Freiburg im Abwärtsstrudel
Der Sportclub verteidigt eine Halbzeit lang, versucht dann mit unorthodoxen Anpassungen zurückzukommen, aber das reichte nicht. Mainz agierte trotz geringer Durchschlagskraft stets solide und schloss in der Tabelle auf.
Für den Abstiegskampf war es ein Schlüsselspiel: Auf dem Relegationsrang stehend, empfingen Mainz 05 und Sandro Schwarz im Montagabendspiel die in einer akuten Schwächephase befindlichen und vom Tormangel geplagten Freiburger unter Christian Streich.
Mainz hat den Ball, Freiburg sucht die Defensive
Die Freiburger praktizierten in der ersten Halbzeit weitgehend eine Verhinderungsstrategie: Im 5-2-3 standen sie sehr tief, die Sechser fielen in der Strafraumverteidigung oft tief zurück und auch die Angreifer schlossen dann schnell an, um im Rückraum sicher aufgestellt zu bleiben. In dieser Konstellation hatten sie aber große Probleme, sich nach tiefen Ballgewinnen konstruktiv nach vorne zu lösen. Auch hier gingen die Breisgauer wiederum wenig Risiko und griffen sehr zügig zum reinen Befreiungsschlag. Im Endeffekt hatten sie daher nur geringe Spielanteile und mussten Mainz viel Ballbesitz überlassen.
In ihrer defensiven Herangehensweise verbuchten die Freiburger schon einige Teilerfolge. Mit der ersten Linie des 5-2-3 gelang es ihnen grundsätzlich, den Sechserraum abzuschirmen und Gbamin – sofern dieser nicht ohnehin zwischen den Innenverteidigern spielte – dort nicht zur Einbindung kommen zu lassen. Wenn Latza nach links herauskippte, konnten sie mit dem Rechtsaußen diagonal herauspressen und durch gute Nachrückkoordination der umliegenden Kollegen einige Rückpässe erzwingen. Obwohl die Ballzirkulation nicht allzu dynamisch ablief, war das Positionsspiel der Mainzer aber systematisch genug, um zumindest über die Flügel Möglichkeiten zum Aufrücken zu finden und so zu Offensivphasen in der Freiburger Hälfte zu gelangen.
Als Unterstützung wichtig waren dafür auch die äußeren Halbräume, insbesondere rechts, über den stark positionsfixierten Serdar. Gegen das 5-2-3 suchte dieser die Schnittstelle zwischen gegnerischem Sechser und Flügelstürmer, um dort mit längeren Vertikalpässen eingebunden zu werden und den Ball gegen die Rückzugsbewegung der Freiburger für Raumgewinn nach außen weiterzuleiten. Natürlich kam es auch mal gelegentlich vor, dass Gbamin gegen die erste Pressingreihe zwischen die Linien befreit werden konnte, es zeigte sich aber wiederum seine eher willkürliche Entscheidungsfindung und daher die Grundproblematik der Mainzer bei der Besetzung verschiedener Schlüsselpositionen im Aufbau, wo es ihnen etwas an strukturierten, spielmachenden Elementen abgeht.
Positionsspiel findet keine Durchschlagskraft
Dafür könnte der abermals präsente Latza bedeutsam sein, jedoch kamen im Falle seiner erfolgten Einbindungen hier kleine strukturelle Schwierigkeiten zum Tragen: Wenn er mal kontrollierter aus dem Halbraum auf die Freiburger Formation eröffnen konnte, boten sich de Blasis oder Quaison – als eigentlicher Mittelstürmer – nach halblinks an. Vor allem letztere Zurückfallbewegungen ließ sich aber vom ballnahen Freiburger Sechser aufnehmen und nach außen drängen, der entsprechend nachschieben und die Mainzer Bemühungen zum Flügel hin isolieren konnte. Die drei lokalen Kräfte der Hausherren wurden durch einen seitlichen Formationsteil des 5-2-3 zugeschoben und die offene horizontale Verbindungslinie nach innen war gleichzeitig nicht besetzt.
