Solide ins Achtelfinale

0:2

Brasilien nimmt die letzte Hürde in der Vorrunde. Lokalkompaktheiten und ein starker Zwischenspurt reichen Serbien nicht.

Nach dem holprigen Start gegen die Schweiz und dem zähen Last-Minute-Sieg gegen Costa Rica folgte für Brasilien nun ein solider Erfolg für den Gruppensieg. Auch wenn diese abschließende Begegnung eine Steigerung darstellte: Das Grundsystem des Teams war über die gesamte Vorrunde hinweg stabil und funktionierte in allen Spielen, verschiedene kleine Problempunkte – wie schon zuletzt im Podcast angesprochen – wirken sich aber auf einem schmalen Grat jeweils unterschiedlich aus, können teilweise zu einer stabilen, trägen Vorstellung wie im zweiten Gruppenmatch führen oder wie gegen die Schweiz unglücklich zusammenkommen und dann Ergebnisse kosten.

Linksabläufe gegen Kompaktheitsballungen

Auch gegen Serbien hatte die brasilianische Mannschaft eine gute Grundstabilität auf dem Platz, ging anfangs eher auf Sicherheit und musste sich beispielsweise bei Ballbesitz erst einmal an der dichten Defensive abarbeiten. Gerade wenn der Gegner aus den häufigeren 4-4-2-Staffelungen ins etwas höhere 4-1-4-1 umformte, lief viel über die Außenverteidiger, die es mit Direktpässen entlang der Linie auf Rochaden gegen Mannorientierungen versuchten. Bei Serbien presste abermals die erste Reihe recht tief mit und die hinteren Mittelfeldakteure verfolgten Rückstöße etwas weiter. Die gleichzeitigen Mannorientierungen der Flügelspieler führten gegen Brasiliens etwas enger aufbauende Außenverteidiger zu entsprechend eingerückten Defensivpositionierungen dieser Akteure und damit noch mehr lokaler Verdichtung im Zentrum.

So entstanden – zumal mit einer vergleichsweise hohen Abwehrlinie – gegen die Tiefenpräsenz der Brasilianer einige unangenehme Lokalkompaktheiten, dafür aber keine gleichmäßige Staffelungsverteilung. Dementsprechend mussten die Südamerikaner häufiger nach außen eröffnen, auf der fokussierten linken Seite etwa durch Filipe Luís auf Neymar. Dessen Einbindung erfolgte diesmal deutlich stringenter und rationaler als in den ersten Partien, vor allem funktionaler in die mannschaftlichen Abläufe eingebunden und nicht so individualitätsfixiert. Über die häufige Unterstützung Coutinhos von der linken Achterposition konnten einige Überladungsansätze und ansehnliche Dreiecksspielzüge initiiert werden.

Die Umsetzung passte noch nicht optimal, aber bot vielversprechende Momente und auch einige Dynamiken zum Strafraum hin, mit dem weiten Nachschieben des ballnahen Sechsers in diesen Momenten waren die Serben aber ein unangenehmer Gegner. Die horizontalen Abstände innerhalb des Mittelfelds blieben dafür etwas größer: Dementsprechend bot es sich für Brasilien an, Gabriel Jesus bei Rückstößen in die entsprechenden Zwischenlücken einzubinden. Dies geschah auch mit guter Dynamik und passender Raumwahl, beim Timing der Direktpässe und der Entscheidungsfindung der Folgeaktionen hakte es aber auch deshalb, weil diese gegen die Mannorientierungen und einige gute Rückzugsbewegungen der Serben sehr präzise hätten sitzen müssen.

