Numerisch und dribbelnd
In der Anfangsphase umspielt City den Zugriff und attackiert schnell, verliert dann aber an Kontrolle. Am Ende kann Guardiola auf die dribbelnden Spurs aber nochmal mit Zirkulation und Präsenz antworten.
Das dürfte der endgültig vorentscheidende Schritt auf dem Weg zur sich schon lange anbahnenden Meisterschaft für Manchester City und Pep Guardiola gewesen sein. Nach dem Ausscheiden in der Champions League und der bitteren Partie gegen United verbuchte das Team im Topspiel des Premier-League-Wochenendes einen Auswärtserfolg bei den Tottenham Hotspur.
Überzahl für den Ball
Zu Beginn war es vor allem ein Zahlen- und Zonenspiel. City baute häufig mit Delph als hereinkippendem Linksverteidiger auf und nutzte diese Tendenz zur asymmetrischen 3-2-Struktur für eine konsequente Überzahlbildung gegen den ersten Pressingblock. Mit einem Mann mehr und den entsprechenden Dreiecksgrundlagen konnten sie sich gruppentaktisch häufig lösen und erfolgreich zwischen den beiden vorderen Spielern des Defensiv-4-4-2 hindurch zirkulieren. Wenn Dembélé aus dem defensiven Mittelfeld weiträumiger mit hinausschob, gab es für Tottenham Schwierigkeiten bei der Kontrolle vertikaler Pässe auf die City-Achter in dessen Rücken. Zugriff gelang den Gastgebern nur punktuell und zonal, gut und rational genutzte Ballstafetten aus der Überzahl öffneten aber immer mal Passwege. In der Anfangsphase kam City somit zu hohen Ballbesitzquoten und viel Dominanz.
Dass Walker beim Aufbau zunehmend tiefer in einer klareren Halbverteidigerposition agierte, sollte wohl noch etwas mehr Stabilität generieren. Dafür ging dann de Bruyne breiter nach außen und zeigte sich dort raumsuchend für vertikale Zwischenlücken. Später in der zweiten Halbzeit wurde er in solcher Rolle kurzzeitig nochmals als Ausweichakteur betont. Anschließend belebte Guardiola die 3-2-Aufbaustruktur bei den Gästen schließlich neu, als er mit der Auswechslung Sanés auf eine Fünferkette in einem 5-2-3/5-3-2 bzw. später defensivem 5-4-1 umstellte. Dies hatte Auswirkungen auf die Stabilität auch im Ballbesitz, wo man mit der erhöhten Tiefenpräsenz und der klaren 3-4-Basis das Leder gut laufen lassen konnte, um den zu jenem Zeitpunkt aufdrehenden Spurs ihren Schwung über Zirkulationsphasen zu nehmen.
Veränderungen der Spielanteile
Zuvor hatte City seit dem Ende des ersten Durchgangs zunehmend Kontrolle abgegeben und die Hausherren waren gleichzeitig wieder besser ins Spiel gekommen. Diese Entwicklung fand ihren Ausgangspunkt bei Guardiolas Team selbst, das schon zu Anfang aus der hohen Dominanz auf ungewöhnlich direkte Offensivübergänge setzte. Sie operierten, wie beim 0:1, mit vielen längeren Bällen, wählten bereits im zweiten Drittel vergleichsweise häufig Risikoaktionen und suchten zügig die umtriebigen Achter. Diese liefen sich bevorzugt diagonal nach außen frei in die Schnittstellen zwischen Sechsern und Flügelstürmern Tottenhams bzw. gegen deren engen Frontblock auch allgemeiner in Räume vor den Außenverteidigern.
So entwickelten sich schnell situative Pärchen-Dynamiken mit Sterling und Sané, über die City häufig das Spiel nach außen trieb. Sowohl de Bruyne als auch Silva banden sich häufig in flexible Flügelüberladungen ein. Daneben gelang es den Mannen aus Manchester über die zunächst enge Spielauslösung im Aufbau gut, Tottenhams Formation in die Kompaktheit zu zwingen und mit Verlagerungen auf die breiten Flügelstürmer an der letzten Linie einfachen Raumgewinn zu erzeugen. Mit der Zeit verloren sie aus ihrer Direktheit heraus, begleitet von weiteren Faktoren wie Rhythmus, Momentum und der Tatsache der eigenen Führung, aber an der Balance in der Entscheidungsfindung und dann langsam an Spielanteilen.
Tottenhams Dribblinganpassungen nach Präsenzschwächen
Es dauerte aber, bis Tottenham aus eigenen Aufbaumomenten etwas mehr Kapital schlagen konnte. So wirklich gelang das erst ab den fünf bis zehn Minuten vor der Pause, dann wirkten die Gastgeber fast wie verwandelt. Dem lagen einige wirksame Anpassungen Pocchettinos und vor allem offenbar gezielte Modifikationen der Verhaltensvorgaben zugrunde: Ein entscheidender Punkt betraf die Tatsache, dass die Spieler der Spurs aus den hinteren Bereichen viel mehr und viel aggressiver andribbelten – aufgrund der fokussierten Konsequenz wohl geplant. Vor allem Vertonghen trieb gegen den alleinigen Stürmer des 4-1-4-1 das Leder energisch nach vorne. Auch aus dem Mittelfeld, insbesondere durch Dembélé, gab es gezielt Dribblings auf die Mittelfeldlinie zu, die aufgrund Citys etwas lascher Zugriffsabstimmung trotz Überzahl dem Ballführenden Raumgewinn gewährte.
