Das Spiel des Turniers
Roberto Martínez stellt auf brillante Destruktivität um, Brasilien stemmt sich dagegen. Heftige Partie mit viel Zündstoff.
Es hatte sich im Vorhinein der Partie als ein Schlüssel erwarten lassen, wie die Gewichte strategisch verteilt sein würden. In gewisser Weise war das auch so, aber ganz anders, als erwartet: Die Belgier mit ihrer eigentlich so – gerade für die Verhältnisse des Turniers – offensiven Ausrichtung und dem Charakter einer Ballbesitzmannschaft, der auch deshalb Spielanteile gut zu Gesicht stehen, damit sie seltener im nicht problemfreien Pressing gefordert ist, wurden in dieser Begegnung zum reinen Konterteam – und das auf extreme Weise.
Die Ausdifferenzierung von Offensiv- und Defensivformation
Dafür hatte sich Roberto Martínez einiges zurechtgelegt: Allein für die Arbeit gegen den Ball ließ er mit Viererkette agieren. Aus der eigentlich standardmäßigen Formation der Belgier wurde hier ein 4-3-3, mit Vertonghen links und dem normalerweise als Flügelläufer agierenden Meunier rechts auf den Außenverteidigerpositionen. Das Pendant zu Letztgenanntem war diesmal Chadli anstelle von Carrasco und während der neue Mann bei eigenem Ballbesitz auch zusammen mit Meunier die Flügelbesetzung vor der üblichen Dreierkette bildete, rückte er für die Defensivarbeit ins Mittelfeld, quasi als linker Achter neben Witsel und Fellaini. Davor nahm der spanische Coach der Belgier weitere Veränderungen vor, die über die defensive Phase hinaus teilweise auch bei eigenem Ballbesitz als Grundorientierung dienten:
Grundsätzlich agierte Lukaku vom rechten Flügel aus anstatt in seiner Mittelstürmer-Rolle. Gegen den Ball nahm vielmehr de Bruyne die zentrale Position in einer Art 4-3-3-0 ein – und die drei vorderen Kräfte sowie deren Anordnung sollten ein Schlüsselaspekt für den Umschaltmoment sein. Bauten die Belgier selbst das Spiel auf, ließ sich de Bruyne nochmals tiefer fallen und agierte häufiger überhaupt aus den Achterräumen heraus, auch wenn er dort gar nicht so präsent war. Meist trieb er sich in den Bereichen seitlich neben oder kurz hinter Paulinho herum. Dementsprechend formierten sich die zwei verbleibenden Angriffsspieler enger, Hazard driftete besonders viel herum zwischen den Halbräumen, aber hatte auch Phasen in breiteren Positionen. Zumindest bei Ballbesitz war Lukaku gelegentlich Mittelstürmer. Statt des 4-3-3 gegen den Ball, wechselten die Belgier in dieser Spielphase nach klassischer Notation zwischen 3-5-2- und 3-4-2-1-Logik.
Verschieben auf die Flügelverteidiger als Schlüsselaspekt
In diesen Momenten hatten die Belgier einige gute Ansätze, die allerdings mit zunehmender Spielzeit einfach quantitativ immer seltener vorkamen und daher weniger ausmachten. Die Brasilianer pressten Belgiens drei Aufbauverteidiger meistens mit einem engen Dreiersturm und einer weniger klaren Asymmetrie als in den vorigen Partien, auch wenn Neymar sich schon noch häufiger diagonal nach vorne bewegte als Willian. Zunächst einmal konnte Brasilien aus einer zentral kompakten Grundstellung heraus agieren, durch die Position der Stürmer und die eher hohen Achter direkt dahinter. Insgesamt verhielten sich die vorderen Kräfte dabei recht gut: Gabriel Jesus konnte gelegentlich noch die direkte Anbindung an Witsel blockieren, seine beiden Nebenleute versuchten die Gegner zuzustellen und gleichzeitig so gut wie möglich den diagonalen Passweg auf die Flügelläufer zu verstellen.
Auch wegen der meist sehr vorsichtigen Entscheidungsfindung der Belgier gelang dies – und wenn der Pass nicht zu verhindern war, rückten die äußeren Angreifer mit hohem Laufaufwand nach außen auf den Empfänger des Zuspiels nach, insbesondere Willian gegen Chadli. Trotzdem bestand genau an diesen Positionen die potentielle und prekäre Bruchstelle der ganzen Angelegenheit: Die Rückwärtswege waren lang und griffen daher nicht immer. So wurden entweder auch der brasilianische Außenverteidiger oder Achter zu weiträumigen Verschiebereaktionen gezwungen, wenn dem belgischen Flügelläufer nicht Raum zum Aufrücken und/oder Dribbling gegeben werden sollte.
Im ersten Fall bedeutete das aber, dass es Platz im Rücken von Fagner bzw. Marcelo gab, der bei Misserfolg der Pressingsituation attackiert, von den Innenverteidigern mit großräumigem Durchsichern und in häufigen 1gegen1-Szenen verteidigt werden musste. Die Schwierigkeit des anderen Szenarios zeigte sich besonders sauber in einigen Situationen auf der linken brasilianischen Seite, wenn Neymar nicht so konsequent zurückschob, dementsprechend Coutinho auf den angespielten Menuier herausrückte und dieser mit Querpässen ins Zentrum das Pressing auflöste: Das tat er nach halbhohen Pässen Alderweirelds technisch geschickt mit hohen Lupfern per Innenseite. Bei Brasilien schob der ballnahe Achter nicht immer ganz konsequent sofort nach, teilweise durch verschiedene Mannorientierungen bedingt, die beidseitig im Mittelfeld immer mal vorkamen.
