Mannorientierungen gegen Chaos endet in einem 2:1
Wolfsburg gewinnt verdient, aber ohne Glanz mit klassischem Hecking-Fußball gegen typische Dutt-Probleme.
Robins Dutt chaotische Formationsmischung
Robin Dutt ist intern bei Spielverlagerung ein verzwicktes Thema. Seine Freiburger waren sehr stark, seine Leverkusener hatten zu Beginn tolle Ansätze und generell zeigt er sehr oft hervorragende Ideen in der Theorie, die dann aber an einigen Kleinigkeiten, seiner Mannschaft oder an ihm selbst, scheitern. In diesem Spiel hatte Werder zum Beispiel im hohen Pressing und im tiefen Pressing zwei komplett unterschiedliche Formationen.
Im Angriffs- und Mittelfeldpressing gab es beispielsweise sehr häufig eine klare und eindeutige Raute zu sehen. Junuzovic spielte als Zehner, Makiadi als Sechser und Hajrovic mit Bartels als Halbspieler neben den beiden. Di Santo und Petersen gaben die Mittelstürmer. Ziel dürfte es gewesen sein die zentralen Anspielstationen Wolfsburgs schon früh zuzustellen. Die zwei Stürmer gingen auf die beiden Innenverteidiger, Junuzovic orientierte sich an einem der Sechser und kippte dieser ab, wurde er noch einige Meter mannorientiert verfolgt, bevor man ihn in den Raum übergab.
Dennoch gab es auch klare 4-1-2-1-2-, 4-3-1-2- und 4-1-3-2-Stellungen bei Werder, wenn kein Sechser des Gegners abkippte und somit kein Wolfsburger Sechser mannorientiert verfolgt wurde. In tieferen Zonen war von dieser Raute allerdings nichts mehr zu sehen; hier wurde die Formation im Pressing beziehungsweise beim Verschieben weit in der eigenen Hälfte zu einem relativ klaren 4-4-2. Hier agierte Junuzovic auf einer Linie mit Makiadi als Doppelsechs, Bartels und Hajrovic spielten dann breiter und sicherten die Außenräume.
Es gab allerdings einige weitere Zusatzaspekte bei dieser Formation; so probierten die beiden Stürmer häufig situativ mit Rückwärtspressing den Ball zu erobern, insbesondere, wenn die Raute überspielt und der Ball ins Mittelfeld kam. Dadurch entstanden dann auch 4-3-3- oder gar 4-5-1-Formationen, wobei diese Rückwärtspressingversuche der zwei vorderen Spieler etwas improvisiert wirkten und kaum ordentlich eingebunden waren. Desweiteren hatte Bremen Probleme beim Umformen von der Raute ins 4-4-2, was durch das versuchte konstante Herausrücken und Herstellen von aggressivem Pressing noch verstärkt wurde.
Einige Male wirkte es bei Werder so, als ob die Spieler einfach auf jede Möglichkeit hin in einen Zweikampf zu kommen ihre Position verließen und auf den Ballführenden gingen, das aber relativ schlecht unterstützt wurde, was an einer tatsächlichen Improvisation liegen könnte. Sie wurden dadurch häufig sehr aggressiv und präsent nahe am Ball, konnten aber nicht immer die Kompaktheit innerhalb ihrer Formation wahren. Wolfsburg konnte dies einige Male gut bespielen.
Wolfsburgs Stärken in dieser Partie
An sich machten die Wölfe nichts allzu Besonderes aus taktischer Perspektive in dieser Partie. Wie üblich spielten sie in eigenem Ballbesitz mit einem 4-2-3-1, in welchem der Zehner Hunt vertikal pendelte und sich öfters zurückfallen ließ, was auch mit dem häufigen Abkippen eines der Sechser zwischen die Innenverteidiger zu tun hatte. De Bruyne rückte vom Flügel häufig nach innen und Perisic blieb eher breit, zusätzlich wich Olic auf den Flügel aus; diese leichte Asymmetrie setzte sich bei den Außenverteidigern fort, wo Rodriguez wie so oft extrem offensiv spielte und Jung sich nur situativ ins letzte Drittel vorwagte.
Sie befreiten sich aus dem Bremer Pressing außerdem häufig mit guten raumgreifenden Pässen und noch öfter mit guten individuellen Aktionen. Luiz Gustavo drehte sich zum Beispiel sehenswert aus einer schwierigen Situation heraus und verlagerte das Spiel in einen offenen Raum. Mit einigen schnellen Drehungen und dynamischen Angriffen in die Spitze konnten sie auch das Umformen der Formation Werders und deren chaotischen Bewegungen gut bespielen.
Hinzu kamen natürlich einige Halbraum- und Flügelverlagerungen, wo dann die ballferne Seite – bevorzugt mit Rodriguez – eingebunden werden sollte. Das führte aber zu vielen Abseitsstellungen durch die versuchten Pässe in die Tiefe (5mal Abseits) und nur sehr wenige Angriffe über die Mitte (23%; bei Werder waren es gar nur 20%). Insgesamt gab es auch einige lange Bälle und Flanken, doch dies war bei Bremen deutlich extremer; sie kamen auf unglaubliche 25% lange Bälle und 4% Flanken als Anteil an der Gesamtzahl von Pässen (406).