Zu mannorientierte Folgeorganisation beim 0:1

In solchen Momenten wurde wiederum der schmale Grat der Offensivpräsenz verdeutlicht, auf dem sich Brasilien aktuell bewegt – am Rande der Gefahr, dass dem Mittelstürmer in den vorderen Linien die Unterstützungsoptionen abgehen und er sich mit Anspielen alleine auseinandersetzen muss. Aus diesem Grund war Paulinho wichtig, in genau solchen Szenen wie vor dem 0:1, als er mit einem Vorstoß im ballfernen Halbraum bis hinter die letzte Linie durchstartete und vom leicht zurückgekippten Coutinho diagonal bedient wurde. Geschickt hatte Gabriel Jesus die Innenverteidiger etwas zur anderen Seite weggelockt und so die Abwehrlinie aufgerissen. Dass die Serben darauf nicht mehr reagieren konnten, stellte die Kehrseite ihrer Mannorientierungen dar.

Zur Orientierung während des normalen mannschaftlichen Verschiebens nutzen sie ein bei vielen Teams gegen 4-3-3-Formationen verbreitetes Modell: Der jeweils ballferne Flügelspieler rückte ungefähr bis zur Position des ballfernen gegnerischen Achters ein, seine Nebenleute staffelten sich entsprechend zwischen Ball und dieser äußeren Markierungskante. Wenn Brasilien also über die bevorzugte linke Seite aufbaute, hielt sich Kostic im Dunstkreis von Paulinho. Das Problem: Startete Paulinho im weiteren Verlauf nach vorne, wie auch beim 0:1, reagierten die hinteren Linien nicht darauf, offenbar ohne eindeutige Folgeorganisation. Ob vorgesehen oder notdürftig improvisiert: Am Ende musste Kostic in dieser Szene seine temporäre ballferne Mannorientierung fortsetzen und – unorthodox – Paulinhos Lauf verfolgen, fand sich deshalb schließlich im eigenen Strafraum wieder, aber hatte den „Rückstand“ aus den ersten Momenten nicht mehr aufholen können.

Elemente der Spielkontrolle

Der Torschütze wurde in dieser Partie auch auf der rechten Seite wichtig für sein Team, wo er sich stärker als in den vorigen Partien einschaltete – teilweise auch mit ausweichenden Läufen – und den dortigen Akteuren mehr Unterstützung bot. Nach dem Ausfall von Daniel Alves ist jener Flügel derzeit doch noch recht defensiv und zurückhaltend aufgestellt, hat sich noch nicht die abschließende definitive Einbindung dieser Zone in das System gefunden. In der Schlussphase der Begegnung wurden auch von dieser Seite aus zunehmend mutiger und konsequenter Querpasswege im zweiten Drittel gegen die nachlassende serbische Kompaktheit genutzt.

Dies sorgte über die ausgeglichener werdende und raumnutzende Zirkulation nochmals für eine verbesserte Einbindung der rechten und halbrechten Bereiche. Gerade zum Ende der Begegnung funktionierte der Ballvortrag mit passender Rhythmuswahl und viel Flexibilität, so dass Serbien nicht mehr wirklich ins Spiel zurückkam. Im Laufe der Partie fanden auch Brasiliens Offensivmechanismen und Angriffszüge auf links harmonischer zusammen. Letztlich deutete sich dabei an, dass die brasilianische Mannschaft insbesondere aus jenen Räumen heraus ein sehr breites Spektrum an Gefahrenmitteln aufbringen kann. So war es am Ende insgesamt ein solider und auch souveräner Sieg für den Gruppenfavoriten.

Serbiens starke Phase

Eine kritische Phase gab es Mitte der zweiten Halbzeit, als die Serben ihre Bemühungen nach vorne maßgeblich intensivierten und zwischenzeitlich am Ausgleich schnupperten. Zum einen spielten sie gezielter die Lücken hinter Neymar ein, der nicht konstant – aber punktuell schon häufiger – nach hinten mitarbeitete und dessen Flügel dann von Coutinho mit aufgefüllt werden musste. In ihrer Druckphase verteilten die Serben die Rollen im Aufrücken besonders klar: Tadic begab sich in den Halbraum als Weiterleitungsstation und suchte zwischen der im Spielverlauf leicht abnehmenden Kompaktheit nach kleinen Lücken, um das Leder sofort weiter auf den aggressiver aufrückenden Rukavina weiterzuleiten.

