Heimklatsche für zugriffslosen und chaotischen VfB

0:4

Nach 20 Minuten lag der VfB Stuttgart gegen Schalke 04 mit 0:3 zurück. Ihre Defensivspielweise wies zu viele taktische Schwächen und Probleme auf.

Noch am vergangenen Spieltag hatte eine starke Halbzeit-Umstellung im Pressingsystem durch Huub Stevens dem VfB den Auswärtssieg in Freiburg gesichert. Diese defensiven Fortschritte konnte das unverändert auflaufende Team gegen die 5-3-2-Formation der Gäste aus Gelsenkirchen – mit Barnetta als rechter Acht – praktisch kaum bestätigten. Stattdessen schienen ähnliche Probleme durch, wie sie es sie auch schon vor der Halbzeit in der vergangenen Woche gegeben hatte. Dabei waren diesmal weniger die schwachen Defensivstaffelungen der ersten Pressinglinie entscheidend, die nun etwas anders, wenngleich auch nicht optimal angeordnet wurde, als vielmehr die Mannorientierungen in der Ausrichtung der Schwaben.

Zuordnungsprobleme und Defensivchaos beim VfB

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Stuttgarts defensive Zuordnungen in der Anfangsphase mit Schalkes Überzahl in der Aufbaulinie, dem offenen Fuchs und den Mannorientierungen im Mittelfeld

So agierte Gentner diesmal tiefer und orientierte sich ebenso wie die beiden Sechser hinter ihm sehr eng und klar an den drei Mittelfeldakteuren der Schalker. Durch die gewohnt bewegungsintensive Spielweise, die vor allem Barnetta und Meyer im neuen System unter di Matteo einnehmen, wurden sie dadurch aber oftmals aus den Positionen in seitliche Bereiche gezogen, verloren untereinander die Bindungen und ließen Lücken offen. Hinzu kam die etwas asymmetrische Anordnung im vorderen Zustellen, die eine Reaktion auf die Schalker Aufbaudreierkette war, mit den Zuordnungen gegen diese Formation allerdings Probleme hatte. Während Werner tief blieb und sich an Uchida orientierte, schob Sararer von rechts meistens in eine Art Doppelspitze neben Harnik, was allerdings gegen Neustädter und Co. dennoch keinen Zugriff erzwingen konnte – trotz kleinerer Unsicherheiten in den Positionierungen um Kirchhoff nutzten die Gelsenkirchener hier ihre tiefe Überzahl aus.

Dadurch stand Stuttgart in schiefen Zuordnungen gegen die Schalker Flügel und ließ Fuchs nominell frei, der auch nicht immer zugeschoben werden konnte, da die Mannorientierungen im Mittelfeld wegen durchwachsener Ausführung die Bewegungen zum Flügel erschwerten. Schalke hatte also entweder über direkte Pässe der nicht wirklich gestörten Halbverteidiger oder lange Bälle in die Sturmspitze, die dann ins offene Mittelfeld zurückprallten, zwei Möglichkeiten, um die entstehenden Lücken in der unausgewogenen Stuttgarter Zuordnungsstruktur und den entstehenden Abständen anzusteuern. Dabei waren sie oftmals gar etwas inkonsequent, spielerisch insgesamt nicht durchgehend stark ausgerichtet, sondern profitierten von der gut funktionierenden Grundausrichtung, den allgemeinen Bewegungsmechanismen und in der konkreten Entstehung auch Abschlusseffizienz sowie etwas Glück (unter anderem zwei Treffer nach Standards). Insgesamt bestanden die Probleme des Gegners in Reaktion auf die Schalker Spielweise in ähnlicher Unentschlossenheit und formativer Unangenehmheit wie schon gegen Wolfsburg oder Mainz.

Eine besondere Maßnahme gab es für die Königsblauen noch bei Angriffen auf links zum Ausnutzen der Räume um Fuchs, der nicht großartig spielmachend agieren musste, sondern aktiv und mit dem richtigen Bewusstsein unterstützt wurde, so dass er sich auf die für die Kollegen zuliefernde Aufgaben konzentrieren konnte. Dann starteten die Schalker Angreifer oftmals horizontale Läufe nach außen, banden sich eventuell kurz ein, um dann einfach wieder den gleichen langen Weg zurück zu gehen. Dadurch zogen sie jedoch teilweise Rüdiger oder auch mal Baumgartl durch die Räume herum, was Stuttgart viel zu chaotisch annahm und dadurch manchmal zufällige Räume ließ. Diese konnte Schalke dann beispielsweise über Meyers Feinfüßigkeit wie beim 0:2 oder auch mal Barnetts nachstoßende Läufe, die ballfern in den Halbraum zogen, attackieren.

Stevens wechselt auf die Dreierkette

Im Großen und Ganzen war dies schon fast die gesamte Geschichte des Spiels, das nach etwa 20 Minuten praktisch seine Entscheidung erfahren hatte, anschließend aber immerhin durch einige Umstellungen noch Interessantes generierte. Zunächst einmal geschah bis zur Halbzeit jedoch nichts Besonderes mehr, da die Schalker ihren Vorsprung verwalteten, der VfB die radikalen Zuordnungen etwas zurückfuhr und generell mehr Balance in Defensivbewegungen entwickelte. Nach vorne hatten sie teilweise die bekannten Probleme, die erste Phase des Spielaufbaus vernünftig mit den vorderen Spielern zu verbinden, konnten dies manchmal aber zumindest über seitliche Ausweichlücken auffangen. In den besten Szenen kamen sie mal mit direkten Pässen in die Räume neben den Halbverteidigern der Schalker und versuchten mit scharfen Hereingaben die Offensivpräsenz um den insgesamt zu hochstehenden Gentner zu bedienen, doch mehr als vier Schussversuche ließen sich dadurch nicht erzeugen.