So bestand das wohl größte Mainzer Problem in dieser Begegnung in der Koordination und im Timing der offensiven Bewegungen aus dem Positionsspiel heraus. Sie hatten abwechselnd einige Rochaden und viel Einrücken von de Blasis, aber es blieb oft beim einzelnen Element und fand selten gleichzeitig oder in unmittelbarer Abfolge statt. Auf eine bestimmte Bewegung gab es nicht so viel Reaktion durch das positionelle Gerüst. Letztlich konnten jene eigentlich logisch sinnvollen und für sich selbst jeweils guten Bewegungen daher wenig Folgenutzen provozieren. So war Mainz zwar durchweg überlegen, aber kaum zwingend. Eigentlich hatte es Freiburgs Defensivansatz auch schon mit einem 0:0 in die Kabine geschafft, ehe sie für jene skurrile Video-Assist-Begebenheit noch einmal wiederkommen mussten und dann doch zur Pause zurücklagen.
Neuer Ansatz bei Freiburg
Unter diesen Umständen mussten die Breisgauer mehr tun und Streich stellte direkt mit der Einwechslung von Kleindienst auf 4-4-2 um, nahm auch einige weitere kleinere Anpassungen vor. Nun bildete sich ein gänzlich anderes Bild heraus als in den Aufbauaktionen der Breisgauer vor dem Seitenwechsel, jedoch weiterhin mit Problempunkten. In der ersten Halbzeit war die Dreierkette meist durch ein defensives 4-3-3 der Mainzer zugestellt worden und die weitere Entwicklung typischerweise auf den Flügelverteidiger hinausgelaufen. Die Gastgeber hatten im Normalfall mutig reagiert und ihrerseits mit dem eigenen Außenverteidiger ballnah ins Pressing vorgeschoben.
Was sich jeweils daran anschloss, illustrierte die Unterschiede zwischen den Halbzeiten sowohl in Bezug auf die Freiburger Angreifer als auch ihr Mittelfeld. Erstere bewegten sich nach der Pause viel mehr in ballferne Richtungen als zuvor. Im ersten Durchgang schob bei gegen das 4-3-3-Pressing notgedrungenen Flügelangriffen häufig die gesamte Sturmreihe ballnah sehr weit durch und zog sich über einer Außenbahn zusammen. Mainz konnte sich aber ebenso horizontal darauf konzentrieren und musste sich aufgrund der Gesamtkompaktheit weniger um die Räume neben dem ballnahen Halbverteidiger sorgen.
Meistens wurde der als Zielspieler gesuchte Petersen bei kurzen Zurückfallbewegungen vom frei bleibenden Gbamin übernommen, während die Achter davor sich geschickt diagonal aufreihten, um bei Bedarf schnell Zugriff auf die Freiburger Doppel-Sechs herstellen zu können. Für deren Einbindung schienen die Gäste aber ohnehin kaum zum Risiko bereit und überspielten diese Akteure daher weitgehend, lange Bälle bildeten in beiden Halbzeiten ein häufiges Mittel. Der Vorteil ihres Vorgehens bestand darin, mit der eng formierten Sturmreihe auch bei schnellen Ballverlusten stabil zu stehen und abermals Risiko zu minimieren, der Nachteil jedoch im Fehlen von klaren Verlagerungsoptionen, über die man sich – speziell angesichts des Aussparens des defensiven Mittelfelds – Spielanteile hätte generieren können.
Kein Durchkommen durchs Mittelfeld
Mit den Veränderungen des zweiten Durchgangs gewannen die Sechser beim Sportclub wesentlich mehr Präsenz, beziehungsweise hauptsächlich Höfler. Dieser wurde zentral in den Aufbau integriert, kippte häufig zwischen die Innenverteidiger zurück oder agierte in sonstigen Konstellationen knapp vor diesen. Auch in diesem Kontext wurde aber wieder eine Problematik in Sachen personeller Besetzung deutlich: Die herausragenden Aufbauspieler gehen dem SC ab bzw. sie sind in diesem Bereich unterdurchschnittlich aufgestellt. Dies war auch ein Faktor für die Freiburger Inkonstanz – so setzte Höfler auch vereinzelte situative Glanzpunkte mit der einen oder anderen unorthodoxen eleganten Ballsicherung – im Aufbau und ihre teilweise großen Probleme im Passspiel.