Ballbesitzspiel gegen Pressingmuster nur kurz
Auf diese Weise konnten die Belgier ins Mittelfeld und in die gegnerische Formation eindringen und etwas Ruhe im zweiten Drittel generieren, vielleicht auch attackierende vertikale Anschlussaktionen versuchen. In solchen Situationen war die Defensive der Brasilianer zwar temporär ungeordnet und ohne vollen Zugriff, aber zeigte insgesamt gute Reaktionen darauf: Das mannschaftliche Anpassungsverhalten erfolgte recht abgestimmt, auch gruppentaktisch improvisierten sie gut, orientierten sich im Verlauf des Spiels zunehmend besser gegen bevorzugte belgische Passwege. Mit Verzögerung schafften sie es oft noch, wieder stabil zu werden oder neue Überzahlen zu generieren. Einige der durchkommenden belgischen Schnellangriffe waren aber gefährlicher, als die anderen Teams bisher gegen Brasilien bei dieser WM:
Vor allem zeigten die Belgier gute Bewegungen in die gegnerischen Anpassungsversuche hinein. Sie unterstützten die Flügelläufer, wenn diese von den Außenverteidigern unter Druck gesetzt wurden, und boten ergänzende Läufe aus der Tiefe. Vor der Ecke zum 0:1 konnte Chadli gegen Fagner nach innen ablegen und Belgien kam dort gegen das Verschieben zu Raum. Der zuvor tief zurückgefallene und dort überspielte de Bruyne rückte wieder auf und konnte sich nachträglich in den wohl besten belgischen Spielzug der Partie im Raum Paulinhos einbinden, als dieser zum Ball nachrücken musste. Rein auf der mannschaftstaktischen Ebene und deren Verschränkung zur Gruppentaktik waren die Momente bei belgischem Ballbesitz eigentlich sogar die interessantesten Szenen der Partie, aber wurden gerade nach dem 0:2 zunehmend marginalisiert.
Belgiens Offensivtrio lauert auf Konter
Die belgische Führung bildete das gewissermaßen den dramaturgischen Startschuss für das Haupt-Narrativ der Begegnung: Die belgische Kontergeschichte. Wenn Brasilien angriff und Belgien sich nach hinten zurückgezogen hatte, lauerten drei Offensivspieler vorne, die tatsächlich nicht in die tieferen Verteidigungsphasen zurückfielen – eine extreme, radikale, vielleicht auch altmodisch zu bezeichnende, äußerst unangenehme Zweiteilung der Mannschaft. Brasilien musste das eigene Aufrückverhalten und Risiko sorgfältig abwägen und sich psychologisch mit der richtigen Nutzung der Zwischenlücken auseinandersetzen. Dass die Konter für Belgien letztlich so gut funktionieren sollten, lag nicht nur an der individuellen Klasse der drei Angriffsspieler, sondern auch an ihrer Aufteilung:
Lukaku agierte in überraschender Position und sollte gegen Miranda mit seiner Wucht in die Räume hinter dem offensiven Marcelo kommen, de Bruyne unterstützte ihn situativ oder ließ sich aus dem Zentrum etwas nach hinten fallen, um das Umschalten besser auszulösen, zu überbrücken oder anzukurbeln und Hazard konnte von halblinks auf Vorteile in Dribblings gegen den häufiger mal tief bleibenden Fagner hoffen. Letztlich entstanden so einige sehr gefährliche Konter, die Belgien aber gar nicht mal so gut ausspielte und abschloss. Von den klaren Szenen und Abschlüssen war es unter dem Strich sogar recht übersichtlich und der durchgebrachte Konter zum 0:2 strukturell etwas anders, da im Anschluss an einen gegnerischen Eckball resultierend.
Das 4-3-3 gegen die rechte Seite?
Zu der Geschichte der drei lauernden Konterspieler gehörte aber noch mehr: Das Verhalten der hinteren Spieler, der 4-3-3 Plan gegen den Ball und überhaupt erst einmal die Einleitung jener Umschaltaktionen. Sicherlich hatte die Formationswahl auch den kleinen organisatorischen Vorteil, dass der dritte Mittelfeldmann die Präsenz gegen Paulinho erhöhte und beide brasilianische Achter in klaren Zuteilungen durch die eigenen Achter verteidigt werden konnten. In den ersten Minuten schien es aber so, als sei die formative Umstellung mit Chadli im Mittelfeld für spezielle Überzahlbildungen und Pressingmomente gegen die rechte brasilianische Seite gedacht, um dort einen vermeintlichen Schwachpunkt zu attackieren.
