Durch die Saison mit Mainz 05 – Pragmatismus zu Saisonbeginn
Durch den schon behandelten Umbruch und die Neuausrichtung des Spiels in personeller und taktischer Hinsicht ergab sich zu Saisonbeginn eine zentrale Frage: Welche Schwerpunkte setzt Tuchel zu Saisonbeginn, und woran wird er mit seinem Team zuerst arbeiten, um schnell ein hohes Wettkampfniveau zu erreichen?
Nach meiner Einschätzung lässt sich die Prioritätenliste des Mainzer Trainerteams im wesentlichen in drei zentralen Zielsetzungen in abnehmender Wichtigkeit beschreiben:
1. Selbstverständlichkeit in der Arbeit gegen den Ball
Tuchel selbst sprach vor und nach den ersten beiden Saisonspielen von seiner Zielsetzung, innerhalb der ersten Wochen eine „Selbstverständlichkeit im Spiel ohne Ball“ zu erreichen, wie sie unter ihm üblich sei. Konkret heißt diese etwas umständliche Formulierung, dass Tuchel möglichst schnell ein gewisses Minimal-Niveau im Spiel gegen den Ball erreichen möchte. Mainz 05 ist bekannt für seine in der Ausrichtung variable Pressingarbeit, die aber immer mit einer hohen Aggressivität in der Zweikampfführung und starken Kopfballspielern in den zentralen Positionen einhergeht.
Zu Saisonbeginn setzte Tuchel aus pragmatischen Gründen vor allem auf ein reaktives Zustellen wichtiger Mittelfeldräume. Mainz wollte in den ersten Saisonspielen durch eine quasi-Manndeckung in der Zentrale ebendiese kontrollieren, gleichzeitig aber die gegnerische Abwehrkette nur situativ oder in besonderen Spielphasen (zu Spielbeginn oder für kurze, höchstens zehn Minuten dauernde Sequenzen) aktiv und aggressiv unter Druck setzen. Den Rest des Spiels sollten die gegnerischen Aufbauspieler – meist die beiden Innenverteidiger plus ein abkippender defensiver Mittelfeldspieler – weitestgehend in Ruhe gelassen und nur bei schlechten Anspielen gepresst werden.
Mit dieser Ausrichtung provozierte Tuchel bewusst ein weites Aufrücken der ersten gegnerischen Aufbaulinie bis kurz vor die Mittellinie, wodurch sich automatisch das Potenzial für Mainzer Konter signifikant erhöhte. Gleichzeitig konnten die Mainzer Offensivspieler durch ihre reaktive Ausrichtung viele gefährliche Passwege in die Mittelfeldzentrale zustellen, wodurch die Gegner effektiv in lange Bälle oder risikoreiche Flachpässe gezwungen wurden. Auf diese Weise erhöhte sich zum einen die Mainzer Kompaktheit im Mittelfeld und im Spielfeldzentrum, darüber hinaus stieg so die Wahrscheinlichkeit wertvoller Ballgewinne in der Abwehr- und Mittelfeldzentrale, die anschließend für ein schnelles Umschaltspiel über die die Mainzer Konterspieler auf den beiden Flügeln genutzt werden konnten.
Schon im zweiten Saisonspiel in Freiburg, das knapp mit 2:1 gewonnen werden konnte, war Tuchel sehr zufrieden mit der Defensivleistung seiner Mannschaft. Trotz einer Systemumstellung vom 4-2-3-1 des ersten Saisonspiels gegen Stuttgart (3:2) auf eine Mischung aus 4-3-3 und 4-3-1-2 zeigten sich die Mainzer sehr kompakt in der Abwehr und im Mittelfeld, was aber sicherlich auch mit den ebenfalls neu zusammen gestellten Freiburgern zusammenhing. Gegen die hoch favorisierten Wolfsburger überließ Tuchel genauso wie in Freiburg dem Gegner kampflos die Hoheit über den Ball und begnügte sich mit derjenigen über seine eigene Spielfeldhälfte, in der die Wolfsburger dann auch tatsächlich vor allem durch Diagonalbälle aus der Innenverteidigung gefährlich auftauchten. Eine flache Spieleröffnung war gegen die aufmerksamen Mainzer Mittelfeldspieler kaum möglich, und so fanden die beiden zentralen Akteure der Gäste, Luiz Gustavo und Diego, im Spielfeldzentrum kaum ins Spiel.
