Heckings umfassender Plan stoppt Arminias Pokal-Lauf
Nachdem drei Bundesligisten auf der Bielefelder Alm gescheitert waren, eroberten Dieter Heckings Wolfsburger über Aufbaudiagonalität die Kontrolle und siegten verdient. Der VfL war zudem effektiv im Abschluss, Bielefeld zu harmlos nach vorne.
Keypoints:
- Bielefeld verteidigt in der üblichen Art, die in den vorigen Runden den Erfolg brachte. Dagegen zeigt sich Hecking aber sehr gut vorbereitet und trifft einige passende Gegenmaßnahmen, von denen die Aufbaudiagonalität der Außenverteidiger, gerade Vierinhas, die wichtigste ist.
- Die Offensivabteilung der Arminia agiert zu hoch. Damit entstehen große Lücken zu den Sechsern, die wenige Optionen haben und manches Mal unter Druck geraten. Meist sind lange Bälle, auf die Wolfsburg mit Luiz Gustavos besonderer Rolle aber gut eingestellt ist, und simple Pärchenbildungen am Flügel die einzigen Mittel.
- Nach der Pause zeigen sich die Hausherren mit Ball etwas vielseitiger, bezahlen aber für ihre riskante 4-4-2-artige Pressingumstellung den Preis. Die schnellen Tore zum 0:3 und 0:4 beenden das Match endgültig, so dass sich die anderen Veränderungen kaum mehr entfalten.
Die Aufstellungen der beiden Mannschaften in diesem DFB-Pokal-Halbfinale boten keine größeren Überraschungen. Die Hausherren traten in der üblichen 4-2-3-1-haften Formation an und wurden von Trainer Norbert Meier nach dem Erfolg in Erfurt und dem Derbysieg gegen Preußen Münster in der Liga personell komplett unverändert aufs Feld geschickt. Auf der anderen Seite entschied sich Dieter Hecking für eine offensive Besetzung, indem – wie zuletzt häufig – Vierinha auf der rechten defensiven Außenbahn zum Zuge kam und Arnold im Mittelfeldzentrum den Vorzug vor Guilavogui erhielt. In der Offensivabteilung war bei den Niedersachsen de Bruyne einsatzbereit und Perisic gegenüber Schürrle in der Startelf.
Bielefelds Defensivkonzept
Wolfsburg übernahm von Beginn weg das Kommando und die Arminia zeigte in ihrer abwartenden Haltung im Grundsatz die bekannte und in den vorigen Pokalrunden erfolgreiche Defensivausrichtung. In ihrem 4-4-2 bewegten sich die Stürmer knapp vor den gegnerischen Sechsern und versuchten diese zuzustellen, während die Außenspieler sich etwas eingerückt positionierten. Entweder unterstützen sie das Zentrum oder sie versuchten Pässe auf Caligiuri bzw. Perisic zu unterbinden. Dahinter bewegten sich die beiden Sechser einige Male recht geschickt und zeigten immer wieder einzelne Herausrückbewegungen, die gerade ballnah häufig in Form von Mannorientierungen ausgespielt wurden. Wenn Wolfsburg beispielsweise auf die so häufig anvisierte rechte Seite zirkulierte und über Naldo oder den sehr präsenten und aufbaustarken Vierinha ein wenig neben die Stürmer kam, versuchte sich Arnold diagonal zwischen Klos und Mast anzubieten. In diesem Moment rückte bei den Bielefeldern dann der ballnahe Sechser, hier also Schütz, mannorientiert gegen Arnold heraus, während Junglas sich nun in Richtung de Bruyne umorientierte, solange dieser etwa in mittigen Bereichen verblieb.