In der belgischen Umsetzung des 4-3-3 ließen sich Überzahlen gegen Willian herstellen: Wenn dieser am Flügel zurückfiel, angespielt wurde und Vertonghen ihn herausrückend verfolgte, schob Chadli recht früh und aggressiv als zusätzlicher Spieler mit nach außen und dahinter schloss Witsel weiträumig an, quasi bis zu Paulinho. Wenn sich statt Willian dieser selbst ausweichend vor Fagner anbot, konnten die Belgier in ihren Verschiebewegungen auf denselben Mechanismus zurückgreifen. Das erkannten die Brasilianer aber nach einiger Zeit, vermieden diese Route zusehends und Willian ließ sich deutlich seltener zurückfallen. Immer häufiger spielte Thiago Silva auch – teilweise nach kurzem Andribbeln – direkte Diagonalpässe auf die (halb)linke Seite, die also noch mehr in den Fokus geriet als sie es ohnehin gewesen wäre.
Kompakte Grundstellung, aber Raum hinter Lukaku
Wenn die Brasilianer von hinten heraus eröffneten, bot das flache 4-3-3-0 zunächst einmal ein vergleichbar dichtes Zentrum: de Bruyne tief im Umkreis von Fernandinho, drei robuste Mittelfeldleute, Hazard und Lukaku etwas zurückgezogen über den seitlichen Passwegen. Aber auch wenn diese sich zunächst kompakt an den hinteren Block anschlossen, verteidigten sie kaum bzw. mit Fortgang der ersten Halbzeit im Grunde genommen gar nicht mit: Anfangs hatte sich Brasilien aus den losen Mannorientierungen noch damit zu lösen versucht, dass Neymar oder Coutinho in die Lücke vor Fellaini bzw. neben Lukaku zurückfielen, kurz andribbelten und die belgische Defensive zurückschoben.
Später gelang es den Brasilianern noch flüssiger, sich nach vorne zu arbeiten: Marcelo konnte problemlos hinter Lukaku aufrücken und ohne Druck eingebunden werden, auch zahlreiche Diagonalpässe auf Coutinho in den Raum neben Fellaini ließen die Belgier in lascher Ausrichtung zu. Eigentlich ging an dieser Stelle Martínez´ Zug mit dem 4-3-3 nicht einmal unbedingt auf, denn dieselben seitlichen Zwischenlücken hätte Brasilien auch gegen nur zwei defensive Mittelfeldspieler und eine 5-2-3-Ausgangslage gehabt. Die Brasilianer erst einmal aufrücken und bewusst nach vorne kommen zu lassen, gehörte grundsätzlich natürlich in gewisser Weise zum Plan dazu, um sie zu locken, gegen die tiefe Restverteidigung zu überhasteten Aktionen zu verleiten und dann zu den Kontern zu kommen.
Passiver Rückzug zum Strafraum
Dieses Prinzip kann taktikpsychologisch sehr unangenehm sein, wenn die angreifende Mannschaft durch die Konstellation gehetzt wird – speziell bei hier nicht vorhandenen breitflächigen Rückwärtspressingmechanismen – und mit den Zwischenräumen nicht gut umgeht. Letztlich stellten sich an diesem Punkt zwei zentrale Fragen für das Spiel: erstens die nach der Absicherungsorganisation bei den Brasilianern und zweitens die, wie sie den Restblock der Belgier an deren Strafraum bespielen würden. Diese versuchten kaum, bei brasilianischem Raumgewinn hinter der ersten Pressingreihe direkt druckvoll und nachzuschieben, sondern bevorzugten mit dem hinteren Block den Rückzug an den eigenen Strafraum. Im Grunde genommen verzichteten die Belgier dafür gezielt auf ein vollständiges Pressing.
Das machten sie strategisch und dann vor allem in der gruppenstrategischen Umsetzung geschickt, bewegten sich langsam und verzögernd, ließen Brasilien Raum und Ball, um sie so zu entschleunigen und Schnellangriffe zu vermeiden. Ihr Ansatz bildete damit eine Art Gegenentwurf zu den Herausrückbewegungen der brasilianischen Außenverteidiger im Pressing auf die Flügelläufer. Meunier schob als Erster heraus, blockierte den direkten Tempoweg, zog sich in breiter Position zurück und die beiden ballnah eng gestaffelten Mittelfeldakteure begaben sich minimal vor ihn. Am belgischen Strafraum selbst sah die Situation ähnlich aus: Wieder agierten die jeweils ballnahen Akteure rein stabilitätsfixiert und defensivorientiert nur auf die Torsicherung, boten die Außen an, versuchten bloß direkte Aktionen zu unterbinden und wegzuleiten, aber nicht mehr. Das Defensivverhalten beschränkte sich auf den Schutz des eigenen Strafraums, wagte selten den kollektiven Zugriff für den organisierten tiefen Ballgewinn. Zur Einleitung auf Konter lauerte Belgien auf Fehler oder auf Abpraller überhasteter Abschlüsse.
Es war eine extreme, fast destruktive Konterstrategie, aber sie funktionierte. An dieser Stelle wurde wiederum das 4-3-3 zum Thema: Ob Martínez es gerade mit dieser Motivation für diese Momente wählte oder nicht – nun fanden sich dessen vorteilhafte Auswirkungen mit seiner gleichförmigen Anordnung. Mit der Dreiecksstruktur konnte der Gegner vom Mittelfeldtrio langsamer nach außen weggeleitet werden, ohne dass eine ballnah verschobene Doppel-Sechs durch einen herausrückenden Halbverteidiger ergänzt werden musste. Dies hätte womöglich im ersten Moment zu einer aktiveren Einleitung des Gegners gegen die dünner besetzte Mittelfeldlinie geführt, danach zwar bessere Dynamiken zur Balleroberung bringen können, aber auch kurzfristig die letzte Linie geöffnet und eine positionelle Anpassung der anderen Verteidiger darauf erzwungen.