Im vierten Saisonspiel in Hannover folgte dann die nächste Evolutionsstufe. Die Unsicherheiten der Gastgeber bei der Spieleröffnung sollten dahingehend ausgenutzt werden, dass man sie früh unter Druck setzen und so einige wertvolle Ballgewinne in der gegnerischen Hälfte erzielen wollte, wobei man gleichzeitig dass 96er Angriffsspiel schon in seinen Anfängen verhindern wollte. Auch diese Strategie ging zunächst gut auf und wurde mit dem Führungstreffer belohnt. Anschließend agierten die Mainzer aus einer etwas defensiveren Ausrichtung heraus und pressten lediglich situativ die hinterste Aufbaulinie der Hannoveraner. Auch dies war zunächst erfolgreich und die Gastgeber kamen kaum einmal gefährlich vor das Mainzer Tor.
In der Folge zeigten sich dann allerdings die beiden größten Schwachstellen der Mainzer in dieser jungen Bundesligasaison: Das ist zum einen die relative Schwäche bei gegnerischen Standards, die beim Ausgleich zutage trat, und zum anderen die Anfälligkeit auf den Flügeln, von wo das 2:1 für 96 vorbereitet wurde. Nach der Pause wandte Slomka das Mainzer Prinzip der ersten Saisonspiele gegen sie an und ließ sein Team aus einer tiefen Ausrichtung auf das Mainzer Aufbauspiel reagieren. Hier fehlte es den Mainzern sichtlich an Lösungsmöglichkeiten gegen einen kompakten Gegner. Mit zunehmender Spieldauer wurde man gezwungenermaßen immer risikoreicher und ließ sich in der Schlussphase nahezu klassisch auskontern.
Somit zeigten sich in den ersten vier Saisonspielen zugleich die Möglichkeiten und derzeitigen Grenzen des Mainzer Spiels ohne Ball: Gegen spielstarke Gegner wie den VfL Wolfsburg ist man auch schon zu diesem frühen Saisonzeitpunkt in der Lage, das Zentrum zu kontrollieren und den Gegner in hohe Bälle und risikoreiche Pässe zu zwingen. Auf der anderen Seite ist das Team im Angriffspressing noch deutlich limitiert und profitiert meistens lediglich von individuellem Pressingverhalten (im besonderen dem Nicolai Müllers), und nur selten von kollektiven Automatismen, die noch einstudiert werden müssen. So ergibt sich momentan das Bild einer guten Kontermannschaft mit kompakter Ordnung und sehr ordentlichem Mittelfeldpressing.
Um die von Tuchel gewünschte Flexibilität zu erreichen müssen aber noch weitere Komponenten entwickelt werden: Ein kollektives Angriffspressing und ein effektives Gegenpressing in der gegnerischen Hälfte. In der Länderspielpause dürfte das Trainerteam mit den vielen verbliebenen Spielern an diesen Punkten gearbeitet haben, um die typische Variabilität in der Pressingausrichtung und -variabilität, für die Mainz 05 in der Vergangenheit von Experten geschätzt und von Gegnern gefürchtet wurde, zu erreichen. Ob bereits gegen Schalke 04 eine aktivere und offensivere Ausrichtung zu sehen sein wird, oder ob man sich gegen die favorisierten Gäste zunächst wieder auf eine eher passive Strategie verlässt, bleibt abzuwarten.
