Die Lehren des großen 3.Liga-Derbys

Es war das bestbesuchte Drittligaspiel der Saison – über 21 000 Zuschauer sahen auf der altehrwürdigen Bielefelder Alm ein gutes Match zwischen den großen Rivalen aus Bielefeld und Münster (2:2). Ein Blick auf die Lehren dieser Partie.

Grundformationen

1. Zurückfallender Sechser und beweglicher Stürmer – das gibt es auch in Liga drei

Mittlerweile sind es die Deutschen Fußballfans gewöhnt, dass Thorsten Fink mit seinem Hamburger SV bei Ballbesitz das Auffächern in eine Dreierkette praktiziert, indem Tomas Rincón von der Sechs zurückfällt und die beiden Außenverteidiger aufrücken. Bei den Arminen zeigte dies der bei den Bayern ausgebildete Tom Schütz auch immer wieder, doch man wechselte sehr flexibel und ausgeglichen zwischen dem Zurückfallen und dem „Nicht-Zurückfallen“ – das Zurückfallen machte insofern Sinn, als dass die Preußen mit zwei Stürmern agierten, so dass man mehr Sicherheit im Aufbau bekam und eventuell einen ihrer zwei Mittelfeldspieler herauslocken könnte, was für mehr Platz und Lücken sorgen sollte, um im Zentrum zu kombinieren.

In der Tat taten die Arminen dies auch und versuchten den eher schwachen Borgault durch die beiden offensiven Mittelfeldspieler sowie ihren sehr beweglichen Mittelstürmer Fabian Klos, der sich immer wieder aufrieb, auf die Seiten sowie nach hinten rochierte, Räume öffnete und Bälle hielt, zu überladen. In manchen Situationen fehlte es hier noch an der endgültigen technischen und spielerischen Ausführung, weshalb viele dieser Szenen versandeten.

2. Die Enge der Formation als taktisches Mittel

Um diese Aktionen im zweiten oder gar letzten gegnerischen Drittel heraufzubeschwören, hatten die Arminen noch eine andere, eine hochinteressante Strategie: Lange Bälle. Zwar wurden diese auch aufgrund der etwas geringeren spielerischen Klasse in der 3. Liga gespielt, doch oftmals folgten sie auch bestimmten Flachpass-Stafetten und schienen daher sehr bewusst gewählt – dies zeigte sich auch an ihrem Erfolg, der folgendermaßen zustande kam:

Aufgrund ihrer sehr eng gewählten und im Mittelfeld schematisch sehr hohen Formation gewannen die Arminen viele Abpraller oder zweite Bälle nach diesen hohen Bällen und konnten folglich in Überzahl mit Tempo schon in der gegnerischen Hälfte Kombinationen starten und die Münsteraner überladen. Selbst die Außenverteidiger agierten oftmals sehr eng und innen – gerade Appiah half Schütz in der Defensive aus und konnte mit dem sehr beweglichen Vunguicida einen der wenigen spielerisch überzeugenden Münsteraner, so gut es ging, kalt stellen, während er in der Offensive die vielen Räume hinter dem oftmals zur zweiten Spitze aufrückenden Hille attackierte und mit Tempoläufen aus der Tiefe für Gefahr sorgte. So kamen die Arminen nach schnellen Spielzügen zu einigen Chancen, scheiterten aber selbst alleine gegen Torhüter Masuch (Hille, Rzatkowski) und brauchten einen ihrer weiten Einwürfe durch für einen Treffer durch den auch defensiv sehr starken Innenverteidiger Hornig (25.) – dennoch, es war eine systematische Aktion.

Dagegen kamen die Gäste aus dem Münsterland kaum zu Chancen und zeigten eine relativ enttäuschende Leistung. Ihre Außenspieler blieben allesamt recht vorsichtig und wirkungslos, so dass neben Vunguicida, den Arminia aber recht gut bewachte, dem einsatzfreudigen, aber glücklosen Königs nur Truckenbrod mit seinen aggressiven, aber teils zu unvorsichtigen Vorstößen für offensive Impulse zu sorgen wusste. Die vielen langen Bälle – oftmals auch durch ein sehr engagiertes und effektives Bielefelder Pressing provoziert; kein Wunder, dass Trainer Stefan Krämer den großen Valerij Lobanovsky als sein Vorbild angibt – brachten somit kaum etwas ein und es war symptomatisch, wie der Ausgleich durch Grote fiel: Ortega wollte nach einer abgefangenen Ecke á la Neuer den Konter einleiten, doch Grote fing den Ball ab, zog aus gut 30 m einfach ab und traf den Ball genau in den Winkel.

3. Wieso Arminia kein Spitzenteam ist

Nachdem Stefan Krämer nach 11 Spielen das Ruder in Bielefeld übernommen hat, wendete sich einiges zum Guten und es konnten bereits 32 Punkte in 19 Spielen verbucht werden (nach 0-5-6 folgte unter Krämer eine Bilanz von 8-8-3), was in dieser ausgeglichenen Spielklasse eine sehr gute Bilanz ist. Allerdings sind zu häufig noch wackelige Partien oder sehr ärgerliche Unentschieden dabei, die dafür sorgen, dass man noch kein Spitzenteam ist und aufgrund der Hypothek des Saisonstarts gar noch den Abstiegskampf bestreiten muss – eine total verrückte Situation.