Genau das wollte Belgien nicht. Ähnlich war es in Richtung des ballfernen Halbraums: Aus einem 5-2-3 hätte man die Lücke „nach innen“ nicht durch einen dritten Akteur – hier Chadli – absichern und damit seitlich gegen die Passrichtung zuschieben können, sondern wiederum das Herausrücken aus der Kette realisieren und damit mehr Dynamik eingehen müssen. Dementsprechend verhielten sich Fellaini und Witsel sehr gleichförmig und kompakt zueinander, über der Lücke zum etwas breiter stehenden Meunier. Sie machten das aufmerksam und hatten eine recht passende Körperstellung zum Ball. Im Abwehrpressing bewegte sich im Laufe des Spiels zudem de Bruyne als zusätzlicher Faktor immer konstanter mit zurück. Er ergänzte die Anordnungen „in der Tiefe“, erhöhte die Präsenz um den Rückraum herum und konnte Coutinho und Co. häufiger mal zum Abdrehen zwingen. Mit einer guten gruppenstrategischen Umsetzung fand Belgien den richtigen Rhythmus im Abwarten, um Brasiliens Dynamik zu verzögern, sie neben die Restformation nach außen zu leiten und auch zu ungünstigen Entscheidungen zu drängen.
Suboptimale Orientierung für das Ausspielen
Nach einer ganz guten Anfangsphase gelang es dem brasilianischen Team in der ersten Halbzeit nicht, die sieben Belgier am Strafraum auszuspielen und die umliegenden Räume effektiv genug zu nutzen. In diesem Punkt ließen sie viel Potential liegen: Wenn sie es hier gegen die belgische Restverteidigung besser ausgeschöpft hätten, wäre das sogar ein Schlüssel gewesen, um deren gesamte Vorgehensweise zu. Allerdings spielten sie die eigenen Offensivszenen im letzten Drittel eben nicht optimal aus bzw. sie waren spielerisch eigentlich schon ganz gut und bemüht, kamen auch zu vielen Ansätzen. Aber aufgrund einiger kleiner Problempunkte brachten diese kaum Effizienz: Zunächst wurden die Aktionen über die Flügel nicht dynamisch genug vorbereitet, die gegen einen tiefen Restblock von sieben Spielern eigentlich ein wichtiges Mittel sein können, damit man um diesen wirkungsvoll herum spielt.
Auf der linken Seite wurde das aus eigentlich hoher Halbraumpräsenz zu mechanisch vorbereitet, so dass früh zu antizipieren war, wann Marcelo den Ball außen erhalten oder dass einer der Offensivspieler es per Dribbling versuchen würde. In dieser Umsetzung brachte der Durchbruch zur Grundlinie nicht mehr viel ein und wurde dann – unter jenen Umständen – auch zu oft gesucht, endete letztlich fast durchgehend mit abgeblockten oder geklärten Hereingaben, da man für Marcelo keinen Dynamikvorsprung hatte herausarbeiten können. Hinzu kam von belgischer Seite die ausreichend breite, aufgrund des engen Mittelfelds mögliche Grundposition Meuniers. Ebenso fehlten auf der rechten Seite häufig die ergänzenden Tiefenläufe und so lief es stattdessen darauf hinaus, dass Willian zu oft im 1gegen2 durchzukommen versuchte. Verstärkt wurde dies dadurch, dass er nach Verlagerungen nicht immer direkte Rückanbindungsstationen zur Mitte hatte.
Knackpunkt Staffelungs- und Entscheidungsfindung in Strafraumnähe
In diesen Situationen besetzte die brasilianische Offensive den rechten Halbraum für Verbindungen zu selten und orientierte sich zu stark in die letzte Linie. So gehörten auch flache Staffelungen zur Problematik: Gegen einen tiefen, zurückgezogenen Gegner lässt man sich schnell dazu verleiten, da es bis zu dessen Block erst einmal keinen Widerstand und auch keine wirklichen Zwischenräume gibt, an denen man sich ausrichten und in denen man sich anbieten könnte. So hatte Brasilien zu selten nur einen statt zwei Angriffsspieler im Rückraum, um Kombinationen auch mal mit Querpässen anzukurbeln und in den ersten Momenten kleine Rückstöße einbauen zu können. Stattdessen bewegten sich Neymar oder Coutinho bei Ballbesitz des jeweils anderen leicht überambitioniert bis an die gegnerische Abwehrlinie.
Wenngleich sie in den eingegrenzten Räumen nicht immer aus dem Deckungsschatten der belgischen Mittelfeldspieler herauskamen, unternahmen sie auch einige gute Bemühungen, um grundsätzlich anspielbar zu werden. Der eigentliche Punkt war an dieser Stelle eher die Entscheidungsfindung: Kurze Anspiele in den Block hinein etwa für Ablagen hätten noch stärker fokussiert werden müssen, aber wurden zu selten gesucht. Selbst wenn sie nicht sauber gelangen, zwangen sie Belgien zur Reaktion und führten schnell zu brenzligen Momenten. Das wäre durch die Kleinräumigkeit und die vertikale Dynamik gegen die Passivität des Gegners nicht ohne Risiko gewesen, aber wenn man stattdessen ohnehin viele Unterzahldribblings versucht, geht man dieses Risiko bereits ein.