Jedoch nahm das in dieser Begegnung bisweilen schon groteske Züge an, wie schwer sich die Breisgauer bei ihren spielerischen Versuchen taten, und es deutete in einem solchen Ausmaß auf psychologische Dysbalancen und Unsicherheitsgefühle hin. Im Vergleich zu Höfler rückte Koch – eigentlich auch eher meist als Innenverteidiger eingesetzt – wiederum weit auf, teilweise schon halbrechts in den offensiven Zwischenlinienraum. Dort positionierten sich auch die Freiburger Offensivspieler und das taten sie ganz gut, aber teilweise mit zu vielen Leuten gleichzeitig und dabei ohne stabile Anbindungen nach hinten. Angesichts ihrer schon fehlenden Zirkulationsstabilität hatte Freiburg dann einfach keine Mittel, um hochwertige Ausgangssituationen für entsprechende Zuspiele zu erzeugen und die gegnerischen Deckungsschatten zu knacken. Der Zwischenlinienraum war fast nie zugänglich und die Verbindung dorthin quasi durchgehend durch eine komplette Vierer- oder bisweilen Fünfermittelfeldreihe verdeckt.
Unorthodoxe Direktverlagerungen der Außenverteidiger
Dies war auch deshalb problematisch für Freiburg, weil sie die einzig verbleibende Position, über die noch kontrollierter und leichterer Raumgewinn nach vorne möglich gewesen wären, aufgrund etwas ungünstiger Umstände ebenfalls nicht nutzen konnten: die Außenverteidiger. Diesen beiden Akteuren im zweiten Drittel seitlich Freiheiten zu verschaffen, gelang den Breisgauern aus der Zirkulation heraus tatsächlich einige Male. Das hätten genau die Situationen sein müssen, um das Leder kurz nach vorne zu treiben, wieder die Anbindungen nach hinten herzustellen und sich etwas Zeit vor dem weiteren Vorgehen zu verschaffen. Dazu kam es aber praktisch gar nicht, weil die Außenverteidiger offenbar die Anweisung hatten, gewisse räumliche Freiheiten sofort für aggressive, diagonale Anschlusspässe bzw. teilweise schon Halb-Flanken in den ballfernen Strafraumbereich zu nutzen.
Dorthin setzten sich teilweise beide Stürmer ab und es schien, als habe Freiburg dort Mainzer Zuordnungsschwierigkeiten innerhalb der Viererkette oder physische Nachteile ausgemacht. Diese ambitionierte und sehr spezifische Methodik hätte aber nur auf einen einzigen, partikularen Schwachpunkt wirklich entscheidend greifen können, trat im Endeffekt in den genauen Dynamiken und Staffelungen jedoch nicht so sauber ein und machte sich eher negativ bemerkbar: Indem sich die Außenverteidiger an diesem Muster orientierten, gaben sie für solche Aktionen die wenigen vielversprechenden Aufrückszenen im zweiten Drittel unruhig her. Über die versetzte Positionierung von Höfler ergab sich zwischenzeitlich ein Linksfokus bei Freiburg, die mit Schuster statt Koch für den zweiten Teil der zweiten Halbzeit nochmal einen viel präsenteren Aufbauspieler brachten. Zählbares sprang aber – zumal nach einem abermals ungewöhnlichen Gegentor zum 2:0 – nicht heraus
3 Kommentare Alle anzeigen
Zerstreuung Fußball 25. April 2018 um 16:24
Vielen Dank an TR für diesen Artikel zum SC Freiburg, welcher mir wohl irgendwie durchgerutscht ist (deprimierendes Spiel gewesen).