Definitiv war zu Saisonbeginn aber bereits die Entwicklung im Defensivspiel zu erkennen. Die Kompaktheit ist hoch, das Zentrum kann gegen fast jeden Gegner kontrolliert werden. Nun gilt es, Optionen im Spiel gegen den Ball zu schaffen, indem das Team sich im Angriffs- und Gegenpressing weiterentwickelt und sich durch das bessere Erlernen von Alternativformationen zum 4-3-3/4-3-1-2 Reaktionsmöglichkeiten auf bestimmte Gegner und Gegenspieler zu eröffnen.
2. Findung einer Hauptformation, die eine ungewöhnliche Antwort auf die aktuellen Trends gibt
Im Gegensatz zu vielen anderen Trainern favorisiert Thomas Tuchel statt eines Stammsystems mit konstanter Grundformation und -ausrichtung eine gewisse Flexibilität bei Formation und Ausrichtung. Trotzdem hat sich auch unter Tuchel spätestens im Saisonverlauf noch in jeder bisherigen Spielzeit ein System herauskristallisiert, das gegen die meisten Gegner zum Einsatz kam. Dies konnte allerdings im Spielverlauf angepasst oder sogar komplett aufgegeben werden und gegen bestimmte Gegner oder in bestimmten Situationen überhaupt keine Anwendung finden.
Bei der Wahl dieses Stammsystems sind für Tuchel vor allem drei Kriterien entscheidend: Das System muss in seiner Ausrichtung variabel umsetzbar sein, es muss plausibel sein für den Einsatz gegen die gängigsten Systeme der anderen Bundesligamannschaften und zuletzt muss es in seinen Vor- und Nachteilen klare Unterschiede zu den „normalen“ Systemen haben, wodurch eine Einstellung der Gegner auf die Mainzer Spielweise immer eine Umstellung bedeuten und eine Schwierigkeit als solche darstellen soll.
In den vergangenen Spielzeiten landete Tuchel mit seinem Team früher oder später fast immer wieder beim 4-3-1-2, in der Allgemeinheit auch als Raute bekannt. Dieses System bietet die Möglichkeit, auch mit spielerischen und/oder körperlichen Nachteilen aufgrund der garantierten zahlenmäßigen Überlegenheit im Mittelfeldzentrum diesen wichtigsten Raum auf dem Spielfeld zu kontrollieren.
Die Nachteile durch die Unterbesetzung der Flügelpositionen glich Tuchel defensiv durch ein aggressives Herausrücken seiner Halbspieler aus dem defensiven Mittelfeld aus und offensiv durch ein weites Vorrücken der Außenverteidiger und teilweise flügelorientierte Besetzungen der Sturmpositionen oder Halbspieler im defensiven Mittelfeld. So ergab sich für Mainz ein System, das den eigenen Stärken entgegen kam und zudem gegen die meisten Gegner effektiv angewandt werden konnte, das vom Gegner gleichzeitig aber auch eine Umstellung einforderte.
So konnten die gängigen Lösungsansätze gegen Mainz häufig nicht verwendet werden oder bedurften zumindest einer Anpassung. Die sich daraus ergebenden Spielsituationen sind den Mainzern aufgrund der Vertrautheit mit dem System bekannt, für die meisten Gegner aber ungewohnt, wodurch die Qualität des Gegners durch die Wahl dieser ungewöhnlichen Formation häufig schon verringert werden konnte.
In dieser Saison ist noch nicht klar, ob Tuchel erneut auf eine Hauptformation zusteuern wird, und wenn ja, wie diese aussehen wird. Es zeigten sich aber in den ersten Saisonspielen bereits seine Sympathien für eine Mischung aus dem bekannten 4-3-1-2 und einem 4-3-3. Wichtigster Spieler in diesem System ist der Spieler in der Zentrale, der wahlweise als offensiver Mittelfeldspieler oder als Mittelstürmer bezeichnet werden kann. Diese Anpassung seines Stammsystems könnte Tuchel deswegen entwickelt haben, weil viele Mannschaften inzwischen mit einem abkippenden defensiven Mittelfeldspieler aus einer Dreierkette heraus aufbauen.