Das Potential der linken Seite
Auf der linken Seite beispielsweise passte auch die Aufteilung nicht ganz: Mit Marcelo, Coutinho und Neymar bestanden gute diagonale Kombinationsmöglichkeiten, aber sie agierten nicht konstant als gemeinsam eingebundenes Trio. Oft kurbelte einer an, einer versuchte sich anzubieten und der andere stand neben dem Ballbesitzer, um das Leder und dessen Rolle potentiell übernehmen zu können. Wenn nun also Neymar oder Coutinho zum Dribbling nach innen ansetzten, die Option Marcelo aber situativ gerade nicht (mehr) umsetzbar war, fehlte plötzlich der jeweils andere – und man drohte sich festzulaufen. Auch wenn die Interaktion im Trio phasenweise besser und dynamischer funktionierte: So liefen die Angriffe mehr auf Pärchenbildungen und Doppelpassaktionen hinaus als auf Dreiecksspiel, in der Folge wurden dann manche jener anspruchsvollen Zwischenraumpositionierungen nicht genutzt.
Dies war besonders schmerzhaft, weil Marcelo durch die Lukaku-Konter-Rolle eben potentiell offen war, aber seine kreativen Aktionen kamen nicht gut genug zur Geltung. Er hatte auch nicht seinen besten Tag: Als er in der zweiten Halbzeit immer häufiger mit Verlagerungen bedient wurde, scheute Marcelo manchmal den Diagonalpass ans Strafraumeck, während sich Neymar dort zunehmend etwas zu hoch gegen Meunier positionierte, dort zwar Bälle forderte, teilweise auch in guten Situationen, häufiger aber in schwierigen Umgebungen. Insgesamt geschah in den Zwischenräumen die genaue (Vor-)Orientierung für mögliche Folgeaktionen etwas zu unsauber: Wie man sich genau positionieren müsste, um die Dynamik der Situation bestmöglichst nutzen und mitnehmen zu können. Im Falle des brasilianischen Superstars kam noch hinzu, dass die Offensive des Teams stark auf seine Topform zugeschnitten ist, seine Dribblings aber aktuell nach längerer Spielpause im Frühjahr lange nicht so selbstverständlich funktionieren wie gewohnt.
Das wirkte auch zurück auf die Entscheidungsfindung: In einigen Szenen, in denen er das Dribbling hätte anziehen sollen, hielt er sich zu sehr zurück anstatt die Aktion zu wagen, in anderen Szenen mutete er sich zu viel zu – vielleicht auch dadurch bedingt, dass er bei stärkeren Unterzahlsituationen mit weniger Unterstützung zumindest mehr Gegner binden würde und mehr absicherndes Personal in Defensivpositionen hinter sich hätte. Wenn seine Mitspieler ihn für Unterzahldynamikmitnahmen einzubinden versuchten, begann er die anspruchsvollen Aktionen oft gut, aber konnte sie dann nicht erfolgsstabil zu Ende bringen: Es gelang nicht bis zur letzten Phase, die koordinative Balance aufrechtzuerhalten, und der Ball driftete leicht unkontrolliert zur Seite in den gegnerischen Zugriffsradius weg.
In der Summe kam für Brasilien im Ausspielen etwas zu viel an kleinen Problempunkten zusammen und damit der Knackpunkt zum Tragen, der im Vorausblick auf das Turnier noch als die größte Baustelle ausgemacht werden konnte. Aus den Freiheiten, die Angriffe gegen die Restverteidigung am Strafraum einleiten zu können, hätten sie mehr machen müssen, trotz vieler Ansätze. Sie suchten oft das Zusammenspiel und das Dribbling, agierten insgesamt konstruktiv, mit flexiblen Bewegungen, aber ohne die letzte Effektivität. Am Ende gab es zunehmend ein typisches Szenario: Nach Andribbeln von Neymar und Coutinho führte die Entscheidung gegen die nächstmögliche, einfachste Option dazu, dass plötzlich durch das Aufrücken der Kollegen gar keine Optionen mehr da waren – der Ballführende hätte entweder komplett abbrechen müssen oder versuchte die Szene alleine zu Ende zu bringen. Das führte gegen zwei oder drei belgische Mittelfeldspieler aber – gerade im Falle Coutinhos – zu vielen abgeblockten Rückraumschüssen und brachte direkt das Problem mit den Kontern auf den Tisch.
Herausforderungen und Alternativen in der Absicherung
Derartige Abpraller sprangen häufig in die Räume neben Fernandinho zurück. Meist organisierte Brasilien dort die Rückraumabsicherung mit einer Dreierreihe aus Fagner und den beiden Innenverteidigern. Die äußeren Akteure mussten weiträumig gegen Lukaku und Hazard spielen, sie nach hinten verfolgen und sich auf direkte Duelle einlassen, machten das sogar insgesamt recht ordentlich, auch in gewisser Weise mit dem „Zwang“, gezielt Fouls einzusetzen. Auch wenn es sehr hilfreich hätte sein können, auf eine radikale gegnerische Anpassung mit einer eigenen großen Umstellung der Absicherunsgsstruktur zu reagieren, ist das ein Weg, den man nicht „mal eben so“ wählt und bei man sich sicher sein muss, dass er stabil umgesetzt werden kann.