Zudem fanden die schon zuvor zu beobachtenden Freilaufbewegungen der eng startenden Flügelstürmer nach außen in anderen Kontexten statt. Sie wurden tiefer angesetzt und waren – ob nun so intendiert oder nicht – in der Konsequenz stärker Teil der Zirkulation, mehr an die Angriffsvorbereitung angebunden, statt eigene aggressive Offensivaktion. Für Lamela und Alli, die zuvor nach dem Ausweichen selten effektive Optionen gefunden hatte, wurde so die Rückkoppelung an den eigenen Außenverteidiger leichter. City musste sich dagegen etwas stärker zusammenziehen und Tottenham konnte Rückpässe auf Trippier oder Davies effektiver als Ausgangspunkt für attackierende Verlagerungen nutzen. Später erhöhte sich noch ein Rechtsfokus, hauptsächlich über Bewegungen von Dier und Eriksen zur Seite.
Vorher hatte Tottenham aus dem Aufbau einen fast wirkungslosen Auftritt hingelegt, beinahe eine halbe Stunde lang. Sie agierten mit beiden Sechsern überraschend tief, hatten diese also fast immer außerhalb der gegnerischen Formation und – etwa durch leicht wildes Herauskippen bei Dier – auch nicht straff genug verbunden. In seiner Basis war das Problem also ein numerisches, denn im Endeffekt ging den Spurs allein schon die vordere Präsenz ab. Blieben die Außenstürmer breiter, hatten sie praktisch nur noch zwei Spieler innerhalb der Kompaktheit. Orientierten sich Lamela und Alli nach innen, reichte es mit der vorsichtigen Zirkulation aber trotzdem nicht, sie so hinter dem Mittelfeld anzuspielen, dass man etwas daraus hätten machen können. Letztlich zogen die beiden oft aus enger Staffelung mit dynamischen Diagonalläufen wieder zum Flügel, konnten dort aber isoliert werden.
Umschalt- und Intensitätsduelle
Durch die gerade zur Mitte des Spiels höhere Vertikalität im zweiten Drittel büßte City zwischenzeitlich zwar Spielanteile und Dominanz ein, aber nicht unbedingt Stabilität. Tottenham kam kaum dazu, ihre eigentliche Konterstärke auszuspielen. Mit der zentralen Kompaktheit der 3-2-Struktur hatten die Gäste stets eine gute Restabsicherung und aus ihrem souveränen Aufbau fanden Ballverluste auch nicht hier statt, sondern ausschließlich weiter vorne. Überhaupt waren Guardiolas Mannen in den zentralen Bereichen sehr sicher aufgestellt und trugen die Bälle dort noch vergleichsweise zuverlässig hindurch, die meisten Risikopässe gab es dann zu den Flügeln oder unter Einbindung der Achter in den äußeren Halbräumen, also in „ungefährlicheren“ Zonen.
Etwas anders verhielt sich in umgekehrter Richtung, denn City hatte doch einige dynamische Umschaltszenen. Bei Tottenham lief das Gegenpressing vergleichsweise risikobereit ab: Die Sechser mussten aufgrund ihrer tieferen Startposition ohnehin eher weite Wege nach vorne machen, aber auch die Viererkette verhielt sich sehr vertikal und versuchte solche Situationen häufig über eine hohe Abseitsfalle zu lösen. Teilweise setzten sie das sehr gut um, manchmal jedoch – wie meistens bei solch extremen Gegebenheiten – wurde es hart bestraft und die Gäste aus Manchester verschwendeten tatsächlich einige größere Gelegenheiten leichtfertig. Besonders bei vergleichsweise frühen Ballverlusten mit noch höheren Flügelstürmern Citys oder im Anschluss an mehrfache Umschaltszenen kam das zum Tragen.
Schlussworte
Letztlich führte dieser Faktor dazu, dass die Schussbilanz deutlicher zugunsten Citys ausfiel, als es die eigentlichen Kräfteverhältnisse auf dem Platz hergaben. Zwar war Tottenham insgesamt doch unterlegen und City nach 90 Minuten der verdiente Sieger, doch gebührt auch den Hausherren für ihre Leistung in einem teils hochklassigen, im Verlauf der zweiten Halbzeit beispielsweise noch an Intensität zulegenden Match ein Kompliment. Wie beide Mannschaften teilweise nachsetzten, von welchem athletischen Grundniveau die Begegnung geprägt war und wie sich viele Spieler in komplexen Situationsdynamiken oder verzwickt zugestellten Szenen zurechtfanden, machte Eindruck und hielt den Beobachter stetig zum Weiterschauen an. Selbst in der Endphase fand Tottenham – statt nachzulassen oder auf Brechstange umzustellen – noch Lösungen in kompakten Zwischenräumen des 5-4-1, auch wenn sie daraus taktisch kaum Durchschlagskraft generieren konnten.
1 Kommentar Alle anzeigen
Cali 17. April 2018 um 01:50
City vs Liverpool war euch keine Analyse wert?