und hatte ein anderes Freilaufverhalten – weniger auf Durchbrüche orientiert, ein paar Läufe in die Mitte –, Riether als Halbverteidiger stand sehr breit und dribbelte ein paar Mal nach vorne an. Hinteregger deckte die weiten Räume geschickt ab, auch wenn ein paar Mal auf dem Flügel potenziell gefährliche Lücken entstanden, wenn Goretzka und Schöpf kreuzten sowie Meyer sich zusätzlich in den Halbraum auf dieser Seite bewegte. Dies geschah aber selten, weil Meyer als linker Sechser meist auf der anderen Seite oder im Zehnerraum zu finden war.

Am effektivsten war die Gladbacher Defensivausrichtung allerdings wegen der flexiblen Besetzung der vorderen Linie und der Mitte. So konnten sie in einem 3-4-3 die Abstöße der Schalker extrem aggressiv versperren, wodurch Fährmann keine sichere Anspielstation hatte. Abstöße sind taktiktheoretisch ein schwieriges Thema, weil sie sehr statisch sind. Man kann Gegner nicht anlocken oder mit dem Ball aufrücken. Der Gegner steht somit vor einer relativ simplen Aufgabe.

Eine komplette Manndeckung ist hier zwar auch nicht die optimale Lösung, doch kann gegen zahlreiche Systeme zu positiven Konsequenzen führen. Und ganz komplett war sie bei Gladbach auch nicht: Auf der abstoßfernen Seite wurde meist ein Spieler frei gelassen bzw. der Gladbacher Außenspieler positionierte sich zentraler zwischen zwei Spielern, ebenso wie der Halbverteidiger.

Schalker Abstoß

Schalker Abstoß

Baute Schalke aus dem Spiel heraus auf, zogen sich die Stürmer etwas tiefer. Häufig wurde dann das 3-4-1-2 klar erkennbar. Stindl orientierte sich prinzipiell an Höjbjerg, der als tiefster Sechser agierte. Raffael und Hazard unterstützten die Flügelverteidiger und die Mitte, indem sie Pässe in den Halbraum versperren und situativ die Passverbindung zwischen Innen- und Halbverteidiger bzw. Halb- und Flügelverteidiger zustellten. Bei Bedarf gab es auch ein aggressiveres höheres Pressing, welches zu Rückpässen auf Fährmann und diesen zu langen Bällen zwang. Gelegentlich ließen sie sich sogar fallen, um ein 3-4-3-0 zu kreieren. Schalkes Aufbauspiel fand dagegen keine Lösung.

Bewegungen ins Nichts

42% der Schalker Angriffe gingen über die rechte Seite. Das Wieso wurde bereits angedeutet. Riether schob einige Male nach vorne und suchte den rechten Halbraum, wo sich Schöpf und Goretzka viel bewegten. Schöpf spielte nominell mit Sané als hängende Spitze hinter / neben Di Santo, aber Schöpf suchte öfters die Anbindung ans Mittelfeld, ließ sich dynamisch zurückfallen oder ging aus der etwas zentraleren Position Richtung Flügel, um mit Goretzka zu kombinieren.

Gladbachs 3-4-1-2

Gladbachs 3-4-1-2

Über links waren die Abläufe etwas anders; Meyer wurde hier mehr eingebunden, allerdings nicht passend. Kolasinac und Sané suchten mit schnellen Kombinationen, die anfangs vielversprechend wirkten, den Durchbruch – und fanden ihn überaus selten. Auch die unterstützenden Bewegungen Di Santos wurden nicht effektiv genug eingebunden. Dies lag auch an den Abständen von Höjbjerg und der Verteidigungslinie nach vorne. Höjbjerg spielte tief vor den Verteidigern, Meyer alleine in der Mitte konnte gut abgedeckt werden, wenn er sich zurückfallen ließ und die Halbstürmer waren zu weit weg, um als konstant effektive Verbindung angespielt zu werden.

Das Hauptproblem war aber die mangelnde Tororientierung der Bewegungen (exkl. Meyer). Viele Angriffe über die Flügel gingen von dort auch unpassend lange über den Flügel und dann gegen einen gut gestaffelten Abwehrblock der Gladbacher. Das 3-4-1-2/3-4-3 der Fohlen leitete die Hausherren immer wieder auf die Seite und isolierte sie dort. Sechs der 27 Ballverluste Schalkes gab es in der Mitte, zehn in den Halbräumen und elf auf den Flügeln.

