TEs Bundesliga-Check: Die jüngste Kolumne aller Zeiten!
In der Spieltags-Kolumne geht es – natürlich – um Julian Nagelsmanns Hoffenheim-Debüt. Dazu blicken wir auf das Offensivspiel der Hamburger und Kölns Umstellungen gegen Frankfurt.
Spielverlagerung-Autor TE sucht sich nach jedem Bundesliga-Spieltag drei Aspekte heraus, die er kurz und knackig analysiert. TEs Bundesliga-Check ist eine Spielwiese für taktische Beobachtungen, die in den “langen” Spielanalysen keinen Platz finden. Der Analysehappen für Zwischendurch.
Nagelsmanns Debüt
Wussten Sie, dass Hoffenheims neuer Trainer Julian Nagelsmann erst 28 Jahre alt ist? Damit ist er der jüngste Trainer der Bundesliga-Geschichte! Nein? Das wussten Sie nicht? Na, dieses kleine Detail konnte man in der Bundesliga-Berichterstattung auch leicht verpassen. Kaum zu übersehen hingegen waren die zahlreichen taktischen Veränderungen, die Nagelsmann mit sich brachte.
Hoffenheim begann im Abstiegsduell gegen Werder Bremen mit einer 3-5-2-Formation – ein unorthodoxer Anblick in der Bundesliga, wird diese Formation doch äußerst selten genutzt. Die beiden Wing-Back-Positionen wurden von zwei gelernten Stürmern besetzt: Philipp Ochs agierte auf links, Kevin Volland auf rechts. Sie beackerten die Flügel alleine, was ein enormes Laufpensum zur Folge hatte.
Im Zentrum bot Hoffenheim hingegen mehr Spieler auf. Hier spielten sie mit einer 3-3-2-Formation. Im Pressing wurde diese zentrale Formation oft zu einem 3-2-3, da Amiri herausrückte und Bremens Sechser Vestergaard verfolgte. Allein durch die kompakte Zentrumsbesetzung trieben sie Werder im Spielaufbau auf die Flügel.
In der Theorie ist eine solche 3-5-2-Formation sehr gut geeignet, eine gegnerische Raute zu kontern. Im Zentrum kann man die Überzahl des Gegners neutralisieren, auf den Flügeln mit den Wing-Backs die gegnerischen Außenverteidiger attackieren. Bremen spielte allerdings keine Raute, sondern eine Mischung aus 4-2-3-1 (im Aufbau und im Pressing) und 4-1-4-1 (in tiefen Phasen). Es folgte, was folgen musste: Bremen umspielte das Hoffenheimer Konstrukt über die Flügel und kam von dort zu Angriffen.
Nagelsmann schien dies jedoch voll bewusst zu sein, er nahm es sogar in Kauf. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Stevens setzte Nagelsmann auf eine strategisch wesentlich offensivere Ausrichtung. Das fing beim Vorrücken der Akteure an: Außer Strobl und den drei Innenverteidigern preschten alle Spieler nach vorne, mit flachen Pässen sollten sie gefüttert werden. Nagelsmann betonte nach dem Spiel, Hoffenheim spielte bewusst flach, damit Werder den Größenvorteil nicht ausspielen kann.
Es entstand ein flottes Spiel mit Chancen auf beiden Seiten – beide Teams dachten im Zweifel eher offensiv. Erst als Hoffenheim ab der 77. Minute in Unterzahl war, milderte Nagelsmann seine offensive Taktik etwas ab. Hoffenheim verteidigte in einem 4-4-1 das Unentschieden über die Zeit. Nagelsmann scheint den alten Hoffenheim-Stil wiederbelebn zu wollen: hoch pressen, schnell und flach umschalten. Jugend forsch, könnte man sagen.
Die Urgewalt des Hamburger SV
Wenn man an diesem Wochenende einen fußballphilosophischen Gegenentwurf zu Hoffenheim finden wollte, musste man an die Elbe reisen. Der Hamburger SV spielte nicht schnell und flach, sondern langsam und hoch.
Manchmal werden wir gefragt, inwieweit man bei Trainern bestimmte taktische Handschriften erkennen kann. Es gibt in der Tat bestimmte taktische Kniffe, die bestimmte Trainer gerne anwenden. Thomas Schaafs Raute ist das prominenteste Beispiel. Für Bruno Labbadia ist wiederum typisch, dass vergleichsweise viele Spieler die letzte Linie besetzen. Das war schon bei seinen vergangenen Stationen so. Nachdem der HSV in der ersten Saisonhälfte noch das Mittelfeld etwas stärkte, fokussiert sich das Spiel jetzt wieder stärker auf die letzte Linie.