Im kleineren Rahmen hätten sich für Brasilien wohl zwei Varianten angeboten, am ehesten auf Kosten der Paulinho-Position: Der rechte Achter rückte vielleicht etwas zu viel nach vorne auf, glich das individuell durch einige starke Rückwärtsbewegungen fast wieder aus und spielte seine Rolle nicht schlecht. Diese war also keineswegs hauptverantwortlich für die Konteranfälligkeit, aber sie passte gegen die angepasste belgische Spielweise nicht so recht und hätte ein Ansatzpunkt sein können, um sich mannschaftlich auf die Herausforderung einzustellen. Man hätte zum einen auf eine tiefere Achterspielweise setzen können, um in Verbindung mit Fernandinho eine – wie auch immer im Detail geartete – Asymmetrie in die Organisation hinter dem Ball zu bekommen.
So hätte man die ersten Anbindungen an de Bruyne erschweren und dann gegen Lukaku und Hazard ballnah punktuell schneller nachschieben können. Die andere Variante wäre es gewesen, die Achterposition überhaupt für einen zusätzlichen Mann in der Defensive zu opfern. Neben dieser numerischen Präsenzstärkung hätte man eventuell die Restverteidigung auch noch neu anordnen und einen Käfig um die belgischen Konterspieler staffeln können. Für den kontrollierten Angriffsübergang wäre die geringere Mittelfeldpräsenz nicht das Problem gewesen: Einen Verbindungsspieler auf der Acht braucht es – wie in Paulinhos Rolle eigentlich auch angedeutet – in dieser Situation nicht unbedingt, da man über halblinks ohnehin zuverlässig erst einmal zum Angriffsdrittel nach vorne kam.
Veränderungen in der brasilianischen Offensivabteilung
Auch wenn in dieser Richtung keine größere Veränderung geschah: Tite blieb keinesfalls untätig und nahm einige interessante Umstellungen vor. Zur zweiten Halbzeit änderte er vor allem die Organisation in der Offensivabteilung: Gabriel Jesus besetzte anstelle von Willian den rechten Flügel mit viel Drang in den Strafraum, Neymar spielte – im Wechsel mit einzelnen Phasen von links aus – insgesamt deutlich zentraler und dafür rochierte Firmino als neuer Mann umtriebig mit weiten Ausweichbewegungen aus einer halblinken Stürmerposition heraus. So hatte Brasilien etwas bessere Anbindungen an die rechte Seite und mittig mehr Präsenz im Rückraum, wo Neymar noch häufiger als Ergänzung zu Coutinho auftauchte.
Diese Verbesserungen führten zu einer stärkeren und gefährlicheren zweiten Halbzeit mit einigen guten Szenen, aber ohne den durchschlagenden Umschwung: Das Ausspielen machte weiterhin ähnliche Probleme machte wie zuvor, die flachen Staffelungen wurden nur leicht bzw. punktuell besser genutzt und auch die Entscheidungsfindung blieb etwas umständlich. In der letzten Phase des Spiels entstanden viele brasilianische Chancen sogar aus eigenen Kontern oder Gegenkontern, als Belgien zudem kräftemäßig Probleme bekam: In diesem Kontext kam im Mittelfeld die starke, abgestimmte Gesamtqualität des brasilianischen Teams zum Tragen, um lose Bälle aufzusammeln und eigentlich sehr riskante, gefährliche Ballverluste doch noch – auch individuell geschickt – zu improvisieren und aufzufangen.
Improvisation und (Gegen-)Konter in der Schlussoffensive
In den hinteren Zonen rückte teilweise Marcelo ins Mittelfeld ein und Miranda verteidigte etwas breiter, so dass sich 3-2-artige Strukturen ergaben, in denen Belgiens Verlagerungspässe aus dem Zentrum auf die in die Breite weichenden Stürmer nicht mehr so gut funktionierten und zunehmend blockiert waren. Da Meunier bei belgischem Ballbesitz normalerweise aufrückte und dies bei sich andeutenden Übergängen aus mehrfachen Umschaltmomenten in die Offensive entsprechend versuchte, bekam Brasilien auf einmal Räume für Steilpässe auf Neymar, der so zwei Großchancen für Firmino und Coutinho vorbereitete. In der extrem zweigeteilten Konterausrichtung hatte Belgien zunehmend die Struktur auch für das Nachrücken verloren.
Sie konnten im Umschalten kaum mehr Bälle vorne festmachen und verhielten sich unsauberer, wenn sie nach Ballgewinnen zumindest nach hinten zirkulieren konnten und aus der Tiefe neu aufbauten. Die aus solchen Problemen entstehenden Gelegenheiten ließ Brasilien aber liegen. Zum Anspielen gegen die Restverteidigung, der eigentlichen Aufgabe der zweiten Halbzeit, brachte Tite für die Schlussphase mit Renato Augusto zusätzliche Kreativität in die Offensivräume, auch wenn dieser sich häufig als etwas tieferer Einleitungsspieler betätigte oder – wie beim Anschlusstor sogar mit Erfolg – seine raumgreifenden Strafraumläufe einbrachte. Mit der Umstellung auf 5-3-2 in den Schlussminuten gewann Belgien etwas Stabilität zurück. Das klare Abschlussübergewicht war am Ende nicht viel wert: Eine sehr starke Mannschaft schied aus – etwas unglücklich, etwas selbstverschuldet und schließlich auch wegen der geschickten Restverteidigung der Belgier, deren verrückte Umstellung durchkam und die in die nächste Runde gehen.