Zwar funktionierte die grundsätzliche Spielweise und auch dieser Mechanismus im zentralen Defensivbereich bei den Bielefeldern gar nicht schlecht, doch hatten sie mit diesen gerade von rechts ausgehenden Aufbauszenen der Wolfsburger doch einige Probleme. Ihr Defensivkonzept macht kleinere Abstriche in der Gesamtkompaktheit und versucht auch nicht immer alle Passoptionen in die vorderen Bereiche zu verhindern, sondern über Anpassungsfähigkeit Druck machen oder den Gegner improvisiert abzublocken, ihm seine Dynamik zu nehmen und vielleicht in ungünstige, aber nicht immer als solche erkennbare Situationen zu leiten. Dieter Hecking hatte sich darauf aber sehr gut eingestellt und fand die passenden Gegenmaßnahmen. Zunächst einmal ließ seine Mannschaft die Hausherren mit geduldiger Zirkulation über die tiefen Außenverteidiger und die sich kurz mal anbietenden Sechser laufen, öffnete zwischendurch immer wieder Räume und zirkulierte auch weiträumig wieder zurück.
Diagonaler Vierinha bringt Wolfsburger Überlegenheit
Auf dem Weg nach vorne war dann die sehr konsequent forcierte Diagonalität der Aufbauaktionen entscheidend, die sich bei den Außenverteidigern – und dort insbesondere bei Vierinha – im Pass- und zunehmend auch Bewegungsspiel ausdrückte. Gegen die abwartende Position von Mast hatte der tiefspielende und sich balanciert positionierende Portugiese einige Freiheiten und brachte gerade zu Beginn viele frühzeitige längere Direktpässe in den Halbraum vor sich, wo sich de Bruyne anbot oder Dost etwas fallen ließ. Diese suchten anschließend häufig Ablagen auf die Flügel, wo die dortigen Akteure schnell durchbrechen wollten. Wenn Vierinha etwas nach innen andribbelte, konnte er auch selbst in den Halbraum ziehen, da die Bielefelder Stürmer meist auf das Zentrum konzentriert waren, während Mast passiv blieb und den jeweiligen offensiven Außenspieler der Niedersachsen verdecken sollte. Aus diesen Ausgangslagen erhöhte Vierinha die diagonalen Optionen noch weiter und erschloss verschiedene Passwege gerade innerhalb des zweiten Drittels.
Daneben gab es noch manche Szenen, in denen die Spielweise der Bielefelder Außen aufgebrochen und Caligiuri oder Perisic seitlich befreit werden konnten: Vierinha nutzte die den Flügel versperrende Ausrichtung von Mast, zog nach innen und bediente Arnold, bei dessen Weiterleitung nach außen de Bruyne zu Schuppan rochierte und diesem kurz den Zugriff auf seinen eigentlichen Gegenspieler nahm. Auch so gelangte der VfL nach vorne und konnte einzelne Flügeldribblings initiieren oder von dort wieder in die Zirkulation auf neuer Ebene übergehen. Zwar kamen die Gäste bei diesen meistens sehr ungestört eingeleiteten Offensivaktionen gar nicht so häufig dann auch bis zum Strafraum durch, weil sie sie etwas zu simpel und flügellastig ausspielten, das Zurückfallen einzelner zentraler Spieler recht gut von den Bielefelder Mannorientierungen bearbeitet wurde und diese überhaupt sich einige Male noch eindämmend zurückzogen.
Aber diese diagonalen Aktionen im Aufbau über Vierinha waren der entscheidende Punkt für eine enorme Dominanz, Kontrolle und taktische Überlegenheit des Hecking-Teams. Dadurch hatte der VfL das Spiel sehr sicher im Griff und konnte darüber schließlich ihre individuelle Klasse ins Feld werfen, was sich beispielsweise in einzelnen engen Szenen in der sehr sauberen Ballsicherheit gerade ihrer Flügeldribbler zeigte, und somit indirekt die Führung herbeiführen. Es waren auch nur zwei wirkliche Torchancen, die sie vor der Halbzeit hatten – einmal die starke Co-Produktion zwischen Caligiuri und Arnold zum 0:1 nach Salgers Fehler in der Anfangsphase und dann der zweite Treffer nach einer Standardsituation. Doch mit der Kontrolle konnten sie auf diese Szenen warten, sie zu einem gewissen Grad auch erzwingen bzw. zumindest wahrscheinlicher machen – und als sie dann da waren, nutzten sie sie wirklich eiskalt zu einer jedoch etwas zu hohen Halbzeitführung.
