Stabile Saints stoppen Chelseas Offensivabläufe
Mit einer sauberen Defensivspielweise ringt Southampton dem in seinen Offensivabläufen diesmal nicht so starken Tabellenführer Chelsea ein Remis ab.
Eines der größten Probleme in der englischen Premier League besteht darin, dass viele Mannschaften dem Gegner durch unpassende Abläufe zu große Räume eröffnen. So mangelt es gruppentaktisch an passenden Übergabemomenten und die Abstände sind innerhalb der Formation sowie zum Ball hin zu groß. Hinzu kommt die suboptimale Einbindung von Mannorientierungen, die gerade auf den Flügeln bei aufrückenden Außenverteidigern zu strikt eingehalten werden und dadurch flache, unpassende Staffelungen erzeugen. Wenn dagegen ein Team mit konstruktiver Aufbauarbeit und individueller Qualität antritt, kann dieses den Ball sehr gut zirkulieren lassen und die schwache gegnerische Defensive zerspielen. Vor nur zwei Tagen war dies exakt das Problem West Ham Uniteds gegen Chelsea, die zu keinem Zeitpunkt Zugriff hatten und der Mourinho-Elf zu viel Raum überließen, den diese dankend bespielte. Besonders die Aufbaumechanismen der Blues funktionierten problemlos und wurden von den Hammers nie gepresst.
Southampton dank gruppentaktischer Sauberkeit stabil
Koemans Southampton machte diesen Fehler nicht. Mit einer sehr kompakten Spielweise waren sie vielen anderen Ligakonkurrenten im Vergleich deutlich voraus. Nach den verschiedenen formativen Überlegungen und Experimenten der vorigen Wochen traten sie in dieser Begegnung in einer 4-4-2/4-4-1-1-Formation – mit Mané als zweitem Stürmer neben Pellè gegen den Ball – an (abgesehen von einer Phase im 4-3-2-1 in den letzten 10-15 Minuten vor der Pause). Gerade in der unmittelbaren Anfangszeit lief dieser häufig am Stoßstürmer vorbei, presste weit vorne und lauerte dann im Umschalten oder bei eigenen Aufbauaktionen teilweise als höchster Spieler auf lange Bälle sowie Weiterleitungen von Pellè, wie beim 1:0, woraufhin der Schütze sich zunächst einmal tiefer positionierte und vermehrt auch mal die halbrechte Grundposition übernahm. Hinter den beiden Angreifern interpretierten sie ihre Ausrichtung mit einer engen Mittelfeldkette dank eingerückten Außenspielern, die für gute horizontale Kompaktheit sorgten. In einer personell etwas vorsichtigeren Besetzung fokussierte sich Chelsea in den eigenen Offensivbemühungen vor allem auf die linke Seite um Eden Hazard, der neben Filipe Luís insbesondere von Fàbregas und darüber hinaus situativ von Diego Costa – im Verlauf des ersten Durchgangs zunehmend weniger, nach dem Seitenwechsel dann wieder mehr – oder Matic unterstützt wurde. Diese zogen diagonal nach außen und versuchten tendenziell, dortige Lücken zwischen Yoshida und Fonte anzuvisieren.
Meistens hatten die Hausherren solche Überladungsversuche der Gäste aber gut im Griff, da sie sich mit ihrer kompakten Mittelfeldkette im Halbraum zusammenzogen, auch die Abwehrreihe dahinter recht gut angeschlossen war, der ballnahe Sechser immer wieder weit genug herüberschob und sein Partner etwas absichernd nach hinten einrückte. Dabei gab es zudem noch kleinere Unterschiede in der Rollenverteilung zwischen Wanyama, der oftmals situative Mannorientierungen gegen einrückende Bewegungen Hazards übernahm oder Fàbregas bei Läufen nach außen eng verfolgte, einerseits und Schneiderlin andererseits, der sich in etwas seitlichen Positionen eher auf das Absperren das Passoptionen in die Halbräume hinein konzentrierte. Generell gab es einige situative Mannorientierungen, die also nicht nur Wanyama mal praktizierte und die auch passend balanciert waren. Die Übergaben funktionierten und Spieler ohne Gegenspieler agierten positionsorientiert, wodurch die Formation aufrechterhalten blieb und keine offenen Räume zum Freilaufen oder für die Zirkulation in die Mitte geöffnet wurden.