Fazit
Das Spiel spricht für sich.
15 Kommentare Alle anzeigen
The_Mo 9. Juli 2018 um 18:55
Geniales Spiel, genialer Artikel!
Ich würd aber gerne noch zwei eher individuelle Aspekte rausgreifen:
1. Was für ein cooler Schachzug, Lukaku in breite Positionen auf links zu bringen! Normalerweise sollte er mit seiner fast einzigartigen Wucht jedem Veteidiger in solchen Situationen überlegen sein und einfach individuell durchbrechen können. Bockstark wie Miranda das verteidigt hat! Wahnsinn! Ich persönlich habe mich gefragt, warum er nicht zumindest phasenweise mit Hazard getauscht hat (glaube ganz in der Schlussphase kam das vor), könnte mir vorstellen dass Fagner da alt ausgesehen hätte.
2. gerade als bei Belgien die Kräfte schwanden und Brasilien auf durchschlagskräftigere Offensive umgestellt hatte, aber auch schon vorher, fand ich, dass Belgiens grundsätzlich tiefe und passive 4-3-Verteidigung doch öfter ins Wanken geriet, gerade über die brasilianisch halblinke Seite. Und zwar hat mir Fellainis individuelles Verhalten stellenweise nicht so überzeugt, einige Male hat er sehr mannorientiert auf Neymar agiert und wurde aus abschirmenden Positionen herausgezogen, das hätte Brasilien mit Coutinho und Marcelo konsequenter nutzen können. Vielleicht hätten sie dazu aber auch bessere Anbindung an die zentralen Rückräume gebraucht…
Letztlich hat ja Brasilien doch auch einige Chancen erzielt, die dann wiederum individuell Weltklasse von Courtois und der belgischen Endverteidigung entschärft wurden.
Henne 9. Juli 2018 um 11:47
Die Analyse ließ sich fantastisch lesen, vielen Dank dafür!
Was mir nur wieder auffällt, ist, wie entscheidend Matchglück im Fußball dann doch immer wieder ist. Dieses typische „wäre, wäre, Fahrradkette“ ist in keinem anderen Sport so akut. Fernandinho macht das Eigentor, das passt genau n Belgiens Matchplan und sie können ab da kontern. Wie im Artikel gut hervorgehoben fällt das 2:0 allerdings nicht aus einem „normalen“ Konter, der der taktischen Ausrichtung entsprang, sondern einer gegnerischen Ecke bei der die Belgier ihre Stärken voll ausspielten, das jedoch auch wahrscheinlich bei jeder anderen taktischen Grundausrichtung getan hätten.
Den Brasilianern fehlt dann meiner Meinung nach gar nicht so sehr das Mittel gegen die belgische Abwehr. Viel mehr scheitern sie an der eigenen Chancenverwertung, welche schon in der Gruppenphase fast zu Problemen geführt hätte und an einem überragenden Courtouis, der midnestens zwei sichere Tore verhindert und auch darüber hinaus immer wieder stark eingreift. Letztlich ist es dann eine Schiedsrichterentscheidung, die einen früheren Anschlusstreffer verhindert. Das war ein glasklarer Elfmeter für Jesus nach der Kompany-Grätsche.
Aliou Bob Marley Cisse 9. Juli 2018 um 14:30
Jipp.
Aliou Bob Marley Cisse 9. Juli 2018 um 14:47
Brasilien hatte Belgien die gesamte zweite Halbzeit über im Griff. Ich sah einen gefährlichen Konter, der beinahe das dritte Tor zur Folge gehabt hätte. Ansonsten fand ich es enttäuschend, wie wenig Sicherheit und Kontrolle Belgien trotz des nahezu perfekten Spielverlaufes in die Begegnung brachte.
Im Normalfall gewinnst du so ein Spiel nicht. Man sieht, dass gegen manche Teams das Schießen des ersten Tores reicht und gegen Brasilien ein 2:0 noch nicht einmal ein Unentschieden garantieren muss, wenn Brasilien effektiv ist, den fälligen Elfer bekommt, Courtois nicht Nerven aus Stahl hat.
Abgesehen davon verstand ich nicht, warum Martinez gerade in dieser Partie nicht wechselte und einen frischen Konterstürmer brachte. Die Mannschaft war sehr rasch müde und hätte Erfrischung dringend benötigt. Abgesehen davon was Macht Martinez, wenn Brasilien schon nach ein paar Minuten 1:0 vorne liegt-was auch durchwegs möglich gewesen wäre. Mit der zweiten Halbzeit gewinnt Belgien gegen Frankreich keinen Blumentopf.