Der offensive Mittelfeldspieler kann sich nun der Spielweise dieses abkippenden Spielers anpassen, und je nach Wunsch eine Gleichzahl in vorderster Linie herstellen, oder eben nicht. So kann von Angriff zu Angriff zwischen Angriffs- und Mittelfeldpressing variiert werden. Genauso bietet sich die Möglichkeit die beiden Stürmer an den Innenverteidigern oder aber an den Außenverteidigern zu orientieren, wodurch das System manchmal auch als 4-5-1 bezeichnet werden muss, weil die beiden Stürmer vor allem gegen Freiburg ihren Gegenspielern phasenweise bis ins eigene defensive Mittelfeld verfolgten.
Überraschenderweise durfte Christoph Moritz nun schon mehrmals diese zentrale Offensivrolle ausfüllen, obwohl er den Experten eher als defensiver Mittelfeldspieler bekannt war. Seine hohe taktische Anpassungsfähigkeit dürfte die Hauptrolle gespielt haben bei der Entscheidung für ihn, zusätzlich natürlich zu seinen Defensivqualitäten. Im Nachhinein erscheint es wahrscheinlich, dass Tuchel nun schon länger dieses System entwickelt und im Kopf hatte und erklärt noch einmal deutlich die Gründe für den Abgang von Andreas Ivanschitz, der in der Moritz-Rolle kaum vorstellbar wäre.
Interessant wird sein, ob die Ausführung dieser Formation in kommenden Spielen auch erste Wahl sein wird, oder ob sich eine gegenteilige Tendenz herauslesen lässt und man sich vielleicht eher in Richtung eines variablen 4-2-3-1 entwickelt. Vieles spricht allerdings für eine Weiterentwicklung des 4-3-1-2/4-3-3-Mixes, da diese Formation ungewöhnliche Antworten gibt, eine hohe Variabilität bewiesen hat und für die meisten gegnerischen Systeme eine passende Antwort darstellen würde.
3. Weiterentwicklung des schnellen Umschaltspiels mit vorgegebenen Passmustern
Nicht umsonst setzen viele spielschwächere Mannschaften auf eine kompakte Grundordnung und ein schnelles Umschaltspiel nach Ballgewinn. Das Risiko dieser Spielweise ist relativ gering, die offensiven Möglichkeiten groß und die fußballerischen Anforderungen vergleichsweise niedrig. Dazu kann man das Umschaltspiel seiner Mannschaft schnell auf hohem Niveau etablieren, weil es nicht annähernd so trainingsintensiv ist wie eine ballbesitzorientierte Spielweise.
So ist es nicht verwunderlich, dass Tuchel nach dem personellen und taktischen Umbruch zunächst an der Entwicklung der defensiven Kompaktheit und einem Grundniveau im Pressingspiel interessiert war. Darüber hinaus setzte er durch die Aufstellung von den Konterspielern Okazaki, Müller und Choupo-Mouting bewusst auf ein schnelles Umschaltspiel bei der Gestaltung der Mainzer Offensive. Gepaart mit dem defensivstarken Zentrum des Teams ergab sich so eine Spielweise mit relativ vielen wertvollen Ballgewinnen im Zentrum, die ein schnelles Umschalten über die blitzschnellen und intelligent laufenden Außenbahnspieler erlaubte.
Neben schnellen Offensivspielern wird bei der Analyse des Konterspiels häufig vergessen, dass noch ein zweiter Spielertyp unabdingbar ist: Der des Wandspielers. Dieser Wandspieler muss nach Ballgewinnen direkt vertikal anspielbar sein und somit eine schnelle Raumüberbrückung garantieren, damit das Team aus den gefährlichen Gegenpressingräumen herauskommt. Optimal ist ein direktes Anspiel des Wandspielers auf einen nachrückenden defensiven Mittelfeldspieler, der dann beide Flügelspieler plus eventuell den zentralen Stürmer als mögliche Anspielstationen für einen Steilpass zur Verfügung hat.