Gewisse Probleme bei Chelsea
Diese gute Abwehrarbeit der Hausherren hielt Chelsea meistens aus den gefährlichen Zonen fern, wenngleich diese über die diagonalen Bewegungsmuster durchaus aufzurücken wussten. In diesen Momenten waren dann aber oft auch eigene Probleme dafür entscheidend, dass sie kaum durchkamen und vor der Halbzeit nur einen Abschlussversuch zustande brachten. Wenn beispielsweise Fàbregas oder auch mal Hazard diagonal in kleineren Lücken innerhalb der gegnerischen Abwehrlinie an den Ball kamen, konnten sie kurzzeitig etwas Tempo aufnehmen und ein Dribbling starten, doch fehlten ihnen dann oftmals die anschließenden Optionen zur Weiterführung und dieses Dribbling gegen die verbleibende, verzögernde Defensivlinie wirkte eher dynamikhemmend. Überhaupt lagen die Probleme der Gäste im Ausspielen vor allem in Schwierigkeiten mit der Dynamik begründet. In den Überladungsansätzen waren die freilaufenden Positionierungen zu selten so in die Angriffsverläufe eingebunden, dass nach einer Aktion direkt weitergespielt werden konnte. Statt gleichzeitiger oder antizipativer Umpositionierungen und Raumwechsel gab es diese häufig erst dann, wenn der ballführende Spieler gerade das Leder erhalten und sich gedreht hatte. Kleinere Halbraumlücken gegen die Mannorientierungen konnten so nicht optimal besetzt werden, sondern die raumsuchenden Läufe gingen eher nach außen weg.
Zudem wurde in einigen Szenen der Fokus auf Eden Hazard zu groß. Es gab immer mal wieder solche Szenen, in denen seine Kollegen im Anschluss an einen kleinen Raumgewinn die gerade möglichen Synergien ignorierten und stattdessen noch einmal versuchten, den Belgier einzubeziehen – auch wenn es gerade eher unpassend war und dadurch der eigene Angriff fast schon behindert wurde. Sowohl er selbst als auch Fàbregas konnten in ihren dominanten Rollen zwar immer wieder für Ballsicherungen sorgen und versuchten antreibend zu agieren, fanden aber bei der Rhythmuswahl und in der Bewegungsbalance mit ihren Kollegen nicht immer die richtigen Entscheidungen. Durch einige zu flache horizontale Staffelungen in Strafraumnähe hatten sie es hierbei allerdings auch nicht unbedingt leicht. Somit wirkten die Bemühungen bei vielen Angriffen etwas statisch und nicht wirklich vorausschauend, sondern immer nur auf den direkt folgenden Schritt bezogen. Viele Aktionen liefen eher neben der gegnerischen Abwehrkette her, ohne dann aber wirklich durchzukommen, so dass man dann abbrechen und aus verflachten Staffelungen neu ansetzen musste. Ein Faktor für diese schwächere Leistung der Blues lag auch in der personellen Rotation Mourinhos begründet. Ohne den balancegebenden und anpassenden Oscar wirkte die Ausrichtung weniger ausgewogen, zumal auch Hazard zu dominant wurde und Schürrle gegenüber Willian die spielmachende Einbindung abgehen. Schließlich ist auch Fàbregas mit seinen passgebenden oder nachstoßenden Fähigkeiten in dieser Umgebung als Achter besser aufgehoben als auf der Zehn, wo er oft zu unangenehmen Bewegungsmustern in festgefahrenen Szenen gedrängt war.