Bielefelds Offensive zu hochgeschoben und daher ungefährlich
Als Vierinhas diagonale Spielweise in der Anfangsphase noch nicht ganz so deutlich und konsequent war, schien die auffälligste Anpassung auf einer der beiden Seiten sogar in der Wolfsburger Defensive zu liegen. Bei Bielefelder Aufbauversuchen zog sich Luiz Gustavo schon sehr frühzeitig nach hinten zurück, nahe bis an die Abwehrlinie, und agierte dort teilweise fast mannorientiert gegen Fabian Klos. Damit wollte Hecking wohl dessen Gefahr als Zielstürmer für lange Bälle eindämmen, was in den meisten Fällen auch gelang: der Bielefelder Kapitän konnte in Unterzahl wenig Gefahr selbst ausstrahlen oder Bälle festmachen und bei Abprallern hatten die Wolfsburger mehr Präsenz sowie gute Kompaktheit zwischen Abwehr und Mittelfeld. Entsprechend litten die Bielefelder, die somit schon einer wichtigen Waffe beraubt wurden, in der Offensive unter Problemen und waren über weite Strecken sehr ungefährlich. Ihre vorderen Spieler agierten zu hochgeschoben in die Spitze, was es für die Aufbauakteure schwierig machte, Anspielstationen zu finden. Die Sechser konnten das Spiel nur schwierig sowie unflexibel nach vorne tragen und gerieten bei vorschiebenden Pressingspitzen der Wolfsburger auch einige Male unter Druck, da die Außenverteidiger ebenfalls mehrfach aufgerückt standen und so nicht unterstützen konnten.
Es fehlte also an Verbindungen nach vorne und an der Besetzung in den zentral-offensiven Mittelfeldbereichen was zudem einige Male selbst bei situativem Einrücken der Flügel dem Gegenpressing an Schärfe nahm. Deshalb stellte die tiefe Ausrichtung von Luiz Gustavo für den VfL auch kein größeres Problem dar: Vorne blockten de Bruyne und Dost – in verschiedenen Höhen, mal vor den Sechsern und mal tiefer – das Zentrum, wo die Gäste dann in der Rückzugsbewegung meist in Mannorientierungen auf die Sechser übergingen – Arnold orientierte sich ohnehin oft an Schütz, de Bruyne fiel zu Junglas zurück. Über direkte Flügelpässe in die Spitze kam Bielefeld manchmal nach vorne, doch war dieses sehr simple Mittel für Wolfsburg meist zu antizipieren und zu klären. Wenn Klos sich mal nach außen bewegte, entstand etwas Unruhe, die Arminia erhielt einige Abpraller und gewann etwas Kontrolle. Auch bei Standards in der eigenen Hälfte gelangten sie einige Male in hohe Flügelzonen, wenn Schuppan in die letzte Linie schob, dort Gegner band und Mast aus seinem Schatten den Ball erhielt, wobei dies keinesfalls so effektiv war, wie vielleicht von ihnen erhofft. Im letzten Drittel versuchten sie sich mit Hilfe der Außenverteidiger an Flügeldurchbrüchen, doch auch hier war Wolfsburg zu solide und stabil organisiert, um etwas Gefährliches zuzulassen.