Was bedeutet das in der Praxis? Vier bis fünf Spieler postieren sich an der gegnerischen Kette. Hamburg will mit direkten Pässen diese Angreifer einsetzen. Das passt zum Spielerprofil der Stürmer: Hamburg hatte gegen Gladbach mit Müller, Drmic und Rudnevs gleich drei Stürmer auf dem Feld, die allesamt möglichst nah am gegnerischen Sechzehner angespielt werden sollten. Sie überzeugen eher durch Durchschlagskraft und weniger durch Spielstärke.
Der Fokus liegt auf dem direkten Pass von der ersten Aufbaulinie an die gegnerische Viererkette. Gegen Gladbachs hohes Pressing griffen die Hamburger zum langen Ball, über 20% ihrer Zuspiele waren hoch und weit.
Dass Hamburgs brachiales Offensivspiel zum Erfolg führte, lag maßgeblich am Gegner. Köln hatte vor Wochenfrist noch vorgemacht, wie man das Hamburger Spiel matt legen kann: dosiert Druck auf den Ausbau ausüben und die eigene Abwehrkette personell stärken (Stichwort: Fünferkette). Gladbach hingegen spielte die eigene Überzahl im Mittelfeld nicht aus. Zugleich rückten die Verteidiger viel zu oft aus der Kette – Hamburg erwischte den Gegner mit langen Bällen ein ums andere Mal auf dem falschen Fuß. Somit kam Hamburg mit den langen Bällen zum Erfolg.
Peter Stöger und die Umstellungen
Der 1. FC Köln wiederum machte einen Fehler, den man manches Mal nach erfolgreichen Gegneranpassungen sieht: Sie gingen auch das folgende Spiel mit derselben taktischen Einstellung an, obwohl der Gegner ein ganz anderer war. Gegen Eintracht Frankfurt begann Köln erneut mit einer 5-4-1/5-2-3-Formation. Nur zeigte sich in der ersten Halbzeit, dass dies die falsche Wahl war.
Frankfurt überspielt – anders als der HSV – das Mittelfeld nicht, sondern nutzt es sehr gezielt. Mit Hasebe, Stendera und Neuzugang Fabian haben sie gleich drei Akteure, die den Achterraum clever besetzen können. Köln blieb wie gegen den HSV im Pressing zunächst passiv. Nun hatten Frankfurts Verteidiger wiederum Zeit, die drei Spielmacher im Zentrum zu finden. Diese setzten wiederum die Flügelspieler ein. Die Fünferkette hingegen machte wenig Sinn, da Frankfurt nur Alex Meier im Sturmzentrum an der letzten Linie aufbot.
Im Aufbau wiederum fehlte Köln Präsenz in den Halbräumen und im Achterraum. Gegen Hamburgs offensives Pressing machte es Sinn, mit fünf Spielern (Dreierkette plus tiefe Sechser) aus der Tiefe aufzubauen – gegen Frankfurts passives Konstrukt eher weniger.
Peter Stöger sah den Fehler jedoch schnell ein. Nach dem 0:1 agierte seine Mannschaft öfter in 4-4-1-1-Stellungen. Nach der Pause stellte er endgültig um. Köln spielte nun mit zwei klassischen Viererketten und störte früher. Frankfurt konnte nun nicht mehr aufbauen. Gleichzeitig hatte Köln mehr Präsenz in den Halbräumen und auf den Flügeln. Frankfurt konnte dies nicht kontern und lief ein ums andere Mal in die Kölner Pressingfallen. Köln drehte das Spiel und gewann 3:1.
Stöger möchte ich trotz der schwachen ersten Halbzeit keinen großen Vorwurf machen. Die richtige Umstellung zur rechten Zeit zu erkennen, ist eine Kunst. Sie so anzuwenden, dass die Spieler die Notwendigkeit der Umstellung verstehen und die neue Taktik mittragen, ist noch schwerer. Es ist ein Drahtseilakt zwischen ständigen Umstellungen und dem – unter Fans und vor allem Spielern noch immer beliebten – „Never change a winning team“. Für Trainer gilt daher die Weisheit von Philosoph und Superhelden-Onkel Ben Parker (†): „Aus großer Macht folgt große Verantwortung.“
Ausführliche Analysen des 21. Spieltags
VfL Wolfsburg – FC Ingolstadt
FC Augsburg – Bayern München
Mainz 05 – Schalke 04 (engl.)