Umstellungen und leichte Verbesserungen
Nach der Pause waren die Schwierigkeiten der Gäste ähnlich gelagert, wenngleich sie aufgrund verbesserter Dynamiken und mehr Raungewinn überlegener wirkten. Hierzu trug darüber hinaus auch eine Halbzeitumstellung Mourinhos bei, der durch die Einwechslung Willians anstelle von Schürrle die Offensive umorganisierte. Interessanterweise besetzte der Brasilianer dabei vermehrt die Zehnerposition, wohingegen Fàbregas eher als eingerückter rechter Außenspieler im Halbraum aufgeboten wurde. So sollte der Spanier den dortigen Bereich im Offensivdrittel beleben, was wegen der absperrenden Bewegungen in Southamptons Mittelfeldreihe nicht durchgehend gelang, aber bei Szenen nach Verlagerungen beispielsweise bessere Anschlussoptionen bot. So wären über halbrechts unter anderem fast ein Elfmeter und die eine oder andere Szene entstanden. Zudem wurde Southampton die Kontrolle der anderen Seite etwas erschwert, was vielleicht eine der wichtigsten Folgen der Umstellung war.
Oftmals gab es bei den Hausherren nun klarere Mannorientierungen von Yoshida gegen Hazard und Wanyama gegen Willian, was dem Belgier gerade nach Schnellangriffen nun die eine oder andere individuell offenere Szene ermöglichte. So konnte er direkt zu Beginn des zweiten Durchgangs den Ausgleich markieren, ohne dass anschließend alle Offensivprobleme in den vorderen Abläufen der Blues beseitigt gewesen wären. Mit der Einwechslung von Drogba für Obi Mikel zog Mourinho dann Cesc auf die linke Acht zurück und ließ Diego Costa rechts agieren, was trotz Fàbregas´ angedeuteter Hilfe für Hazard allerdings gar keine so gravierenden Veränderungen mit sich brachte. Allein das 4-2-3-1-hafte Pressing wurde wieder druckvoller, konnte Southampton vereinzelt zuschieben und ermöglichte den Londonern damit eine sehr dominante Schlussphase, in der aber eben kein Treffer mehr gelang.
Die zwei Offensivrouten der Saints
Gegen den Ball formierte sich Chelsea in einer passiv ausgerichteten 4-4-2-haften Formation, die aber gewisse Probleme in Sachen Kompaktheit und Zugriff aufwies. In einzelnen Phasen konnte man 4-2-3-1-hafter ins höhere Pressing aufrücken und von den weiträumig jagenden Fähigkeiten Diego Costas zwischen den Innenverteidigern profitieren, doch häufig hingen die Angreifer der Blues eher im luftleeren Raum. Dies war auch durch geschickte Umformungen der Hausherren begründet, die mit dem einrückenden Davis in eine 4-3-3-artige Aufbauformation wechselten, bei der Mané nicht selten auch mal den rechten Flügel übernahm. Gegen den unterstützenden Davis, den situativ leicht herauskippenden Schneiderlin und einige gute Aktionen der Innenverteidiger, die die Schwächen hinter den scheinbar druckvollen Aufrückbewegungen der Chelsea-Offensivkräfte aufdeckten, kamen die Gäste in der ersten Reihe nur bedingt zum Zuge.
Dahinter formierten sich die Mittelfeldakteure nicht wirklich in einer Kette, sondern etwas improvisiert und nahmen aus ihrer passiven Spielweise gelegentliche Mannorientierungen auf. Somit ließ sich keine optimale Kompaktheit erzeugen, weshalb Chelsea die gegnerischen Bemühungen nicht immer frühzeitig bremsen konnte, obwohl diese in den vorderen Bereichen weitgehend nur auf Unterzahlaktionen basierten. So nahm Davis im rechten Halbraum häufig eine zuarbeitende Rolle ein, glitt durch den Raum und diente als Ablagespieler für Mané, den er somit bei vorrückenden Läufen im Halbraum oder auf dem Flügel unterstützte. Generell deutete Southampton mit einzelnen kleinen gruppentaktischen Mechanismen aus der 4-3-3-Formation heraus – wie beispielsweise auch dem ablegenden Mitspielen Pellès – mehrfach Gefahr an, hätte aber das Potential dieser Aktionen noch besser ausschöpfen können. So wurde Schneiderlin nachstoßend kaum eingebunden, Tadic musste sich oft auf eine simple ballferne Rolle beschränken und die Aktionen des Zusammenspiels konzentrierten sich in letzter Instanz etwas zu sehr auf das Ermöglichen einzelner Läufe.