Streich begründete die defensive erste Hälfte auf der PK nach dem Spiel, mit der fehlenden Fitness der angeschlagenen Spieler Höfler und Koch. Er hatte angedeutet, dass es in der 2 Halbzeit ohnehin etwas offensiver werden sollte. Trotzdem war die erste Halbzeit etwas erschreckend. Gerade, weil der Sportclub sich so schwer tut aus dem Spiel heraus Tore zu erzielen, ist das hohe Angriffspressing enorm wichtig, damit der Weg zum Kontern nicht allzu weit ist.
Die absurde Unsicherheit am Ball in der Gegnerischen Hälfte, wird im Text ja angesprochen. Zusätzlich denke ich, dass das auch die Erklärung für das Problem mit den kopflos und zu direkt agierenden Außenverteidigern sein könnte. Das Selbstvertrauen, dass Haberer, Höler, Kleindienst und Petersen zurückfallen und eine sichere, gelungene Kombination im letzten Drittel gelingen könnte, ist momentan nicht da (und das nicht ganz zu Unrecht). Der scharfe Pass in den Bereich am Strafraum ist vielleicht kein kontrollierter Weg, aber zumindest mit dem Zufall (Abpraller und Ähnliches) und damit auch dem Prinzip Hoffnung verbunden.
In eine ähnliche Kerbe wurde dann auch beim Spiel gegen Hamburg geschlagen. Lange Bälle auf Kleindienst und 3-5 Spieler um ihn herum, die um die zweiten Bälle kämpfen und nur noch einen kurzen Weg zum gegnerischen Tor haben. Ich denke, viel mehr als lange Bälle und hohes Pressing, wird man vom SC in dieser Saison nicht mehr erwarten können. Außer man liegt hinten und der Gegner zieht sich zurück. darauf hoffe ich aber auch nicht.
felixander 19. April 2018 um 10:14
Ich hatte Freiburg eigentlich lange als sicheren Nicht-Absteiger gesehen, weil sie trotz Verletztenmisere oftmals noch gepunktet haben. Es war ja fast das Gegenteil einer Ergebniskrise: Sie haben schlecht gespielt und trotzdem kaum verloren. Jetzt fällt ihnen ihr schwaches spielerisches Niveau doch noch auf die Füße. Kann man Streich dafür einen Vorwurf machen? Ich glaube nicht, es fehlen einfach extrem wichtige Spieler (auch schon durch die Abgänge von Philipp und Grifo, aber natürlich zusätzlich durch die Verletzungen).
Koom 19. April 2018 um 09:13
Ich habe das Spiel leider nur in der 2. HZ gesehen. Da war es wohl „munterer“, wenn auch fußballerisch nicht unbedingt toll. Freiburg wirkte extrem ängstlich, bis so ca. zur 75. rum, wo Mainz dann auch ein wenig platt war. Für die Angst spricht auch eben der Flankenfokus. Das macht aber nicht wahnsinnig viel Sinn: Balogun, Hack, Diallo, Gbamin sind alle schon ordentliche Kopfballspieler, Adler ist nicht schlecht im Abfangen davon und so wirklich Gefahr entsprang dem dann auch nicht.
Dafür öffnete es dann 1-2 Kontermöglichkeiten, wo die Verteidiger von Freiburg auch 1:1 gehen mussten und auch dabei enorme Probleme hatten (wodurch ja auch das 2:0 dann entsprang). Wenn man einfach nur dieses Spiel zur Vorhersage nutzen würde, dann wird Freiburg wohl nicht vom Relegationsplatz kommen können. Da scheint es tatsächlich an Personal und/oder Mut gerade zu fehlen. Sie sollten schauen, dass sie sich fangen und ein paar aufbauspieler fit kriegen – für einen Zweitligisten sollte es eigentlich reichen können.
Aber: Da unten ist noch nichts entschieden. Mainz rackert seit 3 Spieltagen wieder sehr gut und hat sich jetzt dafür auch mal belohnt, aber es lauern auch noch harte Gegner. Wolfsburg ist auch noch nicht so stabil, hat natürlich den inhaltlich stärksten Kader. Freiburg ist der mit dem schlechtesten Momentum und wohl auch Kader. Da wird es viel auf Tagesform (vor allem des Gegners) ankommen.