Gladbacher 3-4-3-0.

Gladbacher 3-4-3-0.

Genauso problematisch wie die fehlgeschlagenen Offensivbemühungen waren allerdings auch die defensiven. Bei 22 zugelassenen Schüssen im eigenen Stadion ist eindeutig, dass klare Mängel offengelegt wurden.

Zwischen 5-4-1 und 4-1-4-1 durch Manndeckung

Schalke-Trainer Breitenreiter sprach anfangs davon, dass man in der Manndeckung agiert hatte. Man wollte dadurch den Zugriff erhöhen und Gladbach vor Probleme stellen. Das Problem war aber, dass man einen freien Spieler in der Abwehr behalten wollte, wodurch es zu gewissen Kommunikationsschwierigkeiten kam. Wer deckt wen wo? Wer rückt heraus? So war zu Spielbeginn oft zu sehen, wie Gladbacher Spieler offen standen und die Schalker zueinander gestikulierten und sich spontan einteilten.

Nominell war es wohl ein 5-4-1 ohne Ball, doch auf dem Feld wirkte es nicht so. Höjbjerg blieb wegen Stindl meist tiefer, Meyer schob nach vorne und half Di Santo. Auch Schöpf ging etwas in Richtung Mitte, um dort freie Spieler zu übernehmen (z.B. Dahoud oder Xhaka). Oftmals spielte Goretzka dadurch auch deutlich höher und orientierte sich eher an Hinteregger als an Johnson, der von Riether übernommen wurde. Dieses verschobene 4-1-4-1-Gebilde hatten aber offene Räume und Gladbach konnte dies insbesondere nach Balleroberungen bespielen, bevor sich Schalke wieder formieren konnte.

Deswegen gab es bereits früh eine Umstellung.

Klares 5-4-1 nach zwanzig Minuten

Breitenreiters erste Anpassung war das Auflösen der Manndeckungen. Schöpf ging auf die linke Seite, Sané auf die rechte Außenbahn und man stellte ein positionsorientierteres, klareres 5-4-1 her. Aus diesen wurde zwar immer wieder mannorientiert herausgerückt, aber zumindest die Grundposition in der Formation eingenommen. In weiterer Folge hatte Gladbach etwas weniger Präsenz innerhalb der Schalker Formation, aber war im Spielaufbau unbehelligter und konnte den Ball effektiv zirkulieren lassen. Die Umstellung war aber unsauber, da die Abläufe noch immer durch die Mannorientierungen dominiert waren.

Nächste Umstellung nach 32 Minuten

Mit einer Geste – dem Anzeigen der Formation durch die Finger – stellte Breitenreiter auf ein 4-4-1-1/4-2-3-1 um. Riether spielte mit und ohne Ball nun als Außenverteidiger, Goretzka konnte dadurch ins Zentrum gehen und neben Höjbjerg hinter Meyer agieren. Im Pressing gab es nun eine andere Ausrichtung. Meyer und Di Santo stellten den Sechserraum zu und versuchten – meist nach Herausrücken der Flügelstürmer auf die Halbverteidiger – aggressiver anzulaufen.

Gladbachs Formation im Pressing funktionierte dennoch; Raffael und Hazard reagierten gut auf die Bewegungen Stindls und konnten entweder breiter stehen und die Außenverteidiger isolieren oder eben enger stehen, die Innenverteidiger attackieren, das Aufbauspiel auf eine Seite leiten und die Rückpassoption versperren.

Dies wurde auch nach der Halbzeit so weitergespielt, lediglich Sané tauschte mit Schöpf nochmals die Seiten. Nach sechzig Minuten wurde Aogo für Schöpf eingewechselt; fünf Minuten später zeigten sich leichte Veränderungen dadurch. Sané rückte einige Male nun öfters – wie er es bei seinem Tor zuvor schon tat – aggressiver heraus, Goretzka auf rechts spielte etwas tiefer und Meyer orientierte sich mehr am Mittelfeld und nicht an Di Santo.

Schalker Pressing zu Beginn. Schöpft rückt ein, Goretzka und Riether nach vorne.

Schalker Pressing zu Beginn. Schöpft rückt ein, Goretzka und Riether nach vorne.