Natürlich war darüber hinaus auch die abwartende, anpassende Ausrichtung Chelseas mitverantwortlich. Manchmal öffnete der Tabellenführer gewisse Räume absichtlich ein wenig, um vorschnelle Aufrückbewegungen zu provozieren und aus den erreichten Bereichen dann auf kaum merkliche, unangenehme Weise den Gegner leicht vom Tor wegzuleiten. Eine starke hintere Verteidigungsleistung in den tiefen Zonen zeichnet grundsätzlich auch diese Mourinho-Mannschaft aus. Somit ging von den abgegebenen Abschlüssen der Hausherren, die hier zahlenmäßig Chelsea überlegen waren, letztlich vor der Pause auch nur einer auf den Kasten – das bereits erwähnte Führungstor. Dieser Treffer entstand aus der anderen Offensivroute Southamptons – dem klaren Fokus auf direkte Pässe, die Pellè ablegen oder weiterleiten sollte. In jener Szene entzog man sich über den linken Flügel knapp dem gegnerischen Pressing durch einen langen Ball und deckte über das Zusammenspiel zwischen Pellè, Tadic und dem durchstartenden Mané, der alleine vor Courtois auftauchte, einen Stellungsfehler Terrys auf.
Auch im Verlauf der zweiten Halbzeit wechselte Koeman bei zunehmendem Druck der Gäste wieder klarer auf dieses Mittel. Nunmehr sollten die langen Bälle auf den Zielspieler sehr zentral geschlagen werden, wofür Mané vielseitig pendelte und die beiden Flügelakteure symmetrisch eng einrückten. Bei gewonnenen Abprallern zeigte das Team bis auf einzelne Folgeablagen aber zu simple Mechanismen und suchte gegen die gar nicht immer kollektiv zurückrückenden Chelsea-Akteure eher die Verlagerung auf einen Außenverteidiger mit anschließenden Hereingaben. Zu sehen war dabei erneut die Beibehaltung der risikolosen und von geringem Aufrücken geprägten Grundspielweise, die am Ende dann ebenso dazu führte, dass die Hausherren nach der Pause nur wenige klare Chancen hatten und – ebenso wie Chelsea – in der unmittelbaren Schlussphase keinen Treffer mehr erzielen konnten.
Fazit
So lässt sich das abschließende Ergebnis von 1:1 als eine gerechte und angemessene Punkteteilung bewerten. In einem verhältnismäßig konsequenten, aber doch nicht ganz hochklassigen und rhythmisch teilweise etwas spröden Match verdiente sich Southampton mit sauberen gruppentaktischen Defensivabläufen und starker Horizontalkompaktheit den Punkt. Es gelang ihnen, für Chelseas Bemühungen so unangenehm zu werden, dass die nicht ideal auftretenden Gäste von ihrer konstanten Torgefahr und Dominanz dieser Saison doch recht weit entfernt waren. Dies lag zu Teilen natürlich auch an der personellen Rotation, aufgrund derer eine schwächere Besetzung bei den Gästen auflief und ihre eigentlichen Qualitäten geschwächt waren. Nach vorne ließ Southampton zwar ein Stück weit auch Potential ungenutzt, wusste vor allem über Ablagen und lange Bälle aber immer mal wieder Gefahr auszustrahlen, was sie mit einem eigenen Treffer belohnten.
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