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Stuttgarter Aufbauversuche nach der Einwechslung Schwaabs

Schon nach einer halben Stunde hatte Stevens mit der Einwechslung von Schwaab ebenfalls die Viererkette über Bord geworfen und versuchte es nun mit einer Aufbaudreierkette gegen die Defensive der Gelsenkirchener. Dabei konnten die Halbverteidiger durchaus deren erste Pressinglinie umspielen, allerdings scheiterten sie dann meistens an den herausrückenden Bewegungen des ballnahen Achters, der diagonal etwas zur Seite schob. Durch die mangelnden Verbindungen in den Übergangsräumen schafften die Schwaben es somit kaum einmal, in die zentralen Räume einzudringen und hatten bloß den einen oder anderen Ansatz über etwas wirre Flügelüberladungen.

In einer kurzen asymmetrischen Phase agierte Werner in die Sturmspitze hochgeschoben und sollte als Raumblocker für die im Zwischenlinienraum driftenden Harnik und Gentner fungieren. Tendenziell schien damit eine ähnliche Ablagenanlage wie gegen Freiburg intendiert zu sein. Dass die Schalker in diesen Phasen mit gewissen Kompaktheitsproblemen aufgrund suboptimaler Bewegungsabstimmung zu kämpfen hatte, konnte der VfB aber dennoch nicht nachhaltig ausnutzen, da es ihnen nur inkonstant gelang, die Strukturen zu bedienen. Hier spielten auch die etwas undefinierten Bewegungen innerhalb jener freien Zonen eine Rolle, wenngleich sich  in den besseren Momenten somit immerhin die erwähnten vorlaufenden Bewegungen zum Strafraum einleiten ließen.

Flügelverteidiger Werner in Halbzeit zwei

Zur zweiten Halbzeit gab es einen weiteren Personalwechsel mit der Einwechslung von Romeu ins 3-4-1-2, der zusammen mit dem manchmal aufrückenden Gruezo zwar eine ordentliche Ballzirkulation vor dem Schalker Mittelfeld aufziehen konnte, aber auch nur den Weg auf die Flügel fand, da die zentralen Akteure der Knappen sich nun etwas besser und kompakter gegen solche Szenen zusammenzogen. Die Offensivaktionen der Hausherren bestanden dann oft jedoch nur aus frühen Flanken oder langen Bällen in die drei beweglichen, aber zu hohen Offensivakteure, die mit zunehmender Dauer immer wirrer herumliefen und teilweise fast Überladungspositionierungen im Abseits innehatten. Bei den Abprallern gab es immerhin einige ordentliche Unterstützungsbewegungen der Flügelverteidiger, die sehr abrupt enorm weit einrückten und auf einmal alleine im Zehnerraum standen – in massiver Unterzahl, aber ohne wirklichen Druck der passiven Schalker, so dass hier sogar vereinzelt gefährlich scheinende Szenen entsprangen. Weiterhin bestehend war zudem die mäßige Spieleröffnung aus der Innenverteidigung, die wegen der neuen Doppelsechs aber weniger Einfluss hatte.

Zur 60. Minute kam es dann schließlich zur letzten Umstellung von Stevens, der Werner auf die Position des rechten Flügelspielers stellte – defensiv etwas unsicher in den ersten Minuten, was direkt eine gegnerische Großchance herbeiführte, und strategisch etwas seltsam, doch führte dieser Schachzug fast noch zu den besten Ansätzen nach vorne. Mit einigen diagonalen Aktionen leitete Werner zielstrebige Kombinationsversuche ein, wofür dann Harnik und Ginczek sich mal ballnah als Partner einzuschalten versuchten. Vieles blieb vorne allerdings eher auf Improvisation fußendes Stückwerk, zumal die wirren Bewegungen Gentners und die phasenweise immer noch schwachen Staffelungen im Zentrum jegliche Herausforderung an Schalke vermissen ließen. Entsprechend konnten diese den Sieg herunterspielen und zwischenzeitlich durch einen in seiner individuellen Passivität leicht skurrilen Treffer auch noch erhöhten.

Fazit

Es war etwas überraschend, dass Stuttgart so viel falsch machen würde gegen die Schalker. Mit schwacher Ausführung der Mannorientierungen und suboptimalen Zuordnungen gegen das 5-3-2 gab es eine früh feststehende Heimpleite, bei der auch das fast schon übliche Gesamtchaos mitspielte. Die anschließenden Umstellungen waren interessant, doch beispielsweise blieben Staffelungsprobleme und einzelne wirre Bewegungen durchgehende Störfaktoren. Die Gelsenkirchener wissen in der neuen 5-3-2-Formation zunehmend zu überzeugen, fühlen sich in ihrer defensiven Stabilität sichtlich wohl, deuteten kleinere Fortschritte im Ballbesitzspiel an und nutzten ein weiteres Mal die bewegungsfreudigen Rollen der Offensivspieler – Choupo-Moting blüht in dieser Einbindung auf und zeigt seine herausragenden Fähigkeiten – geschickt aus.

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