Viele Umstellungen in der Schlussphase

Mit der Führung im Rücken gab es noch eine weitere Umstellung: In der 76. Minute wurde aus dem 4-4-1-1 ein 5-3-2; Belhanda anstatt Meyer spielte wieder höher und fast auf einer Linie mit Di Santo vorne, Goretzka rückte wieder neben Riether und Sané ging auf die andere Seite. Er bildete mit  Kolasinac neben Höjbjerg das Mittelfeld.

Das 5-3-2 überlebte aber nur ein paar Minuten. Gladbach stürmte die ganze Zeit und traf gegen die zu passiven Schalker nach ein paar Minuten. Mit der Einwechslung von Herrmann auf dem Flügel anstatt Johnson und Traoré als Akteur für das Zentrum, wo er mit Raffael und Stindl immer wieder flexibel den Zehner- und sogar Sechserraum besetzte, kam frischer Wind ins Spiel der Gladbacher. Christensen spielte höher und sein Vorstoß wurde dabei belohnt. Er führte zum Ausgleich.

Herrmann und Hazard gaben in diesem System die Breite im letzten Drittel und zogen Schalkes Abwehr auseinander, während die restlichen Spieler sich in der Mitte sehr flexibel bewegten. Elvedi spielte jetzt tiefer und auf einer Höhe mit  Hinteregger und Nordtveit. Mit der Einwechslung Hahns nach dem Ausgleich spielten die Gladbacher weiterhin im 3-4-1-2, doch Traoré und Herrmann waren sehr offensive Flügelverteidiger in diesem System; Hahn besetzte außerdem das Sturmzentrum teilweise im Alleingang und Raffael bewegte sich mit Stindl frei im letzten Drittel.

Direkt ins Schuberter Umstellungsfestival und die Gladbacher Dominanz fiel nach einem Konter der glückliche Ausgleich der Schalker. Die Königsblauen verteidigten die Führung mit einem 5-4-1 (Belhanda ging auf links) über die Zeit.

Fazit

Beide Trainer stellten viel um; Breitenreiter wegen der Unterlegenheit seiner Mannschaft, Schubert wegen der Chancenverwertung des anderen Teams. Dabei hatten die Schalker immer die gleichen Probleme, weitestgehend unabhängig von der Formation: Die Intensität war niedrig, die Distanzen zwischen den Spielern zu groß und das Herausrücken auf den Gegner unharmonisch. Gladbach wiederum positionierte sich geschickt hinter den Schnittstellen in freien Räumen und konnte dadurch diese Pressingversuche Schalkes gut umspielen. Die Königsblauen hatten aber etwas Glück, Fährmann und Strafraumverteidigung, wodurch sie dennoch als Sieger vom Platz gehen konnten.

AM 8. April 2016 um 12:00

Mir fehlt ein Hinweis auf Dahoud, den Schubert m.E. besser nicht ausgewechselt hätte – Lattentreffer usw. Lässt sich diese Maßnahme irgendwie aus dem taktischen Aufbau begründen? Oder war die Gladbacher Spielüberlegenheit schlichtweg derartig enorm, das Schubert ein spielstarken Spieler für mehr Effektivität zu tauschen hoffte?
Besten Gruß & Dank für Antwort.

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TobiT 8. April 2016 um 14:41

Vielleicht spielt da auch Belastungssteuerung mit rein, da er 2 spielstarke Mittelfeldspieler im Spiel haben will und genau 2 solche im Kader hat, die (abgesehen von Sperren) – wenn fit – jedes Spiel machen. Gerade Dahoud mit unter 20 in der ersten echten Profi-Saison kann ab und zu mal Pausen gebrauchen.

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AK 22. März 2016 um 15:47

War die Wahl von Breitenreiter in der Defensive mit einer 3er Kette zu spielen deiner Meinung nach gut? @RM?

Was haben die Gladbacher deiner Meinung nach besonders gut gemacht?
Welches Stilmittel hättest du in der Offensive gewählt? Zweimann Sturm um sich der Mannorientierung zu entziehen und ggf. eine Seite überladen zu können?

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Ron 20. März 2016 um 22:37

„Direkt ins Schuberter Umstellungsfestival und die Gladbacher Dominanz fiel nach einem Konter der glückliche Ausgleich der Schalker.“

Es war wohl eher der glückliche Führungstreffer. 😉

Generell interessante Analyse, auch wenn mir der Fokus zuviel auf dem liegt, was Schalke falsch machte, als auf dem, was Gladbach richtig machte. Aber okay, Breitenreiter musste zuerst und mehr umstellen deswegen verständlich.

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