Ursache dafür war aber auch das Pressing der Wölfe, welches bis auf einige unkompakte und chaotische Phasen durch die Bremer Bewegung wie üblich relativ gut und intensiv war. So starteten die Wolfsburger einmal mehr mit einem 4-4-1-1 und situativen Mannorientierungen, wodurch Guilavogui meistens mannorientiert an einem der gegnerischen Sechser agierte und sich höher bewegte. Das bedeutete einige 4-1-3-2-Staffelungen, in denen Guilavogui direkt hinter Hunt und Olic spielte. Teilweise spielten aber auch Hunt und Guilavogui auf einer Linie, wenn sich Hunt tiefer orientierte.
Die besten Phasen im Pressing hatte Wolfsburg aber, als sie situativ in einem engen 4-2-3-1 pressten. Die Flügelstürmer spielten hier relativ raumorientiert und stellten nahe an Hunt die Räume zu; was eine enorm hohe horizontale Kompaktheit bedeutete. Die zwei Sechser sicherten dahinter ab und dadurch hatte Wolfsburg einen sehr leitenden und intensiven Charakter sowie ballnahe Präsenz, doch problematisch war dies bei Verlagerungen.
Fazit
Obwohl Hecking der Liebling von TR ist und Dutt das große Fragezeichen für ganz SV, so war dies alles in allem aus taktischer Perspektive kein besonders ansprechendes Spiel. Dutts gute Ideen waren einmal mehr unsauber umgesetzt, während Wolfsburg mit dem klassischen Hecking-Spiel – diagonale Angriffe, schnelles Umschalten, Mannorientierungen – aufwartete. Letztlich war es ein Konter nach einer kurz ausgeführten Ecke und Rodriguez Aufrücken im Umschaltspiel beim ersten Tor sowie die zu Olics Kopfballtor führende erhöhte Intensität und Präsenz der Wolfsburger in der zweiten Hälfte (personifiziert durch den offensiven Wechsel Vieirinhas für Jung), die das Spiel entschieden.
Caligiuri für Hunt und Bendtner für Olic blieben ebenso irrelevant für das Spiel und Ergebnis wie Kroos für Hajrovic und Selke für Petersen; nach dem 2:1 hatte Bremen nur noch zwei Abschlüsse, beide von Prödl nach einer Hereingabe. Der Sieg für Wolfsburg war absolut verdient. 18(8):8(3) Schüsse sprechen eine klare Sprache.
3 Kommentare Alle anzeigen
Jo 2. Oktober 2014 um 08:00
Vielen Dank für die gute Analyse!
„Robin Dutt ist intern bei Spielverlagerung ein verzwicktes Thema.“
-> wie wäre es mal mit einem Artikel über ihn bzw. seine taktischen Ideen? Man sollte ja davon ausgehen, dass er nach über einem Jahr in Bremen einen Spielstil und eine Formation gefunden hat, mit der auf lange Sicht Werder wieder erfolgreicher machen möchte. Mir ist (vielleicht auch aufgrund taktisch/strategischer Unkenntnisse) bislang nicht klar, was eigentlich genau Robin Dutts Plan mit Werder ist…
Koom 2. Oktober 2014 um 10:05
War von Dutt auch noch nie begeistert. Weder bei Freiburg, noch bei Leverkusen fand ich ihn besonders „prägend“, machte mehr den Eindruck eines Mannschaftsverwalters. Bei Bremen hat er Zeit und Ruhe, auch kein großes Verletzungspech bis dato und immer noch erkennt man wenig Struktur, System oder einfach Sicherheit und Selbstbewusstsein in der Mannschaft. Und IMO hat es wenig mit Sparkurs zu tun, denn auch mit wenig Geld (oder gerade dann) kann man sowas aufbauen.
Ein Zuschauer 4. Oktober 2014 um 12:57
Da würde ich dir widersprechen Koom. Dutt hat bei Leverskusen sehr wohl versucht etwas Neues aufzubauen, er hatte nur nicht genug Zeit und auch nicht genug Freiheiten. Die ersten drei Monate seiner Amtszeit hat er da aber ansprechenden, jedoch nicht sonderlich stabilen Offensivfussball spielen lassen. Bei Freiburg hat er wiederum tatsächlich ein sehr gutes und vor allem sehr fluides Offensivspiel praktizieren lassen. Überhaupt ist das meiner Meinung nach das was Dutt am besten beherrscht: mit spielstarken Innenverteidigern sehr schnell ins zweite Drittel und von da dann mit vielen Rochaden zum Torabschluss – sehr schnelles und teilweise auch sehr pragmatisches Offensivspiel (vor allem pragmatische Gegneranpassungen). Was er an Spielermaterial dafür bräuchte sind sehr flexible, einrückende Flügelspieler, ein spielstarker Stürmer der als einzige Spitze spielen kann, aufrückende 6er, spielstarke Innenvertediger. Dummerweise hat es davon bei Bremen halt fast nix. Der Kader ist imo hauptsächlich auf Defensivspiel ausgelegt. Die Innenverteidiger, ja überhaupt die Verteidgung, ist ziemlich spielschwach, Junuzovic ist ein pressingresistener Zuarbeiter und Makiadi ein aufrückender Sechser oder Balancespieler, Kroos ist auch ein Zuarbeiter und Ekici ist leider meistens wirkungslos – es gibt einfach keinen Spielgestalter. Solange sich das nicht ändert wird wohl kein Trainer bei Werder ein konstant gutes Offensivspiel installieren können.