12 Kommentare Alle anzeigen
Petra 20. Februar 2016 um 12:38
Der letzte Abschnitt zum Köln Spiel („Aus großer Macht…“) ist in bestimmter Hinsicht sehr treffend. Stöger hat einen recht speziellen Stil der Mannschaftsführung. Einen, den er sehr konsequent vermittelt, aber auch stringent umsetzt. Er neigt dazu (und das finde ich sehr gut) ansprechende Leistungen in Spiel und Training mit Startelfeinsätzen zu belohnen, beinahe ungeachtet der Frage, wer dafür warum draußen bleiben muss. Vielleicht das beste Beispiel dafür: Maroh hat lange gebraucht, bis er zurück in die Startelf kam, weil Sörensen seine Sache gut machte. Erst als er ein, zwei schwächere Spiele einstreute, hat Stöger Maroh gebracht. Das „never change a winning team“ der Startaufstellung gegen Frankfurt lässt sich meiner Ansicht nach mit den Personalien Gerhardt und Mavraj erklären. Beide wollte Stöger im Team lassen, weil sie gute Leistungen gezeigt (und im Training bestätigt) haben. Das ging aber am besten in derselben Formation wie gegen Hamburg. Und vermutlich hatte Stöger auch einen Plan, wie man diese Formation gegen Frankfurt sinnvoll interpretieren kann (hat aber wohl nicht funktioniert). Den Plan mit Heintz als LV bei Bedarf hatte er vermutlich auch schon in der Tasche, zumal das eine gar nicht mal so gravierende Anpassung war, da Heintz im Spielaufbau ohnehin meist sehr breit steht (wie Wimmer letzte Saison).
Mit seiner Art der Mannschaftsführung schafft es Stöger meinem Eindruck nach ziemlich gut, jedem wirklich vermitteln zu können, dass er die Chance hat zu spielen, wenn er sich reinhaut, dass keiner völlig hintendran ist. Und, wenn er Spieler mal rausnimmt (aktuell zB Olkowski), wissen diese Spieler, dass sie zurückkommen können, wenn sie nicht nachlassen. Ein Aspekt des Trainerjobs, der vielleicht weniger mit Taktik zu tun hat, der aber nicht weniger wichtig ist.
Bernhard 15. Februar 2016 um 22:28
TEs Schmäh und seine Kolumne gefallen mir immer besser!
dh 15. Februar 2016 um 19:36
Musste Köln nicht durch den verletzungsbedingten Wechsel Lehmann für Zoller automatisch sein System umstellen? Ich habe das Spiel nicht gesehen, aber wie will man denn mit diesem Wechsel ein 5-4-1 aufrecht erhalten? In anderen -weniger taktikversierten – Medien war zu lesen, dass Köln ab diesem Moment bereits wieder Viererkette gespielt hätte. Hat jemand das Spiel gesehen und kann zu meiner Aufhellung beitragen?
CK 15. Februar 2016 um 21:22
Doch das ging schon, Gerhardt auf die linke Aussenbahn und Bittencourt auf die recht, wo er mir richtig gut gefallen hat und dann Lehmann auf die 6 kurz darauf wurde dann aber wie hier schon beschrieben umgestellt auf Viererkette mit Heintz links und Risse rechts. Gerhardt ist dann in den 10er Raum gerückt hat sich dort aber mit Bittencourt auch mal abgewechselt.
Eine spielerische Bereicherung sind aber grundsätzlich Gerhardt und Hector auf der 6, nichts gegen Lehmann und Vogt aber die sind einfach Fussballerisch limitiert. Wenn jetzt noch Jojic und/oder Osako integriert werden könnten… einzig die Abschlussqualität ist nach dem Ausfall Zollers wieder gesunken…
Jetzt wünsche ich mir noch mehr man hätte Bard Finne nicht verkauft…
dh 19. Februar 2016 um 20:23
Danke für deine Antwort, das klärt meine Frage! In Sachen Abschluss habe ich die Hoffnung bei Hosiner noch nicht aufgegeben. schaut man sich dessen Statistik (okay, in Österreich) an und bedenkt seine Krankenzeit, ist das eigentlich ein Knipser im Wartestand. etwas, was Osako in diesem Leben nicht mehr werden wird.
Danielinho 15. Februar 2016 um 16:22
„…eher durch Durchschlagskraft und weniger durch Spielstärke.“
Durchschlagskraft meint prinzipiell was Richtung robuste Physis, Antritt, „Durchtanken“, Schußgewalt?
(Ernst gemeinte Frage, stellt sich mir häufiger)
felixander 15. Februar 2016 um 16:07
und chicharito heißt übrigens „kleine erbse“. das wird leider auch fast nie erwähnt.
luckyluke 15. Februar 2016 um 17:08
Also so langsam weiß ich aber nicht mehr, ob ich diesen Witz oder die tatsächliche Aussage häufiger gehört habe 😀
HK 15. Februar 2016 um 17:48
Also bei Nagelsmann ist das schon etwas komplexer.
Einerseits der jüngste 28-jährige Trainer der BL-Geschichte, andererseits der älteste Julian Nagelsmann der je ein BL-Team betreut hat.
Da passt doch was nicht???
luckyluke 15. Februar 2016 um 19:41
Vielleicht ist es gar nicht Julian Nagelsmann…
Patrick 16. Februar 2016 um 08:42
coke zero?
felixander 15. Februar 2016 um 20:57
Ich nehme an, das hängt stark von deinen Podcast Vorlieben ab.