Taktik-Ignorant 9. Juli 2018 um 16:11
Möchte ins gleiche Horn stoßen. Chadli für Carasco war allgemein erwartet worden, der Verzicht auf einen Offensiven (mit Mertens traf es den Stürmer mit der geringsten Durchschlagskraft im Vergleich zu Lukaku und Hazard) eigentlich auch, das Vorschieben von De Bruyne aber eher nicht. Es hat sich aber gezeigt, daß diese taktischen Kniffe brasilianische Torchancen schon in der ersten Halbzeit nicht verhindern konnte, was sicher auch der hohen individuellen Qualität des brasilianischen Offensivpersonals geschuldet war. In der zweiten Halbzeit kam dann von Belgien sehr wenig, die drei Stars mußten der hohen Laufleistung Tribut zollen, und tatsächlich hätte Martinez einen Wechsel vornehmen können (Mertens oder Batshuayi rein). Der Wechsel auf Douglas Costa kam für mich spät, denn sein Antritt stellte die belgischen Verteidiger, die allesamt nicht die schnellsten sind, vor Probleme. Mir kam der belgische Sieg daher auch glücklich vor, wenn auch aufgrund der starken ersten Halbzeit nicht unverdient.
Koom 9. Juli 2018 um 10:37
Spielt Neymar eigentlich immer so dermaßen ego-fixiert und eigensinnig wie jetzt bei der WM? Das ist ja gruselig. Als ob er sich für den allergeilsten hält, deswegen meint, im Alleingang 2 Spieler auszudribbeln und bleibt dann meistens beim ersten hängen. Dagegen ist ja Ronaldo was ein Katsche Schwarzenbeck…
tobit 9. Juli 2018 um 12:45
Seit er bei Paris ist, habe ich ihn nur so gesehen. Für Brasilien war das 2014 aber auch schon so. In Barcelona gab es halt größere als ihn, da musste auch er sich unterordnen – das war wohl auch der Hauptgrund für seine Flucht.
Josef 9. Juli 2018 um 14:50
Ich glaube, die Wahrnehmung täuscht bei Neymar. Zum einen weil er tatsächlich sehr viel dribbelt, zum anderen weil er eben Neymar ist, und sein Verhalten zu einer eher negativen Wahrnehmung beiträgt.
Die Zahlen bei der WM sprechen eine andere Sprache.
Torschussvorlagen bei der WM insgesamt („Key Passes“, Daten von whoscored):
1) Neymar 23
2) De Bruyne 16
3) Modric 14
4) Trippier 13
4) Coutinho 13
…
Was Dribblings angeht, so gingen u.a. Mbappé, Messi und Hazard öfters in Dribblings als Neymar.
Koom 9. Juli 2018 um 15:09
Naja, Neymar klaut seinen Kollegen aber auch viele Bälle. Und auch hier wieder mal: Die Anzahl von Torschussvorlagen sagt nichts über deren Qualität aus. Mein allgemeiner Spieleindruck von ihm war meistens verheerend, gerade im Vergleich zu Coutinho, der viel homogener im Team agierte und trotzdem immer immens gefährlich war.
Ich finde, er unterbricht mit seiner eigensinnigen (und qualitiativ nicht in dem Maße zu rechtfertigenden) Art den Spielfluß seines Teams erheblich. Alles jetzt natürlich auf die WM und Brasilien bezogen, bei PSG habe ich ihn nicht beobachtet. Und ich meine nicht mal seine unnötige, absurde Schauspielerei, die steht auf einem anderen Blatt.
David 12. Juli 2018 um 19:50
Da bewertest du deine subjektive Wahrnehmung aber zu hoch.
Wenn du soviele Torschussvorlagen rausspielst, werden schon ein paar gute dabei gewesen sein, zumal bei einem Zufallssport wie Fußball, Quantität keine unwichtige Rolle spielt.
Verstehe auch nicht, wie er das Spiel am 16er sonderlich unterbrochen haben soll.
Witzigerweise habe ich mich darüber gewundert wie uneigensinnig Neymar zum Teil agiert hat und wie oft er gute Pässe in den 16er gespielt hat, die ankamen.
Isabella 14. Juli 2018 um 21:55
Ich habe von Neymar jetzt auch nicht so viele Aktionen im Gedächtnis, bei denen andere Alternativen als ein Dribbling besser gewesen wären, möchte aber anmerken, dass man gerade an den Spielen Bayern-Real doch erheblich gesehen hat, wie verzichtbar eine hohe Quantität an Chancen und wie unverzichtbar deren Qualität ist.
Koom 16. Juli 2018 um 12:09
Es gab – gerade gegen Belgien – so 2-3 Szenen, wo Neymar einem Kollegen den Ball vom Fuß geklaut hat, die Zirkulation unterbrach, in eine Unterzahlsituation „dribbelte“ und dann schwachsinnig abschloss. Klar, ist ein Torschuss und damit irgendwie ne Torchance, aber so richtig dolle ist das halt nicht.
Das ist mir eben zu viel Quantität und Zahlen/Statistiken, die dann auch eine Art Lüge beinhalten.
mananski 8. Juli 2018 um 23:41
Starkes Spiel, starker Artikel!
Backabua 8. Juli 2018 um 11:29
Wahnsinniger Artikel! Vielen Dank, Tim!
Denkst du,dass Casemiro, der brasilianischen Mannschaft in diesem Spiel geholfen hätte? Ich denke eigentlich eher nicht,da er wohl auch keinen größeren zugriff gegen die Konter erzeugen hätte können und spielerisch nicht wirklich ein upgrade zu fernandinho gewesen wäre?
Druffundewerre 8. Juli 2018 um 22:57
Ich schätze mal, Casemiro hätte schon insofern geholfen, als dass er den Ball vermutlich nicht ins eigene Tor geköpft hätte.