Zum anderen fokussierte sich das Team darauf, die Schnittstellen horizontal neben Fagner zu bespielen. Diese wurden sowohl mit diagonalen Pässen anvisiert als auch mit verschiedenen Läufen und Positionierungen besetzt. Abhängig davon, ob bzw. wie Casemiro gerade die Abwehrkette ballnah in der Flügelverteidigung auffüllte, brachte diese enorm konsequente Umsetzung einige Strafraummomente oder drängte den Gegner zurück. Für Brasilien war es in dieser Phase eine glückliche Fügung, dass sie genau in diese Drangperiode hinein nach einem Eckball auf 0:2 erhöhen konnten und so die serbische Aktivität psychologisch erheblich gebremst wurde, wenngleich auch für die Positionierungen der Achter leichte Anpassungen erfolgten und Brasilien strategisch sinnvoll horizontale Beruhigung in den eigenen Ballbesitzphasen suchte.

Präsenzverteilung aus dem Aufbau

Bis zu jenem Zwischenspurt der Serben hatte sich das Team von Mladen Krstajic im Aufbau zunächst zurückgehalten. Aus dem offensiv besetzten Mittelfeld gab es viele Rückstöße, häufig wurde der Aufbau diagonal von halblinks über Ljajic angekurbelt, der sich herauskippend Bälle abholte und gegen die Formation anzutreiben versuchte. Dieser Fokus erwies sich allerdings nicht als besonders wirkungsvoll: Über die etwas erhöhte (diesmal teilweise leicht zu hohe) Position Paulinhos und das Zurückfallen Willians war Brasilien in dieser Zone passend dagegen gestaffelt und hatte gute Voraussetzungen zum Herausrücken. So hielten sie den einrückenden Kostic stabil im Deckungsschatten, für den von der Rollenverteilung wie schon gegen die Schweiz überhaupt etwas zu viel Präsenz zwischen den Linien ausging.

Ein wichtiges Mittel für das Angriffsspiel stellten bei den Serben schließlich die langen Zuspiele auf Mitrovic dar. Im Aufrückverhalten kalkulierten sie das Risiko und hielten sich etwas zurück. Nach einigen zweiten Bällen konnten sie ihr hohes spielerisches Potential im Zwischenlinienraum mit manchen Stafetten andeuten, aber letztlich reichten die offensive Präsenz auf Abpraller und verschiedene hohe Bälle nicht ganz, zumal gegen eine stabile Strafraumverteidigung der Brasilianer. Mit geringerer Präsenz hatte Serbien nicht so viele Möglichkeiten nach vorne, aber stand mit der offensiven Besetzung aus Milinkovic-Savic und Ljajic, die als Doppel-Acht in der Schlussphase gegen die Schweiz noch zu Konteranfälligkeit geführt hatte, diesmal wesentlich stabiler: Die angesichts der Aufstellungen zu erwartenden Konteraussichten für Brasilien traten nicht ein.

Fazit

Es muss von daher nicht unbedingt die schlechteste Wahl für Serbien gewesen sein, eher mit Vorsicht in die Partie zu gehen und im späteren Verlauf fokussiert die eigene Chance zu suchen. Sie hätten ihre Drangphase dann nutzen müssen, um Brasilien wirklich in Bedrängnis zu bringen. So kam der Favorit am Ende zu einem soliden, weitgehend kontrollierten Erfolg mit einigen Steigerungen. Wichtig mit Blick auf das weitere Turnier: Auf einer konstanten Grundbasis haben die Brasilianer taktisch und strategisch viele Möglichkeiten.

Achsel 2. Juli 2018 um 12:45

Ich habe nicht allzuviele Spiele gesehen, aber Brasilien war schon vor der WM Favorit, jetzt sollten sie das Ding auch holen wenn man die anderen so rum gurken sieht. Das beängstigende ist ja, was da noch für Potential da ist. Körperlich, taktisch und psysisch auf nem top Level …

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