Risikoreiche Pressing-Anpassung besiegelt die Niederlage
Zu Beginn der zweiten Halbzeit schien es für die Bielefelder noch einmal etwas Hoffnung zu geben – nicht nur wegen des Lattentreffers von Dick bei einem Freistoß, sondern vor allem wegen einiger kleiner Änderungen, die Norbert Meier vorgenommen hatte. Die Bewegungsmuster der Flügelstürmer und der beiden Angreifer waren etwas vielseitiger, während die Außenverteidiger im Aufbau häufiger auch mal tiefer agierten, um zu unterstützen. Auf diesen zweiten Punkt reagierten die Wolfsburger, die schon vor der Pause gegen den Ball in der genauen Ausrichtung immer mal wieder kleinere Umstellungen vorgenommen hatten, jedoch gut, agierten etwas höher, mannorientierter und druckvoller im 4-4-2, was die tiefe Spielweise von Dick und Schuppan konterte. Stattdessen machte sich, noch bevor diese kleinen Anpassungen der Hausherren wirklich für etwas Effektivität hätten sorgen können, die defensive Umstellung bei der Arminia negativ bemerkbar:
Auch Meier setzte nun auf eine aggressivere Ausrichtung gegen den Ball, um mehr Druck zu erzeugen und die Partie vielleicht noch einmal kippen zu lassen, ließ das 4-4-2 weiter aufrückend und mannorientierter agieren. Dieses Risiko sollte sich jedoch rächen: Die beiden Innenverteidiger mussten mehrfach weiträumig in riskanten 1vs1-Zuordnungen verteidigen, was gerade gegen den ausweichend driftenden de Bruyne leicht halsbrecherische Tendenzen hatte. Auch hier agierte Wolfsburg wieder geschickt, nutzte immer häufiger sehr tiefe Zurückfallbewegungen ihrer Flügelspieler, um Raum hinter Dick und Schuppan für lange Pässe in die Spitze zu öffnen. Auch direkte Zuspiele in den Lauf der äußeren Akteure selbst wirkten in diesem Zusammenhang einige Male effektiv. Das in dieser Phase zu riskante Aufrücken der Bielefelder war bei beiden Treffern zum 0:3 und 0:4, jeweils über die linke offensive Seite der Wolfsburger mit einem abschließenden Flügeldurchbruch Caligiuris, beteiligt, wenngleich beim ersten dieser Tore eine Verlagerung mit suboptimalem Herausrücken Dicks vorausging.
Damit war die Begegnung nach 55 Minuten endgültig entschieden und trudelte in der verbleibenden Zeit aus. Die Wolfsburger wurden im Ausspielen zunehmend inkonsequent und zeigten gegen das hohe Pressing der Arminia, das vereinzelt vorschiebend auch schon vor der Pause Erfolg gehabt hatte, viele verlorene Bälle, insbesondere durch gescheiterte Seitenwechsel. In die andere Richtung versuchte Bielefeld es unermüdlich weiter, deutete mit zahlreichen verschiedenen kleinen Anpassungen – weiteres Zurückfallen des für Müller eingewechselten Ulm, raumöffnende Bewegungen der Sechser, einzelne aufrückende Läufe der Innenverteidiger, Dreierkettenbildungen im Aufbau über den zurückfallenden Schütz – auch eine Steigerung an und konnte das Abschlussverhältnis letztlich immerhin auf 8:8 stellen, doch ein Tor gelang ihnen vor der beständig anfeuernden Kulisse nicht.
Fazit
Eine nicht ganz einfach zu bewertende Halbfinalbegegnung, in der der VfL Wolfsburg zweifellos ungefährdet und verdient, aber doch zu hoch ins Endspiel einzog. Entscheidend waren neben der Chancenverwertung und der gut eingebrachten individuellen Klasse die Gegneranpassungen von Dieter Hecking, insbesondere die diagonale Spielweise von Vierinha, aber auch die verschiedenen Reaktionen auf Umstellungen von Norbert Meier während der Partie. So war Wolfsburg überlegen, hatte andererseits aber auch nicht viel mehr als die vier Chancen, die sie alle in Tore umsetzten – ganz so schlecht machte es die Arminia auch diesmal nicht. Letztlich waren die Hausherren aber über das gesamte Match aufgrund ihrer Offensivprobleme viel zu harmlos, als dass man einen anderen Ausgang als das – wie erwähnt – verdiente, aber im Ergebnis zu hohe Wolfsburger Weiterkommen hätte rechtfertigen können.
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