Bei Mainz waren phasenweise gleich zwei Wandspieler aufgestellt, mindestens aber einer. Zimling und Moritz spielten beide als gelernte defensive Mittelfeldspieler eher offensiv. Ihre Ballsicherheit, die ihre bisherige Position verlangt hatte, kam ihnen in der Offensive zugute. Zudem setzten die beiden ihre Spielintelligenz bei der frühzeitigen Positionierung schon vor dem tatsächlichen Ballgewinn ein, und zuletzt zeigte sich vor allem Zimling sehr intelligent beim Nachrücken in die Spitze.
Mit der Aufstellung von mindestens einem Wandspieler und mindestens zwei schnellen Flügelspielern konnte Mainz somit trotz klar erkennbarer spielerischer Limitierung ein ordentliches Offensivspiel zeigen. Gerade gegen den SC Freiburg zeigte sich allerdings, dass dieser Spielweise durch die individuelle Qualität und die begrenzte Anzahl möglicher qualitativ hochwertiger Ballgewinne klare Grenzen gesetzt sind. Tuchel darf also auf keinen Fall auf dieser Spielweise als einzig möglichem Offensivkonzept beharren, sondern muss sein Offensivpotenzial zum einen durch eine Weiterentwicklung des Angriffs- und Gegenpressings und zum anderen durch die verstärkte Arbeit am ballbesitzorientierten Aufbauspiel aus der Innenverteidigung heraus deutlich erhöhen.
Andernfalls bleiben die 05er leicht ausrechenbar und vor allem nach Rückständen vergleichsweise harmlos, wie es zuletzt Hannover 96 eindrücklich bewiesen hat.
In den nächsten Wochen folgen eine Analyse der taktischen Probleme unter Berücksichtigung der Weiterentwicklungen in nächster Zeit sowie eine detaillierte Spielanalyse zu einem der nächsten Bundesligaspiele.
12 Kommentare Alle anzeigen
Filou 10. Oktober 2013 um 11:45
Wann ist hier mit dem nächsten Teil zu rechnen?
TW 17. Dezember 2013 um 12:03
Lieber MB, ich finde es sehr schade, dass die Idee nicht weitergeführt wurde. Von den Rückmeldungen in den Kommentaren ist sie ja sehr gut aufgenommen worden. Woran ist die Weiterführung gescheitert? Ist momentan kein beschreibbares Konzept zu erkennen oder fehlt einfach die Zeit?
Koom 25. September 2013 um 08:31
Grade kriselt es etwas, der Artikel sah das nicht wirklich hervor, zeigte aber die Grundlagen: Tuchel wollte anfangs erst mal Stabilität und Sicherheit reinbringen und auf dieser Basis dann das Spiel entwickeln.
Mich würde mal eine detaillierte Analyse der letzten 4 Spiele interessieren. Die Niederlage gegen Hannover würde ich als durchaus unglücklich bezeichnen, gegen Schalke und Leverkusen verlor man aber „gefühlt chancenlos“ absolut verdient, wie jetzt auch gegen Köln die Offensivkraft nicht vorhanden war.
Ein wenig fehlt mir das angekündigte Umschaltspiel und Offensivpressing, das Tuchel ankündigte. Man presst immer noch relativ spät, ab der Mittellinie und schaltet verhältnismässig langsam um. An sich hat man recht gute Spieler für ein flottes Umschaltspiel.