Einige Aspekte, warum es für den DSC noch einige Probleme gibt, zeigten sich in diesem Spiel, wie man sie auch schon zu Beginn der Zeit Krämers und seines neuen Systems erkennen konnte: Bisweilen ergibt sich durch die sehr aggressive 4-1-4-1-Formation eine etwas zweigeilte Mannschaft, was man phasenweise durch die Verwendung eines 4-2-3-1 zu kaschieren versucht hat – und aufgrund von fehlenden Mechanismen nicht durchschlagend erfolgreich verlief.

Auch wenn Schütz mit seiner Intelligenz häufig sehr gut steht und viele Bälle abfängt, so muss er doch einiges an Raum alleine abdecken, da die offensiven Mittelfeldspieler sehr hoch stehen. Für den Gegner entstehen so Freiräume, da Arminia einerseits früh presst, aber andererseits die Abwehr wegen der fehlenden Schnelligkeit gerne zurückweicht. Man befindet sich in einem Dilemma, da man dem Gegner entweder die Räume im Mittelfeld gewährt oder die Außenverteidiger ins Zentrum vorrücken müssen, womit sie aber die Schnittstellen zu den Innenverteidigern öffnen – aufgrund des Gegners war dieser Punkt diesmal nicht so akut, doch Lücken zwischen den Mannschaftsteilen oder 1gegen1-Duelle der Innenverteidiger mit den gegnerischen Stürmern offenbarten sich schon, während es in einigen Aufbau-Situationen prekär wurde, als Schütz relativ tief stand, von hinten attackiert wurde und der Abstand zu den anderen Mittelfeld-Spielern ziemlich groß war.

4. Wie Münster ins Spiel zurückfand und Arminia noch den Sieg verlor

In der zweiten Halbzeit war von Beginn weg eine klare Veränderung im Spiel zu erkennen – die Arminia war bei weitem nicht mehr so überlegen, stattdessen kam Münster immer besser ins Spiel und übernahm nun die Kontrolle auf dem Platz. Nach 52 Minuten waren es allerdings die Arminen, die durch einen blitzsauberen Konter durch Hille zunächst einmal in Führung gingen. In der letzten Minute wurden sie dann aber von den Gästen für eine zu passive Schlussphase mit dem etwas glücklichen Ausgleich bestraft.

Hierfür gab es mehrere Faktoren: Aufgrund des hohen Kraftaufwandes fuhr man das Pressing nach dem Wechsel etwas zurück, gleichzeitig brachte Münster für das zentrale Mittelfeld den wesentlich spielstärkeren und belebenden Ornatelli und nahm das Flachpasspiel als Alternative zu langen Bällen in seiner Repertoire auf.

Arminia hingegen ließ sich tiefer und tiefer nach hinten drängen, verhinderte zwar große Chancen für Münster, aber konnte kaum mehr für Entlastung sorgen. Dies war auch stark durch die Auswechslungen bedingt, wie Krämer nach dem Spiel selbstkritisch feststellte. Rahn konnte nicht überzeugen, Onel Hernandez  sein Potential nicht zeigen, sondern verlor nicht zum ersten Mal viele Bälle in seinen Dribblings, und schließlich brachte Agyemang nicht die Ballsicherheit von Klos ein. Auch die Umstellung auf ein vorsichtigeres 4-2-3-1 machte die langen Bälle (s. Punkt 2) weniger effektiv, so dass Münster am Ende konstant Druck aufbauen und Arminia nicht mehr zulegen konnte – das 2:2 brauchte etwas Glück und einige dumme Fehler der Arminen, doch man hatte es sich nach abbauender Leistung gegen schwache Münsteraner selbst zuzuschreiben.

Fazit

Ein Spitzenteam hat die Qualität, Führungen über die Zeit zu bringen, was die Arminen schon oftmals nicht schafften. Gegen einen solchen Gegner muss man zuhause auf jeden Fall gewinnen. So kann man sich über zwei verlorene Punkte im Abstiegskampf ärgern, in welchem auch die Preußen stecken, denen an der heutigen Vorstellung wohl nur die leichte Steigerung der zweiten Halbzeit und das Comeback als Mutmacher aufstoßen werden.

Zum Schluss sei noch auf die beeindruckende Bielefelder Choreographie – inspiriert von und gewidmet für den Bielefelder Musiker Casper – verwiesen (ab 0:50):

Drittligist 18. März 2012 um 22:11

Schön, dass dieses Drittligaderby bei Spielverlagerung eine Analyse erfährt. Schade, dass der Autor dabei fast ausschließlich über die Arminia schreibt.

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Christian 18. März 2012 um 19:20

Also ich finde es gut dass ihr mal dritte Liga Artikel macht, auch wenn es nicht mein Verein war 😉
Aber vielleicht analysiert uns ja in der Relegation

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