Meine (nicht fachkundige) Vermutung geht dahin, das der Generationenumbruch weitergehen muss: Die Innenverteidiger, deren Kernkompetenz auf Zweikampf und Stellungsspiel liegt und deren Schwachpunkte Schnelligkeit und Aufbauspiel sind, wird wohl in naher Zukunft auf den Prüfstand kommen. Zwar steht man trotz dieser Schwächen sehr breit und relativ hoch, aber man erzeugt recht wenig Druck auf den Gegner. Generell sehe ich aber die Probleme hauptsächlich vorne: Forechecking findet kaum statt, die Pressingqualitäten von Choupo-Moting, Okazaki und Müller sind mässig. Und von den Alternativen bietet sich dahingehend auch niemand bislang an.
Wolfgang Würz 25. September 2013 um 16:31
Ja, danke für die Analyse der Mainzer: Wie gesagt, es kriselt etwas; allerdings war die Vorstellung gegen Bayer 04 erschreckend und gegen Köln war keine Reaktion zu erkennen. Die Mannschaft wirkt ängstlich und zaghaft, was durch die beiden letzten Niederlagen ggf. noch verstärkt wird. Mainz erlebt jetzt eine Phase, in der Tuchel als Psychologe mehr gefragt ist, denn als Taktikfuchs. Bin sehr gespannt auf die weitere Entwicklung.
Koom 26. September 2013 um 07:20
Gegen Bayer wählte man wohl einfach die falschen Mittel. Man wollte taktisch wohl den Gegner kopieren, der das aber mit mehr Erfahrung und höherer Klasse (vor allem auf den Flügeln) komplett zerlegt hat.
Mainz hat vor 2 Jahren eine ähnliche Saison hingelegt. Da spielte man auch sehr gefällig, fing sich aber permanent Gegentore, obwohl man nicht viel falsch machte – zumindest auf den ersten Blick. Das Problem scheint sich nun auch wieder einzufinden.
Dazu kommt sicherlich auch, das einige neue Spieler auch noch nicht voll da sind. Moritz spielte 2 Jahre fast gar nicht und war das letzte halbe Jahr verletzt und aktuell soll er im Defensiven Mittelfeld „herrschen“. Choupo-Moting war schon immer ne Spur zu eigensinnig und achtet wegen der Verletzungspause noch mehr primär auf sich. Soto ist komplett überspielt. Das sind wichtige Eckpfeiler des Teams. Wenn die nicht funktionieren, fehlen die entscheidenden 10%.
Grundsätzlich bin ich aber nicht in Panik. Tuchel ist ein anerkanntermaßen guter Trainer und gerade bekommt er halt einen Knochen hingeworfen, an dem er nagen muss. Kloppo hat auch sich als Trainer an solchen Situationen abarbeiten müssen und wurde vor allem dadurch der Trainer, der er heute ist. Wenn man von der Arbeit des Trainers überzeugt ist und ihn als motiviert erachtet, dann sollte man ihn machen lassen. Ein Trainerwechsel mag vielleicht die nächsten 3-4 Spiele „besser“ gestalten, aber langfristig kann das sehr viel mehr schaden.
Ergo: Solange Heidel entspannt ist, bin ich es auch. Würde mir wünschen, wenn das alle Mainzer Fans wieder so sehen würden. DAS war das, was 05 von vielen anderen Vereinen und Fans unterschied. Mittlerweile ist Mainz 05 zumindest im Fanbereich nur noch ganz gewöhnlich.
Wolfgang Würz 29. September 2013 um 11:13
Mal schauen, wie lange die Entspanntheit anhält, zumal auch in Berlin die zweite Hälfte enttäuschte, vor allem wieder im mentalen Verhalten. Tuchels taktische Fähigkeiten sind unbestritten, jetzt müssen er und der Verein zeigen wie sie mit Krisen umgehen. Bin auf die nächste Leistung zuhause gespannt.
BG 15. September 2013 um 18:13
Ich musste beim Artikel zeitweise schmunzeln, weil praktisch alles wie auf eine Blaupause auf das gestrige Spiel gegen Schalke gewirkt hat. Die Mainzer, die weitgehend auf ein (Angriffs-)Pressing in vorderster Linie verzichteten , sondern mit einem kompakten Mittelfeldpressing über die drei individuell starken Konterspieler Müller/ Choupo-Mouting/ Okazaki schnell umzuschalten. Wobei man dazu sagen muss, dass der jeweilige Zielspieler in der Formation (bis zu den Wechseln) gefehlt hat: Zimling fehlte verletzt und Moritz spielte diesmal in einer 4-2-3-1/ 4-3-3 Formation häufig sogar als tiefster Mittelfeldspieler im Spielaufbau.
Ich glaube, dass das Mainzer Spiel vor allen daran krankte, dass die Schalker sich ihrerseits überraschend tief und kompakt gaben, den Mainzern praktisch keine Umschaltmöglichkeiten gaben. Aus dem Spiel heraus tun sich die Mainzer dann oft sehr schwer Torchancen zu erarbeiten. Wobei für mich gestern vor allen Dingen Choupo-Mouting bei den Mainzern herausgestochen ist, der trotz seiner Größe eine wirklich sehr beachtliche Technik mitbringt und im 1 vs. 1 Uchida gestern teilweise Knoten in die Beine gespielt hat. Ich glaube, der Junge wird auch für andere Vereine sehr interessant sein; zumal sein Vertrag ausläuft.
Taisumi 15. September 2013 um 22:06
Du hast Recht. Ich habe den Artikel gestern auch vor dem Spiel gelesen und habe ein wenig die beschriebenen Muster des Mainzer-Spiel beobachtet. Ich hatte als Blau-Weißer zu Beginn etwas Bammel davor, dass Schalke mit dem zumachen des Zentrums durch Mainz nicht klarkommen würde. Zumal der Spielaufbau zuletzt eher dürftig war.
Koom 19. September 2013 um 08:40
Choupo-Moting muss nur gerade auch etwas die Balance finden in Sachen Dribbling, Abschluss und Abspiel. Momenten macht er letzteres nur dann, wenn die anderen beiden Optionen komplett ausgeschlossen sind. Aber er hat wirklich große Qualität am Ball, ist schnell und hat einen guten Abschluss.
Gegen Schalke fehlte aber vor allem Zimling als agressiver 10er. Soto ist noch nicht fit. Erst verletzt, dann Weltreise. Sehr schade, an sich ist er einer, der die Qualität von 05 noch mal anhebt, aber so wie es derzeit wirkt, wird er erst in 4-5 Wochen auf diesem Stand sein.
Und das andere Problem: Da lässt Keller einfach Jones draußen. Wie kann man sowas machen? Der war fest eingeplant, das er in der Schalker Defensive Lücken reißt! Und dann sowas!
datschge 14. September 2013 um 11:08
Sehr schönes Nachzeichnen der Entwicklung anhand der bisherigen Spiele. Solche Analysen, die die Gemeinsamkeiten und Änderungen zwischen mehreren Spielen betrachten, lese ich immer wieder gerne.
king_cesc 14. September 2013 um 17:54
Ich wollte auch nur kurz erwähnen, dass ich das Projekt sehr gut finde.
Da ich relativ wenig Spiele von Mainz sehe kann ich aber auch wenig dazu schreiben…
hps 15. September 2013 um 15:33
Schließe mich meinen Vorrednern an, ich finde das Projekt – auch als neutraler Beobachter – wirklich interessant und lesenswert. Einfach unglaublich, was Thomas Tuchel mit diesen begrenzten Mitteln anstellt.
Generell halte ich die Analysen von euch am stärksten, wenn ihr taktische Entwicklungen aufzeigt, bzw. mehrere Spiele einer Mannschaft in Bezug zueinander setzt.
Ein kleiner Hinweis: Man könnte die Artikel der Serie unter einem Schlagwort taggen (schreibt man das so?)